Protocol of the Session on February 22, 2018

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Kolleginnen und Kollegen, ich darf mich sehr herzlich für dieses Gedenken bedanken und darf Sie heute, nach 75 Jahren, darum bitten, neben dieser Debatte, die uns Mut und Kraft gibt, unsere Demokratie zu verteidigen, jetzt noch eine stille Minute einzulegen. Uns ist in dieser Stunde doch sehr deutlich geworden, dass es unser Auftrag ist, dieses Vermächtnis lebendig zu halten – und in die Zukunft zu tragen.

(Die Anwesenden erheben sich)

Ich bedanke mich.

Jetzt darf ich zur gemeinsamen Beratung aufrufen:

(Zurufe: Erst Abstimmung!)

Entschuldigung, erst die Abstimmung. Ich war jetzt von der Debatte so beeindruckt, aber das tut uns in dieser Stunde auch gut.

Wer diesem Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Dann ist das einstimmig beschlossen. Ich darf hier auch die Kollegen Muthmann (fraktionslos) und Felbinger (fraktionslos) noch einschließen, damit das dann im Protokoll so festgehalten ist. Vielen herzlichen Dank.

Jetzt darf ich zur gemeinsamen Beratung den zweiten Dringlichkeitsantrag der Tagesordnung aufrufen:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Joachim Hanisch u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Straßenausbaubeiträge: Rechtssicherheit herstellen - es darf keinen Sinn machen, jetzt noch Straßenausbaubeitragssatzungen zu erlassen oder zu ändern (Drs. 17/20790)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Klaus Adelt, Dr. Paul Wengert u. a. und Fraktion (SPD) Unverzüglich Klarheit schaffen: Was plant die Staatsregierung bezüglich der Straßenausbaubeiträge? (Drs. 17/20838)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erster Redner für die Fraktion der FREIEN WÄHLER ist Herr Kollege Aiwanger. Bitte schön, Herr Kollege.

Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen des Bayerischen Landtags! Der Landtag hat sich nach dem Anstoß der FREIEN WÄHLER auf den Weg gemacht, die Straßenausbaubeiträge in Bayern abzuschaffen. Jetzt sind wir mitten in diesem Prozess und müssen die Dinge sortieren und zu Ende denken.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Sie sortieren gar nichts!)

Wir sind natürlich an einem Punkt angelangt, an dem wieder nachkorrigiert werden muss.

Ich sehe hier die Parallele zur Einführung des neunjährigen Gymnasiums. Da haben wir über Jahre hinweg immer wieder Anträge gestellt, die Dinge zu flankieren und in die richtige Richtung zu drängen sowie Fehlentwicklungen zu verhindern. Am 25. Januar haben wir als Aktuelle Stunde der FREIEN WÄHLER schon das Thema "Rechtsunsicherheit beenden!" gehabt. Ich habe Ihnen damals, heute vor vier Wochen, schon gesagt: Auf uns wird das Thema zukommen, dass Bürgermeister rein aus taktischen Gründen überlegen, Straßenausbaubeitragssatzungen einzuführen. Sie können die Rede nachhören. Die Bürgermeister erhoffen sich davon, sich für die Zukunft besser aufzustellen. Dieser Fall ist mittlerweile eingetreten. Am vergangenen Montag hat Neustadt bei Coburg mit den Stimmen von CSU und SPD eine Satzung auf den Weg gebracht.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Selber schuld!)

Das werfe ich den Beteiligten vor Ort gar nicht vor. Das ist darauf zurückzuführen, dass hier seitens der Staatsregierung und seitens der CSU-Fraktion eine Unsicherheit im Raum ist. Wenn ich hier den Zwischenruf "Selber schuld" höre, dann frage ich mich, warum Sie Ihre Kollegen vor Ort nicht informiert haben. – Haben sich vielleicht Ihre CSU-Stadträte nicht an Sie gewandt? Zumindest ist bis dorthin nicht durchgedrungen, dass von Ihnen noch nicht ausgesprochen worden ist, in welche Richtung wir wollen,

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Ein Blödsinn!)

in welche Richtung Sie wollen. Sie haben sich bis heute noch nicht dazu geäußert,

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Weil sie selber denken, die denken selbst!)

ob es vielleicht doch Sinn macht, jetzt noch irgendetwas zu erlassen; ob es vielleicht doch Sinn macht, bestehende Satzungen nachzuschärfen, um nachher in den Genuss von Ersatzzahlungen zu kommen.

(Zuruf von der CSU: Der Landtag ist kein Europa- parlament!)

Ich unterstelle den Kollegen in Neustadt bei Coburg nicht, dass sie dumm sind, sondern sie haben eben auch nicht mehr Informationen als wir hier. Wir haben Ihnen das schon Ende Januar gesagt. Wie heute sind auch damals von Ihnen nur Hohn und Spott, aber keine Eckdaten gekommen.

Ich habe Ihnen schon damals gesagt, dass es gar nicht darum geht, heute schon den wasserdichten Gesetzentwurf auf den Tisch zu legen. Unser Gesetzentwurf ist noch nicht wasserdicht – und Ihrer ist noch gar nicht in Erscheinung getreten.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Florian Herrmann (CSU))

Unser Gesetzentwurf ist jetzt ein Vierteljahr alt. – Sie wissen außer den Zwischenrufen noch nichts. Sie haben nachher die Zeit, die Dinge zu enthüllen und Klarheit zu schaffen. Nicht mehr und nicht weniger erwarte ich von Ihnen.

Unser Antrag heute zielt darauf ab, den Gemeinden und den Bürgermeistern draußen zu sagen: Liebe Bürgermeister, wir sind im Gesetzgebungsprozess, und am Ende dieses Prozesses gehen wir nach heutigem Ermessen davon aus, dass es jetzt keinen Sinn mehr macht, Satzungen zu ändern oder Satzungen neu zu erlassen.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Aha! Sehr sinnvoll!)

Diese Aussage sind Sie der Öffentlichkeit bisher schuldig geblieben. Deshalb gehen wir mit diesem Antrag rein, und das ist nicht aus der Luft gegriffen.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Das ist eine Verhohnepipelung!)

Herr Herrmann, bitte, Sie können das nachher klarstellen. Ich freue mich auf Ihre Worte. Sie haben mir letztes Mal vorgeworfen, ich würde nur Probleme anschneiden, aber keine Lösungen bringen. Sie haben nicht mal die Probleme erkannt. Deshalb sage ich

Ihnen die Probleme – und sage Ihnen auch die Lösung dazu.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir erwarten von Ihnen als Staatsregierung heute, ähnlich vorzugehen wie vor Kurzem mit dem Brief an die Gemeinden, diese möchten bitte keine Beitragsbescheide mehr erlassen, um kein Durcheinander bezüglich des Verwaltungsablaufs in Gang zu setzen. Genauso erwarten wir von Ihnen heute wenigstens die mündliche Mitteilung, idealerweise am Ende auch einen Brief an die Gemeinden, in dem Sie genau klarstellen: Lieber Bürgermeister, bitte machen Sie keine strategischen Spielchen mehr. Wir bemühen uns darum, eine Lösung zu finden, die auf alle Fälle beinhaltet, dass es heute keinen Sinn mehr macht, eine Satzung zu erlassen oder zu ändern. Wie Sie dann Ihre Satzung gestalten, das ist Ihre Sache.

Wir sagen in unserem Antrag ganz klar, laufende Maßnahmen müssen beitragsfrei sein. Außerdem sollte man die Bürgermeister auf keinen Fall in die Verlegenheit bringen, zu meinen, sie könnten noch einen Vorteil haben, wenn sie sich einen Juristen einladen, wenn sie Satzungen diskutieren, wenn sie einen Gemeinderat mit solchen Dingen behaften, die politisch eigentlich überholt sein sollten.

Bitte sagen Sie das aber auch – nicht mehr und nicht weniger erwarten wir heute von Ihnen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön. – Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Adelt das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich am Dienstagvormittag die Pressemitteilung aus Neustadt bei Coburg und die Mails, die unsereinen tagtäglich von Straßenausbaubeitragsgegnern erreichen, gelesen habe, wusste ich das Thema der Aktuellen Stunde der FREIEN WÄHLER sofort. Das ist erneut ein Antrag, der wirklich abstrus ist.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Der ist nicht abstrus!)

Ich kapiere den Antrag in der Form überhaupt nicht. Herr Kollege Aiwanger, ich kapiere auch nicht den Zusammenhang zwischen den Ausführungen, die am Rednerpult gemacht wurden, und dem, was im Antragstext steht. Die Staatsregierung wird aufgefordert, klarzustellen, dass es keinen Sinn macht, jetzt noch Straßenausbaubeitragssatzungen zu erlassen oder zu ändern, und dies den Kommunen zeitnah mitzuteilen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Genau das habe ich gesagt! Das habe ich dreimal hintereinander gesagt!)

Was soll das überhaupt? – Für mich ist das absurd. Sie haben sogar nachgeschoben, dass das noch nicht in die Kommunalpolitik durchgedrungen sei. Jeder der über 2.000 Bürgermeister weiß genau, was Sache ist, und die Gemeinderäte wissen das auch. Derzeit wird kein Auftrag für irgendwelche Straßenausbauten erteilt, weil keine Rechtssicherheit besteht. Das geben Bürgermeister zu, die eine Woche zuvor noch mit euren Unterschriftslisten unterwegs waren. Das ist für mich völlig absurd. Wenn ein Oberbürgermeister aus Gründen der Vorsicht eine Satzung erlässt und ehrlicherweise gleich dazuschreibt, dass er sie in diesem Jahr nicht mehr anwenden wird, dann zeigt dies die große Not.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Ein SPDOberbürgermeister!)

Ich kann es nicht verstehen. Ich weiß nur, dass es ein Schnellschuss war. So ein Gesetz muss wohlüberlegt sein. Das sage ich sehr deutlich. Der Antrag geht ins Leere.

Wir, die SPD, haben volles Verständnis dafür, dass sich die Staatsregierung die Sachen sehr genau überlegt. Mittlerweile ist es jedoch an der Zeit, Speck zu den Stockfischen zu geben, damit wir auch wissen, was los ist. Die Fragen sind draußen. Wann ist mit der Vorlage des Gesetzentwurfs zu rechnen? An welche Erstattungsregelungen denkt man? Von welcher Höhe an Erstattungen können die Kommunen ausgehen? Es bestehen Unsicherheiten bei der Aufstellung der Haushalte. Die Frage ist: Werden auch Kommunen, die keine Satzung erlassen haben, mit Ausgleichszahlungen bedacht? – Eigentlich brauchen sie diese ja nicht, sonst hätten sie sie vorher schon erhoben. Wie ist es mit denen, die Beiträge hätten erheben können, aber nicht erhoben haben? Welche Regelungen sind für bereits gezahlte Beiträge, für noch nicht vollständig abgerechnete Beiträge, für gestundete Beiträge und für verrentete Beiträge angedacht?

Wir, die SPD, erwarten nicht die Lösung bis ins Detail. Wir sind uns darüber im Klaren, dass die Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzungen mit all ihren Folgen in der nächsten Legislaturperiode noch viele Petitionen nach sich ziehen wird. Dass man Bürgermeister an den Pranger stellt, die nach wie vor nach Recht und Gesetz handeln, kann ich nicht verstehen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Ich habe niemanden an den Pranger gestellt!)

Ihr behauptet, die absolute Kommunalpartei zu sein.