Die richterliche Unabhängigkeit ist das wichtigste Wesensmerkmal eines aufgeklärten Rechtsstaats. Ihr Wert zeigt sich gerade jetzt, in Zeiten, in denen die Unabhängigkeit der Justiz in anderen Mitgliedstaaten der EU massiv eingeschränkt wird. Die richterliche Unabhängigkeit ist aber kein Privileg einer kleinen Kaste von Mandarinen und keine Lizenz zur Willkür. Die Richterinnen und Richter sind nur dem Gesetz unterworfen. Ihre Entscheidungen dürfen nur von Gerichten korrigiert werden, nicht von der Politik. Weil aber auch bayerische Richterinnen und Richter irren und Fehlurteile fällen können, ist ein effizienter Instanzenzug von herausragender Bedeutung. Und gerade da hat es in den letzten Jahren durchaus erhebliche Einschränkungen gegeben. Ich meine, das sollte gesagt werden, wenn es um ein neues Richtergesetz geht, meine Damen und Herren.
Ansonsten unterscheidet sich das neue Gesetz im Wesentlichen vom alten nur dadurch, dass es anders heißt, nämlich nicht mehr nur "Bayerisches Richtergesetz", sondern "Bayerisches Richter- und Staatsanwaltsgesetz", ohne dass an den Inhalten viel geändert worden wäre. Die Formulierung in Artikel 1 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzentwurfs, dass Staatsanwälte und Staatsanwältinnen als Beamte mit ihrer Verpflichtung zur Objektivität rechtsstaatliche Verfahrensabläufe im Strafverfahren garantieren, ist der Versuch, dem Anliegen des Richtervereins entgegenzukommen, der die besondere Stellung der Staatsanwaltschaft auch besonders herausgehoben haben möchte. Dieser Versuch ist aber nicht so richtig gelungen. Natürlich sind Staatsanwälte bedeutende Organe der Rechtspflege, wie es in der Begründung heißt. Dennoch sind sie an Weisungen ihrer vorgesetzten Behörde gebunden. Eine ganz andere Frage ist, ob und wie umfangreich von dem externen Weisungsrecht des Justizministers im Einzelfall Gebrauch gemacht werden soll.
Die Staatsanwaltschaft ist keine Kavallerie der Justiz, die gegen das Böse in der Welt in die Schlacht zieht, auch wenn sich manche Staatsanwälte gerne in dieser Rolle sehen und sich hierbei gelegentlich vergaloppieren, wie das Landgericht München I vor Kurzem in erstaunlicher Deutlichkeit in dem Amtshaftungsverfahren eines Beamten der Soko Labor festgestellt hat.
Meine Damen und Herren, richtigerweise heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs, dass die Trennung zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht eine wesentliche Errungenschaft des Rechtsstaats ist. Dabei bleibt es auch. Abgesehen von den bereits angesprochenen neuen Regelungen soll mit dem neuen Gesetz im Grundsatz aber alles so bleiben, wie es seit Jahrzehnten ist, dass nämlich die Elitenbildung sowohl in der ordentlichen Justiz als auch in den Fachgerichtsbarkeiten intransparent und für die Betroffenen eigentlich unwürdig ist – siehe ganz aktuell das Beispiel der Besetzung der Position des Präsidenten des Finanzgerichts München –, dass das Ministerium, nicht die Richterschaft selbst über Beförderungen entscheidet und dass keine Bereitschaft besteht, dem Präsidialrat mehr Befugnisse zu geben.
Schritte in Richtung hin zu mehr Selbstverwaltung der Dritten Gewalt sind nicht erkennbar; eine stärkere Beteiligung der Richter und Staatsanwälte selbst auch nicht. Eine Beteiligung des Parlaments bei der Anstellung und der Zuweisung höher dotierter Stellen, wie sie in anderen Ländern durchaus üblich und nicht zum Schaden der Justiz ist, soll es auch weiterhin nicht geben. Wir begrüßen die Schaffung eines IT-Rats und halten die Regelungen über die Neutralitätspflicht für richtig und sind der Meinung, dass Glaubens- und Bekenntnisfreiheit eines Richters notwendigerweise dahinter zurückstehen müssen.
Da sich die CSU-Fraktion nicht in der Lage gesehen hat, auch nur einen einzigen unserer – wie ich meine: durchaus begründeten – Änderungsanträge ernsthaft zu diskutieren oder gar anzunehmen, und es offensichtlich keine Bereitschaft gibt, gemeinsam ein neues Richter- und Staatsanwaltsgesetz zu beschließen, was ich bedaure, können Sie nicht erwarten, dass wir dem Gesetzentwurf zustimmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Leben und leben lassen, das ist das Motto bei uns in Bayern. Wir sind froh, dass wir in einer freien Gesellschaft
leben, die von Mitmenschlichkeit, Vernunft, Gleichheit und Freiheit geprägt ist. Wenn man aber in einer solch freien Gesellschaft lebt, dann braucht es eine Ordnung, die für alle gilt, eine Rechtsordnung. Das nennt man dann den Rechtsstaat. Der Rechtsstaat muss sich auch Geltung verschaffen; dafür hat man die Organe der Rechtspflege, die unabhängigen Richter, Staatsanwälte und auch selbstständige Rechtsanwälte.
Das Gesetz, das heute verabschiedet werden soll, stammt aus dem Jahr 1965. Es ist also an der Zeit, dass dieses Gesetz erneuert wird. Uns gehen die Erneuerungen allerdings nicht weit genug. Von der Besetzung der höchsten Richterämter war schon die Rede. Sie sollte nicht aus der Staatskanzlei, sondern aus der Richterschaft selbst erfolgen. Hinzu kommt, dass es in der Justiz nicht nur die Pflicht zur Fortbildung geben soll, sondern auch den Anspruch auf Fortbildung für Richter und Staatsanwälte, damit sie ein adäquates Gegenüber zur immer stärkeren Fachanwaltschaft sein können.
Die Frage der Selbstverwaltung der Justiz wurde in diesem Gesetzentwurf völlig ausgeblendet. Wenn wir aber einen starken Rechtsstaat haben wollen, dann brauchen wir mehr Richter und Staatsanwälte. Wir brauchen aber auch eine bessere Sachmittelausstattung, und das gilt auch für die Staatsanwaltschaft. Zu einem modernen Rechtsstaat gehören schließlich auch die digitale Akte und der digitale Rechtsverkehr.
Ein Punkt, auf den ich noch besonders eingehen möchte, sind die religiösen Symbole. Diesen Passus würde ich aus dem Gesetz am liebsten ganz herausstreichen.
Ich sagte es bereits in der Ersten Lesung: Hier wird eine Tür aufgestoßen, die man besser geschlossen hätte. Hier führen Sie durch die Hintertür letztlich die Laïcité ein. Vor einigen Wochen hatten wir den Fall, als beim Amtsgericht Miesbach ein Kreuz abgehängt worden ist. Jener Richter hat sich auf dieses Gesetz berufen, zu dem noch die Diskussion geführt wurde, das gar nicht beschlossen war. Er hat sich auf dieses Gesetz berufen und das Kreuz mit dieser Begründung abhängen lassen. Das Kreuz im Gerichtssaal hat für mich aber eine Bedeutung. Zum einen ist es immer der Hinweis an den Richter, an denjenigen, der richtet, dass hier einer unschuldig verurteilt worden ist. Das Kreuz appelliert im Grunde an die Vernunft des Richters, aufzupassen und vorsichtig zu sein. Zum anderen ist das Kreuz das Symbol für das Höchste und das Niedrigste im Menschen. Es bedeutet, dass
der Mensch seine Würde nicht verlieren kann, egal, ob er gesund oder krank ist, ob er arm oder reich ist. Es behält seine Würde, und das zeigt dieses Kreuz. Deshalb ist es nicht nur ein religiöses Symbol, sondern es ist das Symbol für Artikel 1 des Grundgesetzes.
Nein, es steht für Artikel 1 unseres Grundgesetzes, wonach die Würde des Menschen unantastbar und unauslöschlich ist. Wenn man das Kreuz entfernt, dann entfernt man in meinen Augen auch das Grundgesetz aus dem Gerichtssaal.
Deshalb hat das Kreuz nach meiner Meinung einen Platz im Gerichtssaal. Deshalb sollte man sich schon überlegen, ob man das hier im Gesetz angreift. Meine Damen und Herren von der CSU, was Sie mit einer Leitkultur aufbauen wollen, das zerstören Sie mit diesem Gesetz.
Bitte bleiben Sie am Rednerpult, Herr Kollege Streibl, wir haben eine Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Gote.
Herr Kollege Streibl, grundsätzlich stimme ich Ihnen zu. Ich werde nachher noch begründen, dass dieser Artikel völlig überflüssig ist. Sie haben aber so geredet, als hätten wir ein Gesetz dafür, dass es Kreuze im Gerichtssaal gibt. Das haben wir aber gar nicht.
Es gibt keine gesetzliche Regelung dafür, dass Kreuze im Gerichtssaal hängen. Es liegt in der Verantwortung des einzelnen Gerichtspräsidiums oder auch des Präsidenten oder auch in der Verantwortung des einzelnen Richters, so wie wir das in Miesbach erlebt haben. Was Sie hier ausgeführt haben, ist ja schön und gut; es ist gut, wenn Sie das so sehen. Ich weiß, Sie sind Christ, ich bin Christin, ich kann das auch so sehen. Wir können aber doch nicht die Augen davor verschließen, dass das die Interpretation von Christen ist. Wir haben aber nun einmal Religionsfreiheit in diesem Land. Deshalb können Sie diese Interpretation nicht als Begründung für ein Gesetz verwenden oder für eine Gesetzes- oder Rechtslage in einem religiös neutralen Staat. Das geht einfach nicht. Das kann man so nicht machen.
Sehr geehrte Frau Kollegin Gote, wenn Sie so argumentieren, dann könnte ich auch sagen: Damit kann man Artikel 1 des Grundgesetzes abschaffen.
(Zuruf von der SPD: Das stimmt doch nicht! – Volkmar Halbleib (SPD): Das ist aber nicht haltbar, Herr Kollege! – Unruhe bei der SPD und den GRÜNEN)
Wenn man damit das Bewusstsein schafft, dass der Mensch etwas ganz Besonderes ist, mit einer ganz besonderen Gabe und mit einer besonderen Ausstattung, dann sollte auch in einem Gerichtssaal zur Geltung kommen: Hier hat man es mit einzelnen Menschen zu tun, egal ob jemand schuldig oder unschuldig ist, er bleibt ein Mensch. Deshalb ist das für mich in sich schlüssig und logisch.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen in Bayern eine starke Justiz, die unsere rechtsstaatlichen Grundsätze ohne Ansehen der Person in unserer Gesellschaft verteidigt. Um die Qualität der Rechtsprechung zu erhalten und gegebenenfalls zu verbessern, müssen in Bayern eingefahrene Strukturen überprüft und einer Qualitätskontrolle unterzogen werden. Die Novelle des Bayerischen Richter- und Staatsanwaltsgesetzes wäre eine Chance gewesen, genau dies gründlich und umfassend zu tun. Leider haben Sie diese Chance nicht genutzt. Das Gesetz ist kein großer Wurf geworden. Die Realität bleibt hier weit hinter Ihren Ankündigungen zurück, Herr Minister. Wir halten dieses Gesetz insgesamt nicht für zeitgemäß und auch nicht für zukunftsfähig. Einzelne Regelungen sind außerdem schlichtweg überflüssig. Sie stehen auch aufgrund einer ganz anderen Motivation im Gesetz als der, die Justiz modernisieren zu wollen.
In den letzten Jahren kam es immer wieder auch zu Fehlern und Skandalen. Darauf hat Herr Schindler schon hingewiesen. Auch die bayerische Justiz kann Fehler machen. Die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse hier im Haus zu Skandalfällen, beispielsweise zu der Unterbringung von Herrn Mollath oder zum Geschäftsgebaren des Großlaborunternehmers Schottdorf, haben gezeigt, dass Bayerns Justiz auch eine gute Fehlerkultur braucht. Vor allem durch informelle Weisungen oder mündlich gegebene Hinweise und durch Berichtspflichten wird eine klare Zurechenbarkeit der Verantwortung manchmal verschleiert, und es kommt zu mangelnder Responsivität der Justiz gegenüber der Öffentlichkeit.
In Bayerns Justiz gibt es derzeit strukturell weder institutionelle noch personelle Unabhängigkeit. Die Abhängigkeit der Karrieren von Richterinnen und Richtern, von Staatsanwältinnen und Staatsanwälten von Entscheidungen der politischen Spitze der zuständigen Ministerien hat negative Auswirkungen. Sie verstärkt Korpsgeist, eine mangelnde Kultur der Korrektur eigener Fehler und vor allem die Tendenz zum vorauseilenden Gehorsam. Für die Durchsetzung notwendiger Reformen und für die Stärkung der Stellung der Justiz wäre es sinnvoll gewesen, die derzeit breit aufgeteilten Zuständigkeiten im Justizministerium in einem Rechtspflegeministerium zusammenzuführen, das alle Gerichtszweige organisiert und die Interessen der gesamten Justiz vertritt. Das Prinzip der Gewaltenteilung wird in Bayern bei der Verwaltung der Rechtsprechung durchbrochen. Die Justiz wird von der Exekutiven verwaltet. Das stellt für die inhaltliche und innere Unabhängigkeit der Rechtsprechung eine Gefahrenquelle dar. Viele Experten und Expertinnen fordern seit Langem aus guten Gründen eine selbstverwaltete Justiz.
All dem treten Sie aber nicht näher. Wir haben auch schon in der Vergangenheit entsprechende Vorschläge gemacht. Das wäre der richtige Weg gewesen, um der bayerischen Justiz mehr Autonomie zu geben.
Eine sich selbst verwaltende Justiz wäre und ist der Garant des demokratischen Rechtsstaats. Die Justiz sollte deshalb künftig in autonomen Strukturen ihre eigenen Angelegenheiten selbst verwalten, ihren Finanzbedarf selbstständig ermitteln und in die Haushaltsberatungen einbringen können. Das alles gehen Sie überhaupt nicht an, auch nicht mit kleinen Schritten.
Überflüssig und rein populistische Symbolpolitik ist Ihr eben schon diskutierter Artikel 11 zur Kleiderordnung. Natürlich muss die Justiz neutral sein. Ich finde es auch richtig und gut, religiöse Symbole aus den Gerichten herauszuhalten. Ich habe gar kein Problem damit zu sagen, im Gerichtssaal sollen keine religiösen Symbole sein. Dann gilt das aber bitte schön für alle.