Protocol of the Session on February 7, 2018

(Siehe Anlage 1)

Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. des jeweiligen Abstimmungsverhaltens seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste ein

verstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD, der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Sehe ich keine. Stimmenthaltungen? – Auch nicht. Fraktionslose Abgeordnete sind nicht anwesend. Dann hat sich das erübrigt. Damit übernimmt der Landtag diese Voten.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Petra Guttenberger, Josef Zellmeier u. a. und Fraktion (CSU) Familiennachzug weiterhin aussetzen! Keine Verschärfung der ungleichen Lastenverteilung innerhalb der EU bei der Überarbeitung der Dublin-III-Verordnung! (Drs. 17/20579)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Recht auf Familie darf nicht zum Gnadenrecht verkommen (Drs. 17/20597)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Angelika Weikert, Doris Rauscher u. a. und Fraktion (SPD) Für eine ausgewogene Regelung des Familiennachzugs (Drs. 17/20598)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erster Redner ist der Kollege Zellmeier von der CSU. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Subsidiärer Schutz für Flüchtlinge bedeutet eingeschränkter Schutz. Jährliche Überprüfung bedeutet, erstes Ziel ist die Rückkehr, sobald die Kampfhandlungen beendet sind und man wieder im eigenen Land leben kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb ist der Beschluss des Deutschen Bundestages von vergangener Woche absolut richtig, den Familiennachzug für diese subsidiär Geschützten weiter auszusetzen und ihn dann ab 01.08. zu beenden. Genau diesen Beschluss würdigen wir mit unserem Antrag, indem wir sagen, ja, es ist richtig klarzumachen: Wer nur eingeschränkt geschützt ist, wer keine persönliche Verfolgung zu befürchten hat, der soll zurückkehren. Familiennachzug kann in diesen Fällen eigentlich nur als Ausnahme vorkommen, nicht

in der Regel. Natürlich ist es bei einer Koalition wie so oft notwendig, Kompromisse zu machen. Das haben wir getan, indem wir einem Kontingent von 1.000 Familienzusammenführungen im Monat zugestimmt haben. Das ist ein Kompromiss, der akzeptabel ist, wenn er auch nicht direkt unserem Wunsch entspricht, aber akzeptabel, um eine Bundesregierung zu bekommen, die für unser Land dringend notwendig ist.

Natürlich ist der Familiennachzug ein schwieriges Thema; denn Familien stehen unter besonderem Schutz. Das ist richtig. Jedoch muss man hier sehr stark zwischen Verantwortungs- und Gesinnungsethik unterscheiden; denn eines ist auch klar: Wir brauchen ein Land, das fähig ist, Flüchtlinge zu integrieren. Wir brauchen ein Land, das in seiner Integrationskraft nicht überfordert wird, und wir brauchen eine klare Aussage an die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, dass wir das, was subsidiärer Schutz bedeutet, nämlich schnellstmögliche Rückkehr nach Ende des Krieges, auch umsetzen. Deshalb hat die Familienzusammenführung im Heimatland für uns immer Vorrang und steht an erster Stelle.

Der voraussetzungslose Nachzug, so wie ihn die linke Seite dieses Hauses gerne hätte, nämlich ohne Wohnung, ohne Arbeit, ohne Sprachkenntnisse – diese können demnach nachgeholt werden –, ist ein großes Hindernis für die Integration; denn Integration benötigt vor allem eine Grundlage, nämlich dass man sein Leben selbst gestalten kann. Deshalb ist aus unserer Sicht der Familiennachzug bestenfalls dann vorstellbar, wenn jemand die Voraussetzungen hat, seine Familie selbst zu ernähren, um selbst sein Leben zu gestalten, ohne staatliche Hilfe.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen mit Sicherheit, dass in der Bevölkerung weitgehend nicht bekannt ist, dass der Familiennachzug, egal ob nach der Genfer Konvention oder subsidiär, momentan erfolgen kann, obwohl keinerlei Voraussetzungen vorliegen müssen. Wenn die Bevölkerung das wüsste, würde sie sehr schnell "So nicht" sagen; denn bei einer normalen Familienzusammenführung, wie wir sie außerhalb des Flüchtlingsbereichs haben, werden sehr wohl Wohnung und Arbeit verlangt und wird verlangt, dass der nachziehende Ehepartner Sprachkenntnisse hat. Das wird sogar geprüft. Ich habe selber bei mir im Abgeordnetenbüro einen Fall gehabt, wo einem Ehepartner der Nachzug verweigert wurde. Der Ehemann war Russlanddeutscher, der sehr wohl seine Familie ernähren konnte. Aber die Ehepartnerin hatte den nötigen Sprachtest nicht bestanden.

Da sieht man, wie unterschiedlich das gehandhabt wird. Menschen, die hier schon lange angekommen sind und ihren Ehepartner oder ihre Ehepartnerin

nachholen wollen, haben Schwierigkeiten dabei, wenn nicht alle Voraussetzungen gegeben sind, und bei Neuankömmlingen aus völlig anderen Kulturkreisen mit schwierigen Startvoraussetzungen geht das ohne Erfüllung dieser nötigen Grundbedürfnisse. Das ist aus unserer Sicht nicht der richtige Weg. Der gesunde Menschenverstand alleine sagt schon, dass derjenige, der sich anstrengt, die Familie nachholen können soll, nicht derjenige, der keinerlei Voraussetzungen dafür erfüllt. Es bringt nichts, wenn ein staatlicher Hilfsempfänger noch viele andere nachzieht. Deshalb hatten wir immer Bedenken gegen diese Regelung und sind froh, dass der Familiennachzug jetzt ab 01.08. in der bisherigen Form, so wie er drei Jahre lang existiert hat, beendet wird und wir nur noch über Hilfskontingente reden, über die man im Rahmen einer humanitären Verantwortung natürlich immer diskutieren kann.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, in der öffentlichen Debatte fehlt mir auch sehr stark die Erkenntnis, dass der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte erst 2015 eingeführt wurde. Der deutsche Gesetzgeber wusste in der Vergangenheit sehr wohl, was er tat, als er diesen Nachzug nicht generell geöffnet hat. Auch die Europäische Union verlangt ihn nicht. Das heißt, wir haben hier in Deutschland eine Sondersituation, dass wir als in der Flüchtlingskrise am stärksten belastetes Land mit mehr als 50 % der Aufnahmen in ganz Europa auch noch einen Familiennachzug ermöglichen, den es so woanders nicht gibt. Deshalb ist es, wie gesagt, richtig, diesen Kompromiss zu schließen, den Familiennachzug als Rechtsanspruch zu beenden und im Rahmen von humanitären Kontingenten einen akzeptablen Kompromiss zu finden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitgehend unbekannt in der Öffentlichkeit ist auch, dass wir bereits 500.000 nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannte Flüchtlinge haben, die jetzt schon einen Anspruch auf Familiennachzug haben. Die Zahlen wurden erst vor Kurzem im "Münchner Merkur" publiziert. Der Familiennachzug für alle in Deutschland lebenden Ausländer war 2015 für 70.000 Menschen möglich, mittlerweile sind es 118.000. Die Hälfte davon sind Syrer und Iraker. Das heißt, Familiennachzug findet in nicht unerheblicher Größenordnung statt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein weiterer Aspekt unseres Antrags ist ein gerechter Verteilmechanismus in Europa. Deutschland darf nicht mehr der Hauptlastträger der Flüchtlingsbewegungen sein. Wir sind ein starkes und ein großes Land. Es gibt aber keinen Grund dafür, dass unser Land mehr als die Hälfte der Flüchtlinge in Europa aufnehmen soll, obwohl der Anteil der Bevölkerung nur zwischen 15 % und 16 % be

trägt. Deutschland darf nicht mehr die Hauptlast tragen.

Eines muss auch beachtet werden: Wenn die Europäische Union über Änderungen, über Dublin III nachdenkt, müssen wir ganz klar darauf hinweisen, dass die illegale Einwanderung auf ein Minimum beschränkt werden muss. Die Europäische Union muss die Grenzsicherung vorantreiben. Nur dann funktioniert eine Verteilung, wenn die Mitgliedstaaten und auch die Menschen in den Mitgliedstaaten wissen, dass die Zahlen begrenzt sind und ein Land mit diesen Zahlen zurechtkommen kann.

Als weiterer Punkt ist in unserem Antrag der Familienbegriff enthalten. Das Europäische Parlament hat eine Ausweitung des Familienbegriffs beschlossen, Gott sei Dank nur als Empfehlung, aber immerhin hat es sie beschlossen. Eine Ausweitung des Familienbegriffs kommt für uns nicht in Frage. Für uns gilt: Ein Nachzug ist nur für die Kernfamilie möglich.

(Beifall bei der CSU)

Zur Kernfamilie gehören Ehepartner, Eltern und minderjährige Kinder, aber auf keinen Fall volljährige Geschwister, sonstige Verwandte, Großeltern, etc. Wir wollen, dass die Kernfamilie nachzugsberechtigt bleibt. Eine Ausweitung geht aber in die völlig falsche Richtung. Im Übrigen müssen auch – das habe ich vorhin gesagt – in der Europäischen Flüchtlingsrichtlinie klare Anforderungen festgeschrieben werden. Klargelegt werden muss, dass Wohnung, Arbeit, Sprachkenntnisse und Integrationsbereitschaft wichtige Voraussetzungen sind, um den Familiennachzug beanspruchen zu können. Alles, was dem nicht entspricht, lehnen wir ganz entschieden ab.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen. Er geht in die richtige Richtung. Er begrüßt, dass wir den Nachzug beenden und auf Kontingente umstellen. Wir lehnen die Anträge der GRÜNEN und auch der SPD ab. Der Antrag der GRÜNEN geht in die völlig falsche Richtung. Er spricht davon, dass Familiennachzug kein Gnadenrecht sein darf. Er fordert eine gnadenlose Erweiterung des Familiennachzugs. Das ist genau das Gegenteil dessen, was unser Land braucht und was der Integration dient. Die GRÜNEN sind weit weg von der Realität, zumindest die GRÜNEN hier im Bayerischen Landtag; denn bei den Sondierungen für Jamaika im vergangenen Jahr waren die Bundes-GRÜNEN der Realität schon wesentlich näher.

(Markus Rinderspacher (SPD): Das gibt es auch anderswo!)

Auch den SPD-Antrag lehnen wir ab, lieber Kollege Rinderspacher. Er ist zwar nicht direkt falsch, aber er macht nicht klar und deutlich, dass damit der Familiennachzug für die subsidiär Schutzberechtigten zu Ende ist. Er umschreibt das und begrüßt die Regelung. Damit könnten wir zwar noch leben, aber der Antrag ist nicht so formuliert, wie wir es uns vorstellen; denn es muss ganz eindeutig und klar gesagt werden – das erwarte ich auch von Ihnen –, dass der Familiennachzug in der bisherigen Form nicht weitergeführt werden kann, weil er in die falsche Richtung geht. Wenn Sie zu einer Umformulierung bereit wären, könnten wir darüber nachdenken. In der jetzigen Form können wir nicht zustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Die nächste Rednerin ist die Kollegin Kamm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Unser Recht auf Familie darf nicht nur für bestimmte Familien gelten, sondern es muss für alle gelten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Familie ist zu Recht grundrechtlich geschützt. Eine Verlängerung der derzeit ohnehin schon sehr langen Wartefrist von zwei Jahren beim Familiennachzug – da kommt noch einiges dazu; denn die Visaerteilung dauert auch immer sehr lang – widerspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wer bei uns subsidiären Schutz bekommen hat, hat ihn bekommen, weil in seinem Heimatland nach wie vor und auf nicht absehbare Zeit Krieg herrscht oder weil in seiner Heimat eine Diktatur herrscht, in der Menschen verhaftet und gefoltert werden. Zudem wütet im Norden Syriens das türkische Militär mit deutschen Waffen. Opfer dessen sind viele Zivilisten und Vertriebene, sodass die Menschen in der Region Afrin dringend auf Hilfe warten und hoffen. Sie brauchen humanitäre Hilfe und medizinische Hilfe für ihre Krankenhäuser. Dort herrscht eine furchtbare Situation, und Sie sprechen davon, dass der Krieg dort bald zu Ende ist. Was für ein Witz!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Flüchtlinge in Deutschland haben Angst um ihre Familienangehörigen und vermissen sie. Die Kirchen fordern, dass Flüchtlinge ihre Kinder oder Ehegatten nachholen dürfen.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Hört! Hört!)

Auch der Vertreter des UNHCR stellt fest, dass subsidiär Schutzberechtigte ein vergleichbares Schutzbedürfnis haben wie Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Dabei handelt es sich nicht um einen temporären Status, weil die Bedrohungen für Leib und Leben oder die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen leider über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, andauern, sodass Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention und subsidiär Schutzbedürftige letztendlich gleichzustellen sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihre Verweigerung des Familiennachzugs widerspricht zudem Ihrem Ziel, irreguläre Migration zu verhindern. Viele Familienangehörige, Frauen und Kinder, begeben sich auf die gefährlichen Fluchtrouten. Gerade die, die am stärksten Schutz bedürfen, sind auf der Flucht viel mehr vom Tod bedroht als gesunde Männer, die jetzt schon hier sind. Ein neunjähriges Mädchen, das wir in Idomeni getroffen haben, hat mir ein Bild gemalt, das ich Ihnen kurz zeigen möchte. Man sieht auf diesem Bild – –

Frau Kollegin, das ist verboten. Sie wissen doch ganz genau, dass man Bilder hier nicht zeigen darf. Legen Sie es bitte wieder ab.

Es ist das Bild eines neunjährigen Mädchens. Auf diesem Bild sieht man ertrunkene Kinder, ein ertrunkenes Baby und ein Grab am Ufer des Meeres. Das hätten Sie sich bitte anschauen sollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sichere Fluchtwege können Tote verhindern und den Schleusern das Geschäft nehmen. Sie verweigern es aber, sichere Fluchtwege zu schaffen, die für den Familiennachzug für solche Betroffene erforderlich wären.

Meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, hören Sie bitte einmal zu und lesen Sie die Anträge genau. Hören Sie endlich auf, in AfD-Manier

(Dr. Otto Hünnerkopf (CSU): Na! Na! Na! – Widerspruch der Abgeordneten Gudrun Brendel-Fischer (CSU))

Falsches als Tatsachen zu behaupten, Ängste zu schüren und den Eindruck zu erwecken, wir hätten hier eine Situation, die nicht beherrschbar ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)