Insgesamt ist die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus Syrien ein Armutszeugnis der deutschen Flüchtlingspolitik. Die Konsulate sind hoffnungslos überlastet. Die Umsetzung der humanitären Maßnahmen ist dringend geboten und muss beschleunigt werden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns einig: Die schreckliche Situation in Syrien und die schwierige Lage der in die Anrainerstaaten geflohenen Menschen macht uns alle tief betroffen. Wir sind uns alle einig, dass den Menschen geholfen werden muss. Das ist ein Gebot der Menschlichkeit und der christlichen Nächstenliebe.
Fakt ist aber, Frau Kamm: Deutschland kommt dieser Aufgabe nach, und zwar vorbildlich, wie auch von der UNHCR bestätigt wird.
Wir sind das größte Geberland und leisten humanitäre Hilfe vor Ort. Seit 2012 wurden 440 Millionen Euro bereitgestellt. Des Weiteren nimmt Deutschland in Europa zusammen mit Schweden die meisten syrischen Flüchtlinge auf. Allein im Jahr 2013 wurden fast 12.000 Syrer im Asylverfahren aufgenommen. Im Januar 2014 waren es zusätzlich 1.700 Menschen. Daneben hat die Innenministerkonferenz beschlossen, 10.000 syrischen Flüchtlingen im Rahmen der humanitären Bundesprogramme Schutz zu gewähren. Von den auf Bayern entfallenden 1.520 Menschen sind bisher 320 angekommen. Die Abwicklung der Bundesprogramme liegt in den Händen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. In Deutschland sind es insgesamt 3.500 von 10.000 Flüchtlingen.
Das zweite Bundesprogramm richtet sich vorrangig an Verwandte von in Deutschland lebenden Syrern. Das ist der Wunsch Bayerns. Unser Wunsch ist aber auch, dass vorrangig Flüchtlinge aufgenommen werden, für die hier lebende Verwandte zumindest einen Beitrag zum Lebensunterhalt beisteuern. Frau Kamm, es ist falsch, dass wir den Nachweis für die Übernahme des kompletten Lebensunterhalts verlangen.
Es zeichnet sich ab, dass die Plätze des zweiten Kontingents nicht reichen werden. Ich gehe davon aus, dass die Innenministerkonferenz die bisherigen Auf
nahmen evaluiert und die weitere Vorgehensweise bespricht. Für ein weiteres bayerisches Aufnahmeprogramm sehe ich derzeit keinen Bedarf. Es macht überhaupt keinen Sinn, für ein und dieselbe Personengruppe verschiedene Programme mit unterschiedlichen Anforderungen einzurichten. Bei den anderen Landesprogrammen, die mir bekannt sind, sind die Hürden wesentlich höher als im Bundesprogramm. Keines dieser Programme ist erfolgreich gewesen.
Mich wundert, dass Sie auf den eigentlichen Kern Ihres Antrags relativ wenig eingegangen sind. Ein Programm, das ohne Obergrenze allen Familienangehörigen bis zum vierten Verwandtschaftsgrad offensteht, ohne dass auch nur ein Teil des Lebensunterhalts durch hier lebende Verwandte übernommen wird, übersteigt unsere Aufnahmekapazitäten. Man muss wissen, dass in Bayern weit mehr als 3.000 Syrer leben. Ihr Antrag würde einen völlig ungesteuerten Zugang von Tausenden von Menschen bedeuten. In Syrien leben großenteils Großfamilien. Wir alle wissen deshalb, was der vierte Verwandtschaftsgrad bedeutet. Ich weise darauf hin, dass Staat und Kommunen bereits jetzt vor enormen Herausforderungen stehen. Dies gilt vor allem für die Bereitstellung von Unterkünften.
Abschließend darf ich sagen: Bayern steht zum humanitären Flüchtlingsschutz. Das, was Deutschland durch humanitäre Hilfe vor Ort und durch Aufnahme syrischer Flüchtlinge leistet, ist beispiellos. Dies wird auch vom UNHCR bestätigt. Allerdings müssen wir uns auch dessen bewusst sein, dass wir nicht alle dort in Not geratenen Millionen von Menschen bei uns aufnehmen können. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! Eigentlich wollte ich den Tag der Muttersprache zum Anlass nehmen, heid boarisch zum redn. Ich fürchte aber, das wird falsch verstanden und eher lustig gesehen. Drum red i liaber hochdeitsch, soweit i des ko.
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, der Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN, den wir unterstützen, verlangt eine Landesaufnahmeanordnung für Familienangehörige von in Bayern lebenden syrischen Staatsangehö
rigen. Wir unterstützen dieses Anliegen. Wir wollen das auch. Leider hat der Arabische Frühling nicht weiter geblüht, sondern unermessliches Leid über die Menschen und über die Region gebracht, über ein Land, das halb so groß ist wie Deutschland und von einem Bürgerkrieg erschüttert wird. Ich habe mir nur ein paar Zahlen herausgesucht, um das Ausmaß deutlich zu machen. 140.000 Todesopfer sind zu beklagen. Zwei Millionen Menschen sind aus dem Land geflohen. Innerhalb Syriens sind auch noch ein paar Millionen auf der Flucht. Deshalb sollten wir uns schon überlegen, ob es unsere Aufgabe und Verpflichtung ist, für diese Menschen Verantwortung zu übernehmen und für sie zu sorgen.
Der kleine Libanon mit 4,2 Millionen Einwohnern hat 1,2 Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Es ist beschämend, wenn sich ein so starkes Land wie Deutschland heraushält. Zu Bayern sage ich auch noch etwas.
Ich bin der Meinung, dass es unsere Pflicht ist, Menschen zu helfen, die in Not geraten sind. Das scheint wohl auch so zu sein; denn niemand verlässt seine Heimat freiwillig. Der Verwandtennachzug ist dabei eine Möglichkeit, zu helfen. Ich verstehe die zögerliche Haltung der Bayerischen Staatsregierung nicht. Ich bedauere sie. Niedersachsen handelt weitaus großzügiger. Dort werden 24-mal mehr Bewerber angenommen, als Plätze verfügbar sind. Unsere ehemalige Kollegin Brigitte Meyer, die beim BRK Vizepräsidentin ist, beklagt, dass Bayern offenbar bewusst Hürden schafft, um die Menschen nicht nehmen zu müssen. Wenn ich das sage, ist es völlig unverdächtig; denn die Kollegin ist bei den FREIEN WÄHLERN.
(Zurufe von der CSU: Das hat sie aber nicht ge- sagt! – Josef Zellmeier (CSU): Es stimmt nicht, dass sie bei den FREIEN WÄHLERN ist, sie ist bei der FDP!)
Es ist nicht in Ordnung, dass Bayern Hürden schafft, die von den Menschen nicht zu überwinden sind. Persönlich kann ich die Haltung der CSU nicht nachvollziehen. Wo bleibt denn die dicke Spendierhose, die wir sonst immer anhaben? Wir Bayern sind doch so stark. Wir können so viel bewältigen. Warum schauen wir in dem Zusammenhang nicht auf unser Selbstbewusstsein und auf das, was wir alles können? Wir können auch syrische Flüchtlinge aufnehmen. Das sollten wir uns alle heute auf die Fahne schreiben.
Eines will ich auch noch klarstellen: Kein Mensch verlässt seine Heimat gern und freiwillig. Ich bin ein sehr heimatverbundener Mensch. Ich gehe nicht gerne irgendwo anders hin. Auch anderen Menschen unterstelle ich nicht, dass sie ohne Weiteres und mir nichts, dir nichts von dort weggehen, wo sie zu Hause sind. Deshalb sollten wir ein bisschen gnädiger sein und schauen, wie wir den Menschen helfen können. Die Menschen verlassen schließlich ihre Heimat und setzen sich einer fremden Sprache und einer fremden Kultur aus. Ich kann Ihre Haltung nicht verstehen und würde mir wünschen, dass Sie sich vielleicht doch einen Ruck geben, mit den anderen 14 Bundesländern, die schon Aufnahmeprogramme haben, in Einklang kommen und ein Aufnahmeprogramm für Bayern starten. I moan, dass se do Bayern net oschaun lassn ko. Wir sollten auch helfend für Syrien eingreifen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch wir wollen syrischen Flüchtlingen konkret helfen. Wir wollen uns aber auch ganz konkret mit den sechs Punkten im Antrag der GRÜNEN beschäftigen.
Zunächst einmal ist es richtig, dass die Meldefrist für das zweite Aufnahmeprogramm an diesem Freitag abläuft. Bayern hat 750 Flüchtlinge aufzunehmen. Bisher sind nur 320 eingereist. Es gibt eine Bundesverordnung; das ist richtig. Diese Bundesverordnung ist relativ allgemein formuliert. Man kann sagen, sie ist weder Fisch noch Fleisch. Ich verstehe deshalb, dass alle anderen Bundesländer Länderanordnungen erlassen haben. Diese Länderanordnungen sind sinnvoll. Uns wundert, dass Bayern keine eigene Anordnung hat. Normalerweise sind länderspezifische Regelungen ein bayerisches Spezifikum. Bei der Windenergie, beim Wassergesetz, beim Naturschutzgesetz oder auch beim Koalitionsvertrag hat Bayern seine Haltung durchgesetzt, nach der es in Bayern keine Flächenstilllegungen geben wird. Bayern ist immer stolz auf seinen eigenen Weg. Gerade hier aber will Bayern keine Länderanordnung erlassen. Das verstehen wir nicht ganz.
Wir würden es begrüßen, wenn Bayern eine Aufnahmeanordnung erlassen würde. Das ist im Antrag der GRÜNEN richtig dargestellt. Der Antrag der GRÜNEN enthält aber auch Passagen, die über die Anordnungen anderer Länder, auch der Länder mit grüner Be
teiligung an der Regierung, hinausgehen. Genau dieser Sachverhalt macht eine pauschale Zustimmung zu dem Antrag für uns problematisch.
Im ersten Punkt des Antrags geht es um den Lebensunterhalt der Zureisenden. In allen Bundesländern mit Ausnahme Schleswig-Holsteins ist die Abgabe einer Verpflichtungserklärung durch die aufnehmenden Verwandten vorgegeben. In Nordrhein-Westfalen wird es etwas lockerer gehandhabt. Dort müssen die Familienangehörigen zumindest die Bereitschaft erklären, bei der Unterbringung und Sicherung des Lebensunterhalts einen Beitrag zu leisten, was durchaus sinnvoll ist. Die GRÜNEN wollen einen völligen Verzicht.
Bei Punkt 2 geht es um staatenlose Flüchtlinge. Hier können wir zustimmen; denn bisher schließen alle Bundesländer zum Beispiel Kurden und Palästinenser ohne syrische Staatsbürgerschaft aus. Ethnische Minderheiten sollte man schon berücksichtigen. In Thüringen beispielsweise ist es der Fall.
Bei Punkt 3 geht es um die Verpflichtungserklärung. Das sollte auf keinen Fall die Versorgung im Krankheitsfall, zum Beispiel Arztbesuche, Medikamente, Krankenhausaufenthalt und Pflegebedürftigkeit umfassen. Nordrhein-Westfalen, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben die Krankenbehandlungskosten von der Verpflichtungserklärung ausgenommen. Das heißt jedoch, dass dann die Sozialämter für die Kosten aufkommen müssen. Trotzdem sagen wir: Diesem Punkt der GRÜNEN können wir auf jeden Fall zustimmen, weil sonst die Hürden zu hoch sind und man kaum Leute findet, die syrische Flüchtlinge aufnehmen.
Punkt 5 des Antrags der GRÜNEN betrifft die Berücksichtigung weiterer Personensorgeberechtigter minderjähriger Kinder. Auch diesem Punkt können wir zustimmen.
Mit zwei Punkten haben wir Probleme. Das ist zum einen die Berücksichtigung von Verwandten bis zum vierten Verwandtschaftsgrad. Das geht sehr weit. Jede Familie aus dieser Region umfasst bis zum vierten Grad mindestens 100 bis 120 Personen. Da ist die Frage, ob das im Einzelfall überhaupt nachzuvollziehen ist. Man muss auch wissen: Die meisten Bundesländer gehen nur bis zum zweiten Verwandtschaftsgrad, das heißt Ehepartner, Eltern, Kinder, Großenkel, Geschwister sowie deren Ehepartner. Wir meinen, das ist sinnvoller.
Bei Punkt 6 – das wurde gerade schon genannt – haben wir auch Probleme. Die GRÜNEN wollen keine zahlenmäßige Begrenzung. Frau Kamm hat gesagt, das Kontingent muss erhöht werden. Da sagen wir:
Alle anderen Bundesländer haben zum Beispiel eine Deckelung des Kontingents: Nordrhein-Westfalen 1.000, Baden-Württemberg 500. Darüber kann man reden. Doch im Fehlen einer zahlenmäßigen Begrenzung sehen wir ein großes Problem. Deswegen wäre es besser, dass jedes Bundesland einen Schlüssel hat. Das ist zielführender.
Wenn über die Punkte einzeln abgestimmt wird, könnten die FREIEN WÄHLER bei den Punkten 1, 2, 3 und 5 zustimmen, bei den Punkten 4 und 6 leider nicht. Wenn die Einzelabstimmung nicht möglich ist, werden wir uns enthalten.
Verbleiben Sie bitte am Rednerpult. Wir haben eine Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Kamm, Herr Dr. Fahn.
Sehr geehrter Herr Kollege Fahn, es wäre natürlich durchaus denkbar, dass ein Teil der Familienmitglieder entsprechend dem Beschluss der letzten Innenministerkonferenz nachzieht und in diesem Bundeskontingent Berücksichtigung findet, wobei auf die Erklärung zum Lebensunterhalt verzichtet werden kann. Insofern könnte man die Bedenken zu Punkt 1 ausräumen.
Mit den Punkten 4 und 6 haben Sie besondere Schwierigkeiten. Es kommt natürlich darauf an, Härtefälle berücksichtigen zu können. Ich nenne vielleicht noch eine Zahl – wir sind uns in der Position sehr ähnlich –: 10.000 Menschen in ganz Deutschland sind relativ wenig angesichts dieser Not. Bayern allein hat während des Bosnienkriegs 45.000 Flüchtlinge aufgenommen. Man sieht also, es geht wesentlich mehr. Es ist wichtig zu sagen, dass die Zahl von 10.000 auf alle Fälle zu niedrig ist.
Bei Punkt 1 sind wir bereit, insgesamt zuzustimmen. Bei Realisierung der Forderungen in den Punkten 4 und 6 wären wir bei Weitem das einzige Bundesland, das so weit geht. Deswegen können wir dem nicht zustimmen.
Wenn Sie bereit sind, über die Punkte einzeln abzustimmen, dann können wir den Punkten 1, 2, 3 und 5 zustimmen, wenn nicht, werden wir uns enthalten.