Protocol of the Session on December 12, 2017

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Menschen, die nicht genug verdienen, brauchen wir eine zielgenaue Förderung. Wir GRÜNE schlagen deshalb eine Kindergrundsicherung und einen Kindergeldbonus vor, der abhängig vom Einkommen gezahlt wird.

Lassen Sie mich zum Abschluss auf den Hauptpunkt kommen, und das ist der eigentliche Skandal bei uns in Bayern: Armut wird vererbt. Wer aus einer armen Familie kommt, hat weniger Chancen. Die jüngsten Studien aus den Grundschulen haben bestätigt, dass dieser Skandal weiter andauert. Ich denke, der An

spruch unserer Schulen muss sein: Egal, woher du kommst, egal, was deine Eltern von Beruf sind, dir stehen die gleichen Chancen offen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir müssen deshalb viel mehr Ideen entwickeln und Zeit und Geld investieren, um alle Kinder zu fördern. In einer heterogenen Gesellschaft ist das nur möglich, wenn wir uns mehr um die einzelnen Kinder kümmern, also die Individualität in den Vordergrund stellen. Die Digitalisierung bietet hervorragende Möglichkeiten, um individuell und zielgenau zu fördern. Ich finde, wir sollten sie endlich stärker nutzen. Klar ist aber auch, dass durch die Digitalisierung für die Lehrkräfte andere Aufgabengebiete und andere Herausforderungen entstehen. Deswegen sind wir GRÜNEN der Auffassung, dass wir zumindest in den Grundschulen eine zweite pädagogische Kraft in den Schulklassen brauchen. Wir brauchen mehr Personal, damit die individuelle Förderung besser funktioniert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich möchte, dass in Bayern jedes Kind die gleichen Chancen hat. Ich möchte, dass sich in Bayern jedes Kind entfalten kann. Ich möchte außerdem, dass jedes Kind aus der Armutsfalle entkommen kann. Dafür können wir hier im Bayerischen Landtag die Weichen stellen. Also: Anstatt nur zu reden, handeln wir endlich! Unterstützen Sie unsere Forderungen, und setzen Sie diese Forderungen endlich um!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächste hat Frau Kollegin Schreyer von der CSU-Fraktion das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kohnen – Entschuldigung. Ich habe die falsche Kollegin angesprochen. Gott sei Dank haben hauptsächlich Kolleginnen gesprochen, was in der Politik nicht immer selbstverständlich ist. – Frau Schulze, Sie haben in der Theorie dargestellt, dass Sie gern mehr Förderung in den Abendstunden hätten. Das kann ich gut verstehen. Die CSU-Fraktion war bei dieser Forderung Gott sei Dank schneller.

(Markus Rinderspacher (SPD): Aber nicht an der Realität!)

Wir haben mit dem Kombi-Modell ein Angebot geschaffen. Die Wahrheit ist aber, dass die Nachfrage häufig nicht da ist. Frau Kollegin, ich weiß nicht, ob

Sie sich das vorstellen können: Es gibt immer noch Eltern, die ihr Kind bewusst zu Hause oder teilweise zu Hause erziehen wollen.

(Katharina Schulze (GRÜNE): Wahlfreiheit! – Horst Arnold (SPD): Wenn sie es sich leisten können!)

Wir alle sind logischerweise keine solchen Eltern; denn sonst würden wir nicht hier stehen. Daran merkt man, dass das Theorie ist. Sie haben recht: Die Plätze gibt es nicht überall. In München gibt es diese Plätze häufig nicht, im restlichen Bayern sieht es um Längen besser aus. Die Situation ist nicht überall gleich. Nicht jeder braucht eine Betreuung am Abend. Das Kombi-Modell ist ein Angebot, aber dafür muss auch die Nachfrage passen. Sei’s drum. Diese Diskussion ist spannend.

Wir sind uns sicherlich einig: Jedes Kind, das in Armut lebt, ist ein Kind zu viel. Ich glaube, dass jeder von uns aus seinem Blickwinkel heraus versucht, alles zu tun, damit kein Kind in Armut lebt. Die Wahrheit ist aber, dass wir es nicht schaffen werden, dass kein Kind in Armut lebt. Wir alle müssen uns bei diesem Thema anstrengen.

Eines aber ist wichtig: Wir müssen es schaffen, dass jede Familie ausreichende finanzielle Möglichkeiten hat. Deswegen bin ich sehr froh, dass wir rund 4,9 Milliarden Euro in den Doppelhaushalt einstellen werden. Es ist nicht zutreffend, dass wir nichts einstellen würden. Ich stimme Ihnen zu, dass wir trotzdem nicht jedes Kind erreichen werden. Sie müssen aber anerkennen, dass wir Geld einstellen.

Mir ist wichtig, dass jede Familie für sich entscheiden kann, ob sie ihre Kinder betreuen lässt oder nicht. Der Zwischenruf von Herrn Kollegen Arnold war richtig, dass sich die Familien das leisten können müssen. Deswegen müssen wir unseren Blick zum einen auf die Alleinerziehenden, zum anderen aber auch auf die Familien mit vielen Kindern richten. Für diese Gruppen muss eine echte Wahlfreiheit bestehen. Ich freue mich deshalb darüber, dass uns sicher jeder beim Betreuungsgeld unterstützen wird; denn das ist ein Teil der Wahlfreiheit. Im Wahlprogramm der GRÜNEN habe ich gelesen, dass Sie das Landeserziehungsgeld abschaffen wollen. Auch das Landeserziehungsgeld ist ein Teil der Wahlfreiheit. Damit werden die Familien in die Lage versetzt, zu entscheiden und nicht in die Armut zu fallen. Vielleicht können Sie in diesem Punkt bei Ihrem nächsten Wahlprogramm eine Weiterentwicklung durchsetzen.

Beim Landeserziehungsgeld war es wichtig, die Einkommensgrenzen anzuheben. Hier sind wir ein großes Stück weitergekommen. Ich könnte mir aber noch

weitere Fortschritte vorstellen. Im Rahmen der "Jamaika"-Verhandlungen gab es Bestrebungen, bei der Mütterrente für Mehrkinderfamilien weiterzukommen. Das wäre ein Beitrag zur Reduzierung der Altersarmut, nicht der Kinderarmut. Wir sollten an jeder Stelle helfen, damit kein Mensch in Armut leben muss.

Der Unterhaltsvorschuss ist gerade für die Alleinerziehenden wichtig. In der letzten Legislaturperiode wurde Gott sei Dank erreicht, dass diese Leistung rückwirkend nicht nur für die Kinder bis zwölf Jahren, sondern für die Bis-Achtzehnjährigen gewährt werden kann. Für viele Alleinerziehende ist dies ein großer und wichtiger Schritt.

(Horst Arnold (SPD): Das war eine SPD-Forderung!)

Ich finde es schön, dass wir dies in der Großen Koalition hinbekommen haben. Ich vermute, Sie alle werden mithelfen, dass wir die Große Koalition beibehalten, damit wir solche Forderungen gemeinsam durchsetzen können. Ich freue mich auf die aktive Unterstützung der SPD-Landtagsfraktion, die dazu sicherlich einen großen Beitrag leisten wird.

(Beifall bei der CSU)

Wichtig sind natürlich auch Themen wie das Baukindergeld. Darüber wird in Berlin verhandelt werden. Der Erwerb von Eigentum ist natürlich auch für Menschen, die knapp über der Armutsgrenze leben, eine Prävention gegen Armut.

Wir haben viele Forderungen umsetzen können. Ich brauche nicht für alles eine Statistik. Ich würde mich freuen, wenn wir es schaffen, dass die Kinder hier nicht in Armut leben müssen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, dass auf allen Ebenen ein Beitrag dazu geleistet wird.

(Beifall bei der CSU – Margit Wild (SPD): Diese Rede war ein Armutszeugnis!)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächste hat Frau Kollegin Rauscher von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Müller, in der Politik gibt es viele wichtige Themen. Eine ganz besondere Herausforderung ist aber das Thema, das wir heute in die Aktuelle Stunde gebracht haben, nämlich das Thema Kinderarmut. Es ist keine Schande, arm zu sein. Eine Schande ist es aber, zu wenige Maßnahmen zu ergreifen, um Kindern und Familien zu helfen, aus der Armut herauszukommen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CSU: Vor- schläge!)

Herr Kollege, Sie sollten einmal Vorschläge einbringen. Gerade haben zwei Redner von der CSU-Fraktion gesprochen. Die einzige Initiative, die sie in ihren Redebeiträgen genannt haben, ist die Initiative der früheren Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig von der SPD, den Unterhaltsvorschuss auszuweiten. Mich wundert es nicht, dass Sie sich wieder nach einer GroKo sehnen; denn die familienpolitischen Initiativen sind alle von der SPD gekommen.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin Mitglied des sozialpolitischen Ausschusses und Fachsprecherin meiner Fraktion für dieses Thema. Von Ihnen kommen zu diesem Thema keine Initiativen. Die einzige Initiative, die ich wirklich positiv bewerten würde – und das war ein langer und zäher Weg –, war der ganzheitliche Ansatz, um Familien aus der Langzeitarbeitslosigkeit herauszubringen; denn davon profitieren natürlich auch die Kinder. Alle anderen Maßnahmen finden entweder nicht statt oder sind so hauchdünn, dass sie keine kraftvolle Politik ausmachen. Und wissen Sie was? – Wenn wir von 250.000 Kindern in Armut sprechen, am Ende nur noch 230.000 draußen bei minus 20 Grad frieren, dann ist einem Teil der Kinder zwar geholfen, aber ein Großteil friert immer noch. Wissen Sie, wir brauchen eine Sozialpolitik, die Armut von Kindern nicht nur ansatzweise entgegenwirken möchte, sondern Kinderarmut abschafft. Das muss die politische Forderung sein.

(Beifall bei der SPD)

Und das vermisse ich noch mehr, als ich es vielleicht in Ansätzen bei der Ministerin vermisse, bei der CSULandtagsfraktion. Es kommt von Ihnen schlichtweg nichts,

(Zuruf von der CSU)

keine Initiativen, nicht ansatzweise. Wie gesagt, unter kraftvoller Politik stelle ich mir etwas ganz anderes vor.

(Zuruf von der SPD)

Gerade in der Weihnachtszeit wird, wie die Kollegin Natascha Kohnen es eingangs schon kurz skizziert hat, Armut von Kindern in besonderer Weise deutlich. Erzieher, Sozialpädagogen und Lehrer bekommen sie in elf Monaten des Jahres ganz deutlich mit. Vor Weihnachten ist es plötzlich Thema im Land, weil es dann ganz viele Initiativen, Spendengalas usw. gibt, um für Kinder und gegen Kinderarmut anzutreten und

mit ein bisschen Geld wenigstens für die nötigste Linderung zu sorgen.

Wissen Sie, was noch dazukommt? – Ich bin mir nicht sicher, ob Ihnen eigentlich bewusst ist, was für ein sozialer Unfrieden mit dem Thema Kinderarmut geschürt wird. Es ist für den sozialen Frieden zentral wichtig, gegen Kinderarmut einzutreten. Deswegen hat das aus meiner Sicht einen ganz besonders hohen politischen Stellenwert.

Sämtliche Oppositionsparteien hier im Bayerischen Landtag haben sich die letzten Jahre unglaublich bemüht, gute Initiativen einzubringen; es ist nicht eine von der Mehrheitsfraktion hier im Hohen Haus angenommen worden. Da stelle ich mir schon die Frage, ob Sie es mit dem Thema wirklich ernst meinen oder ob wir auch heute wieder nur Ihre Sonntagsreden hören, dass jedes einzelne Kind, das unter Armut leidet, eines zu viel sei. Glaubwürdigkeit sieht anders aus.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Bei allen Initiativen, egal ob es um bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, um Kita, bedarfsgerechten Ganztag oder familienfreundliche Arbeitszeiten geht, verhalten Sie sich unglaublich zurückhaltend und führen immer sehr fadenscheinige Argumente an, warum Sie einem Antrag der Opposition wieder einmal nicht zustimmen können.

Und wissen Sie, was noch ganz erschwerend dazukommt; denn Armut hat viele Gesichter? – Es geht nicht nur um das fehlende Geld im Geldbeutel, sondern es geht auch darum, dass die gesundheitliche Situation bei Kindern mit sozial schlechterem Status deutlich schlechter ist als bei Kindern mit einem sozial besseren Status. Diese Langzeitprobleme und Langzeitschäden haben letztendlich auch Auswirkungen auf einen Staatshaushalt. Dessen müssen Sie sich mal bewusst sein. Wenn wir präventiv gegen Kinderarmut vorgehen wollen, dann müssen wir wirklich präventiv ansetzen und nicht nur hier schöne Reden schwingen. Kolleginnen und Kollegen der CSU-Landtagsfraktion, jetzt sind wir am Jahresende, aber bitte nutzen Sie das anstehende Jahr, um wirklich gegen Armut vorzugehen. Dazu fordern wir Sie auf. Nehmen Sie dieses Thema endlich ernst!

(Beifall bei der SPD, Abgeordneten der FREIEN WÄHLER und der GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat der Kollege

Hölzl von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dafür, nicht mit Schaum vor dem Mund ein Bild dieses Landes zu zeichnen,

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der CSU: Bravo! – Doris Rauscher (SPD): Engagiert! – Weitere Zurufe von der SPD)