Protocol of the Session on December 7, 2017

Hochschulen nehmen diese Freiheiten auch wahr. Es zeugt von einem erheblichen Misstrauen gegenüber unseren Hochschulen, wenn man eine Verfasste Studierendenschaft einführen will.

(Isabell Zacharias (SPD): Ah, jetzt wird es bunt! Mann, Mann!)

Funktionierende Regelungen, wie sie bei uns bestehen, werden durch den Gesetzentwurf der Staatsregierung weiterentwickelt. Dazu passt auch der Änderungsantrag der CSU. Daher werden wir dem Gesetzentwurf der Staatsregierung zustimmen. Den Gesetzentwurf der GRÜNEN und den Änderungsantrag der SPD werden wir ablehnen.

(Beifall bei der CSU – Isabell Zacharias (SPD): Ach!)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat Frau Kollegin Zacharias von der SPD das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Herr Präsident, Hohes Haus! Das hat ja System im bayerischen Bildungssystem: Man hat keine Gegner, wenn man die Betroffenen demokratisch ganz klein hält. In Bayern gibt es keine Verfasste Studierendenschaft. Diese wurde 1973/74 abgeschafft. Unter Alfons Goppel war man damals der Meinung: Die versaufen ihr Geld und sind einfach zu weit links; das sind linke versprengte Leute, die brauchen wir nicht.

(Widerspruch bei der CSU)

Das waren die Argumente. Ich habe das im Protokoll nachgelesen. – Kollegin Stamm, da müssen Sie gar nicht so scheinheilig grinsen. Das ist leider so. Seit Anfang der Siebzigerjahre wollt ihr keine Mitsprache mehr.

(Beifall bei der SPD)

Das ist übrigens in der Elternschaft genauso. Herr Minister Spaenle, man betreibt Bildungspolitik, indem man die Elternvertreterinnen und -vertreter schön nach Schulart separiert. Es gibt also 20 Elternverbände, die schön nach Schulart separiert sind. Man bringt damit die einzelnen Schularten gegeneinander auf. Wenn man sie kleinmacht, werden sie nicht groß. Damit können sie auch keinen echten Gegenentwurf zu Ihrer Bildungspolitik machen. So ist das auch bei den Schülerinnen und Schülern. Es gibt zwar eine Verfasste Schülerinnenschaft, die hat aber eine Aufpasserin aus dem Kultusministerium.

Ihr da drüben, die CSU, wollt keine Mitsprache. Ihr wollt keine Demokratisierung im Bereich der Bildung. Ihr wettert sogar gegen unsere Idee, an den Schulen mehr politische Bildung unterzubringen.

(Widerspruch bei der CSU)

Ihr wollt es nicht. Das müssen ich und die SPD-Landtagsfraktion heute feststellen. Ihr wollt keine politische Bildung. Ihr wollt keine Demokratisierung. Ihr wollt keine verfasste Ständevertretung. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der SPD)

Herr Weidenbusch, wenn ich in Ihr grinsendes Gesicht schaue, bekomme ich richtig Lust, wirklich sauer zu werden.

(Ernst Weidenbusch (CSU): Ja, ich stelle mir gerade vor, wie Sie versuchen, den Kommunismus an den Schulen durchzusetzen!)

Oh mein Gott!

Wir halten jetzt keine Zwiesprache.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Kolleginnen und Kollegen, jetzt wird die Mottenkiste Kommunismus herausgeholt.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Die Mottenkiste Kommunismus, jetzt wird es aber bunt.

(Zuruf von der SPD: Besser als alle schlagenden Verbindungen!)

Ganz genau, besser als alle schlagenden Verbindungen, in denen viele von euch Mitglied sind. Ich möchte hier einmal Klartext sprechen.

Jetzt kommen wir zu den Gesetzentwürfen. Herr Minister Spaenle, Sie wollen doch nächstes Jahr aus dem Landtagswahlkampf als Gewinner, als Sieger hervorgehen. Wenn Sie Demokratisierung an den Hochschulen wollen, wenn Sie Mitsprache wollen, wenn Sie wollen, dass die Autonomie der Hochschulen durch die größte Gruppe – und das ist und bleibt die Gruppe der Studierenden – mitspricht, dann können Sie Ihre Politik nicht an denen vorbei machen. Das verstehe ich überhaupt nicht. Meiner Meinung nach ist das eine verfehlte Chance. Ihr meint es nicht ernst mit der Mitsprache. Mit dem Gesetzentwurf der Staatsregierung weht ein Geist von völligem Misstrauen den Studierenden gegenüber. Man behauptet, dass sie es nicht können, man gibt ihnen keine politische Macht, man gibt ihnen auch kein Geld, um ihre Strukturen verfestigen zu können. Ich finde das mittelalterlich oder gar frühzeitlich. Das ist eure Art der Politik: keine Mitsprache in all den Gremien.

Ich möchte noch grundsätzlich etwas zum Thema Zwangsmitgliedschaft sagen. Vielleicht kann mir der Herr Minister das irgendwann einmal erklären. Jeder Student muss zwangsweise in den Studentenwerken Mitglied sein. Jeder Student muss den Zwangsmitgliedsbeitrag entrichten. Herr Staatssekretär Sibler, vielleicht sehen Sie sich in der Lage, mir das zu erklären. Der Beitrag für das Semesterticket wird vom Studentenwerk zwangsweise eingefahren. Warum kann man nicht eine Summe XY, sechs bis zehn Euro pro Semester, einbringen? Wo liegt der Unterschied zwischen einer Zwangsmitgliedschaft beim Studentenwerk und einer vermeintlichen Zwangsmitgliedschaft

in der Verfassten Studierendenschaft? Das müsst ihr mir einmal erklären. Ich verstehe das nicht.

Der Gesetzentwurf der GRÜNEN ist großartig. Liebe Verena Osgyan, wir haben bereits in der letzten Legislaturperiode sehr viele Änderungsanträge und sehr viele Gesetzentwürfe genau zu dieser Frage eingebracht. Vor wenigen Monaten haben wir mit einem Gesetzentwurf nochmals versucht, Studierende in die Hochschulleitungen aufzunehmen. Das ist eine echt großartige Idee. Diese Idee dient nicht als Ersatz für eine Verfasste Studierendenschaft, sondern dazu, die Gedanken und das Ansinnen von Studierenden in den Hochschulleitungen zu verankern. Auch das habt ihr mit fadenscheinigen Argumenten abgelehnt. Mit "ihr" meine ich den Block der Konservativen im Hohen Haus.

Nach wie vor halte ich es für richtig, dem Gesetzentwurf der GRÜNEN zuzustimmen. Es wird Sie nicht wundern, dass wir den Gesetzentwurf der Staatsregierung ablehnen werden. Anders als die GRÜNEN werden wir uns beim peinlichen und harmlosen Änderungsantrag der CSU enthalten. Wenn euer Geist nicht so weit reicht, eine echte Verfasste Studierendenschaft mitzutragen, können wir das auch nicht über Grundordnungen klären. Daher werden wir uns enthalten.

Die Kollegin Osgyan hat es eben angesprochen, und ich möchte das auch klarstellen: Wir haben in dieser Legislaturperiode die Raumvergabe an den Universitäten und Hochschulen durch einen interfraktionellen Antrag einstimmig geklärt, und zwar aufgrund meiner Initiative und aufgrund der Initiative der SPD-Fraktion. Leider muss ich feststellen, dass wir fast ausnahmslos von allen Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften Klagen hören. Sie erhalten nämlich doch keine Räume. Dies geschieht im Übrigen immer mal wieder mit dem peinlichen Hinweis, dass man dann auch der AfD bzw. deren Hochschulgruppe Räume zur Verfügung stellen müsse. – Leute, wir können doch den demokratischen Studierenden keine Räume mit dem Argument verweigern, dass dann auch die Rechten reinkommen könnten. Wenn das eure Auffassung vom Üben und Zelebrieren der Demokratie ist, dann ist das sehr schade. Das kann nicht unser Verständnis davon sein.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Vere- na Osgyan (GRÜNE) – Zuruf von der CSU: Sind das öffentliche Räume?)

Ja, es sind öffentliche Räume, Kollege. Die stehen allen Studierenden zur Verfügung. Wenn Rechte, die legitim gewählt worden sind, da reinwollen, dann müssen wir denen leider auch den Raum zur Verfügung

stellen. Aber vor der Hochschultür kann man dann eine Gegendemonstration veranstalten. Dass ihr keine Demonstrationen kennt, das weiß ich.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Vere- na Osgyan (GRÜNE))

Kolleginnen und Kollegen, abschließend möchte ich sagen, dass die SPD-Landtagsfraktion natürlich Wahlkampf betreiben wird, und zwar mit den Forderungen nach Demokratie in allen Bildungsbereichen, nach mehr politischer Bildung und auch nach einer echten Mitsprache durch echte Mandate für die Studierenden, die Elternvertretungen und die Schülerinnenvertretungen. Also: Macht euch auf einen harten Wahlkampf gefasst! Ohne Demokratisierung kann man keine autonomen Hochschulen und keine Mitsprache in den Bildungseinrichtungen vollumfänglich darstellen. Das ist unsere völlige Überzeugung.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Vere- na Osgyan (GRÜNE))

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat nun der Kollege Prof. Dr. Piazolo von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich dieser Debatte gerade lauschte, musste ich mich zwicken, um festzustellen, ob man nicht einfach ein wenig in die Vergangenheit geraten ist. Die einen haben vor der Gefahr der Kommunisten gewarnt, die anderen vor schlagenden Verbindungen. Ich würde empfehlen: Gehen Sie einmal hinaus nach Bayern. Sehen Sie sich die Realität an. Ich bin froh, dass es in Bayern wenige Kommunisten gibt und die schlagenden Verbindungen keine große Rolle spielen. Insofern sollten wir uns im Plenum die Realität ansehen, wie sie auch an den Hochschulen ist, und nicht Debatten führen, bei denen man das Gefühl hat, sich in den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu befinden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Worum geht’s? – Das erkennt man, wenn man die Geschichte betrachtet. Manchmal ist man dann verwundert, wie lange Debatten geführt werden und wie schnell es plötzlich eine Veränderung gibt. Die Debatte über die Verfasste Studierendenschaft führen wir seit vielen Jahren immer in der gleichen Form. Sie wird auch nur noch in Bayern geführt; insofern stellt man sich die Frage, warum sie über ein paar Dinge, die man, glaube ich, einfach lösen könnte, in dieser Intensität geführt wird.

Ich sage ganz klar: Mir liegt nicht der Name am Herzen. Ob das nachher "Verfasste Studierendenschaft" heißt oder irgendwie anders, ist nicht das Entscheidende. Entscheidend ist – und das wurde in einigen Reden auch schon gesagt –, die Studierenden ernst zu nehmen. Die Studierenden an einer Hochschule sind Mitglieder dieser Hochschule und haben an jeder einzelnen Hochschule die Mehrheit. Sie sollten sie prägen dürfen; denn – das ist übrigens der Unterschied zu den Schulen – sie sind erwachsen, sie sind volljährig, und sie sind für sich selbst verantwortlich. Es ist daher ein logischer Schluss, dass sie an den Hochschulen, an den Universitäten oder an den HAWs, denen sie angehören, Mitverantwortung tragen.

Was gehört dazu? – Aus meiner Sicht gehört dazu, dass sie über eigene Finanzen verfügen, die Finanzhoheit haben und über diese Finanzen bestimmen. Was bringen wir den jungen Menschen – und in diesem Fall ist es nicht jeder Student, sondern es sind die Studierenden, die sich engagieren, die sich in der Gesellschaft engagieren wollen und die sich an ihrer eigenen Hochschule engagieren – mit dem aktuellen System bei? – Sie müssen im Grunde bei jeder kleinen Maßnahme bei der Hochschulleitung betteln. Was ist das für ein Verständnis von einem Zusammenwirken in der Gesellschaft? Sie müssen für jede kleine Maßnahme einen Antrag stellen, der dann von oben mit bestimmten Begründungen teilweise abgelehnt wird.

Wäre es nicht zielführender und würde es die jungen Menschen nicht weiterbringen, wenn man ihnen sagen würde: Wir vertrauen euch; wir geben euch eine bestimmte Summe Geld; darüber habt ihr die Finanzhoheit, und das verwaltet ihr selbst? – Das wäre ein Zeichen, das man für die Zukunft setzen könnte. Mein Verständnis von Hochschulbildung ist nicht, dass man nur ein Fach unterrichtet und sie nur für einen Beruf ausbildet. Mein Verständnis davon ist, dass wir die jungen Menschen an den Hochschulen zu verantwortungsvollen Mitgliedern unserer Gesellschaft ausbilden, dass wir ihnen diese Chance geben. Dafür wäre die Mitwirkung in einer Studierendenschaft – egal, wie man sie dann nennen mag – mit Finanzhoheit, mit Satzungshoheit der richtige und der vernünftige Weg, um selbstständige Menschen für unsere Gesellschaft zu entwickeln.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Die wichtigen Bereiche sind daher die Finanzhoheit, die Satzungshoheit, aber auch die Gestaltung des studentischen Lebens an der Hochschule. Nun geht es darum, die entsprechende Form zu finden, um das umzusetzen. Aus meiner Sicht ist es ein Armutszeug

nis, wenn sich hier vier Fraktionen nicht über diesen Weg einigen können. Drei werden dem Gesetzentwurf der GRÜNEN zustimmen; auch wir werden das tun. Aus der CSU-Fraktion kommen immer die gleichen Argumente; ich kenne sie jetzt seit neun Jahren.

Kollege Westphal, es wird immer an der Verfassten Studierendenschaft festgemacht. Heute wurde sogar die Verfassung bemüht. Ich sehe aber kein Argument in der Bayerischen Verfassung, das gegen die Verfasste Studierendenschaft spricht, und Sie haben auch keines genannt.

Hier ist eine große Bandbreite aufgeblättert, und man kann sich vieles vorstellen. Da wäre es sinnvoll, miteinander ins Gespräch zu kommen. In der letzten Legislaturperiode hat so etwas im zuständigen Staatsministerium stattgefunden, allerdings ging das aus wie das Hornberger Schießen, weil man mit der damals mitregierenden Fraktion, die sich – Gott sei Dank – in die Bedeutungslosigkeit und die außerparlamentarische Miniopposition verabschiedet hat, keine Lösung gefunden hat. Vielleicht wäre es für die letzten neun Monate dieser Wahlperiode ein Ansatz, Herr Staatsminister, sich mit den Studierenden zusammenzusetzen und zu überlegen, was man über das jetzt vorliegende Gesetz hinaus noch machen könnte. Das wäre eine vertrauensbildende Maßnahme.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Von den engagierten Studierendenvertretern kamen gerade im letzten Jahr viele Initiativen. Sie haben sie zum Teil aufgenommen, auch der Kollege Jörg. Die CSU-Fraktion ist im Gespräch, und in diesen Gesprächen sollte man überlegen, wie man hier ein paar Schritte fort- und weiterkommt.

Ich habe immer noch das Gefühl, dass bei dem einen oder anderen, der vielleicht durch seine eigene Studierendenzeit geprägt ist, Ängste vorhanden sind, die aus den 60er- und den 70er-Jahren herrühren. Ich glaube aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie verfügen inzwischen über die entsprechende Lebenserfahrung und eine gewisse Souveränität. Hochschulen sind nicht mehr wie in den 60er- und 70er-Jahren. Sie waren übrigens damals auch nicht so schlimm. Es hat sich einiges getan, da war Bewegung drin. Es ist sicher auch manches passiert, das man nicht begrüßen konnte; aber vieles, was die heutige Republik prägt – das muss man deutlich sagen – ging in den 60er- und 70er-Jahren von den Universitäten aus. Insofern war das nicht schlecht, was hier zum Teil an Dynamik und an Demokratie passiert ist.

Mein Aufruf ist daher noch einmal – Herr Spaenle, Sie sind durchaus jemand, der dem Gespräch zugeneigt ist –: Treffen Sie sich mit den Studierenden, versu

chen Sie, sich etwas auszudenken, sehen Sie sich noch einmal die Gesetzentwürfe an.