Protocol of the Session on October 25, 2017

Vor allem aber fordern wir so schnell wie möglich die umfassende und transparente Veröffentlichung aller Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Kollege von Brunn. – Für die CSU-Fraktion hat sich Herr Kollege Beißwenger zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kollegen! Lebensmittelsicherheit ist ein äußerst sensibles Thema. Die Verbraucher in unserem Land müssen sich zu jeder Zeit sicher fühlen.

In dem vorliegenden Antrag wird eine Reform des § 40 Absatz 1a des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches gefordert mit dem Ziel, "ein Gütesiegel für kontrollierte Lebensmittelhygiene in Betrieben analog dem dänischen Modell (Smiley-System)" – der Kollege hat es soeben ausgeführt – "oder dem Kontrollba

rometer in Nordrhein-Westfalen einzuführen." Sollte eine bundesweite Lösung nicht möglich sein, soll laut Antrag in Bayern eine Veröffentlichungspflicht eingeführt werden.

Was das Kontrollbarometer in Nordrhein-Westfalen betrifft, so hat das dortige Landeskabinett mit dem Gesetz zum Abbau unnötiger und belastender Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen die Abschaffung der "Hygieneampel" bereits auf den Weg gebracht.

(Florian von Brunn (SPD): Anti-Verbraucherschutzpolitik von Schwarz-Gelb!)

Ich zitiere die dortige Umweltministerin Schulze Föcking:

Die Regelung ist unübersichtlich, kompliziert und der Zweck – beim Verbraucher für mehr Transparenz zu sorgen – wird nicht erreicht. Deshalb hat die Hygieneampel auch keinen Mehrwert für Verbraucherinnen und Verbraucher.

(Beifall bei der CSU – Horst Arnold (SPD): Seit wann wird hier Nordrhein-Westfalen zitiert! – Florian von Brunn (SPD): Passend zu Ihrer Politik!)

Mit § 40 Absatz 1a des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches hat der Bundesgesetzgeber eine Vorschrift geschaffen, die die Veröffentlichung der Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelüberwachung unterhalb der Schwelle der Gesundheitsgefahr vorsieht. Was beinhaltet die Vorschrift? – Eine Informationspflicht der Behörden bei Grenzwertüberschreitungen und bei nicht unerheblichen oder wiederholten Verstößen gegen Vorschriften zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung von hygienischen Anforderungen, wenn ein Bußgeld von mindestens 350 Euro zu erwarten ist.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wie auch oberste Verwaltungsgerichte anderer Bundesländer haben den Vollzug dieser Vorschrift in Bayern bereits vorläufig gestoppt. Darüber hinaus ist sie derzeit Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht.

(Florian von Brunn (SPD): Wer hat denn das Gesetz gemacht? Die CSU!)

Warum? – Es bestehen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift, unter anderem deshalb, weil angesichts der zu erwartenden wirtschaftlichen Folgen für die Betroffenen der gesetzlich vorgesehene Schwellenwert von nur 350 Euro für das prognostizierte Bußgeld unverhältnismäßig gering erscheint.

(Florian von Brunn (SPD): Die Regelung kam aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium!)

Zudem sei fraglich, inwieweit eine Veröffentlichung im Internet erforderlich sei; denn die Mängel seien zum Zeitpunkt der Veröffentlichung häufig bereits behoben.

Was die dritte Forderung des Antrags betrifft – Bayern solle sich auf Bundesebene für die Einführung eines bundeseinheitlichen Bußgeldkatalogs bei Verstößen gegen das Lebensmittelrecht und die Lebensmittelhygiene einsetzen –, so kann ich dazu Folgendes feststellen: Auf der 13. Verbraucherschutzministerkonferenz im April dieses Jahres in Dresden wurde die Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz gebeten, gemeinsam mit dem Bund die Möglichkeit der Schaffung eines solchen bundeseinheitlichen Bußgeldkatalogs für lebensmittelrechtliche Verstöße zu prüfen. In dem Beschluss ist übrigens auch nachzulesen, dass die Minister der Verbraucherschutzressorts der Länder den Bund erneut auffordern, einen Entwurf für die notwendige Novellierung des § 40 Absatz 1a vorzulegen, damit grobe Verstöße gegen das Lebensmittelrecht öffentlich gemacht werden können. Wie unsere Staatsministerin Ulrike Scharf im September mitgeteilt hat, will Bayern die Veröffentlichungspraxis im Internet genau unter die Lupe nehmen; es ist also nicht so, wie Sie es behauptet haben, Herr von Brunn. Sollten an der gängigen Praxis der Veröffentlichung auf der Seite www.lebensmittelwarnung.de Verbesserungen möglich sein, werde man dies auch mit den anderen Bundesländern und dem Bund thematisieren.

(Florian von Brunn (SPD): Das sind doch alles ungedeckte Schecks, Herr Kollege!)

Sollten dafür rechtliche Änderungen nötig sein, könne dies natürlich auch Gegenstand der Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl sein, so unsere Staatsministerin.

Wenn ein Gesetz wie das Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz oder ein Smiley-System wie das in Dänemark über den Regelungsinhalt des besagten Paragrafen hinausgehend eine Bewertung der Kontrollergebnisse durch staatliche Behörden vorsieht, sind noch weit höhere Anforderungen an die Ausgestaltung zu stellen. Vor einer Diskussion über weitere Schritte sollten wir den Ausgang des Normenkontrollverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht zu § 40 Absatz 1a des LFGB abwarten. Es wäre bestimmt nicht klug, zum jetzigen Zeitpunkt und ohne juristische Sicherheit irgendwelche gesetzlichen Änderungen vorzunehmen. Deshalb lehnen wir den Antrag ab.

(Florian von Brunn (SPD): Sie finden immer wieder eine neue Begründung dafür, nichts zu tun!)

Herr von Brunn, Wiederholungen machen es nicht wahrer.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Kollege Beißwenger. – Kollege Pohl für die FREIEN WÄHLER, bitte sehr.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege von Brunn hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir in der jüngsten Vergangenheit eine Reihe von bedenklichen Lebensmittelskandalen hatten. Einen dieser Lebensmittelskandale arbeiten wir aktuell in einem Untersuchungsausschuss auf.

Die Frage lautet: Ist eine Verschärfung bzw. Ausweitung des § 40 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches tatsächlich der richtige Weg, um hier voranzukommen? Wir sagen: Nein, das ist nicht der richtige Weg.

Warum? – § 40 Absatz 1, auch Absatz 2, beinhaltet Regelungen zur Gefahrenabwehr. Diese Regelungen sind sinnvoll. Es ist wichtig, dass der Verbraucher informiert wird, wenn schadhafte Lebensmittel in Verkehr gebracht oder sonstige Hygienemängel festgestellt wurden. Der Verbraucher muss geschützt werden – vor konkreten Gefahren. Dafür ist dieses Gesetz gemacht worden. Die Gefahrenabwehr rechtfertigt auch den Eingriff in die unternehmerische Freiheit. Wenn wir aber davon abgehen und ein Schulnotensystem, ein System der Bestrafung und Belohnung, an dessen Stelle setzen, dann geht es deutlich über Gefahrenabwehr hinaus.

Der Kollege Beißwenger hat es schon angesprochen: Auch ich habe hier erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, ob das in einer Güterabwägung zwischen dem Eigentumsrecht einerseits, also dem Recht am Gewerbebetrieb, und einer generellen Verbraucherinformation andererseits noch haltbar ist. Wir meinen, das ist es nicht. Natürlich müssen wir effektiver gegen Missstände in diesem Bereich vorgehen. Herr Kollege von Brunn, es ist völlig richtig, wenn Sie sagen, dass die Kontrollen effektiver und intensiver vonstattengehen müssen. Wir haben im Untersuchungsausschuss einiges von den Ministerien und den Behörden gehört, sodass man sagen muss: Frau Staatsministerin, da ist noch deutlich Luft nach oben, da muss noch deutlich besser gearbeitet werden. Aber ich meine, das betrifft den Vollzug und weniger den Gesetzgeber.

Effektive Kontrolle: Ja. Das Instrumentarium ist vorhanden. Insbesondere ist das Instrumentarium vorhanden, wenn es sich um beharrliche und wiederholte Verstöße handelt. Aber dieses Instrumentarium muss

man einsetzen. Da denken wir an andere Dinge als nur einen Smiley. Das kann im Ernstfall bis zur Betriebsstilllegung führen. Es fällt aber auf, dass es im Wesentlichen und häufig Großbetriebe sind, die im Mittelpunkt des Interesses stehen. Uns ist es wichtig, dass wir nicht wegen ein paar schwarzen Schafen eine große Zahl von Unternehmen, gerade kleine und mittelständische Betriebe, in eine immense Gefahr bringen,

(Florian von Brunn (SPD): Damit hat Ihre Partei aber ein Problem!)

und zwar kleine mittelständische Betriebe, die vielleicht auch mal einen Fehler machen, der sich aber bei Weitem nicht so auswirkt, wie das zum Beispiel bei Bayern-Ei der Fall war. Kontrolle soll auch Hilfestellung sein. Kontrolle muss nicht immer gleich Bestrafung und vor allen Dingen nicht gleich ein Pranger sein. Schließlich und endlich wird durch die Einführung eines derartigen Smiley-Systems eine immense Bürokratie aufgebaut. Es wird Klagewellen geben. Das ist ganz klar, weil sich jeder dagegen verwahren wird. Wir werden eine Prozessflut haben. Das bringt immense Kosten. Und wen treffen diese Kosten?

(Florian von Brunn (SPD): Herr Kollege, das ist Schwarzmalerei! Schauen Sie doch nach Dänemark!)

Mag sein, dass Sie das als Schwarzmalerei ansehen. Ich sehe das als die Realität. Ein Großbetrieb kann die immensen Kosten ohne Weiteres schlucken; aber der kleine mittelständische Betrieb hat darunter immens zu leiden. Das bindet Kräfte im Unternehmen. Es kostet immens viel. Der Unternehmer kann sich nicht auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus diesem Grund lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kollegin Steinberger. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Für uns steht eines fest: Das System der Lebensmittelkontrolle in Bayern ist verbesserungswürdig. Die immer wiederkehrenden Lebensmittelskandale zeigen uns doch eines: Es gibt immer wieder schwarze Schafe, die sich die Schwächen des Systems zunutze machen. Zu diesen Schwächen gehören eindeutig die zu geringe Personalausstattung der Kontrollbehörden und die zu geringe Transparenz der erzielten Ergebnisse. Aber wie viel Transparenz verträgt ein Kontrollsystem? Wie viele Informationen wollen die Menschen überhaupt

über lebensmittelverarbeitende Betriebe bekommen? In NRW hat man das ausprobiert. Ein Kontrollbarometer hat in allen Gaststätten und an allen Verkaufsstätten für Lebensmittel über die Ergebnisse der jüngsten Kontrollen durch die amtliche Lebensmittelüberwachung informiert. Dieses Barometer war als Pilotprojekt sehr erfolgreich. Oh ja!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen uns doch die grundsätzliche Frage stellen, was wir wollen. Wollen wir einen besseren Verbraucherschutz oder einen besseren Unternehmerschutz?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir sagen, der Verbraucherschutz muss an erster Stelle stehen. Wenn die Informationen stimmen und wenn der Zugang zu Informationen einfach gestaltet ist, dann interessieren sich die Verbraucherinnen und Verbraucher durchaus für tiefergehende Informationen. Das wollen wir doch eigentlich. Die Nutzer haben dieses Pilotprojekt sehr gut gefunden. Aber es gab noch einen Zusatzeffekt. Seitdem die Ergebnisse der Überprüfung veröffentlicht wurden, kam Schwung in die Anstrengungen der Betriebe, sich zu verbessern; denn bei Wiederholungskontrollen konnten 70 % der Betriebe im Kontrollbarometer deutlich zulegen.

Auch das ist ein Effekt, den wir alle wollen; denn es geht bei diesem System nicht darum, Betriebe an den Pranger zu stellen. Nein, es führt dazu, dass Betriebe um bessere Qualität konkurrieren. Gut bewertete Betriebe können dieses Barometer als Werbemittel nutzen und sich so einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Das ist durchaus ein Aspekt, den wir begrüßen. Viele Betriebe, auch in Nordrhein-Westfalen, haben dieses System schließlich positiv gesehen. Auch dort hat es am Anfang Widerstände gegeben, aber am Schluss waren über 70 % der Betriebe damit einverstanden. Kollege Beißwenger, wenn es nun eine Rolle rückwärts gibt, dann nicht deshalb, weil dieses System nicht funktioniert hätte, sondern weil die neue Regierung in NRW vor den Lebensmittelbetrieben eingeknickt ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Übrigens ganz nebenbei: Bereits auf der Verbraucherschutzministerkonferenz im Mai 2011 – das ist schon sechs Jahre her – haben sich die Fachministerinnen und Fachminister für die Einführung eines solchen Transparenzsystems in Deutschland ausgesprochen und die Bundesregierung aufgefordert, die notwendigen rechtlichen Grundlagen zu schaffen. Diese müssen dann natürlich passen. Aber es ist nichts passiert; denn das zuständige Bundeslandwirtschaftsministerium blockiert seit dieser Zeit die Umsetzung dieser Beschlüsse.

(Florian von Brunn (SPD): CSU-Ministerium!)

Das CSU-Ministerium, ganz richtig. – Was macht die CSU-Staatsregierung? – Sie macht nichts. Nach dem, was uns das bayerische Ministerium immer erzählt, sind bayerische Lebensmittel sicher und von bester Qualität. Also muss doch ein solches Barometer absolut in Ihrem Sinne sein; denn es bestätigt doch quasi amtlich diese Qualität. Fürchten müssen sich doch nur die schwarzen Schafe. Auch andere Länder wie Dänemark haben seit Jahren durch ähnliche Transparenzsysteme die Beanstandungsquoten bei den Lebensmittelkontrollen senken können, und der Lebensmittelhandel hat keinen Schaden genommen. Warum soll man also nicht einmal von positiven Beispielen in anderen Bundesländern oder gar in anderen Staaten profitieren und sich diese Beispiele abschauen? Denn Bayern kann das auch. Ein solches Barometer wäre ein wichtiger Beitrag zu mehr Transparenz und ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Lebensmittelkontrolle. Das hat sie absolut nötig. Wir werden den Antrag der SPD unterstützen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steinberger. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

(Florian von Brunn (SPD): Die Staatsregierung hat nichts zu sagen!)

Damit ist die Aussprache geschlossen, und wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und die SPD. Die Gegenstimmen, bitte. – CSU, FREIE WÄHLER und Kollege Felbinger (frak- tionslos). Enthaltungen? – Sehe ich keine. Kollege Muthmann (fraktionslos) hat jetzt nicht mit abgestimmt. Darf ich das so festhalten? – Okay. Damit ist der Antrag abgelehnt.