Die Bertelsmann-Studie hat sich zu den Zuständen in Hessen geäußert. Diese Studie der Bertelsmann Stiftung rät von einer kompletten Gebührenfreistellung ab: Auch die Kommunen blicken mit Sorge auf die Gebührenfreistellung. Erst wenn die Qualität stimmt und genügend Betreuungsplätze zur Verfügung ste
Es ist also nicht so, dass überall wegen der Regelung in Hessen Hosianna gerufen würde. Streuen Sie den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes keinen Sand in die Augen. Eine komplette Freistellung von den Gebühren kann es überhaupt nicht geben, da wir viel zu starke regionale Unterschiede haben. Deshalb lehnen wir diese Dringlichkeitsanträge, wie sie jetzt vorgelegt wurden, ab.
Danke schön, Herr Kollege. – Bleiben Sie bitte am Rednerpult. Herr Kollege Aiwanger hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.
Herr Kollege Vogel, ich habe ausgeführt, dass uns andere Bundesländer bei diesem Thema um einige Schritte voraus sind, nämlich Hessen, Rheinland-Pfalz, Berlin und Hamburg. Halten Sie es familienpolitisch für falsch, was diese Länder tun, nämlich die Eltern zu einem höheren Anteil zu entlasten, als dies in Bayern der Fall ist? Wir haben gefordert, stufenweise in die Richtung der Beitragsfreiheit zu gehen. Wir werden also nicht die Rund-um-die-Uhr-Betreuung mit Gitarrenbegleitung kostenfrei stellen, sondern zunächst mit den Kernbuchungszeiten beginnen. Dann wollen wir die Freistellung im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten weiter ausbauen.
Ich sage Ihnen: Sie werden bei diesem Thema enden, wie das bei den Studiengebühren der Fall war. Als wir über dieses Thema in der Fraktion diskutiert haben, habe ich vorausgesagt, dass die CSU politisch dumm genug ist, wieder Nein zu sagen und sich damit gegen 70 % der bayerischen Eltern zu stellen, die bei diesem Thema Probleme haben. Ich kenne einen Polizeibeamten aus dem Raum Regensburg. Er hat zwei Kinder. Er bezahlt für das eine Kind im Kindergarten 100 Euro und für das andere in der Kinderkrippe 290 Euro. Der ist hochgerechnet bei knapp 4.000 Euro im Jahr. Davon kann er steuerlich 1.000 bis 2.000 Euro wegbekommen, dann bleibt er bei 3.000 bis 4.000 Euro hängen. Das gilt für einen normalen Polizeibeamten. Es ist also nicht der Hubert Aiwanger, der hier irgendwo Kosten sparen will. So viel dazu, falls Sie es in diese Ecke bringen wollen. Ich sage Ihnen voraus, hier muss Bayern nachziehen. Es ist schade, dass man Sie hier wieder zur Vernunft prügeln muss.
Herr Kollege Aiwanger, machen Sie sich keine Sorgen, uns müssen Sie nicht zur Vernunft prügeln. Wir würden uns natürlich auch wünschen, wir könnten, je nach finanzieller Situation, Entlastungen schaffen. Das sieht man auch daran, dass wir im letzten Jahr bereits 100 Euro festgelegt haben. Die Frage ist aber doch die nach der finanziellen Seriosität. Wir verweisen jetzt auf gute Steuereinnahmen und sagen: Es ist alles gut. – Mit solchen Beschlüssen, mit diesem Dringlichkeitsantrag, würden wir uns aber für ein Kostenvolumen in Höhe von etwa 700 Millionen Euro pro Jahr binden. So etwas kann man doch wirklich nicht erwarten.
Wir müssen doch schauen, wie die finanzielle Lage ist und was vom Bund kommt. Die GRÜNEN haben das sehr gut mit dem Qualitätsentwicklungsgesetz dargestellt. Das war auch ein Thema in den Wahlprogrammen bei der Bundestagswahl. Die Frage war, inwieweit der Bund Standards vorgibt und in die Finanzierung geht. Kommt etwas vom Bund, dann werden wir natürlich darüber reden müssen. Aber wir wenden uns gegen eine komplette Freistellung, wie sie Ihr Antrag fordert. Wenn die Beitragsentlastung weitergeht, wenn zum Beispiel die 50 Euro aufgegriffen werden, dann ist das etwas anderes. Das ist aber nicht die komplette Freistellung. Man sollte den Eltern draußen nicht das Gefühl geben, sie müssten irgendwann überhaupt keine Beiträge mehr bezahlen.
Wenn ein Kind heutzutage sieben oder acht Stunden in der Betreuung ist, beispielsweise in München, dann wird man nie eine komplette Freistellung erwägen können. Vielleicht kann man eine Beitragsentlastung herbeiführen, aber eine komplette Freistellung werden wir nicht hinbekommen.
Ich sage es noch einmal: Für uns war eine Stärkung der Qualität vorrangig. Das sieht man auch an den Umfrageergebnissen. Bei der Umfrage, die Frau Kollegin Rauscher zitiert hat, ist das Ergebnis doch klar. Wenn ich heute auf das Oktoberfest gehe und frage: Wer ist dafür, dass es Freibier gibt? – Dann sind da doch alle dafür.
Ich kann aber eine Umfrage machen und fragen: Was ist euch wichtiger, der Elternbeitrag oder eine bessere Qualität der Einrichtung?
Auf diese Frage haben 70 % der Eltern geantwortet: Uns ist die bessere Betreuung wichtiger als die Beitragsfreiheit. – Das heißt doch, wenn die Eltern entscheiden können, ob sie der Kostenfreiheit oder der Qualitätssteigerung den Vorzug geben, dann entscheiden sie sich lieber für die Qualitätssteigerung.
Danke schön, Herr Kollege. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/18246, das ist der Antrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion und die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Gegenstimmen? – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Abgeordneter Felbinger (fraktionslos) stimmt mit den FREIEN WÄHLERN, stimmt also zu. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Wir kommen zum Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 17/18264. Das ist der Antrag der SPD-Fraktion. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPDFraktion und die Fraktion der FREIEN WÄHLER, das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Herr Abgeordneter Felbinger (fraktionslos).
Sie haben nicht mitgestimmt? – Entschuldigung und Danke für den Hinweis. Dann nur Herr Abgeordneter Felbinger (fraktionslos). Dann bitte ich, Gegenstimmen anzuzeigen. – Das ist die Fraktion der CSU. Stimmenthaltungen? – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Damit ist auch dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Wer nun dem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 17/18265, das ist der Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Das
sind die Fraktionen der SPD und der FREIEN WÄHLER sowie der Abgeordnete Felbinger (fraktionslos). Damit ist auch dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Gisela Sengl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Giftfreie Landwirtschaft in Bayern voranbringen (Drs. 17/18247)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Horst Arnold, Florian von Brunn u. a. und Fraktion (SPD) Pragmatismus statt Populismus - die Landwirtschaft bei der Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln unterstützen! (Drs. 17/18266)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Dr. Leopold Herz u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Beratungsabbau in Land- und Forstwirtschaft stoppen - Nachhaltige Land- und Forstwirtschaft fördern (Drs. 17/18267)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Sengl vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Kollegin, Sie haben das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kinder brauchen nicht nur qualitativ hochwertige und gute Kinderbetreuungsplätze, sondern sie brauchen auch und vor allem eine intakte Natur.
Hellblaue Glockenblumen, weiße Margeriten, gelbe Butterblumen, zartrosa Storchschnabel, filigraner Wiesenkümmel, Scharfgarben, Wegwarten und leuchtend rote Mohnblumen
waren früher auf der Wiese noch ganz normal. Früher, das ist noch gar nicht lange her. Man denkt immer: "Früher", das war vor 100 Jahren. Mit "früher" meine ich aber an dieser Stelle: vor 20 Jahren. Vor 20 Jahren war es nämlich noch ganz normal, da war es vor allem noch möglich, dass man spazieren gegangen ist und dass die Kinder auf ihrem Weg von der Schule
nach Hause einen Blumenstrauß am Wegrand, in der Wiese oder am Waldrand pflücken konnten. Früher, nämlich in dieser Zeit, da zwitscherten noch ganz viele Vögel wie beispielsweise Braunkehlchen, Wiesenpieper, Feldspatzen in den Wiesen und Feldern. Es gab Feldhasen, Wildbienen und Rebhühner. Heute aber sind diese Blumen und Tiere fast nur noch auf ökologisch bewirtschafteten Flächen vorhanden. In Bayern gibt es aber nur sehr wenige dieser Flächen. Nur 8,6 % der gesamten landwirtschaftlichen Fläche werden nach Ökokriterien bebaut. Auf dem Rest der Flächen, also auf 91,4 % wird fleißig gespritzt, und zwar mit Ackergiften aller Art: mit Fungiziden, Herbiziden, Insektiziden und Wachstumsreglern. Äpfel werden bis zu 23-mal pro Jahr behandelt, Kartoffel zwischen sieben- und zehnmal, Wein zwischen acht- und zwölfmal, Getreide vier- bis fünfmal und Mais ein- bis zweimal.
Nun betrachten wir einmal den Mais näher. Auf über einem Viertel des Ackerlandes in Bayern wird Mais angebaut, und zwar als Kraftfutter für Schweine und Kühe. Obwohl der Mais aber nur ein- bis zweimal pro Jahr mit dem Herbizid Terbuthylazin gespritzt wird, findet man dieses Gift im Trinkwasser. Der Grenzwert für die Pestizidbelastung im Grund- und Trinkwasser liegt bei 0,1 Mikrogramm pro Liter.
Im Folgenden nenne ich Zahlen aus den Antworten auf Schriftliche Anfragen, die wir GRÜNEN 2017 an die Staatsregierung gestellt haben. In Mittelfranken gibt es 16 Wasserbrunnen mit einem Pestizidwert von über 0,1 Mikrogramm pro Liter. 13 Wasserversorger müssen aktuell ihr Trinkwasser aufgrund des Pestizidgehalts aufbereiten. In Oberbayern gibt es 9 Wasserversorger mit einem Wert über 0,1 Mikrogramm. In der Oberpfalz gibt es 22 Wasserversorgungsunternehmen mit einem Pestizidwert über 0,1 Mikrogramm. 17 Wasserversorger müssen ihr Trinkwasser wegen dieser hohen Belastung aufbereiten. In Niederbayern gibt es 12 Wasserversorgungsunternehmen mit einem Wert über 0,1 Mikrogramm. Davon sind 7 im Landkreis Landshut. Der intensive Maisanbau lässt grüßen. Das ist das Resultat des Kraftfutteranbaus im Schweinegürtel Landshut. 7 Wasserversorger müssen aufbereiten. Das sind unglaublich erschreckende Zahlen. Wasser ist unser wichtigstes Lebensmittel. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir unser Wasser noch aus der Leitung trinken können.
Das geht, weil es bei uns extrem strenge Richtwerte gibt und das Trinkwasser sehr streng kontrolliert wird, nämlich strenger als Mineralwasser. Aber genau diese
hohe Qualität unseres Trinkwassers ist durch die zunehmend chemieabhängige, industrialisierte intensive Landwirtschaft in Gefahr.
Der Inlandabsatz von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen, wie es so schön heißt, ist in Deutschland in den letzten 20 Jahren um die Hälfte gestiegen, nämlich von 29.769 Tonnen auf 48.611 Tonnen Wirkstoffmenge. Was das an Giftmengen für Bayern bedeutet, mag ich mir gar nicht ausmalen. Es gibt keine Zahlen für Bayern, es gibt nur die Zahlen für Deutschland. Der Nettoinlandumsatz des Pflanzenschutzmarktes in Deutschland lag 2016 bei 1,4 Milliarden Euro – ein Riesengeschäft. In diesem Bereich finden weltweit die größten Fusionen statt. Wenn nun die Fusion von Bayer und Monsanto von der EU abgesegnet wird, teilen sich drei Konzerne 60 % des weltweiten Handels mit Saatgut und Pestiziden. Das können wir nicht zulassen.
Jetzt kommt immer das Argument, es seien nicht die Landwirte, es seien die Hobbygärtner, die so schlimm auf Teufel komm raus spritzen und die Gifte im Baumarkt kaufen. Der Verkauf von Pestiziden an Privatleute entspricht mit 58,7 Millionen Euro nur 4 % des Gesamtumsatzes. Das ist zwar auch erschreckend viel, aber im Vergleich zu 1,4 Milliarden Euro eigentlich nicht der Rede wert. Das Hauptproblem ist und bleibt der Einsatz von Ackergiften in der Landwirtschaft. Da müssen wir endlich etwas tun.