Protocol of the Session on July 20, 2017

14 Jahre nach der Einführung des G 8 schaffen wir es in diesen Tagen wieder ab und geben den Schülerinnen und Schülern mehr Zeit zum Lernen. 14 Jahre Reform, Nachbesserungen der Reform, Nachbesserungen der Nachbesserungen, Reform der Nachbesserungen und Reform der Reform. Ich bin mir sicher, Sie widersprechen mir nicht – einige Kolleginnen und Kollegen allenfalls kaum –: Wir hätten diese Zeit viel sinnvoller nutzen können.

Oder denken wir an den Bau der Stromleitungen: Erst Ja, dann Nein, dann doch wieder Ja. Auch hier sind wir nicht gerade sorgsam mit unser aller Zeit umgegangen.

Oder denken wir an den Atomausstieg: 30 Jahre heftiger politischer Streit, dann Ausstieg unter Rot-Grün, dann Wiedereinstieg unter Schwarz-Gelb, dann Fukushima, dann Ausstieg mit allen. Auch diese Zeit hätten wir alle miteinander sinnvoller nutzen können.

Mir fällt in diesem Zusammenhang der Begriff des rasenden Stillstands ein. Es wird etwas reformiert und als Erfolg gefeiert. Dann wird die Reform zurückgedreht. Das wird dann auch als Erfolg gefeiert, und zwar von denselben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich hat sich auch viel geändert. Unser Land ist heute nicht mehr dasselbe wie vor 30 Jahren, als ich zum ersten Mal im Landtag war, oder vor 20 oder vor 10 Jahren. Damals mussten sich Frauen noch rechtfertigen, wenn sie Karriere machen wollten. Heute müssen sich Unternehmen, Institutionen und Parteien rechtfertigen, wenn Frauen bei ihnen keine Karriere machen können.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Damals war die Ehe für alle undenkbar. Heute stimmen sogar einige Kolleginnen und Kollegen der CSU dafür, und alle feiern fröhlich beim Christopher Street Day.

(Zurufe von der CSU)

Nicht alle. Okay. Aber sogar Kolleginnen und Kollegen der CSU in München.

Damals war die Ganztagsschule noch als "Zwangstagsschule" verhöhnt, und heute setzen sich alle für eine Ganztagsgarantie ein.

Ich bin dankbar, dass ich ein Stück weit zu diesen Veränderungen beitragen durfte.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Zeit ist kostbar, auch und gerade in der Politik. Und doch tun wir oft so, als hätten wir unendlich viel davon und als hätte es keine Folgen, wenn wir nicht rechtzeitig handeln. Das gilt insbesondere beim Schutz unseres Klimas, beim Schutz unserer Lebensgrundlagen.

In der letzten Woche hat das Magazin der "Süddeutschen Zeitung" einen unbedingt lesenswerten Text dazu veröffentlicht. Unter der Überschrift "Urlaub war uns wichtiger als eure Zukunft, sorry" schreibt der Autor einen vorweggenommenen Entschuldigungsbrief an unsere Kinder. Ich möchte zitieren:

Liebe künftige Generationen,

sorry. Das mit der schmelzenden Arktis, das mit dem abgeholzten Regenwald, das mit den leergefischten Meeren, das waren wir. Wir haben euren Planeten ausgebeutet, eure Natur kaputt gemacht, euer Klima auf Jahrhunderte hinaus geschädigt. Unsere Wissenschaftler hatten uns

zwar seit Jahrzehnten gewarnt, in immer eindringlicheren, verzweifelteren Worten, aber wir haben es nicht ernst genommen. Nicht ernst genug.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt Herausforderungen, die nicht darauf warten, bis wir zu Einsichten gelangen. Die rasanten Veränderungen unseres Klimas, die Überhitzung der Erdatmosphäre, sind so ein Thema, und nicht nur eines unter vielen. Es ist schlicht eine Frage des Überlebens.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Der frühere US-Präsident Barack Obama hat einmal gesagt: Unsere Generation ist die erste, die die Folgen der Klimaerhitzung spürt, und sie ist vielleicht die letzte, die noch etwas dagegen tun kann.

Rechtzeitiges Handeln ist auch für unsere Demokratie wichtig; denn es eröffnet größere Freiheiten, um das Ziel Klimaschutz zu erreichen. Rechtzeitiges Handeln befördert auch den demokratischen Konsens. Spätes oder gar zu spätes Handeln nimmt uns Freiheit, die Freiheit, auf demokratischem Weg zu entscheiden, wie wir unser Klima schützen. In den Jahren, in denen ich hier in diesem Landtag sitze, haben wir aus diesem Hohen Haus heraus nur wenig in Richtung eines wirksamen Klimaschutzes angeschoben. Der Soziologe Ulrich Beck hat die Situation einmal so auf den Punkt gebracht: Wir erleben verbale Aufgeschlossenheit bei gleichzeitiger Verhaltensstarre.

Wir sind uns einig, aber es geht kaum etwas voran. Klimaschutz ist das, worum sich viele lieber erst später kümmern wollen, und das seit Jahrzehnten. Jedes Jahr wird unser Zeitfenster ein Stück kleiner. Mit jedem Jahr, in dem wir das Notwendige weiter vor uns herschieben, werden wir ein Stück mehr von Handelnden zu Getriebenen. Und deshalb möchte ich diese Schlussrede nutzen, um einen Appell zu formulieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, kümmern wir uns alle miteinander mehr um die relevanten Themen – gern auch in leidenschaftlichem Streit um den richtigen Weg. Nutzen wir die Zeit, um uns um die Fragen zu kümmern, die uns unsere Kinder und Enkelkinder einmal stellen werden. Sorgen wir dafür, dass wir uns bei unseren Nachkommen nicht entschuldigen müssen, weil wir ihre Lebensgrundlagen zerstört haben, sondern dass wir guten Gewissens sagen können: Es stand Spitz auf Knopf, aber wir haben die Kraft und den Mut gehabt, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns allen eine gute Zeit.

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Bause. Das waren einmal etwas andere Schlussworte, herzlichen Dank dafür. – Ich darf jetzt dem Herrn Ministerpräsidenten das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Ministerpräsident. Es ist schön, dass Sie heute zum Abschluss vor der Sommerpause hier sind. Danke schön auch für Ihre Zeit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Landtagspräsidentin, ich möchte zuerst Ihnen und Ihrem Präsidium im Namen der gesamten Staatsregierung für die hervorragende Zusammenarbeit in den letzten Monaten danken. Ich danke allen Fraktionen dieses Hohen Hauses für die faire und konstruktive Suche nach den besten Lösungen, und ich bedanke mich besonders bei meiner eigenen Fraktion für das Vertrauen und die gemeinsame Arbeit. Ich denke, wir haben auch in diesem Jahr viel für die Menschen in Bayern erreicht. Bayern geht es unbestritten gut. Es gibt unzählige Beispiele außerhalb der Grenzen unseres Freistaats in Deutschland, bei denen man sich auf Bayern bezieht und sagt: Wir wollen so werden, wie es in Bayern ist. – Ich möchte ausdrücklich vor dem Hintergrund dessen, was wir gerade gehört haben, sagen: Unserer Jugend und unseren Kindern überlassen wir in Bayern große Chancen und keine Lasten oder Schulden.

(Beifall bei der CSU)

Max Weber hat einmal formuliert, dass ein Politiker zwei Dinge vor Augen haben muss: die Zukunft und die Verantwortung vor ihr. Deshalb kommt es mir darauf an, bevor wir in die Sommerpause gehen, noch einmal den Blick für Themen zu schärfen, für die dieses Haus primär zuständig ist und die uns aus meiner Sicht in der Zeit nach der Bundestagswahl noch stärker beschäftigen sollten.

Es geht um die Bildung unserer jungen Generation und um ihre Ausbildung. Meine Fraktion und die Bayerische Staatsregierung haben gemeinsam ein Bildungspaket geschnürt, das nicht nur das Gymnasium umfasst, sondern auch die berufliche Bildung, die Förderschulen, die Realschulen, die Grundschulen und die Mittelschulen. Ich glaube, die Aufgabe, die jungen Menschen in ihrer Persönlichkeit und auch im Herzen auszubilden, müssen wir auch in diesem Hause viel stärker ins Bewusstsein der Bevölkerung rufen; denn das geschieht leider zu wenig.

(Allgemeiner Beifall)

Dazu müssen wir auch hier im Parlament mehr Bewusstseinsbildung betreiben.

Eine Domäne des Föderalismus ist die Bildungspolitik. Es gibt immer wieder Versuche in Berlin, sich an die Stelle der Bundesländer zu setzen, meistens mit dem goldenen Zügel, indem gesagt wird: Wenn ihr damit einverstanden seid, dass wir hierbei mitreden, bekommt ihr mehr Geld. – Das ist unübersehbar und unabhängig davon, wer gerade die Regierungsverantwortung trägt. Deshalb sind wir gut beraten, wenn wir diese Domäne des Föderalismus, in diesem Fall des Freistaats Bayern, stärker in den Mittelpunkt rücken und uns dieses Themas auch in der öffentlichen Bewusstseinsbildung stärker bemächtigen.

Es geht auch um "Bayern Digital", also um den großen Masterplan, den wir seit einigen Wochen diskutieren, mit dem wir die digitale Zukunft erobern wollen. Meine täglichen Begegnungen mit der Bevölkerung zeigen die Wichtigkeit dieses Themas; gestern zum Beispiel war ich bei einer gigantisch großen Betriebsversammlung bei MAN hier in München. Dort spricht die Arbeitnehmervertretung gerade und primär über ein solches Thema mit dem Ministerpräsidenten. Das zeigt mir: Das treibt die Leute um und erfordert, dass wir uns als Volksvertretung diesem Thema verstärkt zuwenden.

Das dritte Thema – Sie haben es gerade diskutiert, ich fasse das zusammen – sind Mobilität und Lebensqualität. Dieses Thema reicht weit über den Großraum München hinaus. Ein ernsthafter Umgang mit diesem Thema umfasst weit mehr als Schienen- und Straßenbau. Auch da kann man lernen, wenn man Betriebsversammlungen bei Audi, bei BMW oder bei MAN besucht und mit Leuten spricht, die mit dem Automobil und vom Automobil leben, aber die auch täglich als Pendler die Licht- und Schattenseiten des Straßen- und Schienennetzes erleben. Unsere Bevölkerung ist in relativ kurzer Zeit um zwei Millionen Einwohner gewachsen. Als bayerisches Parlament werden wir uns verstärkt mit dieser Frage beschäftigen müssen, und zwar nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Luftqualität, sondern auch, um diese beiden Pole Mobilität und Lebensqualität zusammenzubringen.

Ich habe deshalb gestern den Beschäftigten von MAN zugesagt, dass wir als Bayerische Staatsregierung beginnend mit dem Großraum München einen Verkehrspakt schließen werden mit der Landeshauptstadt München, mit der ich in den meisten Fragen ohnehin übereinstimme, aber auch mit den Landkreisen, der Region München und mit den Landräten; denn auch das war gestern ein großes Thema. Einige Beschäftigte sagen: Für einen Teil einer Bundesstraße ist der Landkreis zuständig, überschreiten wir die Stadtgren

ze, ist die Landeshauptstadt zuständig. Die einen oder anderen sagen dann: Aber eigentlich ist der Bund zuständig. Der Bund sagt wiederum: Da könnte auch der Freistaat Bayern etwas tun. – Diese Situation sollte man der Bevölkerung nicht länger zumuten. Wir haben viele solcher Stellen mit unterschiedlichen Zuständigkeiten. Die Menschen interessiert aber weniger die Zuständigkeit, sondern die Lösung eines Problems.

(Beifall bei der CSU, Abgeordneten der SPD und des Abgeordneten Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer (FREIE WÄHLER))

Deshalb lautet meine Bitte, bevor wir in die Sommerpause gehen, dass wir uns den drei Punkten Bildung, Digitalisierung sowie Mobilität und Lebensqualität im Herbst und Winter besonders zuwenden – das darf durchaus im Streit sein –, damit die Menschen im Freistaat Bayern auch spüren, dass ihre Volksvertretung diese Dinge sehr ernst nimmt. An den Stellen mit anderen Zuständigkeiten ist es dann Aufgabe der Staatsregierung, durch einen solchen Pakt, den man genauso in Nürnberg, in Würzburg, in Augsburg, in Passau, in Regensburg und in Ingolstadt schließen könnte, gemeinsam zu versuchen, die Probleme zu lösen.

Ich danke den Vertretern von Presse, Rundfunk und Fernsehen. Auch Sie haben eine große Verantwortung für den demokratischen Grundkonsens. Ich danke den Landtagsbeauftragten, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landtagsamtes, dem Stenografischen Dienst, dem technischen Personal, der Polizei und all denen, die dafür sorgen, dass dieses Hohe Haus auch in seinem äußeren Erscheinungsbild seinem Rang entspricht.

Ich möchte einige Bemerkungen machen, bei denen die Stimme Bayerns auch gefragt ist, nämlich zur Türkei. Die Entwicklung in der Türkei in den letzten Monaten und in den letzten Tagen ist nach Meinung der Staatsregierung völlig unerträglich und inakzeptabel.

(Allgemeiner Beifall)

Journalisten zu inhaftieren, nur weil sie ihren Beruf ausüben, Menschenrechtler in Haft zu nehmen, ohne dass man überhaupt einen Grund dafür erkennen kann, dies alles hat mit unserem Verständnis von Grundwerten und rechtsstaatlichen Prinzipien nicht das Geringste zu tun.

Ich habe heute mit der Bundeskanzlerin und auch mit dem Vizekanzler darüber gesprochen. Ich möchte für die Staatsregierung sagen, dass wir die heute ergriffenen Maßnahmen der Bundesregierung ausdrücklich begrüßen und unterstützen. Es handelt sich im Kern

auch um ein Stück Neujustierung der Türkei-Politik. Ich möchte für meine Regierung hinzufügen, dass diese Maßnahmen nach unserer Überzeugung noch nicht ausreichen.

Wir haben in den letzten Monaten gegenüber Berlin immer für Besonnenheit plädiert, auch in unserem eigenen Interesse. Aber wenn die Appelle, wenn die bilateralen Kontakte nichts bewirken, sondern sich all dies, was wir in der Vergangenheit erleben mussten, sogar noch verschlimmert, dann widerspricht es nicht der Besonnenheit, wenn man über Reisewarnungen und ähnliche Dinge hinaus noch zusätzliche Maßnahmen fordert. Eine der wichtigsten Maßnahmen wäre im Moment, dass man die finanziellen Beihilfen der EU für die Türkei – Vorbeitrittshilfen nennen sie sich genau – einstellen sollte. Das ist meine Überzeugung.

(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der SPD und der FREIEN WÄHLER)

Bei allen unterschiedlichen Ansichten, die für unser Land gut sind und die gewährleisten, dass es zu vernünftigen Lösungen kommt – diese Lösungen kommen nur durch Disput und in der Diskussion zustande –, ist unser gemeinsames Ziel – diesen Eindruck hatte ich in den letzten Monaten eigentlich immer, auch heute – die bestmögliche Politik für ein starkes Bayern und für die Menschen in Bayern. Dieses Ziel sollten wir nicht infrage stellen. Dieses Ziel eint uns, wenn wir auch unterschiedliche Ansätze haben.

Eines würde ich mir schon wünschen, nämlich dass wir nicht jede Alltagsfrage als Drama, als Sünde oder als Katastrophe einstufen. Deshalb ist mein Wunsch nicht ein besseres Zeitmanagement, sondern mein Wunsch ist, bei normalen Fragen mehr Gelassenheit zu üben. Wenn die Bayerische Staatsregierung überlegt, ob ein halbes Prozent der Fläche des bayerischen Staatswaldes nach dem Prinzip "Wir überlassen die Natur der Natur" ausgewiesen werden soll, dann habe ich nichts gegen abweichende Meinungen, aber ich habe etwas dagegen, wenn dies in die Nähe von Enteignung gerückt wird oder ähnliche Begriffe benutzt werden.

Wenn ich einmal über ein Trambähnchen rede und mir überhaupt erlaube, zu Münchener Vorgängen Stellung zu nehmen, dann weiß ich, dass das generell bleihaltig ist – es geht um eine Bahn auf einer bestehenden Teerstraße durch den Englischen Garten –, aber dann bin ich noch lange kein Sünder, sondern ich versuche mitzuhelfen, Mobilität und Lebensqualität miteinander zu versöhnen.

(Allgemeiner Beifall – Zuruf von der SPD)

Sie sollten ein bisschen nachdenken. Ich habe Sie überhaupt nicht erwähnt. Das könnte auch zu einem Schluss führen, der für Sie nicht ganz angenehm ist.