Protocol of the Session on July 19, 2017

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege. – Als nächster Redner hat der Kollege Pohl von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Absolute Sicherheit gibt es nicht, das wissen wir. Wir wissen auch, dass Menschen erkranken und sterben können, ohne dass es hierfür eine Ursache gibt, die einer Person zugeordnet werden kann. Umso wichti ger ist es aber, dass wir – damit meine ich nicht nur dieses Parlament, sondern die gesamte öffentliche Hand und die gesamte Staatsgewalt – dafür Sorge tragen, dass wir diejenigen Fälle schonungslos aufar beiten, aufklären und sanktionieren, aufgrund derer es zu Schäden bei Menschen kommt.

Wenn ich mir diesen BayernEiSkandal vor Augen führe, muss ich sagen: Hierbei gibt es eine ganze Menge an Ungereimtheiten, eine ganze Menge Fra gen, die auch parlamentarisch aufgeklärt werden müssen. Das kann man nicht, liebe Kollegin Mechthil de Wittmann, mit ein paar Fragen an die Staatsregie rung erledigen, sondern dazu braucht es einen Unter suchungsausschuss, der das Ganze fundamental klärt. Ich bin sehr froh darüber, dass sich alle Fraktio nen dieses Hauses dieser Meinung angeschlossen haben. Die Fraktionen von SPD, FREIEN WÄHLERN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben diesen Unter suchungsausschuss beantragt, und auch die CSU hat sich dem jetzt angeschlossen. Sie will auch offen auf klären, was da passiert ist; davon gehen wir jedenfalls aus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Freistaat Bayern bzw. die Bayerische Staatsregierung rühmt sich immer ihrer besonderen Kompetenz bei der inneren Sicherheit. Aber "innere Sicherheit" bedeutet nicht nur die Abwehr von Terrorismus, sie bedeutet nicht nur

die Bekämpfung von Extremismus und von Straftaten, die auf offener Straße begangen werden, sondern sie bedeutet auch, dass wir die Menschen in Bayern davor schützen müssen, dass möglicherweise unver antwortliches Handeln von Unternehmen und Unter nehmern dazu führt, dass Menschen in Gefahr gera ten und geschädigt werden.

Wir haben hier eine Dimension, die es aufzuklären gilt. Offiziell spricht man von einem Toten und etwa 100 Verletzten, von 100 Menschen, deren Gesundheit beeinträchtigt wurde. Andere sagen, die Zahl liege weit höher, es gebe in Großbritannien Todesfälle, und es gebe mehrere Hundert – manche sagen fünfhun dert – Verletzte. Die Dimension müssen wir zunächst einmal aufklären.

Wenn wir die Dimension aufklären, müssen wir fra gen: Wäre das vermeidbar gewesen? Dazu sind Be hörden und Verwaltungen da. Behörden und Verwal tungen übergeordnet ist die Bayerische Staatsregierung bzw. das jeweilige Ressortministeri um, in diesem Fall das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, und natürlich auch der ver antwortliche Minister bzw. die verantwortliche Ministe rin. Hat es hierbei Versäumnisse oder Fehler gege ben? Wir werden keine Vorverurteilungen aussprechen; denn wir brauchen den Untersuchungs ausschuss, um herauszufinden, welche Vorwürfe sich bestätigen und welche Verdachtsmomente sich erhär ten oder auch nicht erhärten. Aber wir werden sehr genau hinsehen und sehr genau untersuchen, ob das vermeidbar gewesen wäre; denn dieser Skandal hat eine europäische Dimension, die weit über Bayern hi nausreicht.

Wir müssen weiterhin aufklären – darauf werden wir ein besonderes Augenmerk legen –, ob die Menschen in Bayern und außerhalb Bayerns angemessen und sachgerecht aufgeklärt wurden. Ich muss schon sagen: Es ist sehr fragwürdig, dass Persilscheine genau zu diesem Zeitpunkt ausgestellt wurden, als die größte Gefahr für die Menschen drohte.

Wir werden auch Parallelen ziehen und fragen müs sen: Warum ist diese Salmonellenepidemie nicht An lass gewesen, dass der zuständige Minister bzw. die zuständige Ministerin bzw. die gesamte Staatsregie rung eine Taskforce eingerichtet hat, die sich aus schließlich um diese Problematik gekümmert hat? Warum hat man das nicht zur Chefsache gemacht?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich erinnere an den Bayerischen Ministerpräsidenten: Als er noch Bun deslandwirtschaftsminister war, gab es den Ausbruch der Vogelgrippe auf Rügen. Als er der Meinung war, dass die dortige Landesregierung die Situation nicht

in den Griff bekomme, hat er gesagt: Jetzt muss ich als Bundeslandwirtschaftsminister eingreifen. – Er hat sogar erwogen, die Hilfe der Bundeswehr in Anspruch zu nehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Denken Sie an die Problematik des sogenannten Rin derwahnsinns vor 17 Jahren. Die CreutzfeldtJakob Krankheit stand dabei im Mittelpunkt. Menschen sind an dieser Krankheit erkrankt, weil sie Tiere verzehrt haben, die mit diesem sogenannten Rinderwahnsinn infiziert waren. Damals wurden Konsequenzen gezo gen. Der damalige Ministerpräsident Edmund Stoiber hat hart durchgegriffen, auch wenn er dabei mögli cherweise die Falschen erwischt hat. Aber das war ein Aufreger. Die Staatsregierung hat gesagt: Wir müssen hier eingreifen; wir müssen etwas tun. Aber angesichts dieser BayernEiProblematik, dieses Sal monellenausbruchs, hat die Staatsregierung be schwichtigt und gesagt: Es ist alles nicht so tragisch; alle haben korrekt gehandelt. – Nun gibt es ein Straf verfahren vor dem Landgericht Regensburg. Zumin dest die Staatsanwaltschaft war hier also anderer Meinung und sagte: Es ist nicht alles korrekt gelaufen.

Was nicht korrekt gelaufen ist, wo die Fehler gemacht wurden, wird Gegenstand dieses Untersuchungsaus schusses sein. Wir werden die Sache neutral aufklä ren und dann die Fakten benennen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und des Ab geordneten Thomas Kreuzer (CSU))

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat Frau Kollegin Steinberger von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte sehr, Frau Kollegin.

Herr Präsident, Hohes Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Skandal um den Salmonellenausbruch im Sommer 2014 ist immer noch nicht abschließend geklärt. Viele Fragen bleiben nach wie vor offen. Wir wollen diese Lücke nun endlich schließen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Darüber hinaus gibt es von unserer Seite auch massi ve Zweifel, ob dieses Geschehen im Nachhinein aus reichend aufgearbeitet worden ist. Der Landtag hat sich ja bemüht. Wir haben diese Thematik schon viele Male auf der Tagesordnung gehabt, wir haben unzäh lige Anfragen gestellt, Sondersitzungen des Umwelt ausschusses wurden abgehalten. Aber vieles ist nach wie vor im Dunkeln.

Aus diesem Grund haben wir GRÜNEN diesen Unter suchungsausschuss angeregt, und heute wird er end lich ins Leben gerufen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Lassen Sie mich an ein paar Beispielen erklären, wo wir noch Aufklärungsbedarf sehen.

Weshalb haben zum Beispiel Behörden anderer Län der viel schneller den Bezug zu BayernEi hergestellt als unsere Behörden? Welche Abläufe und Standard anweisungen gibt es in bayerischen Behörden, und haben diese Abläufe Mängel und Defizite aufzuwei sen, die vielleicht im Jahr 2014 gravierende Folgen hatten? Kann es sein, dass bayerische Behörden falsch oder zu langsam reagiert und damit eine Ge fährdung der Bevölkerung in Kauf genommen haben? Hat man möglicherweise den Unternehmer mehr ge schützt als die Verbraucherinnen und Verbraucher? Dieser Vorwurf ist schwerwiegend, und diesem Vor wurf müssen wir gründlich nachgehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Natürlich wollen wir auch aufklären, wie man bei der Aufarbeitung dieser Geschichte mit uns als Parlament umgegangen ist. Ich muss schon sagen, ich habe mich persönlich mehrmals – mit Verlaub – veräppelt gefühlt, und das ist noch milde ausgedrückt.

(Florian von Brunn (SPD): Vergackeiert!)

Ich erinnere nur an die Käfigeier, die es angeblich im Einzelhandel nicht zu kaufen gibt. Aber man kann sich halt nicht am eigenen Erleben orientieren, nach dem Motto: Ich habe dort noch nie Käfigeier gesehen! Zum Glück haben wir eine aufklärungswillige Presse, die die Wahrheit auf den Tisch gebracht hat.

Und dann fragen wir uns natürlich, weshalb das die Behörden nicht gewusst haben, die nach Aussage von Herrn Zapf in detektivischer Kleinarbeit auch noch das letzte im Handel befindliche Ei gefunden haben. Aber bitte sehr, da hätte man doch merken müssen, dass es diese Eier auch im Lebensmitteleinzelhandel gegeben hat. Diese Frage, liebe Kolleginnen und Kol legen, wollen und müssen wir aufklären.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Außerdem haben wir einen großen Aufklärungsbedarf bei der Frage, welche Mitteilungen und Hinweise es denn im Ministerium zur damaligen Zeit gegeben hat.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wir haben uns im Umweltausschuss auch schon da rüber unterhalten. Die Aussagen, die wir damals von den Vertretern der Ministerien bekommen haben, waren, gelinde gesagt, sehr dürftig, man könnte auch sagen, eine Frechheit. Die Verantwortung der zustän

digen Minister wollen und müssen wir aufklären, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kurz und gut: Frau Scharf, Herr Huber, Herr Zapf in Abwesenheit, dass es diesen Untersuchungsaus schuss geben wird, haben Sie sich selbst zuzuschrei ben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben immer nur abgewiegelt. Sie haben immer nur das zugegeben, was eh schon alle gewusst haben bzw. was schon in der Zeitung gestanden hat. Hätten Sie einen ehrlichen Aufklärungswillen an den Tag gelegt, könnten wir uns heute mit anderen Dingen beschäftigen.

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Ute EilingHütig (CSU))

Darüber hinaus hoffe ich, dass dieser Untersuchungs ausschuss mehr bewirken wird als seine Vorgänger. Ich erinnere nur an den Untersuchungsausschuss BergerWild oder Gammelfleisch. Nicht nur die Frage stellungen waren denen, die wir in dieser Stunde be handeln, ähnlich. Wenn man sich die Berichte der Op position anschaut, sieht man, dass auch die Schlussfolgerungen immer wieder die gleichen sind. Immer wieder wurden bessere Kontrollen, mehr Per sonal und weniger Mauschelei angemahnt. Und was ist passiert? – Nichts ist passiert!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, solange diese Miss stände nicht abgestellt sind, wird es immer wieder zu Skandalen kommen. Man muss ja sagen, die Miss stände sind seit Langem bekannt. Die Fakten müssen endlich auf den Tisch, und dann müssen die Miss stände abgestellt werden.

Ich finde es immer noch interessant, dass der Oberste Rechnungshof in der rekordverdächtigen Zeit von 47 Arbeitstagen ein 13PunkteProgramm ausgearbei tet und darin die wichtigsten Schwachpunkte genannt hat. Andere versuchen das in Jahren aufzuklären und bekommen komischerweise nichts heraus. Von dem, was der Oberste Rechnungshof bemängelt hat, möch te ich nur nennen, dass die Zuständigkeiten nicht or dentlich geklärt sind, dass die Kapazitäten nicht aus reichend sind und dass die Korruptionsprävention nicht funktioniert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn der Oberste Rechnungshof schon so schnell auf entscheidende Mängel aufmerksam geworden ist, bin ich gespannt,

was wir im Untersuchungsausschuss noch herausfin den werden. Wir werden es sehen.

Zum Schluss möchte ich noch betonen: Uns geht es nicht darum, Menschen an den Pranger zu stellen.

(Mechthilde Wittmann (CSU): Nein!)

Es geht uns darum, dass aus vergangenen Fehlern gelernt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine absolute Sicherheit gibt es nicht. Das wissen wir auch. Aber es bricht doch wirklich niemandem ein Za cken aus der Krone, wenn er vergangene Fehler ein räumt. Für uns alle gemeinsam muss doch eines im Zentrum unserer Untersuchungen stehen: dass in Zu kunft alles getan wird, um solche Skandale zu vermei den.