Protocol of the Session on July 6, 2017

Selbst in den Ferienzeiten sind diese digitalen Schulen tatsächlich flexibel. Jetzt müssen wir uns und muss sich auch der Kultusminister die Frage stellen: Sind wir dazu bereit? Wir brauchen nicht nur mehr Informatiklehrer, sondern auch Lehrer, die die Möglichkeiten der Digitalisierung in allen Fachrichtungen nutzen. Das gilt übrigens auch für die Ministerien. Es gibt keine Fächergrenzen mehr, da die Digitalisierung vor diesen Grenzen nicht haltmacht. Sie geht über die Fächergrenzen hinaus. Wir können uns das noch gar nicht vorstellen. Was bedeutet das in der Folge für die Schulbücher? – Wir werden die Schulbücher neu entwickeln zu frei verfügbaren Lehr- und Lernmaterialien,

sogenannten Open Educational Resources. Natürlich werden wir darüber mit den Rechte-Inhabern sprechen müssen. Da wird es eine Menge Diskussionen geben, die es aber gar nicht bräuchte, wenn wir das gemeinsam tun würden.

Herr Seehofer, wie läuft es im Moment? – Wenn ein Sachaufwandsträger ein digitales Buch möchte, dann bekommt er keine Förderung. Bei einem analogen Schulbuch bekommt er eine Förderung von 80 %. Also kaufen die Schulen im Moment noch die analogen Bücher. Wer muss die digitalen Lizenzen kaufen? – Die Eltern müssen sie kaufen. Das führt in Bayern dazu, dass die Bildung denen vorbehalten bleibt, die es sich leisten können. Das ist aber nicht das Prinzip der Digitalisierung.

(Beifall bei der SPD)

Was ist denn das Internet eigentlich? – Das Internet bietet Informationen; und jeder kann zusätzlich Informationen hinzufügen. Das ist keine Einbahnstraße. Bisher hatten wir noch öffentliche Bibliotheken. Das Internet macht das Wissen aber einfacher verfügbar. Darin liegt die riesige Chance für mehr Gleichheit in den Regionen, aber eben auch für mehr Gleichheit der Menschen. Durch die Digitalisierung werden individuelle Bildungsmöglichkeiten eröffnet. Ziehen wir einmal einen Vergleich mit Luther, dessen wir in diesem Jahr gedenken. Er hatte auch das Ziel, Wissen in der Sprache des Volkes verfügbar zu machen. Das war übrigens für manch einen zu Luthers Zeiten eine Horrorvorstellung. Die weitläufige Auswirkung war dann die Aufklärung.

Für manch einen ist es auch eine Horrorvorstellung, wenn er an das Internet denkt, wenn man sieht, was da alles geschrieben und unwidersprochen verbreitet wird. Herr Huber, wissen Sie, was ich daraus schließe? – Wir brauchen für das Internet eine ähnliche Aufklärung; denn es gibt viele Vorbehalte und Ängste, nicht nur gegenüber dem Internet, sondern auch gegenüber der Digitalisierung. Natürlich gibt es Risiken. Ich möchte es aber einmal so formulieren: Das Autofahren ist auch nicht ohne Risiken, aber die wenigsten haben Angst davor, weil jeder weiß, wie es funktioniert und dass es Regeln gibt.

Wir als Gesellschaft brauchen ein ähnliches Verständnis für das Internet und die Digitalisierung. Wir müssen es lernbar und vor allem fühlbar machen, in den Kindergärten, in den Schulen, aber auch in der Arbeitswelt. Der frühere IBM-Boss und Mathematiker Dr. Gunter Dueck hat ein wunderbares Beispiel formuliert. Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich das einmal auf YouTube anzusehen. Er sagt: Was entgegnen Sie als ausgebildeter Arzt einem Patienten, der sich und

seinen Zustand gerade frisch gegoogelt hat? Das ist der Knackpunkt: Das reine Wissen steht meist auf dem aktuellen Stand im Internet. Der Mensch wird immer weniger zum Wissen gebraucht, sondern immer mehr an anderer Stelle. Er muss interpretieren, verstehen, verknüpfen, vermitteln und neu denken. Er wird in den Bereichen benötigt, bei denen Emotion, Offenheit, Kreativität, Phantasie und vor allem Menschlichkeit gefragt sind. Diese Eigenschaften werden uns Menschen in Zukunft, in den nächsten Jahrzehnten, von Computern und Robotern unterscheiden. Das wird auch so bleiben.

Die Politik muss mit dieser Entwicklung Schritt halten. Wir müssen den Menschen eine weitere Qualifizierung geben. In Bayern muss endlich das umgesetzt werden, was eigentlich schon längst überfällig ist, nämlich ein landeseigenes Weiterbildungsgesetz.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, Sie haben vorhin die IG Metall erwähnt. Ja, die IG Metall schlägt eine geförderte Bildungsteilzeit vor, damit sich die arbeitenden Menschen weiterentwickeln können. Warum gehen wir nicht noch weiter und denken über einen digitalen Bildungsurlaub nach? Wann hat die normale Sachbearbeiterin schon die Chance, einmal über den eigenen Tellerrand und hinter die Kulisse der Digitalisierung zu schauen? – Jedes Bundesland, bis auf Bayern und Sachsen, hat ein eigenes Bildungsurlaubsgesetz. Wir sollten wirklich keine Denkverbote haben. Wir wollen doch alle mitnehmen. Deswegen reden wir über Themen wie das Weiterbildungsgesetz und den Bildungsurlaub. Das sind Möglichkeiten der Qualifikation, wie wir sie zum Teil noch gar nicht kennen. Wir müssen diese Möglichkeiten "anfassen".

Wir dürfen es in der Arbeitswelt nicht zu einer digitalen Spaltung kommen lassen. In Statistiken wird bewiesen, dass die Niedrigverdiener im Moment vom Computer gesagt bekommen, was sie zu tun haben. Hochverdiener sagen dem Computer, was er zu tun hat. Das führt zwangsläufig zu einer sozialen Spaltung, die sich bereits jetzt in anderer Art anschleicht, und zwar bei den Älteren. Die Älteren fürchten, bald abgehängt zu werden, weil sie sich für die Digitalisierung nicht qualifiziert fühlen. Die Jungen hingegen nennen sich selbst Digitalos und empfinden ihren Beruf inzwischen nicht mehr als Beruf, sondern als Berufung. Sie finden es super hip und cool, total viel zu arbeiten. Falsch angewendet führt das aber irgendwann tatsächlich zum Burnout oder zur Ausbeutung.

Diese Spaltung müssen wir aufhalten. Herr Ministerpräsident, die Digitalisierung muss in der Arbeitswelt zu einem fairen Deal werden, einem Deal zwischen

Arbeitgebern und Arbeitnehmern, einem Deal, der natürlich Weiterbildung zur Grundlage hat, der aber auch Leistung und Selbstbestimmung auf Augenhöhe koppelt.

(Beifall bei der SPD)

Flexibilisierung ja, aber das Recht auf Abschalten muss bestehen bleiben. Wenn wir Arbeit für null als Experimentieren zur Flexibilisierung ansehen, ist das in meinen Augen nur dort möglich, wo Tarifbindung und Mitsprache existieren.

Wer als Arbeitgeber glaubt, er könne die digitale Revolution nutzen, um die Arbeitswelt nach seinen Ansprüchen und Vorstellungen hyperflexibel zu gestalten, der irrt.

(Beifall bei der SPD)

Digitalisierung geht nur miteinander. Das zeigt auch ein Blick in die Geschichte. Die sogenannte erste industrielle Revolution war die Geburtsstunde der Arbeiterbewegung. Deswegen lautet meine Forderung: Lassen Sie uns bei der digitalen Revolution von Anfang an Hand in Hand gehen. Denn eines ist unbestreitbar: Selbstbestimmung führt zu mehr Zufriedenheit und damit zu besserer Leistung, aber sicherlich nicht die Fremdbestimmung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns nun einmal den Maßnahmenkatalog ansehen, der von der Staatsregierung veröffentlicht wurde. Wir Bayern finden uns ja grundsätzlich spitze. Ich finde uns auch spitze, und der Herr Ministerpräsident findet uns auch spitze. Aber, ehrlich gesagt, bei alldem dürfen wir eines nicht vergessen: Spitzendenken passt überhaupt nicht zum digitalen vernetzten Denken; denn die digitalisierte Welt braucht keine Leuchttürme, sondern sie braucht eine Straßenbeleuchtung. Digital arbeiten heißt, auf einer Ebene vernetzt arbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Die bayerischen Unternehmen agieren aber eben nicht nur bayerisch, sondern auch landesweit und deutschlandweit.

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Weltweit!)

Ja, dazu komme ich gleich. Sie wissen doch gar nicht, was jetzt noch kommt.

Sie agieren deutschlandweit, und deswegen brauchen wir beim Thema digitale Verwaltung keinen Spitzenstandort Bayern, sondern wir brauchen einen Standort in der Verwaltung, der sich mit anderen Verwaltungen austauschen und auf digitaler Ebene kommunizieren

kann. Deshalb meine Feststellung: Es wäre nicht klug, einsam spitze zu werden; denn dann wären die bayerischen Unternehmen nicht mehr in der Lage zu kommunizieren. Das heißt, wir müssen uns mit den anderen Landesregierungen absprechen. Wollen wir zum Beispiel E-Government oder vielleicht – ich sage: Weg mit den Denkverboten! – weitergehen zum Open Government? Das wäre sogar eine Demokratisierung der Verwaltung. Also, lieber Herr Seehofer, lassen Sie uns nicht einsam spitze werden; denn damit würden wir der bayerischen Wirtschaft ein Bein stellen.

Dasselbe gilt übrigens auch für die digitale Infrastruktur. Wir brauchen keine Leuchttürme, sondern zunächst auch hier die Straßenbeleuchtung. Was heißt das? – Herr Seehofer, Sie haben ganz stolz gesagt, wir gehen auf 5G. Aber mal ganz ehrlich, wir sollten zunächst einmal mit 3G flächendeckend werden, bevor wir über 5G reden.

(Beifall bei der SPD)

Die Leute nehmen uns doch nicht für ganz voll, wenn sie zum Beispiel von einem Ort in Bayern zu einem anderen fahren und dabei nicht durchgehend mit dem Handy telefonieren können. Das ist die Erfahrung, die fast jeder von uns macht. Im Zug ist das übrigens ganz ähnlich. Das heißt, die Realität verlangt etwas anderes, als jetzt schon ein 5G ins Schaufenster zu hängen. Wir brauchen ein flächendeckendes 3GNetz.

Dasselbe gilt übrigens für die Glasfaser, Herr Ministerpräsident. Die Glasfaserverbindung müsste bis an jedes Haus reichen. Sonst haben wir wieder einen Flaschenhals bei den Gemeinden. Ich sage es einmal so: Ein Haus braucht nicht nur Anschluss an Gas und Wasser und einen Abfluss, sondern es braucht auch Anschluss an das Internet. Die Folge wäre sonst, dass die jungen Kreativen, die nicht schnell genug angebunden sind, abhauen. Das können wir nicht wollen. Also: Ran an jedes Haus!

Sie wollen Tablets auf die Unterrichtsklassen schütten. Das macht nur Sinn, wenn auch Unterricht stattfindet. Aber im Moment haben wir in einem Ausmaß Unterrichtsausfälle, dass diese auch durch noch so viele Tablets nicht geheilt werden.

(Beifall bei der SPD)

Das heißt, wir brauchen entsprechenden Unterricht.

Sie können natürlich auch sagen, Sie geben den jungen digitalen Schülern so viel Freiheit in ihrem digitalen Unterricht, dass sie auch ohne Unterricht arbeiten können. Auch das wäre denkbar. Aber irgendwie müs

sen Sie schon eine Antwort auf die Frage geben, wie wir damit umgehen wollen.

Sie sprachen dann von 40.000 Hotspots. Ich habe gelesen, dass diese kostenfrei sein sollen. Das ist gut so; denn sonst wäre es ein Telekom-Förderprogramm. Sie sagten vorhin allerdings in Ihrer Rede, Bayern arbeite nie mit Verboten. Wenn Sie aber nun an über 20.000 Schulen einen WLAN-Hotspot anbringen, müssen Sie das Handy-Verbot aus Ihrer Verordnung herausnehmen, den Lehrern und Schülern die Selbstverantwortung überlassen und sagen: Seht selbst, wie ihr mit dem Handy umgeht.

(Zurufe von der CSU)

Nun, wenn Sie eine Karotte über die Schule hängen und keiner reinbeißen kann, dann gibt es Ärger. Das kann ich Ihnen garantieren.

(Zurufe von der CSU – Glocke des Präsidenten)

Nicht aufregen, das ist so. Ich habe übrigens einen jungen Wischer gefragt, nämlich meinen eigenen Sohn. Ich habe ihm den Maßnahmenkatalog gezeigt. Er hat sich das angeschaut und fing bei einem Punkt schrecklich zu lachen an. Er meinte den Passus: Modernste Ausstattung der bayerischen Polizei mit modernster mobiler IT wie zum Beispiel Smartphones und Tablets. Er sagte, die können doch froh sein, wenn sie in ihren Streifenwagen überhaupt ein Handynetz haben. Das nehme ich nur mal als Hinweis eines Nicht-Politikers auf.

(Zurufe von der CSU)

Das ist schon so, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. So denken die Jungen. Zeigen Sie den Maßnahmenkatalog doch einmal den jungen Leuten. Das sind diejenigen, die mit solchen Dingen in der Hand geboren werden und die schmunzeln, weil sie dann, wenn sie in Bayern unterwegs sind, ihr Handy nicht überall nutzen können. Gehen Sie in ein Festzelt oder auch einmal in eine Schonung, dann sagt Ihnen der zuständige Bürgermeister, du kannst dein Handy ruhig ausschalten, du hast eh keine Verbindung. Das ist die Realität.

Diese Realität könnten wir ändern. Wenn wir auf die digitale Mobilität eingehen, die Sie vorhin angesprochen haben, dann fallen immer Worte wie Smart City oder Autobahn, wo wir die neue Mobilität in der digitalen Welt ausprobieren wollen. Da vermisse ich das Smart Country, die Smart move Areas.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der SPD: Bravo!)

Es ist egal, mit welchen Anglizismen wir das benennen.

Wie schaut es denn mit der digitalen Mobilität im ländlichen Raum aus? Frau Aigner, da komme ich zu Ihnen. Sie haben im Jahre 2015 zwei digitale Dörfer als Projekt zusammen mit der Fraunhofer-Gesellschaft begonnen. Diese arbeitet in Rheinland-Pfalz bereits an einem solchen Projekt. Geben Sie uns doch einmal einen Erfahrungswert, was bei Ihrem Programm herausgekommen ist!

(Zuruf der Staatsministerin Ilse Aigner)

Wie steht es denn tatsächlich um die digitale Vernetzung zum Beispiel von Ärzten?

(Staatsministerin Ilse Aigner: Wir haben doch erst damit angefangen!)

Sie haben nicht erst jetzt damit angefangen, das war im Jahre 2015, und Sie wollten Mitte des Jahres 2018 erste Erfahrungswerte bringen.

Gehen wir also einmal nach Rheinland-Pfalz. Dort macht man das schon seit dem Jahre 2015. Fragen Sie doch einmal dort nach. Dort gibt es ein vernetztes Arbeiten.