Protocol of the Session on June 21, 2017

(Zuruf des Staatsministers Dr. Markus Söder)

Auf jeden Fall achtet der sogenannte Heimatminister nicht besonders darauf, dass die Heimat geschützt wird. Ich nenne das Stichwort LEP. Da haben Sie es aber auch geschafft, inhaltlich Pirouetten zu drehen und auf einmal so zu tun, als wollten Sie gar nicht so sehr überall Gewerbe ansiedeln lassen.

Nehmen Sie sich das zu Herzen. Machen Sie das auch bei der dritten Startbahn. Drehen Sie sich inhaltlich, und seien Sie endlich auch gegen die dritte Start- und Landebahn. Dies ist auf jeden Fall ein ganz klarer Appell in diesem Hohen Haus: Bitte versuchen Sie in der nächsten Zeit nicht zu tricksen – der Herr Kollege Magerl hat es schon angesprochen – und irgendetwas zu finden, etwa die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft, um die dritte Startbahn doch noch irgendwie durchzusetzen.

Eines ist ganz klar festzustellen: Nicht eine Prognose der Flughafengesellschaft hat bisher gestimmt. Im SPD-Antrag heißt es richtig, es werde zum Glück künftig eine sehr gut ausgebaute Zugverbindung nach

Berlin geben. Deswegen wird glücklicherweise viel weniger geflogen werden. Es ist viel zu spät, diese Strecke auszubauen. Daher wird es allerhöchste Zeit, die Strecke auszubauen. Die Prognosen der Flughafengesellschaft werden also erst recht nicht annähernd stimmen. Tun Sie endlich das, wozu Sie verpflichtet sind.

(Zuruf des Staatsministers Dr. Markus Söder)

Herr Minister, wir sind bei den Dringlichkeitsanträgen. Ich kläre Sie gerne darüber auf, dass ich bei Dringlichkeitsanträgen vier Minuten Redezeit habe.

Tun Sie endlich das, wofür Sie sich selbst ins Spiel gebracht haben, nämlich die Heimat zu schützen. Sorgen Sie wirklich dafür, dass die Heimat derjenigen, die am Flughafen wohnen, nicht noch mehr zerstört wird. Es ist wahr, Bayern geht es wirtschaftlich gut. Es geht Bayern auch deswegen wirtschaftlich gut, weil hier Menschen gerne leben und eine hohe Lebensqualität erwarten. Schützen Sie das Bayern, das Sie immer wahnsinnig loben, und reden Sie nicht bloß darüber.

Danke schön, Frau Kollegin Stamm. – Jetzt hat der Staatsminister für Finanzen das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erstens. Wie reagieren jetzt wohl viele Menschen, wenn sie diese Debatte hören? Wie reagieren Unternehmen, die entscheiden sollen, ob sie in unserer Region Arbeitsplätze ansiedeln oder behalten? Wie reagieren sie darauf, wenn sie hören, wie die Befindlichkeiten diskutiert werden? Ich kann Ihnen eines sagen: Emotionen sind okay. Aber wenn es in der Argumentation dazu null Fakten und Verstand gibt, dann sind mir solche Debatten für den Landtag des Freistaats Bayern schlicht und einfach zu wenig.

(Beifall bei der CSU)

Zweitens. Die Landeshauptstadt München ist ein wichtiger Gesellschafter. Aber, liebe Frau Zacharias, es geht nicht nur um München; denn an dem FranzJosef-Strauß-Flughafen sind auch der Bund und mehrheitlich der Freistaat Bayern beteiligt. Der Flughafen Franz-Josef-Strauß ist nicht etwa nur der Münchner Flughafen, sondern er ist der bayerische Flughafen und das Tor Bayerns zur Welt. Wir müssen also ganz Bayern sehen.

(Beifall bei der CSU)

Drittens. Sie sprechen von Heimat. Ich wundere mich; denn Sie verstehen Heimat manchmal nur unter dem

Gesichtspunkt, dass sich in unserem Land überhaupt nichts mehr verändern soll. Heimat bedeutet nicht, dass wir in unserem Land alles einfrieren.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Ich habe Ihnen zugehört.

(Dr. Christian Magerl (GRÜNE): Das habe ich nicht gesagt. Ich will Veränderung!)

Das war ein großes Wort, aber über die Prognosefähigkeit werden im nächsten Jahr die Wählerinnen und Wähler entscheiden, auch die der GRÜNEN und der CSU.

Ich erlebe immer wieder, dass es beim Anbindegebot und bei vielen anderen Dingen immer das Gleiche ist: Bayern wird aus Ihrer Sicht häufig so betrachtet, dass man an der gegenwärtigen Situation am besten nichts ändert, alles einfriert und aus Bayern eine Art Museum macht. Wer so denkt, verspielt die Chancen künftiger Generationen. Wir dürfen im Bayerischen Landtag nicht nur an das Heute, sondern müssen auch an das Morgen denken. Auch das gehört dazu.

(Beifall bei der CSU)

Eine solche Diskussion gab es schon einmal – auch damals war Christian Magerl dabei –, als es um die Frage ging: Riem oder Erdinger Moos? Auch damals wurde gesagt: Das bringt überhaupt nichts; was hat das für einen Sinn; es kommt kein Mensch mehr, wenn man den Flughafen nach draußen verlagert; das Riesenprojekt kostet wahnsinnig viel, bringt aber nichts. – Die Entscheidung, den Flughafen von Riem ins Erdinger Moos zu verlegen, war für die Geschichte und die Zukunft des Freistaats Bayern eine der wichtigsten Weichenstellungen. Bayern lag früher im Bereich Wirtschaft und Flughafen im Mittelfeld und stieg mit Verlegung des Flughafens ins Erdinger Moos zur Champions League auf. Ich hätte gern, dass Bayern auch weiterhin in der Champions League spielt und nicht ins schwächere Mittelfeld zurückfällt.

(Beifall bei der CSU)

Das ist übrigens auch der Grund dafür, dass die Oberbürgermeister Christian Ude und Dieter Reiter unabhängig vom Bürgerentscheid gesagt haben: Natürlich ist die Entscheidung inhaltlich richtig, eine dritte Start- und Landebahn zu bauen. Sie dürfen über ihre Parteitagsbeschlüsse streiten. Aber ehrlicherweise muss man sagen, dass die zwei zuständigen Oberbürgermeister in den letzten Jahren immer wieder anerkannt haben, eine dritte Start- und Landebahn sei weder eine Heimatzerstörung noch überflüssig, sondern eine

dritte Start- und Landebahn wäre eigentlich der richtige Weg.

Frau Zacharias, bevor wir über die kommende Diskussion reden, sollten Sie zur Kenntnis nehmen: Ihre eigenen Leute stimmten für diese Sache, weil sie sie für vernünftig hielten. Auch diese Wahrheit gehört zu dieser Diskussion.

(Beifall bei der CSU)

Weil natürlich Oberbürgermeister Reiter das Votum der Bürger respektiert – Herr Piazolo, das ist doch logisch, das machen wir auch –, hat er in einer Besprechung signalisiert, er sei bei neuen Zahlen bereit, bei der Diskussion über die Weiterentwicklung vielleicht auch über eine neue Abstimmung zu reden. Nun fordert Herr Zierer, niemals mehr abzustimmen. Herr Zierer, was ist denn das für eine Grundeinstellung eines demokratisch gewählten Parlamentariers? Wir müssen uns alle fünf Jahre der Abstimmung stellen. Es ist bei neuen Fakten doch zulässig, die Bürger erneut zu befragen. Das ist Demokratie pur. Diese kann man nicht ablehnen. Man kann nicht Angst vor dem Volk und vor der Demokratie haben.

(Beifall bei der CSU)

Es handelt sich nicht um alte Zahlen. Die Zahlen zu den Entwicklungen wurden im Rahmen von Anfragen zusammengetragen und vom Flughafen und vom Bundesverkehrsministerium geprüft.

Lieber Christian Magerl, den Fakten zufolge verzeichnete man 2016 – das wissen Sie oder weißt du, je nachdem, was hier der Comment erlaubt – einen Anstieg der Passagiere von 3,1 % und einen Anstieg der Flugbewegungen um 3,8 %. Das ist trotz massiver Streikbewegungen bei den Passagieren ein neuer Rekord. 2017 verzeichnen wir 3,9 % mehr Flugbewegungen. 2018, 2019 und 2020 werden jeweils noch mehr Passagiere und Flugbewegungen erwartet. Deswegen ist es falsch zu sagen, der Flughafen München wachse nicht, es gäbe keinen Anstieg der Bewegungen. Objektiv gesehen funktioniert der Flughafen und ist Bayern interessant. Deswegen gibt es höhere Zahlen und höhere Flugbewegungen.

Unser Problem ist aber Folgendes: Die Prognose wird durch zwei Dinge gedämpft. Es gibt die sogenannte 480.000er-Grenze, also eine theoretische Kapazitätsgrenze. Die praktische Grenze liegt nach Einschätzung von Experten bei maximal 430.000, welche nach heutiger Einschätzung spätestens 2022 nahezu erreicht werden wird.

(Florian von Brunn (SPD): Kerkloh sagt das Gegenteil!)

Dann passiert Folgendes: Während nach Aussage des Bundesverkehrsministeriums der nationale und internationale Flugverkehr und die Exportabhängigkeit der bayerischen Wirtschaft weiter massiv wachsen, während andere umliegende Flughäfen, etwa in Zürich, Wien, vor allen Dingen in Amsterdam und Istanbul, wachsen, droht natürlich folgende Gefahr: In Spitzenverkehrslastzeiten sind bereits heute in 9 von 16 Stunden die Slots voll. Das ist wie bei der U- und S-Bahn. Das heißt, die meisten Leute benutzen die Verkehrsmittel nicht den ganzen Tag über, sondern nur zu den Spitzenzeiten. Seien Sie ehrlich: Das ist die eigentliche Diskussion. Wer Verkehrspolitik ernst nimmt, muss den reellen Verkehr betrachten, der für unser Land und den Flughafen relevant ist.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Florian von Brunn (SPD))

Sie dürfen diese Fakten bestreiten, das ist okay. Aber aus meiner Sicht ist das so. Auf der Grundlage dieser Fakten wird Folgendes passieren: Der Flugverkehr würde aufgrund der Nachfrage wachsen, übrigens auch der Bedarf der Bevölkerung und der Wirtschaft in der Landeshauptstadt. Der Bedarf kann aber nicht mehr erfüllt werden, und dann wandern die Airlines ab. Dann besteht ganz reell und praktisch in der Tat die Gefahr des Verlustes eines Drehkreuzes.

Herr Piazolo, wenn dies eintritt, fallen wir wieder in das Mittelfeld zurück und haben weniger Möglichkeiten. Dann wird es zwar in den ersten Jahren vielleicht leichter. Aber auf mittlere Sicht führt das zu einer Verschlechterung der bayerischen Situation, zu einer schlechteren Zukunftsperspektive und zu einem Verlust an Arbeitsplätzen. Ich sage Ihnen ehrlich: Aus meiner Sicht ist es unverantwortlich, sehenden Auges heute so zu diskutieren, wenn es um Tausende von möglichen Arbeitsplätzen der Zukunft geht.

(Florian von Brunn (SPD): Warum macht die CSU in München kein Bürgerbegehren?)

Der Flughafen ist eine der größten Arbeitsstätten in Bayern. Nicht ohne guten Grund sind die Arbeitnehmer am Flughafen nahezu einstimmig oder jedenfalls zum großen Teil für den Bau der dritten Startbahn. Nehmen Sie als SPD doch einmal zur Kenntnis, was ver.di-Leute sagen. Seien Sie nicht so unsozial, Arbeitsplätze am Münchner Flughafen zu gefährden. Wir als Anteilseigner haben auch Verantwortung für die Mitarbeiter da draußen, meine Damen und Herren. Auch die sind uns ganz besonders anvertraut.

(Beifall bei der CSU – Florian von Brunn (SPD): Weil ausgerechnet Sie die Mitarbeiter interessieren!)

Zu den FREIEN WÄHLERN muss ich eines sagen. Eines verstehe ich nicht – Herr Zierer, Sie verstehe ich auch nicht –: Die neuen Arbeitsplätze, um die es geht, sind nicht rund um den Münchner Marienplatz angesiedelt. Wir rechnen mit dem Entstehen von bis zu 15.000 neuen Arbeitsplätzen. Ich persönlich glaube, dass es noch deutlich mehr werden. Wenn ein neuer Langstreckenflieger stationiert wird, entstehen dadurch bis zu 550 neue Arbeitsplätze, und zwar direkt und indirekt. Das entspricht einem mittelständischen Unternehmen. Zugegebenermaßen haben wir nicht überall in Bayern so klare Quoten und Situationen wie in München; das ist keine Frage. Dort ist Wachstum natürlich ein Thema. Gehen Sie aber einen Schritt weiter, und blicken Sie nach Ostbayern, nach Niederbayern, in die Oberpfalz und in das östliche Oberbayern. Dort wartet man händeringend auf eine Chance, neue Arbeitsplätze zu schaffen.

(Lebhafte Zurufe von der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Darum kann ich nicht verstehen, dass FREIE WÄHLER, die hier immer davon sprechen, sie würden sich um den ländlichen Raum kümmern, die größte Zukunftschance auf Arbeitsplätze im ländlichen Raum kaputt machen. Das ist ein Angriff auf den ländlichen Raum, und das ist schäbig und schade.

(Beifall bei der CSU)

Nun noch zum Thema Werte. Ökologie ist zentral und wichtig. Das ist keine Frage. Das Planfeststellungsverfahren hat übrigens bestätigt, dass auch mit dritter Start- und Landesbahn alle gesetzlich vorgeschriebenen Werte eingehalten werden, auch bei Stickoxid. Die Messungen, die am Flughafen vorgenommen werden, bestätigt durch das Umweltministerium, sind nicht irgendwelche seltsamen Messungen, Herr Zierer, auch nicht von einer Bürgerinitiative. Vielmehr geht es um klare Zahlen.

Das Umweltbundesamt, lieber Kollege Magerl, hat die Zahlen nicht aufgrund konkreter Messungen, sondern mit einer reinen Modellrechnung ermittelt. Das sagt das bayerische Umweltministerium; ihm vertraue ich in diesem Fall mehr als Ihnen. Man kann darüber diskutieren; das ist keine Frage. Ich gehe von den Fakten aus, die mir bekannt sind. Demnach liegen wir heute deutlich unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Wert. Am Flughafen liegen wir deutlich unter den Werten, wie sie an einigen Münchner Straßen gemessen werden, meine Damen und Herren. Dazu muss ich sagen: Wenn man so versucht, den Flughafen gegen eine, wie Kollege Bernhard sagte, in der Tat auch in München nicht ganz perfekte Verkehrspolitik auszuspielen, finde ich dies unfair und ungerecht. Man

schürt damit Angst, und man verhält sich damit gegenüber dem Münchner Flughafen und dessen großen Anliegen nicht fair, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt zum Weg. Wir nehmen das auf, was Oberbürgermeister Reiter sagte. Wir gehen in den Aufsichtsrat. Wir – Bund, Land und Stadt –, diskutieren die Ergebnisse. Natürlich kann es sein, dass die Zahlen hinterfragt werden. Das ist doch klar. Darüber darf man auch streiten – null Problem. Es geht aber um die Grundsatzfrage, wie wir feststellen können, ob wir am Flughafen etwas brauchen oder nicht. Das möchte ich von allen Beteiligten schwarz auf weiß haben. Dann wird entschieden, wie es weitergeht. Dann liegt der Ball natürlich in München. Dort muss entschieden werden.

Ich bin für die demokratische Lösung. Das habe ich gesagt, und dabei bleibe ich auch. Ich habe keine Angst vor Argumentation und vor einer demokratischen Entscheidung. Warum denn nicht? Kein Problem. So sind Entscheidungen. Wir haben im nächsten Jahr Wahlen, in diesem Jahr die Bundestagswahl. Auch zum Flughafen werden wir uns Ihren Argumenten stellen und unsere Argumente vortragen. Wir werden sehen, welche Argumente die Bürger am meisten überzeugen. Damit habe ich kein Problem.

Wissen Sie, was ich mir auf dem Weg dorthin wünsche? – Es gibt etwas, was mich stört und wozu ich etwas anmahne. Man darf gegen eine dritte Startbahn sein; das ist doch klar. Mich stört aber der ständige Versuch, alles Mögliche so zu drehen und zu wenden, dass die Bürger verunsichert werden. Fakten werden nicht zur Kenntnis genommen.