Protocol of the Session on May 10, 2017

Ich könnte noch sehr viel über die Vorteile einer Verfassten Studierendenschaft sagen, ich glaube aber, dass sie eigentlich auf der Hand liegen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Demokratie muss eigentlich allen am Herzen liegen. Uns GRÜNEN liegt sie am Herzen. Wir glauben, dass gerade Hochschulen ein ganz zentrales Ideenlabor und Übungsfeld für unsere Demokratie sind. Wir müssen 380.000 Studierenden die Möglichkeit geben, sich demokratisch und eigenverantwortlich zu organisieren.

(Zuruf von der CSU: Wir machen das sehr wohl!)

Springen Sie einfach über Ihren Schatten. Es tut niemandem weh. Es stärkt unsere Demokratie. Alle anderen Bundesländer haben vorgemacht, dass es funktioniert. Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu.

(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄH- LERN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat der Kollege Westphal von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Wissenschaftsgremium ist Niemandsland!)

Wertes Präsidium, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ziel des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN soll es sein, an bayerischen Hochschulen wieder eine Verfasste Studierendenschaft einzuführen. Dies soll in Form einer rechtsfähigen Körperschaft des öffentlichen Rechtes geschehen. Sie soll, so ist zu lesen, die Angelegenheiten der Studierenden einer Hochschule selbst verwalten und die damit verbundenen Aufwendungen tragen.

Eine solche Regelung ist aber nicht erforderlich. Ich möchte dem trotzdem – so wie es sich aus meiner Sicht gehört – mit Sachargumenten entgegentreten. Schauen wir uns etwa die aktuelle Rechtslage an: Wir haben eine verfassungsrechtliche Grundlage für die studentische Mitwirkung in Artikel 138 Absatz 2 Satz 2 der Bayerischen Verfassung. Danach sind Studierende an der Selbstverwaltung zu beteiligen. Bei der Ausgestaltung haben wir aber einen weiten Spielraum. Keinesfalls ist es so, dass in der Verfassung eine Verfasste Studierendenschaft gefordert würde, sondern gefordert wird lediglich eine ausreichende Mitwirkungsmöglichkeit der Studierendenschaft.

Wie sehen die Möglichkeiten aus, die das Bayerische Hochschulgesetz derzeit bietet? – Zum einen haben wir die Studierenden in den Selbstverwaltungsgremien der Hochschule – in Senat, Hochschulrat, im Fakultätsrat und Berufungsausschuss. Zum anderen haben wir die eigenständigen Gremien der Studierenden wie den Studentischen Konvent, den Sprecherinnen- und Sprecherrat etc.

Wir haben also bereits ein funktionierendes System der studentischen Mitwirkung. Diese unmittelbare Einbeziehung der Studierenden in die Gremien macht es entbehrlich, ein gesondertes Zwangssystem – denn etwas anderes wäre es nicht – in den Hochschulen zu etablieren. Die aktuelle Rechtslage gibt den Hochschulen auch die Möglichkeit einer passgenauen Regelung. Wir haben die Möglichkeit von Abweichungsverordnungen nach Artikel 106 des Bayerischen Hochschulgesetzes. Wir haben nach Artikel 24 Absatz 1 Satz 2 des Hochschulgesetzes auch die Möglichkeit, Studierende in die Erweiterte Hochschulleitung aufzunehmen. Die Änderungen, die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gefordert werden, wären nichts anderes als ein Misstrauensvotum gegenüber unseren Hochschulen. Es würde unterstellt, dass die Hochschulen die erwähnten Möglichkeiten nicht verantwortungsvoll und verantwortungsbewusst nutzten.

Ein weiterer Punkt, der aus meiner Sicht von Bedeutung ist, besteht in der Tatsache, dass die Zwangsmitgliedschaft von Studierenden und die Erhebung von Pflichtbeiträgen zweifelsohne ein massiver Rechtseingriff wäre, der nicht zu rechtfertigen ist.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Durch die aktuelle Regelung ist bereits eine ausreichende Mitwirkung und Vertretung sichergestellt. Es besteht auch deshalb keine Notwendigkeit, eine Verfasste Studierendenschaft einzuführen, weil die Aufgaben bereits anderweitig wahrgenommen werden. Ich habe es gerade schon ausgeführt. Es gibt bereits umfangreiche Mitwirkungsmöglichkeiten, und es gibt

die Studentenwerke, die in Bezug auf Beratungs- und Unterstützungsangebote sehr wohl verantwortungsbewusst und neutral handeln.

Ein weiterer Punkt, der aus meiner Sicht von Bedeutung ist: Die vorhin angesprochene Wahlbeteiligung bei Hochschulwahlen ist auch in anderen Bundesländern niedrig.

Ich verweise auf das Heft "ZEIT Campus" 4/2015. Dort wird ausgeführt, dass gerade in anderen Bundesländern die Wahlbeteiligung im niedrigen einstelligen Bereich liegt. Es ist also keinesfalls so, dass bei den Studierenden dort das Interesse größer wäre.

Dass es auch anders geht, sieht man an der Hochschule Regensburg. Dort lag die Wahlbeteiligung bei den letzten Hochschulwahlen auch ohne Verfasste Studierendenschaft bei 25 %.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Fazit lautet: Wir haben schon jetzt ausreichende und bewährte Mitwirkungsmöglichkeiten. Durch diesen Gesetzentwurf würde sich kein Mehrwert für die Studierenden ergeben. Vielmehr wäre mit ihm ein erheblicher Rechtseingriff verbunden, der nicht zu rechtfertigen ist. Deshalb kündige ich bereits jetzt an: Wir werden diesen Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat Frau Kollegin Zacharias von der SPD das Wort. Bitte schön.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Herr Präsident, werte Anwesende, Hohes Haus! Mein lieber Kollege aus dem Sächsischen Landtag und Ministerpräsident, dir müssen auf der Besuchertribüne gerade die Ohren klingeln. Es ist in der Tat so, dass wir in 15 Bundesländern einen echten AStA haben, eine echte Verfasste Studierendenschaft. Lieber Martin Dulig, im Freistaat Bayern haben wir so etwas nicht. Wir haben es nicht, weil 1973 die vielen Herren und wenigen Damen von der CSU der festen Überzeugung waren – –

Frau Kollegin, wir pflegen nicht mit der Tribüne zu kommunizieren.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Ich entschuldige mich dafür und mache es nie wieder.

(Allgemeine Heiterkeit)

Komisch, das glaubt mir hier im Hohen Hause niemand.

(Zurufe von der CSU)

Ich nehme den Hinweis ernst.

Kolleginnen und Kollegen, 1973/1974 wurde – damit alle Anwesenden hier im Hohen Hause nachvollziehen können, was das bedeutet – hier die Verfasste Studierendenschaft abgelehnt. Damit haben Studierende keine gesetzliche Vertretung. Kolleginnen und Kollegen, wir sind das einzige Bundesland, in dem es das nicht gibt. Warum es das nicht gibt, hat uns soeben der Kollege Westphal erklärt. Man will keine Mitsprache, Herr Kollege Westphal, man hat etwas gegen diese "Zwangsmitgliedschaft". Ihre Argumente sind seit 1973 immer wieder die falschen.

(Zuruf von der CSU: Weil sie gut sind!)

Sie sind nicht überzeugend, und sie sind überhaupt nicht gut. Was sagt denn der Kollege Westphal, was sagt die CSU zur Industrie- und Handelskammer? Dort gibt es eine Zwangsmitgliedschaft. Dieser Club ist Ihnen viel näher, weil er nicht so gegen die CSUMeinung ist. Deshalb akzeptierten Sie dort eine Zwangsmitgliedschaft, und dort, wo nach Ihrer Meinung linke oder liberale Kampfparolen gerufen werden, ist sie Ihnen nicht recht.

Die SPD-Landtagsfraktion bleibt dabei: Sie verhindern etwas, was wir so dringend nötig haben. Wenn ich hier Herrn Finanzminister Söder sehe, dann rufe ich ihm ganz frank und frei zu, denn mit ihm darf ich ja direkt sprechen: Wenn jetzt die Söder-Uni in Nürnberg kommt, wollen wir beide nicht einfach miteinander verabreden, dass es dort eine echte Verfasste Studierendenschaft und eine echte Mitsprache der Studierenden geben wird?

(Dr. Markus Söder (CSU): Da ist die Nürnberger SPD leider dagegen! – Ingrid Heckner (CSU): Sehr gut! – Beifall bei der CSU)

Wogegen? Ach Herr Söder, jetzt kommen Sie doch nicht so billig daher. Die Nürnberger SPD wird alles wollen, um den Hochschulstandort in Nürnberg voranzubringen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Markus Söder (CSU))

Ich hatte Sie auf die Verfasste Studierendenschaft angesprochen, aber anyway.

(Zuruf von der CSU)

Die Sozialdemokratie in Bayern ist der festen Überzeugung, dass wir mehr denn je Demokratie und das Einüben von Demokratie an Hochschulen brauchen.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen doch feststellen, dass die Demokratie bei uns ins rechte Lager abgedriftet ist. Kolleginnen und Kollegen, jeden Montag haben wir in München, aber auch in anderen Teilen Bayerns, rechte Aufmärsche. Wir müssen Demokratie üben. Wir üben sie, indem wir in der Schule Mitwirkungs-, Mitsprache- und Partizipationsmöglichkeiten haben. Man kann das aber nur einüben, wenn man jung ist.

Wenn Sie glauben und unterstellen, Oliver Jörg und der Kollege, der soeben noch dazwischengerufen hat – ich zitiere Sie aus der letzten Legislaturperiode –, dass die Studierenden es erstens nicht können und dass Studierende ihr Geld zweitens nur "versaufen", dann unterstellen Sie mit Ihrem Menschenbild jungen Leuten, dass sie ihre Aufgaben nicht wahrnehmen können.

(Gudrun Brendel-Fischer (CSU): Das ist aber unsachlich!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind der festen Überzeugung, dass Mitsprache geübt werden muss und finanzieller Ressourcen bedarf.

Kolleginnen und Kollegen, an der LMU haben wir gerade mitbekommen, dass sich die AfD aufgemandelt hat, eine Hochschulgruppe zu bilden. Und was machen die Studierenden leider? Das ist nach meiner Meinung falsch. Sie kündigen alle Studierendengruppen auf, weil sie sagen, dass sie Rechte nicht in ihren Gremien haben wollten. Leute, hier muss man inhaltlich gegenhalten! Hier muss man sich zusammentun und die Demokratinnen und Demokraten stark machen. Aber man kann doch nicht wegen der AfD seine eigenen Gruppierungen auflösen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, es ist höchste Zeit für feste Strukturen. Herr Kollege Westphal: Die Gremien, die jetzt rechtlich möglich sind, gibt es durchaus. Aber ein Gesetz böte die Möglichkeiten, solche Gremien auch einzuklagen. Bis jetzt ist es der Willkür jedes Hochschulpräsidenten überlassen, wie die Gremienbesetzung und die Mitsprache der jungen Studierenden funktioniert. Das will ich nicht dem Zufall überlassen, wie das vielleicht bei euch üblich ist. Ich möchte, dass es einklagbar ist. Nur ein Gesetz ist einklagbar, aber nicht irgendwelche Verordnungen, die vor Ort mal so und mal so funktionieren.

(Beifall bei der SPD)

Wir bleiben dabei: Eine Verfasste Studierendenschaft ist mehr als überfällig. Im Jahr 1973 wurde sie abgeschafft. Die eben angeführten Argumente haben mich nicht überzeugt, Kollege Westphal. Jedes Mal, wenn es bei einem Gesetzentwurf um die Frage der Mitsprache, der Partizipation geht, kommt ihr mit Kamellen, die 35 Jahre alt sind. Lasst euch endlich mal Argumente aus der Gegenwart einfallen, dann können wir wieder verhandeln.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat Herr Kollege Prof. Dr. Piazolo von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen nicht darüber streiten, dass es eine Hochschule nicht ohne Studierende gibt. Die Studierenden sind die größte Anzahl derjenigen, die an den Hochschulen arbeiten. Das Thema Verfasste Studierendenschaft ist deshalb ein Thema, das essenziell und wichtig für die Hochschulpolitik ist.