Protocol of the Session on April 25, 2017

(Von der Rednerin nicht au torisiert) Sehr geehrter Herr Präsident, Hohes Haus, Anwesende – –

(Erwin Huber (CSU): Abwesende!)

Genau. Das sind leider viel mehr. – Ich habe Herrn Kollegen Oliver Jörg sehr genau zugehört. Lieber Oli ver Jörg, das hörte sich an wie eine Bewerbungsrede für die nächste Legislaturperiode, um Minister zu wer den. Da müssen wir aber noch ein paar Gespräche führen; denn der Inhalt der Rede war recht dürftig. Du hast hier ein Feuerwerk der Geschichten abgefackelt, als wenn wir Silvester hätten. Dabei hatten wir gerade erst Ostern.

Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich kurz auf diese Interpellation Bezug nehmen: Die Antwort auf diese Interpellation umfasst 226 Seiten. Ich möchte meinerseits dem Minister, dem Staatssekretär und vor allem den Herren und Damen, die diese Antwort erar

beitet haben, meinen allerherzlichsten Dank ausspre chen. Ich habe bei dieser Interpellation 157 Fragen gezählt. Leider haben die Mitarbeiter des Ministeriums dafür andere Arbeiten liegen lassen müssen. Das ist schade. Ich werde gleich Themen benennen, die ich für wichtiger gehalten hätte.

Eines muss ich sagen: Ich habe diese 226 Seiten bis zum letzten Satz durchgelesen. Ich habe immer ge hofft: Jetzt gleich bekommst du eine Neuigkeit. Jetzt wirst du gleich eine neue Erkenntnis bekommen, eine Erkenntnis, die du noch nie im Hochschulausschuss, in den Zeitungen oder in den Verlautbarungen des Mi nisters bekommen hast. – Mitnichten. Kolleginnen und Kollegen, da stand nichts Neues drin, nicht ein neuer Satz. Das war fast Nötigung. Ich habe in meinen Os terferien 226 Seiten gelesen und nichts Neues dabei erfahren.

Herr Minister, ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass ich mir mehr von Ihnen erwartet hätte. Ich denke aber auch, dass diese Interpellation blöde Fragen enthielt, wenn ich das einmal unkontrolliert sagen darf. Herr Piazolo, ich weiß, dass Sie ein schlauer Mann sind. Aber diese Fragen fand ich dürftig. Sie sind auf die großen Herausforderungen der Hochschulpolitik in Bayern nicht eingegangen. Ihre Fragen waren so ko misch und so verschwurbelt gestellt, dass natürlich auch die Antworten verschwurbelt und komisch sind. Ich habe daraus keinen Erkenntnisgewinn gezogen, was ich bitter finde; denn ich habe die Zeit, um die Antwort zu lesen, verschwendet. Außerdem sind die verschwurbelten Antworten, die die Damen und Her ren im Ministerium vorbereitet haben, durch den Fla schenhals von Staatssekretär und Minister gegangen. Gute Antworten wurden dadurch "kastriert". Nein, ich rege mich nur unnötig auf.

Ich stelle fest, dass die Antwort dürftig ist. Kolleginnen und Kollegen, ich hätte andere Fragen, von denen ich erwarten würde, dass die Staatsregierung dazu Stel lung nimmt. Danach hätten die FREIEN WÄHLER fra gen können. Herr Kollege Jörg, ich nenne nur mein Lieblingsthema, die Frauenförderung. Am 27. Novem ber 2013 – Herr Minister Spaenle, ich erinnere mich, als wäre es vorgestern gewesen – waren Sie zum ersten Mal als Minister in unserem Ausschuss. Da mals habe ich Sie dezidiert gefragt, was denn Ihre Schwerpunkte sind. Sie haben damals viele Schwer punkte genannt. Sie haben über die Exzellenzinitiative fabuliert und über die Stärkung des Hochschulstand orts Bayern schwadroniert. Das Thema Frauenförde rung haben Sie nicht genannt. Die Frauenförderung wurde zum ersten Mal im Jahr 2014 als Schwerpunkt thema genannt, als Sie Pakte mit den Universitäten unterschrieben haben, in denen die Internationalisie rung und die Frauenförderung als Schwerpunktthe

men benannt wurden. Bis heute sehe ich aber keine großen Effekte. Bis heute sehe ich nicht, wo Sie bei den beiden Themen Internationalisierung und Frauen förderung eine "spaenleeske" Tat vollbracht hätten.

Die Chancengleichheit in der Wissenschaft ist für die SPDLandtagsfraktion eine große Herausforderung. Es gilt, dass wir Frauen im Hochschulbereich die glei chen Chancen wie die Männer haben müssen. Ich muss Ihnen nicht erzählen, dass genauso viele Frau en wie Männer anfangen zu studieren, aber in Bayern nur 17 % aller Professuren tatsächlich von Frauen be setzt werden. Nur 17 %. Was ist mit den anderen 83 %? – Viele Frauen versanden und merken, dass sie am Hochschulstandort Bayern keine Karriere ma chen werden. Entweder wandern diese Frauen ab, bekommen Kinder und merken dann, dass die Kom patibilität von Familie einerseits und Universität und Wissenschaft andererseits nicht funktioniert, oder diese Frauen gehen ins Ausland. Sie sind dafür ver antwortlich, dass in Bayern Frauen nur einen niedri gen zweistelligen Prozentsatz der Professuren beset zen können. Wir brauchen eine Gleichstellungsstrategie.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Genau. Ihr dürft gern mal klatschen.

(Karl Freller (CSU): Wer war jetzt das?)

Herr Minister, ich erwarte von Ihnen, dass Sie die Gleichstellungsstrategie zur Chefsache machen. Sie müssen sich dafür verantwortlich fühlen, dass wir Frauen in der Wissenschaft eine Chance haben. Wir müssen bei gleicher Ausbildung gleichberechtigt die gleichen Positionen einnehmen können wie die Män ner. Da haben Sie noch verdammt viel zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Beim Thema "Chancengleichheit in der Wissenschaft" ist es auch wichtig, dass die Gleichstellungsziele, die in den Zielvereinbarungen stehen, verfolgt werden. Bekommt eine Universität oder Hochschule das gut hin – und das ist durchaus bei einigen Hochschulen der Fall –, muss sie dafür belohnt werden und mehr Geld bekommen. Kolleginnen und Kollegen, Hoch schulen, die das nicht tun, müssen dafür Geld abge zogen bekommen; denn sonst kann man sich eine solche Zielvereinbarung auch in den Einrichtungen der häuslichen Notdurft aufhängen. Für mich sind Zielvereinbarungen bindend. Mache ich etwas gut, werde ich belohnt. Mache ich etwas nicht gut, werde ich dafür "entlohnt". Das ist eine ganz einfache Stra tegie, die in vielen Bereichen funktioniert.

Ich erwarte alle drei Jahre einen Genderreport, in dem dargestellt ist, wie es mit Frauen in Bayern im Wis senschaftsbereich aussieht. – Herr Minister, Sie soll ten mir ganz genau lauschen. Er will mir aber gar nicht lauschen. Das Schöne ist, dass wir heute end lich einmal richtig lange über Hochschulpolitik reden können und der Minister mir nicht auskommt. Wenn er mir aber nicht zuhört, ist das traurig.

(HansUlrich Pfaffmann (SPD): Das stimmt!)

Wir brauchen alle drei Jahre einen Genderreport, um aufgrund von Daten und Fakten zu entscheiden, was gut funktioniert und was nicht gut funktioniert. Wenn wir aber kein Datenmaterial haben, können wir nicht entscheiden. Wir brauchen eine Gleichstellung im Hochschulgesetz. Die Frauen und die Frauenbeauft ragten müssen in der Erweiterten Hochschulleitung und im Hochschulrat sitzen. Herr Minister, davon sind Sie Meilen entfernt. Herr Kollege Piazolo, Sie haben danach nicht gefragt, und der Minister hat diese zen trale Frage im Rahmen der Antwort auf diese Interpel lation auch nicht beantwortet.

Nun zur Einführung der verfassten Studierenden schaft. Liebe CSU, ich weiß, dass das für euch schlimm ist. Ihr habt die verfasste Studierendenschaft Anfang der Siebzigerjahre abgeschafft. Oliver Jörg, du hast vorhin gesagt, die Demokratisierung sei für euch ein hohes Gut. Dazu braucht es aber eine verfasste Studierendenschaft mit finanziellen Möglichkeiten. Ich teile das Ziel einer autonomen Hochschule mit vollen Verantwortlichkeiten. Ich würde sogar für einen Glo balhaushalt plädieren, mit dem wir den Hochschulen einen Batzen Geld rüberschieben, und die Hochschu len und die Universitäten können dann selbst ent scheiden, was sie können und was sie nicht können.

Wir brauchen eine verfasste Studierendenschaft. Ich bin den GRÜNEN dankbar, dass sie dazu einen Ge setzentwurf eingebracht haben, den wir schon vor so langer Zeit eingebracht haben, dass daran schon Spinnweben haften. In 15 Bundesländern gibt es eine verfasste Studierendenschaft, und wo nicht? – Das ist ja wie mit dem gallischen Dorf. Wir sind hier aber nicht in Gallien, wir sind in Deutschland. Wir brauchen die verfasste Studierendenschaft. Es ist höchste Zeit.

(Beifall bei der SPD)

Ich will nur am Rande den Aspekt der Studierenden in der Hochschulleitung streifen. Wir haben unlängst über dieses Thema debattiert. Das Einzige, das bei mir davon hängen geblieben ist, ist Folgendes: Liebe CSU, ihr traut den jungen Menschen nichts zu. Herr Huber, Sie sind doch so ein Wirtschaftsspezialist. Sie wissen doch, wie gut es ist, wenn man Vertrauen in

junge Menschen setzt. Das gilt für Ihre Kollegen Hochschulpolitiker aber nicht.

Ich sage Ihnen: Junge Leute an den Universitäten können sehr wohl auch Hochschulleitung. Die können das! Das sind schlaue Frauen und Männer, traut ihnen also etwas zu, und sagt ihnen nicht, dass sie einfach ein bisschen studieren sollen. – Ich weiß schon, Oliver Jörg, du hast leider keine Redezeit mehr, darauf wirst du jetzt nichts antworten können.

Ich komme zu einem weiteren Punkt; der Kollege Jörg hat ihn so schön ausgeführt: die Regionalisierungs strategie – 30 neue Standorte, die witzigerweise ganz eng mit aktiven Abgeordneten zusammenhängen, zum Beispiel einem Staatssekretär. Das will ich jetzt aber gar nicht weiter vertiefen. Wenn man diese Regi onalisierungsstrategie wirklich will – darüber kann man ja unterschiedlicher Meinung sein; ich teile das eher nicht, kann aber verstehen, dass für gleichwerti ge Lebensverhältnisse die akademische Bildung ein hohes Gut ist; da sind wir näher beieinander, als man cher glaubt –, dann gehört für mich eine Sache unbe dingt dazu. Und da, Kollege Jörg, rufe ich dir zu: Dann brauchen wir auch ein bayernweites Semesterticket.

Wenn wir wollen, dass die Strukturen miteinander ver bunden werden, und wenn wir wollen, dass euer Re gionalisierungskonzept mit dem Austausch von Prakti kanten, mit der Nutzung von Bibliotheken und Archiven behände und geschwind umgesetzt wird, dann brauchen wir auch das bayernweite Semesterti cket. Das bedeutet, dass man sich mit einem Semes terticket kostengünstig von Würzburg bis nach Lindau, von Rosenheim bis nach Bayreuth oder sogar bis nach Aschaffenburg bewegen kann. Wer eine Regio nalisierung will, muss auch die Möglichkeit eines bay ernweiten Semestertickets vorhalten. Davon bin ich fest überzeugt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Mit einem Blick auf die Uhr stelle ich fest, dass 18 Mi nuten Redezeit doch nicht so lang sind, wie ich dach te. Ich straffe daher meinen Beitrag ein wenig. Das ist echt bitter – aber noch kommt ihr mir hier nicht raus!

(Zuruf von der CSU: Schade!)

Das ist in der Tat schade, Herr Huber, aber ich habe noch 7,5 Minuten, und das reicht, um euch klarzuma chen, dass ihr auf dem Holzwege seid, was die Hoch schulpolitik anbelangt.

Ein weiteres Thema, zu dem weder die FREIEN WÄHLER nachgefragt haben noch – und das finde ich viel dramatischer; denn vielleicht erledigt sich das mit den FREIEN WÄHLERN schneller, als wir alle hoffen

Minister Spaenle etwas gesagt hat, von dem ich das erwartet hätte, ist das barrierefreie Studieren mit Be hinderung oder chronischer Erkrankung. Darauf ist überhaupt nicht eingegangen worden.

Es geht um die Hochschule für alle,

(Oliver Jörg (CSU): Das machen wir!)

aber 10 % aller Studierenden gehören genau zu jener Gruppe; sie sind entweder behindert oder haben eine chronische Erkrankung. Wir haben sowohl in der letz ten Legislaturperiode als auch in dieser bereits meh rere Forderungen erhoben, beispielsweise nach einer Stärkung des Behindertenbeauftragten. Dieser muss selbstverständlich im Hochschulrat und in der Erwei terten Hochschulleitung sitzen, um die Belange dieser Zielgruppe authentisch vertreten zu können.

Überdies brauchen wir zentrale Beratungsstellen. Kol lege Jörg, die KIS an der Würzburger Uni ist doch ein sensationelles Vorbild dafür, wie man Studierenden mit Behinderung oder chronischer Erkrankung ein System aus einer Hand anbieten kann, sodass die Betroffenen sich nicht an zehn verschiedene Stellen wenden müssen: Krankenkassen, Regierungsstellen, kommunale Stellen usw. Es gibt so viele Möglichkei ten. KIS bietet genau das an.

(Oliver Jörg (CSU): Es geht doch! Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind da! Das kann jeder nachmachen!)

Ihr habt unseren Antrag abgelehnt. Bei der Schaffung von barrierefreiem Wohnraum gibt es nach wie vor ein Defizit.

(Beifall bei der SPD)

Der Kollege Jörg sagte zu Recht, dass wir im Woh nungsbau für Studierende ganz gut vorangekommen sind. Da kann man anderer Meinung sein. Wenn man einmal schaut, wer in der letzten Zeit die meisten Stu dierendenwohnungen eingeweiht hat – also das Band bei der Eröffnungszeremonie durchgeschnitten hat –, dann war das nicht der Freistaat Bayern, sondern das waren freie Träger. Schmückt euch also nicht mit Er folgen, die ihr nicht zu verantworten habt.

Die Anhebung der Mittel für die Studentenwerke ist für mich ein wichtiges Thema. In den letzten zehn Jahren wurden die Mittel pro Studierendem nicht erhöht, son dern halbiert. Das muss man sich mal vorstellen: Es gibt immer mehr Studierende, aber wir haben die Mit tel, die wir den bayerischen Studentenwerken pro Stu dierendem zur Verfügung stellen, halbiert. Das heißt, dass bei der psychosozialen Beratung – –

(Zurufe von der CSU)

Psychosoziale Beratung – darüber wird nicht ge lacht! Das ist ein ernstes Thema für viele Studierende, weil sie mit ihren Herausforderungen – arbeiten gehen, zu Hause eine kranke Mutter pflegen usw. – nicht zurechtkommen. Was ist denn daran so witzig, Herr Kollege? – Es ist wirklich bitter, wenn Sie das so zum Lachen finden. Dazu fällt mir einiges ein, aber da ich keine erneute Rüge vom Herrn Präsidenten riskie ren möchte, schlucke ich meinen Kommentar herunter und blicke einfach in die andere Richtung. Das ist wirklich bodenlos!

(Zurufe von der CSU)

Ich stelle immer wieder fest, dass die Studentenwerke erhebliche Mittel brauchen, um Studierende mit Fluchthintergrund zu unterstützen. Dafür braucht es weitere Beratungsinstitutionen. Die CSUgeführte Staatsregierung hat diese Mittel in den letzten Jahren halbiert.

Wir brauchen an den Universitäten und Hochschulen Instrumente, um das Problem des Studienabbruchs in den Griff zu bekommen. Es ist bekannt, dass immer noch zu viele Studierende ihr Studium abbrechen. Hierzu haben wir eine Anhörung durchgeführt. Dafür gibt es viele Gründe: Zum einen sind es finanzielle Gründe, und zum anderen haben die jungen Leute etwas ganz anderes von ihrem Studium erwartet. Wir brauchen also richtig gute Beratungsmöglichkeiten an den Universitäten und Hochschulen, damit derjenige, der ein Fach studieren möchte, feststellen kann, ob er dort auch richtig ist.

Es geht auch darum, dass Beratungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, wenn im Laufe des Studiums festgestellt wird, dass das angefangene Studium – das ist auch sehr wichtig für angehende Lehrerinnen und Lehrer – vielleicht nicht das Richtige ist. Hier gibt es noch kein Studienorientierungsverfahren, um Stu dienabbrüchen entgegenzuwirken.

Ich möchte noch ein paar Ausführungen zur Knapp heit der Masterplätze machen. Es ist klar, dass wir uns dieses Problems annehmen müssen. Die Studie renden sehen sich der Tatsache gegenüber, dass es bundesweit 17.000 Studiengänge für Bachelor und Master gibt. Hier herrscht eine riesige Unübersicht lichkeit, die für die jungen Menschen, die feststellen wollen, was sie eigentlich studieren sollen, eine Voll katastrophe bedeutet.

(Oliver Jörg (CSU): Das stimmt!)

Das ist nicht nur im übrigen Deutschland eine Kata strophe, sondern das gilt auch für uns hier in Bayern.