Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Mir liegen zwei Meldungen zur Zwischenbemerkung vor. Zunächst erteile ich Frau Kollegin Kamm das Wort.
Herr Staatsminister, Sie haben ausgeführt, dass Parlament und Behörden versuchen, ihrer humanitären Verantwortung im Asylrecht gerecht zu werden. Das ist sicherlich richtig. Dennoch kann es passieren, dass Lücken entstehen. Die Lücken entstehen beispielsweise dadurch, dass die aktuellen Entwicklungen in einem Land wie Afghanistan nach wie vor leider noch nicht von den zuständigen Ministerien zur Kenntnis genommen werden. Menschen, die überhaupt keine Verwurzelung in ihrem Heimatland haben, erhalten dennoch einen Abschiebebescheid. Das ist sehr problematisch. Wir müssen alle immer wieder überlegen: Stimmt das? Werden wir unserer humanitären Verantwortung gerecht? Wo muss nachgebessert werden? Dieses Bemühen haben alle. Ein Gesetz oder eine Entscheidung darf nicht als final angesehen werden. Alle Regelungen müssen auf den Prüfstand gestellt werden können.
Die Kirchengemeinden versuchen Menschen, die sich in einer subjektiv ausweglosen Situation befinden, zu helfen und ihnen Zeit zu verschaffen, damit sie über
alternative Wege nachdenken können und keine Verzweiflungstaten begehen. Momentan tauchen sehr viele Flüchtlinge unter. Das Bemühen zu helfen verdient doch sicher auch Ihren Respekt.
In meinem Redebeitrag habe ich zwei- oder dreimal zum Ausdruck gebracht, dass wir die Tradition des Kirchenasyls in unserem Land respektieren. Frau Kamm, Ihre Formulierungen waren auch sehr allgemein. Ich bin in diesem Hohen Haus an dieser Stelle auf die Verfassung des Freistaats Bayern vereidigt worden. Selbstverständlich habe ich ebenfalls die Urteile von Gerichten in unserem Land zu respektieren. Sie haben sich ein bestimmtes Themenfeld herausgesucht, in dem es um das Schicksal von Menschen geht. Das nehme ich auch sehr ernst. Wenn ich mich jedoch bei jedem anderen Thema erdreisten würde, mich über ein Gerichtsurteil in Bayern hinwegzusetzen, wären Sie die Ersten, die sagen: Wie kommt der Innenminister dazu, sich in unserem Rechtsstaat über Gerichtsurteile hinwegzusetzen?
Frau Kollegin Kamm, deshalb bitte ich um mehr Verständnis. Bisher habe ich im Einvernehmen mit den beiden großen Kirchen versucht, diese Themen möglichst aus der öffentlichen Diskussion herauszuhalten, weil sie so diffizil sind. Die öffentlichen Debatten befördern nicht unbedingt eine Problemlösung der Einzelschicksale. Es ist Ihr gutes Recht, darüber zu debattieren. Frau Bause hat das Thema für einen Rundumschlag benutzt. Das ist eine Stilfrage. Ich glaube, das bringt uns nicht weiter. Ich sage noch einmal: Mir fehlt es nicht am Respekt vor den Verhaltensweisen von Gläubigen und Kirchen in unserem Land. Das brauche ich mir von Ihnen nicht vorhalten zu lassen.
Sehr geehrter Herr Staatsminister, Sie haben Ihren großen Respekt gegenüber dem Kirchenasyl deutlich gemacht. Das glaube ich Ihnen auch. Streckenweise hätte man annehmen können, dass Sie unserem Antrag am Ende zustimmen müssten. Deshalb habe ich eine Frage. Sie haben Ihren
Respekt zum Ausdruck gebracht und diesen Respekt damit verbunden, dass die Kirchen vom Kirchenasyl mit allergrößter Zurückhaltung Gebrauch machen. Das ist der Fall. Ich glaube, das ist unstrittig. Wir kennen die begrenzte Anzahl von Fällen. Sie haben sich jedoch nicht dazu geäußert, warum aktuell im Gegensatz zur Vergangenheit gehäuft Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Das ist unstrittig. Mir ist bewusst, dass an Ihrer Stelle jetzt eigentlich der Justizminister stehen müsste. Deshalb bin ich ein wenig erstaunt, dass Sie dort stehen. Dazu haben Sie sich jedoch überhaupt nicht geäußert. Wenn Ihr Respekt vor dem Kirchenasyl so groß ist, muss sich dieser Respekt auch auf die Verantwortlichen, die Kirchenasyl gewähren und nunmehr mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu rechnen haben, erstrecken.
Ich bin auch über diese Fragen sowohl mit Vertretern der Justiz als auch mit Vertretern der Kirchen im Gespräch. Ich werde auch weiterhin darüber sprechen. Ich glaube nicht, dass man das im Einzelnen darlegen muss. Ich stehe Ihnen aber gerne für persönliche Gespräche zur Verfügung, Frau Kollegin Hiersemann.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Noch vor der Bemerkung von Frau Kollegin Hiersemann hat Herr Staatsminister Bausback ums Wort gebeten. Bitte schön, Herr Staatsminister.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal verstehe ich, dass die gesamte Flüchtlingssituation in der Welt viele Menschen bewegt, gerade auch in der Kirche. Sie können mir glauben, dass auch mich diese Fragen umtreiben. Als überzeugter Katholik habe ich Respekt vor meiner Kirche und natürlich auch vor der protestantischen Kirche mit ihrer großen Tradition in Deutschland. In meiner Verantwortung als Christ stehe ich auch zu dem Rechtsstaat, zu der Verfassung und zu den Regeln dieses Rechtsstaats.
Der Innenminister, dessen Ausführungen ich voll und ganz teile, hat deutlich gemacht, dass es sich bei der Frage des Kirchenasyls in allererster Linie um eine Frage des Ausländerrechts handelt. Dazu gehören all die Gerichtsverfahren und Verwaltungsverfahren, die in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat dazu dienen, die humanitäre Grundüberzeugung, die uns, glaube ich, in der ganz großen Mehrheit unseres Landes vereint, in Recht und Gesetz umzusetzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Diskussion, die während der letzten Wochen in der Öffentlichkeit zu den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren geführt wurde, hat zum Teil – ich sage ausdrücklich: zum Teil – den Boden einer sachlichen und respektvollen Diskussion mit Vertretern der dritten Gewalt in unserem Staat und insbesondere mit der Staatsanwaltschaft verlassen. Wenn Staatsanwälte in einer Presseerklärung des sogenannten Flüchtlingsrats mit Wachhunden gleichgesetzt wurden, dann verlässt das all das, was ich als respektable Diskussion ansehe.
Ich sage Ihnen auch ganz deutlich: Ich stelle mich aus Überzeugung voll und ganz hinter die bayerische Staatsanwaltschaft. Ich sage Ihnen ganz klar: Es gibt keine Verschärfung der strafrechtlichen Verfolgung des Kirchenasyls. Bei allem Respekt vor diesem traditionsreichen Institut stellt die Gewährung von Kirchenasyl nun mal dann, wenn seitens der zuständigen Behörden, das heißt vom BAMF, keine Duldung ausgesprochen ist, in der Regel eine Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt dar.
Kolleginnen und Kollegen, unsere Staatsanwälte müssen Straftaten grundsätzlich verfolgen. Ich sage noch einmal: Ich habe Verständnis dafür, dass manches Einzelschicksal die Menschen und auch die Kirchen vor Ort, die sich in der Flüchtlingshilfe – und das ist großartig – engagieren, bewegt. Als Justizminister sage ich aber auch: In einem Rechtsstaat ist niemand von der Beachtung von Recht und Gesetz entbunden.
Die Pflicht der Staatsanwaltschaften, in Fällen sogenannten Kirchenasyls einzuschreiten, ergibt sich seit jeher aus dem Gesetz. Nach dem sogenannten Legalitätsprinzip – da bin ich dem Kollegen Meyer sehr dankbar dafür, dass er dies auch so deutlich ausgeführt hat – sind die Staatsanwaltschaften verpflichtet, beim Verdacht einer Straftat zu ermitteln. Dieser Verdacht ist beim Kirchenasyl gegeben, da es sich nun einmal um eine nach § 95 Absatz 1 Nummer 2 des Aufenthaltsgesetzes in Verbindung mit § 27 des Strafgesetzbuches meistens strafbare Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt handeln kann. Meine Damen und Herren, da sich die Verpflichtung der Staatsanwaltschaften aus dem Gesetz ergibt, bedarf es auch keiner Weisung des Staatsministeriums der Justiz, derartige Verfahren einzuleiten. Sie können sich dessen sicher sein, dass ich entsprechend meiner Verpflichtung gemäß der Verfassung auch keine Weisung geben werde, die entgegen dem Gesetz eine solche Ermittlungshandlung unterbindet.
Kolleginnen und Kollegen, was angesprochen wurde und was tatsächlich erfolgt: Die Staatsanwaltschaften berücksichtigen bei ihren Ermittlungen die Besonderheiten eines jeden Einzelfalls, und sie gehen mit Augenmaß vor. Insbesondere machen die Staatsanwaltschaften in geeigneten Einzelfällen – und das sind nicht wenige – auch von der Möglichkeit einer Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit der Schuld Gebrauch, § 153 StPO. Wenn hier ein Unterschied zu den vorangegangenen Jahren festgestellt wird, dann besteht er lediglich darin, dass die Staatsanwaltschaften die Pfarrer vor Abschluss des Ermittlungsverfahrens durchweg anhören, was früher regional uneinheitlich gehandhabt wurde. Die heute einheitliche Verfahrensweise ist sowohl aus Gründen der Gleichbehandlung als auch zur Aufklärung der Motivation der Pfarrerinnen und Pfarrer sowie unter Transparenzgesichtspunkten geboten. Kolleginnen und Kollegen, der Eindruck zunehmender Strafverfolgung dürfte deshalb zum einen mit dem vermehrten Zuzug von Flüchtlingen nach Bayern und der damit einhergehenden Zunahme von sogenannten Kirchenasylen zusammenhängen. Zum anderen könnte der Eindruck auf die genannten, nunmehr regelmäßig erfolgenden Anhörungen zurückzuführen sein, die es natürlich mit sich bringen, dass entsprechende Verfahren heute in breiterem Umfang bekannt werden.
Ich betone aber noch einmal: Unsere Staatsanwältinnen und Staatsanwälte gehen behutsam vor, berücksichtigen die Besonderheiten des Einzelfalles und handeln mit Augenmaß. Meine Damen und Herren, dazu gehört auch aus Fairnessgründen, transparent und offen vorzugehen und klar zu benennen, was in unserem Rechtsstaat nach Recht und Gesetz erlaubt ist und was nicht. Das gilt gerade auch deshalb, weil es bei Wiederholungen und nochmaligen Wiederholungen in den Einzelfällen wesentlich schwieriger ist, von einer Geringfügigkeit der Schuld auszugehen. Diese Vereinbarung zwischen dem BAMF und den Kirchen hat Auswirkungen auf die Praxis des Vollzugs des Ausländerrechts. Diese Vereinbarung ändert aber in der Sache nichts an der Strafbarkeit des unerlaubten Aufenthalts und der Beihilfe dazu in der Phase, in der eine Duldung oder eine vorübergehende Duldung nicht ausgesprochen ist.
Kolleginnen und Kollegen, ich respektiere das Engagement für Flüchtlinge von vielen in der Kirche, natürlich auch außerhalb der Kirchen. Ich bin aber auch der Überzeugung – und bin es auch als Christ –, dass es für uns wichtig ist, dass wir unser Recht, unser Gesetz und auch unser Einwanderungsrecht entsprechend dem, was die Parlamente beschließen, vollziehen. Das ist wichtig.
Ich bin auch mit den beiden großen Kirchen in Kontakt. Ich habe von meiner Seite aus – das ist vom Landesbischof im Rahmen der Synode öffentlich gemacht worden – mit dem evangelischen Landesbischof telefonisch sehr früh Kontakt aufgenommen und habe um einen Austausch, um ein Gespräch gebeten. Das wird als internes Gespräch stattfinden. Ich werde, falls es gewünscht wird, selbstverständlich auch mit katholischen Bischöfen reden. Ich bin mit den Vertretern der Kirchen im Rahmen des politischen Staates, mit dem Kirchenrat Breit und dem Herrn Prälaten Wolf, in engem Kontakt. Das gehört zu einem Miteinander. Aber ich sage Ihnen klar: Der Rechtsstaat hat seine Regeln. Als Justizminister ist es meine Verantwortung, dafür einzustehen, dass diese Regeln eingehalten werden. Es ist auch meine Verantwortung, mich vor meine Staatsanwaltschaften zu stellen, wenn diese in unbotmäßiger Weise angegriffen werden.
Eine letzte Bemerkung: Man sollte sich auch überlegen, ob es sinnvoll ist, gegen eine Verfahrensweise des Rechtsstaats Kirchenglocken zu läuten; denn man sollte aufpassen: Wenn der Rechtsstaat geschwächt wird, kann das der Beginn einer Entwicklung sein, die weder die Kirchen noch wir alle hier im Raum wollen.
Herr Staatsminister, ich habe zwei Zwischenbemerkungen. Zunächst die Zwischenbemerkung vom Herrn Kollegen Streibl. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrter Herr Minister, eigentlich wollte ich erst etwas anderes sagen. Aber auf eine Sache muss ich jetzt am Schluss noch hinweisen. Wenn Pfarrerinnen und Pfarrer Kirchenasyl gewähren, dann ist das nicht unbotmäßig, sondern es ist die Pflicht dieser Pfarrerinnen und Pfarrer aus ihrem Glauben heraus.
(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Thomas Kreuzer (CSU): Das hat niemand gesagt! – Hans Herold (CSU): Das hat er gar nicht gesagt! – Dr. Florian Herrmann (CSU): Besser aufpassen! – Josef Zellmeier (CSU): Das hat er gar nicht so gesagt! – Weitere Zurufe von der CSU)
Was ich eigentlich wissen wollte: Es ist klar, dass das Legalitätsprinzip einzuhalten ist und gilt. Aber sind diese Fälle, in denen es zu Ermittlungen gekommen
ist, berichtspflichtig, oder sind sie nicht berichtspflichtig? Wenn ja: Wie gehen Sie dann mit diesen Berichten um?
Herr Streibl, nur um das klarzustellen: Ich habe nicht gesagt, dass das Verhalten der Kirchengemeinden unbotmäßig ist,
sondern ich habe ganz klar Bezug genommen auf die Bezeichnung als Wachhunde, die eine Entgleisung ist, die ich nicht akzeptieren kann. Und ich habe Bezug genommen auf ein Kirchenläuten gegen eine rechtmäßige Ermittlung der Staatsanwaltschaft, was ich auch nicht akzeptieren kann.
Im Übrigen, Herr Kollege Streibl, gibt es klare Regeln, welche Fälle dem Ministerium wie berichtet werden.
Herr Minister Bausback, interpretiere ich Ihre Worte richtig? Kirchenasyl ist illegal und gehört damit sofort abgeschafft? Dann hätten wir uns die warmen Worte vom Minister Herrmann – –
(Hans Herold (CSU): Das hat er gar nicht gesagt! – Dr. Florian Herrmann (CSU): Zuhören! Unerträglich! – Weitere Zurufe von der CSU)