Protocol of the Session on April 6, 2017

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Florian von Brunn (SPD): Sie können es nicht gewesen sein!)

Hat Ihnen eine Werbeagentur empfohlen, sich ein ökologisches Mäntelchen überzuhängen? – Meine Damen und Herren, dafür sind uns die Menschen in den Regionen zu wertvoll. Sie sollten dort nicht ohne Not einen Streit hineintragen. Sie müssten wissen, dass es sowohl fachlich als auch juristisch keine Gründe gibt, einen Nationalpark von oben anzuordnen. Wenn sich ein Nationalpark von unten entwickelt und er sinnvoll ist, kann man darüber reden. Ihre Vorgehensweise ist jedoch falsch. Deshalb stellen wir den Antrag: Setzen Sie diesen Ministerratsbeschluss aus! Nehmen Sie den politischen Druck aus dem Kessel. Der schadet Bayern, der Natur und den Menschen. Ihre Nationalparkpolitik ist stümperhaft und fehlerbehaftet.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Herr Kollege Aiwanger. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Kollege Dr. Magerl das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Das war die Stimme des Total

verweigerers Hubert Aiwanger. Diesem Antrag kann man nach der Rede noch viel weniger zustimmen als vor der Rede. Ich bitte das Hohe Haus, ein deutliches Votum gegen diesen Antrag zu setzen und diesen abzulehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir haben einen eigenen Dringlichkeitsantrag eingereicht. Den Antrag haben wir bereits im Umweltausschuss vorberaten. Insoweit verweise ich auf das Protokoll. Ich sage aber noch einmal, worum es uns geht. Im Naturschutz besteht dringender Handlungsbedarf – überhaupt keine Frage. Wir tragen für über 80.000 Tier- und Pflanzenarten in Bayern Verantwortung. Die Hälfte der Tierarten und ein Drittel der Pflanzenarten in Bayern stehen auf der Roten Liste und sind mehr oder weniger stark vom Aussterben bedroht. Es gibt einen gigantischen Handlungsbedarf, den die Staatsregierung zumindest erkannt hat. In der Biodiversitätsstrategie ist festgehalten, bis zum Jahr 2020 – da ist nicht mehr lange hin – die Hälfte der Arten auf der Roten Liste um eine Stufe zu verbessern. Davon sind wir aber Lichtjahre entfernt. Das empfinde ich als einen Riesenskandal.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Mit der Biodiversitätsstrategie wird außerdem gefordert: Bis zum Jahr 2020 soll sich die Natur auf geeigneten Flächen Bayerns wieder nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten und in ihrer natürlichen Dynamik ungestört entwickeln. Diese Forderung unterstreichen wir voll und ganz. Wir sagen: Jawohl, wir brauchen eine ungestörte Entwicklung auf geeigneten Flächen.

Leider habe ich zu wenig Redezeit. – Eine weitere Forderung besteht darin, dass wir größere zusammenhängende Großschutzgebiete in Bayern benötigen, um unsere nationale und internationale Aufgabe zu erfüllen und unserer Verantwortung gerecht zu werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Herr Kollege Aiwanger spricht von Inflation. Andere sagen, wir bräuchten das gar nicht. Lediglich 0,64 % der bayerischen Landesfläche ist als Nationalpark unter Schutz gestellt. Damit liegen wir im Bundesdurchschnitt. Ich glaube, der Bundesdurchschnitt ist beim Naturschutz zu wenig. Wir sollten besser sein. Ich appelliere an die CSU, in die Gänge zu kommen. Ansonsten wird immer von der Champions League geredet. Ein Durchschnittswert beim Nationalpark? – Das kann es wohl nicht sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nur zum Vergleich: In Österreich sind 2,8 % der Flächen und in den Niederlanden 3,2 % der Flächen unter Nationalparkschutz gestellt. Für Bayern besteht noch Luft nach oben. Dieser Sektor ist überhaupt nicht inflationär. Wir schließen uns der Auffassung der Expertinnen und Experten in der Anhörung klar und deutlich an. Wir sollten für geeignete Gebiete umfassende Machbarkeitsstudien erstellen – unter Einbeziehung der örtlichen Bevölkerung, unter Einbeziehung naturschutzfachlicher Gesichtspunkte und unter Einbeziehung touristischer und wirtschaftlicher Fragestellungen.

Deshalb fordern wir mit unserem Antrag die Erstellung von fünf Machbarkeitsstudien für die Gebiete, die auch von den Expertinnen und Experten genannt worden sind. Diese Gebiete sollte man bei einem solchen Auswahlprozess berücksichtigen. Das betrifft die Buchenwälder im nördlichen Steigerwald, die Laubwälder im Spessart, das Ammergebirge, die Auen an Isar und Donau und die Rhön. Wenn die Machbarkeitsstudien vorliegen, können wir weiter beraten und entscheiden. Deshalb bitte ich dringend um Zustimmung zu unserem Antrag. Es wäre wichtig, die Machbarkeitsstudien endlich durchzuführen. Wir sollten sie öffentlich vorstellen und darüber öffentlich diskutieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Deshalb werden wir auch dem Antrag der SPD-Fraktion aus vollem Herzen zustimmen. Er geht in die gleiche Richtung. Der Antrag wird von uns unterstützt.

Noch einmal ein Appell in Richtung der CSU: Machen Sie doch keine politische Ausschließeritis, wie Sie das mit dem Steigerwald machen. Nur weil ein Abgeordneter vor Ort mehr oder weniger Amok läuft, sagen Sie, dieses Gebiet wird noch nicht einmal untersucht. Naturschutzfachlich – da gibt es jede Menge Untersuchungen – steht der Steigerwald, noch vor dem Spessart, bei den Buchenwaldgebieten in Deutschland ganz, ganz oben. Das sollten wir nicht außen vor lassen. Ich kann Ihnen diese Studien gerne geben oder Ihnen die Quellen nennen. Wenn Sie sagen, der Steigerwald wird nicht in diesen Suchprozess aufgenommen, dann ist das eine rein politische Entscheidung. Das kann ich nicht hinnehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Als Letztes noch zu dem, was die CSU vorgelegt hat: Ich nenne das nicht "Antrag", weil es eigentlich kein Antrag ist.

(Ingrid Heckner (CSU): Was sonst?)

Ich lese Ihnen einmal vor:

Der Landtag wolle beschließen:

Der Ministerrat hat bei seiner Klausurtagung im Juli 2016 in St. Quirin beschlossen, dass ein dritter Nationalpark...

Der Landtag beschließt, dass das Kabinett beschlossen hat.

(Lachen des Abgeordneten Florian von Brunn (SPD))

Der Landtag beschließt, dass die Staatsministerin Ulrike Scharf beauftragt wurde usw. Dieser erste Absatz ist vielleicht eine Begründung, aber ein Antrag sieht anders aus.

(Zuruf von der CSU – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Derselbe Pfusch wieder!)

Dieser Antrag wurde wohl mit ganz, ganz heißer Nadel gestrickt, weil er handwerklich so was von schlecht ist. Und dann sagen Sie: Gegen den Willen der Bevölkerung in der Region wird kein weiterer Nationalpark in Bayern beschlossen. Das ist völlig vage.

(Zurufe von der CSU)

Wie sieht denn die Region rund um den Spessart aus? Wie groß ist sie? Wen wollen Sie denn da fragen? Wer soll denn das sein, der die Entscheidung trifft, und sagt: Wir sind dafür oder dagegen? Die Kreistage? Die Gemeinderäte? Wollen Sie Bürgerbefragungen oder Bürgerbegehren auf Landkreisebene machen?

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Balderschwang!)

Wie wollen Sie denn das machen? Dieser Antrag ist sowas von schlecht gemacht, dass man ihn nur ablehnen kann. Wir bitten um Zustimmung zu den Anträgen von GRÜNEN und SPD.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Moment, Dr. Magerl, wir haben noch eine Zwischenbemerkung. – Kollege Dr. Herz hat sich gemeldet. Bitte schön.

(Florian von Brunn (SPD): Jetzt kommt eine hoch qualifizierte Zwischenbemerkung!)

Lieber Herr Kollege Magerl, es war eben von weiteren Machbarkeitsstudien die Rede. Solche Machbarkeitsstudien, die wissenschaftlich begründet sein sollten, kann man erstellen. Es gibt in Weihenstephan ein wunderbares Zentrum für Wald, Forst und Holz mit dem schönen

Hans-Carl-von-Carlowitz-Platz, der den Begriff der Nachhaltigkeit begründet hat. Die Forscher in Weihenstephan haben festgestellt, dass ein bewirtschafteter Wald zu geringeren CO2-Immissionen führt. Gleichzeitig hören wir aber immer wieder, dass diesbezüglich der bewirtschaftete Wald vorbildlich sei. Daher frage ich Sie, wie man das miteinander in Einklang bringen kann.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Zuallererst geht es bei dieser Fragestellung um einen Nationalpark. Es geht um den Erhalt der Biodiversität. Das ist die erste Zielsetzung des Nationalparks. Da spielt die von Ihnen aufgeworfene Fragestellung erst einmal keine wesentliche Rolle. Stattdessen geht es darum, dass wir Lebensräume, die wir sich selbst überlassen, unter Schutz stellen. Das ist der Punkt eins.

Der Punkt zwei betrifft die von Ihnen genannten Untersuchungen. Da habe ich erhebliche Zweifel. Man muss den gesamten Prozess anschauen. Ich kenne genügend Untersuchungen, die sagen, die CO2-Bilanz sei im Naturwald, den man sich selbst überlässt, wesentlich besser als im genutzten Wald. Um dies abzuklären und zu überprüfen, müsste man Machbarkeitsstudien durchführen. Deshalb sagen wir klar und deutlich: Wir wollen Machbarkeitsstudien, in denen alles abgeprüft wird, Machbarkeitsstudien, in die die Expertenmeinungen einfließen. Lasst uns dann aufgrund dieser Machbarkeitsstudien entscheiden und nicht von vorneherein ohne Datenmaterial, nur weil man eine Untersuchung kennt, sagen: Nein, wir wollen keinen dritten Nationalpark. Das ist der falsche Weg, Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Die nächste Wortmeldung kommt vom Kollegen von Brunn für die SPD. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Am 18. März ist Karl Friedrich Sinner, der ehemalige Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald, völlig überraschend verstorben. Das war nur zwei Tage nach der Expertenanhörung hier im Landtag, bei der er noch mit großer Leidenschaft und Überzeugungskraft für einen dritten Nationalpark in Bayern plädiert hatte. Die "Main-Post" schrieb in ihrem Nachruf auf Sinner, für ihn sei ein Nationalpark "Heimatschutz im besten Sinne". Die "Süddeutsche Zeitung" beschrieb Sinners Credo so:

Nationalparks sind unverzichtbar für den Naturschutz, wenn es der Staatsregierung ernst ist damit, ist der dritte Nationalpark überfällig, Steigerwald und Spessart sind die Favoriten.

In unserer Anhörung im Landtag betonte Sinner, dass wir in Deutschland, und vor allem auch in Bayern, besonders Buchenwälder schützen müssen. Natürlich hatte er recht, weil wir genau für diese Buchenwälder eine internationale Verantwortung haben, so wie sie Brasilien für die Regenwälder am Amazonas hat. Ich möchte mich im Namen meiner Fraktion an seine Verwandten und Freunde, aber auch an seine naturschutzpolitischen Weggefährten richten und unser tiefempfundenes Beileid über diesen großen Verlust zum Ausdruck bringen.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Die Einrichtung dieses Nationalparks im Bayerischen Wald, für den Karl Friedrich Sinner von 1998 bis 2011 die Verantwortung trug, dieses ersten deutschen Nationalparks, wurde vom Bayerischen Landtag am 11. Juni 1969 einstimmig beschlossen. Einstimmig! Der damalige Landwirtschaftsminister Hans Eisenmann sagte bei seiner Eröffnungsrede am 7. Oktober 1970:

Die Eröffnung des Nationalparks in Bayern darf wohl als Krönung des europäischen Naturschutzjahres bezeichnet werden.

Hans Eisenmann war anscheinend ein Mann mit Weitblick, der heute hier in diesem Hause manchen Kollegen offensichtlich zu fehlen scheint. Es sei kein Geheimnis, so Eisenmann damals weiter, dass darüber leidenschaftliche Diskussionen entbrannt seien. Aber, Zitat: