Protocol of the Session on April 18, 2012

Die nächste Rednerin ist Frau Gote. Ihr wird Herr Kollege Professor Dr. Barfuß folgen.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist richtig, in unserer demokratischen Gesellschaft gegenüber dem islamistischen Terrorismus wachsam zu sein und diesem auch entgegenzuwirken. Es ist generell wichtig, religiösem Fanatismus entgegenzutreten und die Gefahren zu erkennen. Herr Kollege König, deshalb freue ich mich auf Ihren nächsten Antrag, der sich sicherlich auf "kreuz.net" beziehen wird. Sehen Sie sich heute einmal dieses Portal der fundamentalistischen Katholiken an, wo zur Hetze gegen den "Homo-Staat Deutschland" aufgerufen wird. Heute lautet die Über

schrift "Deutschland: Salafisten verrecket!" Ich freue mich auf Ihren Antrag dazu.

Ihr Antrag leistet zu dem Ziel, dem Extremismus entgegenzuwirken, keinen konstruktiven Beitrag. Sie bedienen damit, dass Sie diesen Antrag heute stellen nicht mit dem Inhalt, denn es ist ein Berichtsantrag -, die Ressentiments gegenüber dem Islam als Religion.

(Alexander König (CSU): Frau Gote, das ist falsch. Dem treten wir ausdrücklich entgegen!)

Sie schütten damit Wasser auf die Mühle des islamophoben Populismus. Dies tun Sie, weil Sie die Religionsfreiheit in einem Atemzug mit der islamistischen Propaganda nennen. Sie differenzieren eben nicht ausreichend.

Sie wissen so gut wie ich, dass die extremistischen Gruppen unter den Salafisten seit Jahren unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen. Das ist auch gut so. Dieses Thema wurde schon x-mal auf der Innenministerkonferenz behandelt. Was Sie in diesem Dringlichkeitsantrag anfragen, wissen wir bereits. Wir konnten das alle in den letzten Tagen in der Zeitung lesen. Von mir aus können Sie diese Fragen erneut stellen. Wir werden diesem Dringlichkeitsantrag zustimmen.

Sie sollten mit dem Bezug auf die Koran-Verteilaktionen nicht von dem ablenken, was wirklich gefährlich ist. Das Verteilen des Korans ist in keinem Fall gefährlich.

(Alexander König (CSU): Frau Gote, das haben wir bereits gesagt!)

Auch das Missionieren ist von der Religionsfreiheit gedeckt. Sie haben gesagt, dass das Verteilen einer islamistischen Propaganda dient - das wird es niemals tun. Es wurde lediglich der Koran verteilt. Das ist gedeckt von der Religionsfreiheit. Das mag Ihnen gefallen oder nicht.

(Alexander König (CSU): Waren Sie dabei? Wissen Sie das so genau?)

Wichtiger wäre eine Betrachtung dessen, was für unsere Demokratie wirklich gefährlich ist, und die Aufdeckung der kriminellen Netzwerke, die am Rande erwähnt worden sind. Wir müssen über Zusammenhänge aufklären. Mit Ihrem Dringlichkeitsantrag tragen Sie aber dazu konkret gar nichts bei. Beim Umgang mit den Salafisten sind Gelassenheit, Wachsamkeit und Wehrhaftigkeit der Demokratie die Mittel der Wahl.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gegen die neofundamentalistischen Salafisten sind vor allem Argumente die Waffen der Demokratie. Es muss tatsächlich Sorge bereiten - und es bereitet uns seit Langem Sorge -, dass fundamentalistisch-islamistische Strömungen bis hin zum islamistischen Extremismus gerade bei manchen jungen Musliminnen und Muslimen attraktiv sind. Das bereitet auch gerade vielen deutschen Muslimen Sorge, die ihre Religion in unserer pluralistischen demokratischen Gesellschaft leben und um Integration bemüht sind. Was hilft konkret gegen diesen Zulauf und den Umstand, dass solche Ideen für junge Menschen, die nach ihrer religiösen Identität suchen, attraktiv sind? Helfen würden bessere Bildung, bessere Aufklärung und eine Anerkennungskultur für einen demokratisch gelebten Islam. Wir brauchen einen Dialog. Helfen würde, wenn der islamische Religionsunterricht bereits weiter ausgebaut wäre.

(Zuruf von der CSU: Das stimmt doch überhaupt nicht!)

Diese Jugendlichen brauchen ein Alternativprogramm für die Praxis ihrer Religionsausübung. Helfen würde, ein positives Bild für die Normalität der Religion anzubieten. Helfen würde auch eine Aufklärung über die Realität und über den Extremismus. Gerade jetzt wäre eine gute Aufklärungskampagne sinnvoll, die von staatlichen Institutionen, Bildungseinrichtungen und Vertreterinnen und Vertretern des Islam getragen würde. Wir bräuchten jetzt parallel zu diesen Aktionen eine solche Kampagne. Ich sage Ihnen ein Beispiel: Das Land Baden-Württemberg hat eine große Kampagne "Mit Zivilcourage gegen islamistischen Extremismus" gestartet. Dieses Angebot richtet sich an Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit. Wir haben in Bayern gute Leute, die sofort bereitstünden, um eine solche Kampagne mit Ihnen durchzuführen. Gehen Sie einmal nach Erlangen und sprechen Sie mit Herrn Professor Dr. Harry Harun Behr. Er kann Ihnen sagen, was zu tun wäre und wie man diesen Gefahren widerstehen kann. Im Zentrum staatlicher Anstrengungen sollten der Dialog und die Stärkung der demokratischen Mehrheit der Muslime stehen. Ihr Innenminister Friedrich hat gesagt, Religion dürfe nicht für ideologische Machtansprüche missbraucht werden. Herr König, diese Aussage finde ich sehr richtig, auch wenn Sie jetzt nicht zuhören.

(Alexander König (CSU): Ich höre immer zu, vor allem schreie ich nicht immer wie Sie dazwischen!)

Sie selbst sollten sich an diese wahren Worte des Innenministers halten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Professor Dr. Barfuß. Danach wird Herr Staatsminister Herrmann sprechen.

Herr Präsident, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich werde versuchen, das, was ich vortragen möchte, mit ganz normaler Stimme vorzutragen; denn das Thema ist für einen emotionalen Vortrag viel zu ernst.

(Alexander König (CSU): Sehr richtig!)

"Salafisten" heißt übersetzt soviel wie "die frommen Altvorderen". Die Menschen, die sich zu dieser Glaubensrichtung bekennen, glauben, sie müssten im Jahr 2012 nach unserer Zeitrechnung so leben wie die zweite oder dritte Generation nach dem Propheten. In der heutigen Zeit verteilen diese Menschen einen heiligen Koran. Der Koran bedeutet für die Muslime ungefähr das, was die Person Christi uns bedeutet. Wir sprechen von Inkarnation - das Wort ist Fleisch geworden -, die Muslime sprechen von Inlibration - das Buch ist auf die Erde gekommen.

Deshalb verstoßen die Menschen, die jetzt die Korane in der Fußgängerzone wie Massenware verteilen, gegen ihre eigenen Gesetze. Jede Abweichung von den heiligen Urvätern ist verboten. Eigentlich ist es bereits Häresie, wenn der Koran nicht in der eigenen arabischen Sprache verteilt wird, sondern in der deutschen Sprache. Ganz schlimm ist es, wenn man dieses Buch mit nach Hause nimmt und es anschließend in einer Plastiktüte oder in der blauen Tonne entsorgt. Insofern ist das eine reine Propaganda und hat mit dem wirklichen Islam nichts zu tun.

Ich weiß nicht, ob ich diesen Dringlichkeitsantrag heute gestellt hätte; denn man sollte diesen Menschen nicht die Ehre antun, zu viel Aufhebens um sie zu machen. Der Antrag wurde jedoch gestellt, deshalb müssen wir auch darüber reden. Als Christ denke ich: Wir sollten uns nicht auf eine Holzerei einlassen, sondern als Christen und Demokraten mit Argumenten reagieren. Das tun alle fünf Fraktionen dieses Hauses.

Als gläubiger Katholik überlasse ich dieses Thema unserem Herrgott. Er wird mir später sagen, was die richtige Religion ist. Aber als Demokrat ist mir unser Grundgesetz heilig. Ich sage das ganz bewusst: Nicht die Thora, das Evangelium oder der Koran bestimmen unsere Politik, sondern unser Grundgesetz. Auf der Grundlage dieses Grundgesetzes kann jeder nach seiner Fasson selig werden.

(Alexander König (CSU): Gott sei Dank!)

Ich danke dem Verfassungsschutz, dass es jeder, der den Boden dieses Grundgesetzes verlässt, es mit ihm zu tun bekommt.

Noch ein paar Zahlen: In Deutschland gibt es ungefähr 500 politische Salafisten. Lieber Herr König, die anderen 4.500 sind fromme Menschen, die es in allen Religionen gibt. Ich stelle fest: In jeder Fraktion von Gläubigen gibt es Vernagelte und Verbohrte. Das müssen wir miteinander bekämpfen. Noch einmal: In freiheitlich-demokratischen Staaten, wie wir sie in Europa haben, muss jeder nach seiner Fasson selig werden können, wenn er die Gesetze achtet.

Ich erwarte von den Muslimen, die sich mit unserem Grundgesetz identifizieren, dass sie sich von diesen Menschen, die sie selbst als Ungläubige bezeichnen, distanzieren. Hängen wir doch das ganze Thema tiefer. Wenn dieser Dringlichkeitsantrag gestellt ist, werden wir ihm zustimmen. Meines Erachtens sollten wir als gläubige Christen den Mut haben, nicht nur Blätterteig zu sein, sondern wieder Sauerteig zu werden und für unsere Religion einzustehen. In diesem Sinne hoffe ich für alle Gläubigen, dass der Herrgott dieses Thema etwas tiefer hängt als wir.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Jetzt wird Herr Staatsminister Herrmann sprechen. Ansonsten liegen vorerst keine weiteren Wortmeldungen vor.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir befassen uns heute nicht mit der Religion unserer muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, sondern mit einer politischen Propagandaaktion, hinter der Protagonisten einer extremistischen Bestrebung, nämlich des Salafismus, stehen.

Salafisten orientieren sich kompromisslos an der islamischen Frühzeit vor 1.400 Jahren. Sie tun das aber nicht nur aus historischer Betrachtung heraus, sondern sie lassen mit einem konkreten Bezug zu heute und zu jetzt nur frühislamische Herrschafts- und Gesellschaftsformen gelten. Sie lehnen weltliche Gesetze und die Werte unserer freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratien strikt als unislamisch und als aus ihrer Sicht unterlegen ab.

Dabei sind die Übergänge zwischen politischen Salafisten, die durch eine intensive Propagandatätigkeit auffallen, und Dschihad-Salafisten, die zur Gewaltanwendung bereit sind, fließend. Der Salafismus bildete bei den bislang bekannt gewordenen terroristischen Planungen und durchgeführten Anschlägen den geistigen Nährboden. Das gilt zum Beispiel für die Sauerland-Gruppe, für den Attentäter am Frankfurter Flug

hafen vor einem Jahr oder auch für den Attentäter von Toulouse vor wenigen Wochen. Überall dort konnten wir Bezüge zum Salafismus feststellen.

Der Verfassungsschutz in Bayern befasst sich seit Längerem mit dem Phänomen des Salafismus. Ich habe die Öffentlichkeit erstmals mit den Verfassungsschutzinformationen Bayern für das erste Halbjahr 2008 informiert. Seitdem gehen wir im Verfassungsschutz Bayern alljährlich ausführlich auf diese Entwicklungen ein; denn auch bei uns in Bayern verdichten sich die Hinweise auf eine zunehmende Anhängerschaft des Salafismus. Die Aktivitäten gehen dabei sowohl von salafistisch orientierten Moscheen als auch von losen Personenzusammenschlüssen aus. Die Indoktrination bei Salafismus-Veranstaltungen führt in vielen Fällen dazu, dass sich die Teilnehmer massiv radikalisieren.

Eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung salafistischer Ideologie spielt insbesondere das Internet. Für deutschsprachige Muslime hat sich mittlerweile ein weites salafistisches Bildungs- und Lehrnetz gebildet. Nun kommt das mit einer jedenfalls angeblichen Zielvorstellung von 25 Millionen verteilten Koranexemplaren beworbene aktuelle Verteilungsprojekt hinzu. Alle unsere Erkenntnisse zeigen, dass dieses Projekt als Türöffner für einen Gesprächseinstieg im Rahmen der salafistischen Missionierungstätigkeit gewertet werden muss. Es soll einer Indoktrination hin zu den ideologischen Grundelementen des Salafismus dienen.

Zwar ist im Gegensatz zu Nordrhein-Westfalen und Hessen die Verteilung in Bayern bislang nicht sehr verbreitet. Bisher konnten nur einzelne Informationsstände, an denen Koranexemplare verteilt wurden, festgestellt werden. Deshalb scheint jedenfalls bei uns in Bayern die Resonanz auf diese Info-Stände gering zu sein. Ich sage Ihnen aber gleichwohl, dass wir entsprechend unserem bayerischen ganzheitlichen Ansatz zur Bekämpfung des Extremismus auch diese Entwicklungen aufmerksam beobachten. Wir beobachten sie nicht wegen des Verteilens des Korans, sondern wegen der Frage, was hinter dieser Aktion steckt.

Sollten es wirklich 25 Millionen Exemplare werden, die in Deutschland verteilt werden, ist allein schon die finanzielle Dimension, die hinter einem solchen Projekt steht, mehr als bemerkenswert. Woher nimmt eine Organisation mit den bekannten Mitgliederzahlen dieses Geld? Wenn man auch nur von einem Euro pro Exemplar redet, kommen wir auf eine Größenordnung von mindestens 25 Millionen Euro. Hier muss einem schon allein die finanzielle Power, die hinter einem solchen Projekt steht, zu denken geben.

Ich meine, es ist wichtig, dass wir die Strukturen und die Personen, die in diesem Projekt aktiv sind, beobachten, dass wir die Möglichkeiten des Aufenthaltsund des Staatsangehörigkeitsrechts nutzen, dass wir bei der Prüfung der Gemeinnützigkeit im Vereinsrecht aufmerksam sind und dass wir auch Persönlichkeiten im öffentlichen Leben dafür sensibilisieren, dass wir bestmöglich gewappnet sein sollten. Ich begrüße es, dass sich der Landtag heute mit diesen Entwicklungen befasst. Wir werden selbstverständlich in den zuständigen Ausschüssen und im Parlamentarischen Kontrollgremium über unsere aktuellen Erkenntnisse zum Thema Salafismus in Bayern berichten.

(Beifall bei der CSU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zu Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/12194 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich sehe die Hände aus allen Fraktionen. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist es einstimmig so beschlossen.

Ich darf Ihnen noch das Ergebnis der drei namentlichen Abstimmungen bekanntgeben. Zum Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Bause, Dr. Runge, Gote und Fraktion der GRÜNEN mit dem Betreff "Gesetzgebungsverfahren zum Betreuungsgeld stoppen!", Drucksache 16/12193: Mit Ja haben 64, mit Nein 93 Abgeordnete gestimmt. Es gab drei Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 1)

Zum Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Rinderspacher, Pfaffmann, Kohnen und Fraktion der SPD, betreffend "Ja zu mehr Kinderbetreuung - Kommunen unterstützen! Die Milliarden richtig investieren - Nein zum Betreuungsgeld!", Drucksache 16/12198: Mit Ja haben 64, mit Nein 91 Abgeordnete gestimmt. Es gab vier Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag ebenfalls abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)

Wir kommen zum Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Aiwanger, Streibl, Gottstein und Fraktion der FREIEN WÄHLER betreffend "Ausbau der Kinderbetreuung vorantreiben - Schluss mit der Ideologiedebatte um das Betreuungsgeld!" auf Drucksache 16/12202: Mit Ja haben 65 und mit Nein 90 Abgeordnete gestimmt. Es gab fünf Enthaltungen. Auch dieser Dringlichkeitsantrag wurde abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 3)

Nun rufe ich zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Stefan Schuster, Dr. Thomas Beyer u. a. und Fraktion (SPD) Rauchwarnmelderpflicht zügig umsetzen (Drs. 16/12195)