Protocol of the Session on February 29, 2012

(Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte doch, mehr Ernsthaftigkeit bei diesem Thema an den Tag zu legen.

(Beifall bei der FDP - Ein Abgeordneter der FDP meldet sich zu einer Zwischenbemerkung.)

Herr Kollege, das geht nicht. Dass die eigene Fraktion befragt werden kann, haben Sie mit Mehrheit abgeschafft. Herr Klein, Sie sind damit befreit. Danke schön.

Für die Staatsregierung hat sich Herr Dr. Söder zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst vielen Dank, dass die einen uns schonen wollen und die anderen uns alles zutrauen. Vielen Dank dafür.

(Florian Streibl (FREIE WÄHLER): Alles nicht! Aber manches!)

Ich freue mich, Ihr Interesse zu Beginn meiner Ausführungen geweckt zu haben.

Zunächst ganz kurz etwas zum Antrag selbst. In der Tat hat Kollege Klein natürlich recht. Denn die unmittelbaren finanziellen Belastungen in der klassischen Politik, nämlich im Haushalt und ähnliches mehr, sind nach all den derzeitigen Verfahrensständen nicht zu erwarten. Die gesamten Garantierahmen, um die es geht, betreffen alle Fragen des Bundesfinanzplans. Die BayernLB berichtet in allen Gremien ihres Bereichs. Ich würde allerdings jederzeit anbieten, wenn der Wunsch besteht, im Haushaltsausschuss beispielsweise in eine Diskussion einzutreten. Das biete ich an. Das ist überhaupt kein Problem.

(Volkmar Halbleib (SPD): Der Wunsch ist doch da!)

Damit wäre ich eigentlich fast fertig gewesen, hätte es nicht ein paar grundlegende Bemerkungen zum Euro generell gegeben. Ich bin anderer Auffassung als Sie, Herr Runge. Der Euro als solcher ist eine grundsätzlich gute und erfolgreiche Geschichte gewesen. Das hat übrigens sogar Joschka Fischer bestätigt. Joschka Fischer lobt Altkanzler Helmut Kohl und Finanzminister Theo Waigel ganz besonders für die Einführung des Euro. Wenn Sie hier sagen, der Euro sei schlecht gemacht, aber Joschka Fischer sagt, das war eine tolle Leistung, dann müssen Sie sich diesen Schuh zunächst selber anziehen. Wir haben zum Euro immer eine klare Position gehabt.

(Beifall bei der CSU)

Für die Schwierigkeiten, warum der Euro heute in der Diskussion steht, gibt es zwei Gründe. Der eine ist die grundlegende Änderung dahin, dass Staaten und Währungen heute anders als vor 30 Jahren einer anderen ökonomischen Bewertung unterworfen sind. Vor 30 Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass Finanzmärkte die Möglichkeit gehabt hätten, mit Währungen und Staaten zu spielen und sie diesen ökonomischen Kriterien zu unterwerfen.

Der andere ist - da haben wir schon vor etlichen Jahren hier im Hohen Hause mit unserer Hypothese recht behalten -, dass das Schuldenmachen die Grundlage dafür ist, dass Staaten in diesen Finanzmärkten immer als Spekulationsobjekt betrachtet werden können. Wann werden Staaten letztlich zum Spielball der Finanzmärkte? Dann, wenn sie eine extreme Schwäche zeigen, und das ist dann der Fall, wenn sie extreme Schulden machen. Deshalb ist die eigentliche Herausforderung die Schuldenkrise.

Nun haben die Kollegen zu Recht darauf hingewiesen, dass gerade bei Griechenland zwei Dinge zu erkennen sind. Das Hineinlassen Griechenlands in die Eurozone geschah unter heftigem Protest; auch hier im Hohen Hause wurde heftige Kritik von den Regierungsparteien wegen der gleichzeitigen Aufweichung der Stabilitätskriterien geübt. Wenn wir heute andere ermahnen, die Stabilitätskriterien einzuhalten, halten uns manche zu Recht entgegen, dass es damals Deutschland war - es war die rot-grüne Regierung unter Schröder -, die diese Kriterien aufgeweicht hat. Das ist die historische Wahrheit.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir haben eine Schuldenkrise, und darauf müssen wir reagieren. Dies ist eine entscheidende Herausforderung. Das tun wir im Übrigen in Bayern und Deutschland in der gleichen Weise.

Ich komme nun zu den einzelnen Rettungsschirmen. Ich glaube sagen zu können - das schimmerte durch alle Kritik hindurch -, dass die Idee richtig ist. Diese Idee der Schirme hat in zweierlei Bereichen geholfen, nämlich erstens den Dominoeffekt zu verhindern. Unsere Sorge war ja, eine ähnliche Kaskade befürchten zu müssen wie damals bei Lehman Brothers. Dadurch würde ein Staat nach dem anderen durch die Insolvenz angesteckt und von den Finanzmärkten entsprechend den Risiken bewertet.

Das zweite war, neben der Verhinderung der Dominoeffekte zeitgleich Raum zu schaffen, damit diese Staaten ihre Maßnahmen treffen können, um auf die Schuldenkrise zu reagieren.

Herr Klein hat zu Recht Folgendes gesagt. Das Konzept zur Lösung der derzeitigen Problematik heißt Schulden abzubauen und nicht Schulden zu teilen. Am Abend des letzten Gipfels in Lissabon wurde darüber geredet, wie es um die Konzeption steht. Noch Wochen danach haben die A-regierten Bundesländer Anträge gestellt, Eurobonds herauszugeben. Eurobonds bedeuten, dass wir Schulden teilen, dass wir die Schulden anderer mit übernehmen. Glauben Sie denn im Ernst, dass ein Land, das heute Schulden abbauen müsste, dies tun will und tun wird, wenn es von vornherein weiß, dass wir diese Schulden bezahlen? Das ist illusorisch. Deshalb sind Eurobonds definitiv der falsche Weg. Schulden abbauen ist das Gebot der Stunde.

(Beifall bei der CSU)

Es ist im Übrigen der Bundestag, von dem dies alles entschieden wird. Dies geschieht nicht im Landtag. Ich glaube, darüber sind wir uns einig. Und es gibt im Bundestag durchaus engagierte Debatten darüber, wie diese Schirme jetzt wirken und wie zukünftige Schirme wirken. Ich muss darüber nicht abstimmen, aber ich bringe meine Skepsis zum Ausdruck, ob es der richtige Weg ist, ein weiteres Paket zu schnüren, obwohl die bisherigen Mittel noch gar nicht alle abgerufen worden sind. Und warum meine Skepsis? Wir stellen fest, meine Damen und Herren, dass Dominoeffekte nicht eingetreten sind. Denn Länder wie Portugal, Spanien, Italien und Irland machen sich genau auf den Weg, die gar nicht leichten Reformansätze tatsächlich in ihrem Lande umzusetzen. An Irland sieht man besonders gut, dass das von den Finanzmärkten goutiert wird. Es gibt also einen Zusammenhang zwischen den Reformschritten, die man macht, und einer entsprechenden Bewertung auf den Finanzmärkten.

Bei einem Land ist die Analyse international wie national und auch parteienunabhängig relativ gleich. Bei

diesem einen Land sehen wir erhebliche Probleme, nämlich bei Griechenland. Der Spagat zwischen dem, was in Griechenland zu leisten ist, und den damit verbundenen Erfolgsaussichten ist unglaublich groß. Man erlebt an einem Land wie Griechenland, wie schwer die Umsetzung der Maßnahmen ist, und darüber hinaus, dass das noch schwerer wird, weil angesichts der Parlamentswahlen dort die politische Meinung immer deutlicher auseinandergeht.

Deswegen müssen wir uns letzten Endes Folgendes fragen: Ist die Daueralimentation über die Rettungsschirme bei gleichzeitiger Nichtreaktion und Nichtumsetzung der Maßnahmen, die die Europäische Union und die Währungsunion fordern, der richtige Weg, oder ist am Ende nicht möglicherweise ein anderer Weg der bessere? Ich denke da nicht an eine kalte Insolvenz; diese würde sicherlich nicht funktionieren. Ich denke vielmehr an ein geordnetes Verfahren, sich möglicherweise durch den Ausstieg zu entschulden.

Die Finanzmärkte von heute reagieren auf Krisenentscheidungen in Griechenland deutlich gelassener als vor einem Jahr, weil Dominoeffekte nicht zu befürchten sind, weil internationale Gewöhnungseffekte eingetreten sind sowie wirtschaftliche Entflechtungen stattgefunden haben, wenn auch der Glaube und das Vertrauen, dass sich in Griechenland selbst etwas verändert, reduziert wird.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Deshalb war letzten Endes in Deutschland und Europa diese Entscheidung zu treffen. Eines jedenfalls geht nicht, dass nämlich quasi dauerhaft immer wieder dann, wenn ein Paket noch gar nicht ganz verabschiedet ist, ein neues aufgelegt wird, ohne dass in Griechenland wirklich etwas passiert ist. Die Griechen müssen erst etwas tun, bevor annähernd daran gedacht werden kann, noch einen Cent mehr dorthin zu geben. Griechenland darf kein Fass ohne Boden sein.

(Beifall bei der CSU - Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Darüber müssen wir diskutieren, an welcher Stelle auch immer. Herr Piazolo, ich persönlich bin da sehr offen. Klar ist aber, dass die Entscheidungen in Berlin fallen, auch wenn wir alle unsere Beiträge und Meinungen dazu einzubringen haben, sei es hier im Landtag oder in den jeweiligen Parteien. Ich sage nur eines: Dies ist kein Thema, das sich für Populismus eignet, aber es ist auch kein Thema, das sich für elitäre akademische Diskussionen eignet. Es ist aber ein Thema, das sich gut für Verantwortungsbewusstsein eignet. Dies wünsche ich mir einfach bei diesem Thema.

Diese Staatsregierung und die Mehrzahl der Parlamentarier versucht es. Es ist - wie gesagt - kein Thema, das sich für Parteitagstrategen und Parteitaktik untereinander eignet. Denn in Europa findet in diesem Moment etwas anderes statt.

Es kann nicht um die Frage gehen, ob in Europa nun die Schwarzen, die Roten oder die Grünen besser wären, sondern wir bekommen eine völlig neue Diskussion über finanzielle Hegenomie, über die Auswirkungen der Anforderungen, die heute an uns gestellt werden. Da muss auch uns Deutschen klar sein, dass wir zwar Verantwortung tragen, aber nicht diejenigen sind, die im Alleingang die finanzielle Situation in Europa schultern können. Wir sind es unseren Bürgerinnen und Bürgern schuldig, ihnen klarzumachen, dass ihr Geld richtig angelegt ist und nicht in einem Fass ohne Boden versickert. Wir versuchen, die Problematik gemeinsam in Europa zu schultern, und die Staatsregierung wird ihren entsprechenden, ihr zustehenden Beitrag dazu bringen.

Wir wollen verantwortungsbewusst und zukunftsorientiert arbeiten, gleichzeitig aber auch klarmachen, dass Deutschland und Bayern nicht diejenigen Länder sein können, die alles allein bewältigen. Wir fordern von den Deutschen, ihre Schulden abzubauen, und von unseren Berliner Freunden, sich endlich einmal selbst am Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Und was für die Berliner gilt, muss für die Griechen genauso gelten. Das Prinzip gilt für alle: Schulden tilgen ist besser als Schulden zu teilen.

(Beifall bei der CSU)

Danke, Herr Staatsminister. Wir haben zwei Zwischenbemerkungen angemeldet bekommen. Das ist zum einen Herr Dr. Runge und zum anderen Herr Dr. Herz. Bitte sehr, Herr Dr. Runge.

Herr Minister Söder, ich muss Sie in drei Punkten korrigieren.

Erstens habe ich nicht gesagt, eine Währungsunion sei per se schlecht, sondern ich habe ausgeführt, dass wir bereits vor 16 Jahren hier im Hohen Haus gesagt haben, eine Währungsunion kann nicht funktionieren, wenn nicht gleichzeitig für haushalts- und fiskalpolitische Konvergenz gesorgt wird, zumal, wenn die Situation gerade so ist, dass die wirtschaftlichen Grunddaten meilenweit auseinanderlaufen. Da wissen wir uns im Übrigen auch in guter Gesellschaft. Denn exakt dies hat jüngst die Kanzlerin Angela Merkel gesagt: Es war ein schwerer Fehler, nicht für haushaltsund fiskalpolitische Konvergenz zu sorgen.

Zweiter Punkt. Sie glaubten wieder vom Aufweichen der Stabilitätskriterien unter der Regierung von RotGrün reden zu müssen. Das brauchte man im Grunde nicht anzusprechen; ich kann mich gut an die sechsstündige Eurodebatte hier im Hohen Hause erinnern, nach der mehrere Teams der Bild-Zeitung in den Saal kamen und kein einziger CSU-Abgeordneter, wirklich kein einziger, nur ansatzweise sagen konnte, welche Kriterien das sind.

(Eberhard Sinner (CSU): Kein einziger, stimmt nicht!)

Herr Söder, damit Sie es nicht vergessen! Bei den Kriterien ist kein einziges Komma geändert worden. Vielleicht nehmen Sie einmal zur Kenntnis, was geändert worden ist. Geändert wurden die Interpretationsspielräume.

(Eberhard Sinner (CSU): Na, na!)

Ich nenne dazu nur zwei Beispiele. Zum einen die Forschungsausgaben, die nicht mehr dazu gerechnet würden, und zum anderen die Vereinigungslasten.

Der dritte Punkt. Leider dürfen wir hier jetzt keine Krisendebatte führen. Aber Sie haben versucht, das zu tun. Das war nichts weiter als ein billiges Ablenkungsmanöver. Denn Sie haben zum Ausdruck gebracht, dass Sie den Bericht, der mit dem Antrag der FREIEN WÄHLER gefordert wird, nicht geben wollen. Das halten wir für schäbig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Dr. Runge. - Bitte, Herr Staatsminister.

Das war nicht gerade eine Sternstunde. Zu sagen, es gab keine Aufweichung der Kriterien, nur die Ermessensspielräume wurden etwas verändert, ist eine der rhetorischen Tricksereien, die den Euro überall geschwächt haben. So kann es nicht gehen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich wollte eigentlich sehr kurz berichten, aber nachdem Sie und auch Herr Halbleib über den Euro und die Welt geredet haben, was Ihr Recht ist, müssen Sie ertragen, dass man Ihnen die Gegenargumente vorhält;

(Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

denn ich finde, meine Damen und Herren, die Wahrheit ist keine parteiliche Hoheit, sondern die haben

alle hier verdient. Wir haben in Bayern das Prinzip des ausgeglichenen Haushalts eingeführt. Was wurden wir dafür beschimpft und diskreditiert! Das Prinzip des ausgeglichenen Haushalts ist zu einer Blaupause in Europa geworden. Das muss auch so sein.