Protocol of the Session on January 25, 2012

(Beifall bei der SPD)

Dann erinnern wir uns noch an die permanenten Steuersenkungsversprechen von Horst Seehofer. Woche für Woche deutete er sie an oder formulierte sie kraftvoll, je nach Publikum, beispielsweise: "Mehr Netto vom Brutto für alle". Wir erinnern uns auch daran, dass Herr Seehofer in Bayern regelrecht in Spendierhosen unterwegs ist. Jetzt schenkt er den Münchnerinnen und Münchnern einen fünften großen Konzertsaal für eine fünftel Milliarde Euro, und das wird im Vorbeigehen angekündigt. Bis heute folgenlos ist aber nach wie vor die für Augsburg angekündigte Universitätsklinik. "Die Uniklinik kommt", so versprach der Ministerpräsident, und setzte dahinter drei Ausrufezeichen. Das haben wir noch gut in Erinnerung. Das steht im Goldenen Buch der Stadt Augsburg, geschrieben von Ministerpräsident Horst Seehofer.

(Josef Miller (CSU): Die kommt schon noch!)

Schon jetzt scheint klar, wer der Lastesel der Staatsregierung sein soll: die bayerischen Kommunen. Die wohnungspolitische Bankrotterklärung ist erst wenige Tage alt. Brüssel gibt im Zusammenhang mit dem EU-Beihilfeverfahren den Notverkauf der staatseigenen GBW-Wohnungen wegen des Landesbankdesasters vor, und Staatsminister Söder erklärt, der Freistaat Bayern könne die 33.000 GBW-Wohnungen in bayerischem Staatsbesitz selbst nicht mehr schützen. Er will auch den 85.000 Mietern keinen vertraglichen Schutz gewähren. Das Ergebnis: Weil sich der Freistaat aus der Verantwortung stiehlt, weil er angeblich nicht genügend Geld hat, müssen Bayerns Kommunen jetzt einen Rettungsschirm von mehreren hundert Millionen Euro für das freistaatliche Desaster bei der Landesbank aufspannen. Diese gewaltigen Beträge werden den Kommunen beim Ausbau der Kinderbetreuung, bei der Schulsanierung und bei den kommunalen Wohnungsunternehmen fehlen.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): So ist es!)

Die Lasten werden auf die Kommunen abgewälzt, es werden immer mehr Löcher in die Säckel der Städte und Gemeinden gerissen. Damit kennt sich die CSU aus. Das ist Tradition in der Bayerischen Staatsregierung!

(Josef Miller (CSU): Aber Sie kennen sich noch besser aus! - Zurufe von der CSU: Oje, Oje!)

In keinem anderen Bundesland ist der Anteil der kommunalen Schulden so hoch wie hier bei uns in Bayern, nämlich 28,9 %. Warum? - Weil die Kommunen vom Freistaat am Gängelband gehalten werden. Wir werden das in Regierungsverantwortung ändern!

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Zurufe von der CSU)

Der Freistaat Bayern kann tatsächlich nicht mehr aus dem Vollen schöpfen. Der Feistaat lebte nämlich in den Stoiber-Jahren ganz überwiegend von den Privatisierungserlösen. In den letzten 20 Jahren hat die CSU 49 staatseigene Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen privatisiert. Diese Verkäufe haben dem Freistaat insgesamt 7,3 Milliarden Euro an Einnahmen gebracht. Übrigens ist das unter dem Strich noch nicht einmal ein Bruchteil dessen, was die CSU beim Landesbankdesaster an bayerischem Volksvermögen vernichtet hat, und zwar in kürzerer Zeit. 7,3 Milliarden Euro. Darunter waren so stolze Unternehmen wie die Bayernwerke, Bayerngas, Contigas, Bayerische Versicherungskammer, Deutsche Aerospace - DASA -, die Staatliche Molkerei Weihenstephan. All diese Firmen wurden privatisiert. Ich sage es noch einmal: Wenn man die Erlöse mit dem Landes

bankdesaster gegenrechnet, dann ist das ein fatales Minusgeschäft.

Die Folgen der Privatisierung, vor der wir, die SPD, immer gewarnt haben, werden uns in diesen Tagen besonders deutlich bei Eon vor Augen geführt. Eon, einstmals Bayernwerke, kehrt dem Freistaat Bayern nun den Rücken und baut tausende Arbeitsplätze ab. Damit geht Bayern Wertschöpfung ebenso verloren wie Steuereinnahmen. In Bayern müssen wir heute mit Mühe und Not notwendige Strukturen für die Energiewende aufbauen. Wie viel leichter hätten wir es, wenn wir noch den großen stolzen Energieversorger Bayernwerke hätten! - Wie das mit der Energiewende gehen kann, das wird uns in München vorgemacht. Das größte kommunale Unternehmen in Deutschland, die Stadtwerke München, machen es vor: Ab 2015 können in der rot-grün geführten Stadt, in der 1,4 Millionen Einwohner zählenden Metropole, alle privaten Haushalte mit regenerativen Energien versorgt werden. Bereits in drei Jahren ist das der Fall. Das ist vorbildliche Politik, meine Damen und Herren!

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Zurufe von der CSU)

Unterdessen steigt im Freistaat die versteckte Verschuldung von Tag zu Tag. Ich nenne als Beispiel die Staatsstraßen. Jede dritte Staatsstraße im Freistaat Bayern ist nach Angaben des Innenministeriums dringend sanierungsbedürftig. Dem Sanierungsbedarf in Höhe einer Dreiviertelmilliarde Euro kommt Ihr "Aufbruch Bayern" nicht einmal im Entferntesten nahe. Die Schlaglöcher werden nicht weniger, sondern mehr. Die Infrastruktur verlottert. Das gilt übrigens nicht nur für viele Staatsstraßen, das gilt auch für manche Theater, Museen, Schulen und Hochschulen. Diese Lasten werden künftige Generationen zu tragen haben, weil Bayern seinen Pflichtaufgaben nicht nachkommt.

Wenn wir gerade über Infrastruktur reden, dazu gehört auch eine ordentliche Breitbandversorgung. Die SPD wird in Regierungsverantwortung endlich ein unbürokratisches und effizientes Förderprogramm auflegen. Erwin Huber wollte es nicht, sein Nachfolger hat ein bürokratisches Monstrum konstruiert. Von wegen "Laptop und Lederhose" - bei Schwarz-Gelb ist die gute alte Postkutsche schneller als das E-Mail. Wir werden das ändern!

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Weil die Haushaltsspielräume tatsächlich enger werden, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es umso notwendiger, dass Gelder effizient eingesetzt werden. Der CSU müssen doch die Ohren geklingelt haben, als bei ihrer Klausurtagung in Wildbad Kreuth ausgerechnet Arbeitgeberpräsident Hundt der CSU das Ver

plempern von Steuergeldern vorgeworfen hat. Rausgeworfenes Geld, so nennt er das Betreuungsgeld, und: falscher Ansatz. Die Kinder, so Hundt, müssten einen frühen Zugang zu guter Bildung bekommen. Deshalb sollte der Freistaat nicht in das Betreuungsgeld investieren, sondern bitte in den Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuungsversorgung.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Zu guter Bildung gehört auch eine wohnortnahe Schule. Mit Ihrer Politik, Herr Ministerpräsident, wird das aber immer weniger gewährleistet. In den letzten Jahren haben in Bayern mehr als 700 Schulstandorte geschlossen. Von wegen "kurze Beine - kurze Wege". Für viele Schülerinnen und Schüler in Bayern gehört eine Anfahrt von 60 bis 70 Minuten zum Alltag. Die Prognosen des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes sind dramatisch. Dem ländlichen Raum in Bayern droht ein beispielloses Schulsterben. Bis zum Jahr 2030 wird mehr als die Hälfte der heute noch bestehenden Haupt- und Mittelschulstandorte wegbrechen. Nur noch 500 statt heute 1.000 Schulen wird es geben. Besonders stark betroffen sind die kleinen Schulen auf dem Land. Auf dieses Problem geben Sie überhaupt keine Antwort, ganz nach dem Motto: Augen zu und durch.

(Zuruf des Abgeordneten Alfred Sauter (CSU))

Die SPD sagt: Wir können die Schüler auch unter einem Dach unterrichten, in einer Schule, in der alle Schulabschlüsse angeboten werden.

(Zuruf des Abgeordneten Eberhard Sinner (CSU))

Mit pädagogisch modernen Konzepten und Ganztagsschulangeboten kann das gehen, so wie es beispielsweise Peter Harry Carstensen in Schleswig Holstein durchgeführt hat. Deshalb sagen uns jetzt auch viele CSU-Bürgermeister: Die SPD gibt mit der Gemeinschaftsschule die richtigen Antworten auf das Schulsterben in Bayern. Lasst sie uns dort gemeinsam einführen, wo Kommune und Schulfamilie dies beantragen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Georg Schmid (CSU): Die Gemeinschaftsschule ist doch von vorvorgestern!)

Sie erhöhen auch nicht die Investitionen in den Ausbau des Ganztagsschulangebotes, wie Sie es suggerieren wollten, sondern 2012 gibt es dafür weniger Geld. Sie kündigen in diesem Jahr 11,8 Millionen Euro mehr an, verschleiern aber, dass gegenüber 2011 36 Millionen Euro im Projekt "Zukunft Bayern 2020" wegfallen. Ganztagsschulausbau findet also al

lenfalls in Ihren Reden statt, nicht jedoch in Ihrem politischen Handeln.

Herr Ministerpräsident, Sie haben in Ihrer Regierungserklärung die innere Sicherheit in Bayern gewürdigt. Wir teilen die Bestürzung über die brutalen Morde an Staatsanwalt Tilman Turck in Dachau und an dem Polizisten Mathias Vieth in Augsburg. Unser Mitgefühl, auch das soll hier heute noch einmal betont werden, gilt auch den Hinterbliebenen der Opfer der brutalen rechtsextremistischen Morde in München und Nürnberg. Die Blutspur der Nazigewalt führt nämlich von Sachsen zu uns nach Bayern. Die Morde an unseren Mitbürgern mit Migrationshintergrund beschämen und entsetzen uns. So menschenverachtend diese Taten sind, so nachdrücklich müssen Ermittlung und Aufklärung vorangetrieben werden. Es ist doch in erschreckendem Umfang deutlich geworden, dass die deutschen und auch die bayerischen Sicherheitsbehörden rechtsextreme Aktionsfelder und Gewalt verkannt oder zumindest nicht erkannt haben. Wir brauchen ein Handlungskonzept gegen rechtsextreme Gewalt. Der Chef des Bayerischen Landeskriminalamts, Herr Dathe, hat die Vorschläge der SPD-Fraktion bei unserer Klausurtagung in Kloster Irsee ausdrücklich unterstützt.

Herr Ministerpräsident, Sie haben herausgestellt, dass wir in Bayern insbesondere unsere Polizisten, Staatsanwälte und Richter schützen müssen. Ich unterstütze das ganz ausdrücklich und füge hinzu: In unserem Land sollen sich alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft und ihrer Nationalität sicher fühlen können. Auch Einwanderer in Bayern stehen unter dem besonderen Schutz unseres staatlichen Gemeinwesens.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bayerische Staatsregierung hat 2011 sehr viel Geld für eine Werbekampagne zum sogenannten Projekt "Aufbruch Bayern" ausgegeben; das ist das Thema, das wir heute behandeln. Insgesamt wurden 1,12 Millionen Euro aus bayerischen Steuermitteln für diese Werbekampagne ausgegeben.

(Georg Schmid (CSU): Gut angelegt!)

Mit den zahlreichen Reklamemaßnahmen wie zum Beispiel Logoentwicklung, grafische Konzeption oder Anzeigenschaltung wurden verschiedene Unternehmen beauftragt, wie meiner Kollegin Annette Karl auf Schriftliche Anfrage mitgeteilt wurde. Heute ist deutlich geworden, dass auch die beste Werbung nichts hilft, wenn das Produkt eine Mogelpackung ist. Politisches Marketing wird dann zu einem Beitrag zur Poli

tikverdrossenheit, wenn sich am Ende das Gegenteil dessen herausstellt, was in den Raum gestellt wurde.

Der Ministerpräsident hat heute mehr politische Fragen offen gelassen als er Antworten gegeben hat. Er ist den Erwartungen der bayerischen Öffentlichkeit, seinen angeblichen Plan einer Radikalentschuldung zu erörtern, flüchtend aus dem Weg gegangen. Dafür wird es Gründe geben. Die Regierungserklärung war in vielen Teilen politischer Hokuspokus. Ich sage: Die Menschen in Bayern wollen ernst genommen werden. Sie haben einen Anspruch darauf. Nirgendwo in Deutschland sind die Menschen so bodenständig wie in Bayern. Sie packen an, sie lieben ihr Land, sie nehmen ihr Leben in die Hand und sie erwarten Taten statt schöner Worte. Wertebewusstsein, Verantwortungsbewusstsein, Kreativität, all das ist bei uns in Bayern daheim. Lassen Sie uns diese Potenziale besser nutzen und politisch gestalten. Das ist unser Auftrag.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD - Georg Schmid (CSU): Nur schöne Worte!)

Wir fahren in der Aussprache fort. Ich darf dem Vorsitzenden der CSUFraktion, Herrn Kollegen Georg Schmid das Wort erteilen.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Um es auf den Punkt zu bringen: Bayern ist das Stabilitätsland Nummer eins. Finanzielle Stabilität ist die zentrale Grundlage unseres politischen Handelns. Nach unserem Vorbild und auf unser Drängen ist die Schuldenbremse ins Grundgesetz aufgenommen worden. Diesem Beispiel folgt nun der ganze Euro-Raum. Bayern ist das Vorbild für ganz Europa, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Bayern hat die niedrigste Pro-Kopf-Verschuldung. Herr Kollege Rinderspacher, nehmen wir das Wunschdenken einmal weg und reden wir über die Fakten. In Nordrhein-Westfalen und in RheinlandPfalz hat jedes neugeborene Kind dreimal so hohe Schulden wie in Bayern. Das ist sozialdemokratische Schuldenpolitik. Das ist das Ergebnis einer langjährigen SPD-Regierung. Auch das darf an dieser Stelle heute festgestellt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die SPD kann mit Geld nicht umgehen. Das hat sich in diesen Ländern gezeigt.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Widerspruch bei der SPD - Harald Güller (SPD): Wer hat denn die Landesbank in den Sand gesetzt? Wer war denn im Verwaltungsrat? Ihr oder wir?)

Ist dies Ihr Verständnis von Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit?

Im Gegensatz zu sozialdemokratischen Finanzpolitikern wie Hans Eichel haben wir die Null-Verschuldung nicht nur angekündigt, sondern auch durchgesetzt.

(Inge Aures (SPD): Wo denn?)

Im Übrigen haben wir das 2012 zum siebten Mal in Folge gemacht.

(Inge Aures (SPD): Lang genug!)

Als wir 2006 erstmals einen Haushalt ohne neue Schulden vorgelegt haben, gab es im Hohen Hause darüber eine Diskussion. Von der Opposition kamen nur Hohn und Spott.

(Alexander König (CSU): So war’s!)

Sie bezeichneten im Jahr 2006 das Vorhaben, keine Schulden aufzunehmen, sogar als absurd und warnten vor einer wirtschaftlichen Abwärtsspirale. Welch ein Irrtum, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Der ausgeglichene Haushalt ist ein Markenzeichen unserer Politik. Ihr Kollege Heinz Kaiser hat damals an diesem Redepult in hoher Missachtung die Idee des ausgeglichenen Haushalts negativ beurteilt.