Zwei Punkte noch. Für Sie war auch wichtig, Bayern als Gesamtraum zu entwickeln. Schauen Sie sich bitte einmal die Zahlen von Invest in Bavaria an. Invest in Bavaria ist natürlich wichtig. Die Kollegin Ackermann hat dazu auch eine Anfrage gestellt und wollte wissen, wo in Bayern die Bemühungen von Invest in Bavaria letztlich ankommen, wo sich die Unternehmen, die sich für eine Investition in Bayern entscheiden, ansiedeln. Das, was der Zukunftsrat konzipiert hatte, ist insoweit reale Politik, jedenfalls was das Ergebnis dieser Bemühungen anbelangt. Über 80 % der internationalen Firmen, die sich nach den Bemühungen von Invest in Bavaria in Bayern angesiedelt haben, haben dies in München oder im Speckgürtel Münchens getan. Wir wissen auch, dass sich das nicht sozusagen arithmetisch auf ganz Bayern verteilen lässt; aber das muss doch Thema sein, wenn es um gleichwertige Lebensbedingungen in Bayern geht, und dann kann man nicht einfach die Zahlen verlautbaren und sie unkommentiert stehen lassen. Auch hierzu möchten wir gerne hören: Tun Sie etwas? Was tun Sie, um die Ergebnisse von Invest in Bavaria anders und besser werden zu lassen? Die Bedeutung gleichwertiger Lebensverhältnisse wird nach wie vor unterschätzt. Bisher hat es immer noch nicht geklappt, dem Gebot gleichwertiger Lebensverhältnisse Rechnung zu tragen. Obwohl wir immer wieder auf dieses Problem hingewiesen haben, ist bislang noch zu wenig geschehen. Deswegen haben wir jetzt den Versuch unternommen - das haben wir am Anfang dieser Woche schon angekündigt -, das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in die Bayerische Verfassung zu implementieren. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, wir stehen ganz an Ihrer Seite oder Sie an unserer Seite, wenn das in der Verfassung deutlich gemacht werden soll, was bisher ohnehin schon Rechtspflicht ist. Es wird Ihnen nichts bringen, wenn Sie das Gebot gleichwertiger Lebensverhältnisse nur als Ziel verstehen. Wir brauchen Taten statt Worte, wir brauchen mehr Engagement als das, was Sie bisher gezeigt haben. Gleichwertigkeit ist nicht nur ein hübsches Gebot, sie muss auch gelebt werden. Gleichwertigkeit ist essenziell für das Gemeinwohl. Sie sichert den Zusammenhang der Gesellschaft, und gerade deshalb gehört die Gleichwertigkeit in die Verfassung.
Ich bedanke mich an dieser Stelle für die Aufmerksamkeit. Wir haben Ihnen genügend Hinweise für Weichenstellungen gegeben, um im nächsten Jahr eine kraftvolle Wirtschaftspolitik für ganz Bayern zu machen.
Der nächste Redner steht schon bereit. Es ist Herr Kollege Dr. Runge. Ihm folgt dann Herr Kollege Klein.
- Ich versuche nicht, den Minister Zeil in seinem Sprachstil nachzuahmen. Er war jetzt durch den ehemaligen Mitarbeiter vom "Focus" verhindert. In Erwiderung auf die Regierungserklärung werde ich vier Felder beleuchten. Ich werde versuchen, vier Botschaften unterzubringen.
Ich versuche, Ihnen die Botschaften zuerst mit Überschriften und anschließend im Detail darzustellen.
Erstens war die Regierungserklärung entbehrlich, sie war aber auch deplatziert. Entbehrlich war sie aus zwei Gründen. Erstens wissen wir, dass der Ministerpräsident in gerade einmal fünf Wochen eine Regierungserklärung zum Thema "Aufbruch Bayern" geben wird. Dann werden wir zum großen Teil noch einmal das Gleiche zu hören bekommen.
Zweitens diente diese Regierungserklärung nur dem Pampern der FDP. Das macht in der derzeitigen Situation aber auch keinen Sinn mehr.
Warum halten wir die Regierungserklärung für deplatziert? Kolleginnen und Kollegen, wir haben es aktuell mit ganz anderen Problemen zu tun. Uns droht alles oder zumindest sehr vieles um die Ohren zu fliegen. Die Themen sind zum Teil angesprochen worden. Eine Regierungserklärung zum Thema Eurokrise oder Krise im Euroraum - eigentlich ist es eine ganz andere Krise, nämlich eine Verschuldungs- und Finanzmarktkrise - wurde immer wieder angekündigt, dann aber bedauerlicherweise nicht gegeben. Mit diesen Punkten sollten wir uns auseinandersetzen, darüber diskutieren und um Lösungen ringen.
Das zweite Thema, das ich beleuchten möchte, ist die Kausalität. Herr Minister, Sie loben sich für etwas, was Sie nicht im geringsten Ansatz zu verantworten hatten. Zum einen geht es um die Zeitschiene. Wirtschaftspolitische Weichenstellungen wirken sich nicht sofort aus, sondern es dauert, bis sie sich auswirken. Wenn Sie jemanden loben, loben Sie allenfalls Ihren Koalitionspartner, nicht mehr und nicht weniger.
Das Zweite. Wer sind denn die Spieler in der Wirtschaftspolitik? Es gibt kaum ein Feld, auf dem die Länder so wenig zu sagen haben, wie in der Wirtschaftspolitik. Deshalb bitte ich Sie, mit Ihren Aussagen etwas vorsichtiger zu sein. Bei dem Wenigen, was hier passiert, ist auch noch sehr viel schiefgegangen, wie wir nachher hören werden.
Der dritte Punkt. Für die Frage, wie zukunftsfähig der Wirtschaftsstandort Bayern ist, ist es ganz entscheidend, wie es sich mit der Bildungspolitik verhält und wie es um die technische Infrastruktur bestellt ist. Es geht um die Verkehrsinfrastruktur, um Breitband, um Energie und die Energiewende. Auch nach dem, wie die Weichenstellungen auf diesen Gebieten verlaufen, ist der Wirtschaftsstandort Bayern mitnichten zukunftsfähig.
Mit dem vierten Punkt möchte ich an das anknüpfen, was ich schon beim ersten Punkt gesagt habe. Kolleginnen und Kollegen, wir können doch nicht weitermachen wie bisher - business as usual ist nicht möglich. Wir haben es jetzt nicht nur mit der Schuldenkrise und der Finanzmarktkrise zu tun. Wir haben den Klimawandel mit seinen drohenden katastrophalen Auswirkungen. Wir haben eine Welternährungskrise. Wir haben eine ungerechte Verteilung. Wir hatten ein Finanzmarktdebakel. Das heißt, hier muss wirklich um
gesteuert werden. Es reicht nicht, nur Kosmetik zu betreiben. Das sind die Punkte, denen wir uns stellen müssen, wenn wir zukunftsfähig sein wollen.
Jetzt fange ich an, Herr Miller, damit Sie genau verstehen und nicht so viele fragende Blicke auf mich werfen müssen. Zur Entbehrlichkeit. In fünf oder sechs Wochen dürfen wir Sie, Herr Ministerpräsident, mit einer Regierungserklärung zum Thema "Aufbruch Bayern" erleben. Mit Sicherheit werden wir ganz Vieles von dem hören, was wir heute gehört haben.
Einen Kommentar kann ich mir an dieser Stelle nicht ersparen. Bedauerlicherweise ist jetzt der Fraktionssprecher der CSU nicht in meinem Blickfeld. Die Budgethoheit liegt beim Bayerischen Landtag.
Es ist eine Zumutung, Ende Januar eine Regierungserklärung hören zu müssen, in der alles das verbraten wird, was im Nachtragshaushalt beschlossen werden wird. Ich verstehe nicht, dass sich die CSU-Fraktion und auch die FDP-Fraktion das gefallen lassen.
- Jawohl, das Initiativrecht schon! Schauen Sie sich dann aber einmal die Aussage an, die letzte Woche in den Zeitungen stand. Da hieß es nicht, wir empfehlen oder streben an, sondern da wurden schon Fakten dargestellt. Das ist eine ganz klare Missachtung des Bayerischen Landtags. Wenn Sie sich das gefallen lassen, kann ich es verstehen, denn Sie sind ohnehin eine Aktionseinheit.
Zum Pampern von der FDP: Herr Minister, in der letzten Zeit gab es aufschlussreiche Interviews, die in den Medien nachzulesen sind. Ich zitiere einmal das "Main Echo" aus der letzten Woche. Dort heißt es:
Unermüdlich wollen Sie sagen, wo Ihr Mehrwert liegt, wo Ihr Mehrwert für Bayern liegt. Weiter heißt es:
Dazu sage ich nur: Seien Sie vorsichtig, denn wir wissen alle noch nicht, wo Bayern 2013 stehen wird. Der Kollege der SPD ist schon auf den heutigen Abgang in Ihrer Partei eingegangen, auf den Kollegen Lindner. In der Agenturmeldung heißt es so schön:
So wird der ehemalige Generalsekretär der FDP zitiert. Das Thema Dynamik hören wir hier immer wieder. Wir haben heute einen Zeitungsartikel, in dem einige jüngere Kollegen aus der CSU nach Dynamik in der Wirtschaftspolitik rufen. Der originäre und direkte Adressat dieser Rufe ist der Wirtschaftsminister. Dabei müssen wir allerdings sagen: Die Backen aufzublasen und sehr laut im Ton zu sein, ersetzt nicht die fehlende Dynamik. Herr Blume, so haben Sie es mit Sicherheit in Ihrem Hinweis an den Wirtschaftsminister Zeil nicht gemeint.
Jetzt zur Frage, warum die Regierungserklärung deplatziert ist. Jetzt gehe ich tatsächlich auf die Krise und darauf ein, wie Sie sich mit Ihrer schönen roten Linie verhalten haben, die Sie spielerisch immer wieder übertänzeln. Dann wird die nächste rote Linie eingezogen. Erstens müssen wir feststellen: Die Einführung des Euro, wie sie von Kohl und Waigel betrieben wurde, nämlich ohne fiskal- und haushaltspolitische Konvergenz und ohne zielführende Abstimmung über wesentliche Weichenstellungen in der Wirtschaftsund der Sozialpolitik, war ein ganz schwerer Fehler. Vor dem Hintergrund der massiven Diskrepanz wesentlicher Strukturdaten in der Wirtschaft und vor dem Hintergrund des Auseinanderdriftens der wirtschaftlichen Entwicklung wie des Agierens in den Ländern musste sich diese Währungsunion als SchönwetterVeranstaltung entpuppen. Im Übrigen geht es mitnichten um eine Eurokrise, sondern um eine Verschuldungs- und Bankenkrise. Mit diesen zwei Punkten müssen wir zurzeit umgehen. Es gibt hohe Staatsschulden und Zweifel an der Solvenz der Schuldnerländer. Das heißt, die Frage ist, wie sicher die jeweiligen Anleihen sind und ob sie zurückbezahlt werden oder nicht. Das sorgt für Zinssteigerungen, und diese sorgen wiederum dafür, dass die betreffenden Länder von den Finanzmärkten abgehängt werden könnten.
Im Zusammenhang damit erleben wir das Spiel bei den Banken, das wir schon einmal hatten. Es gibt Misstrauen, die Banken geben sich untereinander keine Kredite mehr. Der ganze Kreditfluss stockt. Da muss angesetzt werden.
Herr Ministerpräsident, Sie sind manchmal ganz vif und auch lernfähig. Die Wurzel der Misere liegt erstens darin, dass wir viel zu viel Geld und Kapitalvermögen in Bezug auf die Wirtschaftsleistung haben. Zweitens sind Geld und Kapitalvermögen sehr ungerecht verteilt. Auf der anderen Seite haben wir im privaten wie im öffentlichen Bereich viel zu viel Verschuldung. Wir haben Wachstumsraten,
Wachstumszwänge, die Blasenökonomie und schließlich Finanzmärkte, die, durch die Verschuldung der Länder und durch die Liberalisierung in den letzten 15 Jahren befeuert, für die Gesellschaft und die Staaten alles andere als segensreich waren.
Man muss klar sagen: Die dramatische Schieflage bei den Banken belegt, dass in den Jahren 2007, 2008 und 2009 versäumt worden ist, das zu tun, was groß angekündigt wurde, nämlich erstens für eine Rekapitalisierung bzw. eine hinreichende Kapitalisierung der Banken zu sorgen und zweitens den Finanzmarkt zu regulieren. Das ist ein sehr schweres Versäumnis auch der aktuellen Bundesregierung.
Herr Ministerpräsident, grundsätzlich ist es ein gewagtes Unterfangen, eine Schuldenkrise mit weiteren Schulden in den Griff zu bekommen. Das, was wir an Empfehlungen vom IWF bzw. dem G-20-Gipfel hören durften - zum einen muss die Staatsverschuldung abgebaut werden, gleichzeitig brauchen wir zum anderen eine die Konjunktur belebende Geldpolitik -, geht nur zusammen, wenn man eine krachende Inflation nicht nur in Kauf nimmt, sondern bewusst ansteuert. Da sollten wir alle dagegenhalten.
Wir sollten uns mit Vernunft und Augenmaß für Solidarität einsetzen. Die EU war schon immer eine Transferunion, auch wenn Sie das immer wieder gerne bestreiten. Wir haben die gemeinsame Agrarpolitik und Strukturfonds. Wir wollen aber nicht, dass die Europäische Union zu einer Haftungsunion wird.
Insgesamt gilt es, in fast allen Ländern die Staatsverschuldung zurückzuführen und die Haushalte zu konsolidieren. Das betrifft sowohl die Einnahmen- als auch die Ausgabenseite. Da ist Bayern mitnichten so weit, wie es sein könnte. Diese 250 Millionen Euro, die hier groß angekündigt worden sind, sind vor allem angesichts der Steuermehreinnahmen nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Berücksichtigt man gleichzeitig, dass die Zahlungen an den Pensionsfonds ausgesetzt werden, ist das viel zu wenig.
Selbstverständlich brauchen wir in einem Raum mit einheitlicher Währung eine fiskal- und haushaltspolitische Konvergenz und eine Abstimmung wesentlicher wirtschaftspolitischer Entscheidungen. Was hier zuletzt besprochen und angekündigt worden ist, zeigt den richtigen Weg. Aber man muss sehen, ob diese Maßnahmen umgesetzt werden. Bisher haben auf diesem Gebiet die Vereinbarungen nicht immer gegriffen.