Protocol of the Session on December 14, 2011

(Beifall bei der SPD - Thomas Hacker (FDP): Jetzt kommt das weihnachtliche Märchen!)

Das wäre zwar gut zu begründen, meine Damen und Herren, es wäre auch inhaltlich richtig, aber ich möchte es mir nicht so leicht machen, wie es der Staatsminister heute getan hat, der alles, was gut läuft, auf CSU und FDP zurückführt und alles, was weniger gut läuft, systematisch ausklammert oder es sogar bei der politischen Konkurrenz ansiedelt.

(Tobias Thalhammer (FDP): Da scheint was dran zu sein!)

Meine Damen und Herren, das sind Schablonen, die die Menschen draußen im Land langweilen und die der komplexen Welt nicht mehr gerecht werden.

(Beifall bei der SPD - Thomas Hacker (FDP): Ihre Schablonen haben wir in den ersten fünf Minuten bekommen!)

Der Freistaat Bayern hat in den letzten Jahrzehnten systematisch auf Privatisierung gesetzt. Seit 1992 wurden 49 staatseigene Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen privatisiert. Diese Verkäufe von 49 Unternehmen haben dem Freistaat insgesamt 7,3 Milliarden Euro eingebracht.

Das ist unterm Strich noch nicht einmal ein Bruchteil dessen, was Sie beim Landesbankdesaster an bayerischem Volksvermögen vernichtet haben. 7,3 Milliarden Euro, darunter waren so stolze Unternehmen wie die Bayernwerke, Bayerngas, die Bayerische Versicherungskammer, die Beteiligung an der DASA, die Deutsche Aerospace, die Staatliche Molkerei Weihenstephan. Das Ergebnis von zwei Jahrzehnten Privatisierungspolitik gegengerechnet mit dem Landesbankdesaster: ein fatales Minusgeschäft!

(Beifall bei der SPD - Georg Schmid (CSU): Am meisten Geld hat München bekommen!)

Die Folgen des Privatisierungswahns, vor dem wir, die SPD, immer gewarnt haben, wird uns in diesen Tagen besonders deutlich bei Eon vor Augen geführt. Eon kehrt dem Freistaat den Rücken und baut Tausende Arbeitsplätze ab.

(Zuruf des Abgeordneten Eberhard Sinner (CSU))

Damit geht Bayern Wertschöpfung ebenso verloren wie Steuereinnahmen. Eine durch die CSU im Zuge der Privatisierung angeblich ausgehandelte Standortund Beschäftigungsgarantie für Bayern ist nicht das Papier wert, auf dem sie steht.

(Tobias Thalhammer (FDP): Das sind Krokodilstränen!)

Herr Stoiber und Herr Huber, Ihr damaliger mangelnder Weitblick und die damalige Gier kommen heute als Bumerang zurück. Das ist im Übrigen das gleiche Prinzip wie bei der Landesbank. Heute müssen wir in Bayern mit Mühe und Not notwendige Strukturen für die Energiewende aufbauen. Der Staatsminister hat in diesem Zusammenhang seine Hilflosigkeit zum Ausdruck gebracht. Wie viel weiter wären wir, wenn wir die Bayernwerke noch hätten? Wie weit wäre die Energiewende heute, wenn wir Milliarden hätten investieren können? Das größte kommunale Unternehmen in Deutschland macht es vor, meine Damen und Herren, die Stadtwerke München.

(Tobias Thalhammer (FDP): Der Staat baut weder Kraftwerke noch Leitungen!)

Dort gibt es Milliarden-Investitionen in die Energiewende, und zwar seit vielen Jahren,

(Beifall bei der SPD - Georg Schmid (CSU): Wir haben das Geld gut angelegt!)

sodass bereits ab 2015 in München, in einer Metropole mit 1,4 Millionen Einwohnern, alle privaten Haushalte mit regenerativen Energien versorgt werden können.

(Zurufe von der CSU)

Herr Staatsminister, wenn Sie die Investitionssummen der Stadtwerke München für die Energiewende mit den Kleckerlesbeträgen vergleichen, die Sie als Bayerische Staatsregierung für die Energiewende bereitstellen, dann muss bei Ihnen das Gefühl des Neids eines Besitzlosen aufkommen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP) - Georg Schmid (CSU): Das halbe Geld aus den Atomkraftwerken!)

Eines ist sicher: Der Privatisierungswahn hat ein Ende, denn Sie haben das ganze Tafelsilber verscherbelt, das zu verkaufen war.

(Zuruf des Abgeordneten Eberhard Sinner (CSU))

Sie haben das Erbe von Oma und Opa durchgebracht und mit der Zockerei im Landesbankcasino einen zusätzlichen Schuldenturm aufgebaut.

(Georg Schmid (CSU): Wir haben das Geld gut investiert!)

Bislang mussten die Steuerzahler in Bayern satte 700 Millionen Euro nur an Schuldzinsen für das von der CSU zu verantwortende Landesbankdesaster aufbringen. Das Ende der Fahnenstange bei der Landesbank ist noch immer nicht erreicht. 2014 wird der bayerische Steuerzahler über Bürgschaften und Garantien für die Landesbank mit mindestens 1,6 Milliarden Euro noch einmal in Anspruch genommen. Das ist eine schwere Erblast und Hypothek für Ihre Nachfolgeregierung.

Meine Damen und Herren, die Handlungsspielräume werden kleiner; auch das hätten Sie heute der Ehrlichkeit halber formulieren können, Herr Staatsminister. Man wird sich darauf einzustellen haben.

Sie wollten wissen, was die SPD in einigen Punkten anders machen würde, um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Freistaat zu verbessern. Gestatten Sie mir, in aller Kürze zehn Eckpunkte zu formulieren.

Punkt 1: Statt Privatisierungspolitik setzen wir konsequent auf Daseinsvorsorge. Das Beispiel Energiewende zeigt, dass der demokratische Einfluss der Bürgerschaft, zum Beispiel auch kommunaler Unternehmen, segensreich ist. Das Beispiel Eon zeigt auf, wie sich die Staatsregierung zum hilflosen Zuschauer des Geschehens gemacht hat - ohne Einfluss und ohne Gestaltungsmacht.

(Zuruf des Abgeordneten Eberhard Sinner (CSU))

Punkt 2: Die SPD wird in Regierungsverantwortung eine aktive und vorausschauende Industriepolitik zur Förderung eines qualitativen und beschäftigungsfördernden Wachstums betreiben. Den Strukturwandel aktiv zu begleiten, ist besser, als sich auf das liberale Zuschauen zurückzuziehen.

(Oliver Jörg (CSU): Konkret! - Tobias Thalhammer (FDP): Sehr konkret!)

Es gilt, die immer noch starke industrielle Basis in Bayern zu sichern. Nicht zuletzt die jüngste Wirtschaftskrise hat uns vor Augen geführt, dass nicht der Finanzmarkt und Dienstleistungen die Wirtschaft stabilisieren, sondern die herstellende Industrie.

(Beifall bei der SPD)

Das verarbeitende Gewerbe stellt in Bayern mit 1,14 Millionen Menschen ein knappes Fünftel der Erwerbstätigen in Bayern. Ökonomische Effizienz, soziale Balance, effiziente Nutzung und Schonung der natürlichen Ressourcen sind Eckpunkte einer solchen Strategie. Mit einer Modernisierung der Industrie gestalten wir heute die Arbeits- und Lebensbedingungen künftiger Generationen. Wenn Sie mich fragen, woran wir uns hier in Bayern gegebenenfalls orientieren könnten, werden Sie überrascht von der Antwort sein: vielleicht am ehesten an Otto Wiesheu, der allerdings seit 2005 nicht mehr im Amt ist. Seine Nachfolger Frau Müller, Herr Huber und Herr Zeil können ganz gewiss keine Vorbilder für eine aktive Industriepolitik sein.

(Beifall bei der SPD)

Punkt 3: Die SPD wird in Regierungsverantwortung ein Tariftreue- und Vergabegesetz auf den Weg bringen, wie es in den allermeisten Bundesländern bereits existiert.

(Beifall bei der SPD)

Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge dürfen nicht Dumpinglöhne gefordert werden, die durch Sozialleistungen aufgestockt werden müssen, wodurch die öf

fentliche Hand neben dem eigentlichen Vergabeauftrag noch eine zusätzliche Lohnsubvention hinterherschiebt. Wir machen Schluss damit, dass Firmen ihren Beschäftigten Hungerlöhne zahlen, um so einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Wir schützen damit die heimische Wirtschaft vor Billigkonkurrenz und gewährleisten den Beschäftigten existenzsichernde Löhne. Wir wollen einen fairen Wettbewerb, in dem Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit, Fachkunde und faire Preise entscheidend sind. Im Bund wird sich die SPD für das Prinzip Equal Pay - gleicher Lohn bei gleicher Arbeit - einsetzen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Punkt 4: Die SPD wird gemäß der von meiner Kollegin Annette Karl bereits mehrfach vorgestellten Eckpunkte die Strukturpolitik in Bayern neu definieren. Nicht mehr die Staatsregierung in München soll ausschließlich darüber entscheiden, was wo wie und in welcher Höhe gefördert wird,

(Thomas Hacker (FDP): Sondern der Oberbürgermeister von München!)

sondern den Regionen soll mehr Verantwortung übertragen werden.

(Zuruf des Abgeordneten Eberhard Sinner (CSU))

Jede Region hat ihre eigenen Herausforderungen und benötigt deshalb ihre eigenen Lösungsansätze. Die ländlichen Regionen dürfen nicht von den Zentren und Metropolen aus definiert werden; sie sind keine Resträume. Die SPD distanziert sich von den Vorschlägen von Horst Seehofers 22-köpfigem Zukunftsrat.

(Beifall bei der SPD)

Punkt 5: Die SPD wird einer immer wiederkehrenden Forderung der bayerischen Wirtschaft kraftvoll und sehr gerne Rechnung tragen: Zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie werden wir die Kinderbetreuungsmöglichkeiten in Bayern massiv ausbauen. Kinderkrippen und Kindergärten hat die CSU lange Jahre als sozialistisches Teufelszeug abgetan mit der Folge, dass der Freistaat hier heute massiv anderen Bundesländern hinterherhinkt. Statt einer Fernhalteprämie von Bildungschancen gibt es mit der SPD den Ausbau der Infrastruktur.

(Beifall bei der SPD)

Punkt 6: Die SPD wird das Ganztagsschulangebot in Bayern massiv ausbauen. Wir teilen die Kritik der bay

erischen Wirtschaft an der Staatsregierung in diesem Punkt, und wir werden in Regierungsverantwortung nach Kräften Abhilfe schaffen. Heute kommen nur knapp 5 % der Schülerinnen und Schüler in Bayern in den Genuss von Ganztagsunterricht. Damit ist der Freistaat Schlusslicht im Vergleich der Bundesländer.

Punkt 7: Eine starke Wirtschaft braucht starke Frauen. Die Deutsche Telekom macht es vor. Mittels betriebsinterner Frauenquoten sollen bis Ende 2015 bereits 30 % der mittleren und oberen Führungspositionen mit Frauen besetzt sein. Die Wirtschaft kann auf das Know-how weiblicher Fachkräfte auch in Führungsverantwortung nicht verzichten. Deshalb wird sich die SPD auf Bundesebene für eine verpflichtende Frauenquote auch im Bereich der Wirtschaft einsetzen.