Die Staatsregierung meint allerdings, sie kann kulturpolitisch einfach so weiterwurschteln. Auch deswegen haben wir im Kulturausschuss erfolgreich kulturpolitische Leitlinien eingefordert. Letzte Woche fand dazu eine Anhörung statt. Diese Anhörung - das muss ich deutlich sagen - war ein Debakel für die Kulturpolitik der Staatsregierung, und sie war eine saubere "Brätschn" für Sie, Herr Minister Heubisch.
- Eine "Brätschn" ist so etwas wie eine Ohrfeige. Herr Heubisch weiß es, da er sie gespürt hat. Sie haben es momentan ja nicht gerade leicht. Kein Wunder, dass Sie empfindlich reagieren. Ich muss aber ehrlich sagen: Sie haben diese Kritik auch verdient.
Auch auf unserer Anhörung hat es Kritik nur so gehagelt an Ihrem rückwärts gewandten, konservativen Kulturverständnis und daran, dass Sie überhaupt keinen Gestaltungswillen zeigen. Die Museumspolitik ist dafür leider nur ein Beispiel.
Die drei drängendsten Hauptaufgaben sind hier wie in der gesamten Kulturpolitik Regionalisierung, Demokratisierung und Finanzierung. Beginnen wir mit der Regionalisierung.
Ein großes Ärgernis der bayerischen Kultur- und Museumspolitik ist die München-Zentriertheit. Diese stört mittlerweile ja auch einige in der CSU. Aber Staatsregierung und Regierungsfraktionen in ihrer Mehrheit sehen immer noch nicht, dass die vor 200 Jahren noch moderne Zentralverwaltung mittlerweile die Entwicklung in Bayern hemmt. Sie leugnen das Problem.
Ein Punkt in meinem Fragenkatalog der Anhörung lautete: Zentralstaat, Regionalisierung und Bedeutung der Hauptstadtfunktion. Prompt forderte daraufhin die FDP-Fraktion, Frau Kollegin, das Wort "Zentralstaat" zu streichen. Das wäre lächerlich, wenn es nicht beispielhaft für die vorherrschende Realitätsverweigerung in Ihrer Regierung wäre.
Die Staatsregierung hat zwar recht, wenn sie sagt, dass wir beides brauchen, nämlich kulturelle Vielfalt und europäische Spitzenangebote; das ist heute aber kein Gegensatz mehr, Herr Minister. Anders als im
19. Jahrhundert muss man eben nicht mehr alle Reichtümer des Landes in der Hauptstadt zusammenraffen, damit man überhaupt ein wenig herzeigen kann. Diese Zeiten sind vorbei. Besonders ärgerlich ist, dass diese vordemokratische Politik dazu führt, dass kulturpolitische Diskussionen zum Beispiel über den neuen Konzertsaal in München nicht mehr fachpolitisch, sondern nur noch verteilungspolitisch geführt werden.
Das ist für Bayern beschämend. Das haben allein Ministerpräsident Seehofer und Sie, Herr Minister Heubisch, zu verantworten.
Jetzt hat auch der Bayerische Oberste Rechnungshof die Museumspolitik der Staatsregierung mit Recht massiv kritisiert. Er wirft dem Ministerium vor, dass es dem Landtag gegenüber zugesagte Maßnahmen nicht umgesetzt hat. Herr Kollege Kupka hat im Jahre 2004 im Haushaltsausschuss ausgeführt, der ORH schlage vor, die Zweigmuseen von der staatlichen Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen betreuen zu lassen, die museumspädagogische Betreuung unter anderem mit Hilfe des Museumspädagogischen Zentrums zu verbessern, mehr Wechsel- und Sonderausstellungen mit Unterstützung der Stammhäuser durchzuführen und regionale Künstler sowie Ehrenamtliche zu gewinnen und einzubeziehen. All diese Forderungen finden Sie auch in unseren Anträgen. Herr Kollege Kupka hat damals noch erklärt, dem Beschlussvorschlag des ORH sei zu folgen. Aber nach diesem Landtagsbeschluss hat die Staatsregierung nichts, aber auch gar nichts getan. Schon aus Gründen der parlamentarischen Selbstachtung muss deshalb das Hohe Haus unseren Anträgen zustimmen.
Nun zur zweiten Hauptaufgabe, der Demokratisierung. Die CSU weiß scheinbar noch nicht einmal, was das ist. Sie haben mir ein fragliches Mail geschickt, darauf will ich aber jetzt nicht eingehen. Der staatlichen Kulturpolitik und unseren Kulturinstitutionen merkt man ihre Herkunft aus der höfischen Tradition noch allzu deutlich an. Genauso merkt man, dass sie heute noch vor allem der Repräsentation und der Legitimation der Macht dienen sollen. Nur ein Beispiel: Heute fühlen sich nur der Bildungsbürger und seine Frau im Museum oder in der Oper wohl, oft sogar nur die Frau.
Alle anderen fühlen sich dort nicht zuhause. Keiner geht dort freiwillig rein. Nun ist es durchaus verdienst
voll, dass beispielsweise die Staatsoper oder die Staatsgemäldesammlungen neues und vor allem junges Publikum gewinnen wollen. Bei all dem bleibt aber der Eindruck, dass sie so bleiben wollen, wie sie sind. Das Publikum soll sich anpassen. Das ist die Vorstellung. Der Journalist und Migrationsforscher Mark Terkessidis hat kürzlich kritisiert, dass die Fördertöpfe für Kultur gewöhnlich einen Sondertopf für interkulturelle Projekte vorsähen, als seien alle anderen Projekte - in Anführungszeichen - rein deutsch. Er fordert stattdessen Institutionen, die der Vielfalt in der Gesellschaft gerecht werden. Dabei geht es nicht nur um die Vielfalt im Hinblick auf den Migrationshintergrund. Wir alle sind vielfältig. Davon merkt man aber in diesen Kulturinstitutionen nichts. Wir müssen diese Kulturinstitutionen endlich demokratisieren und auf das ganze bayerische Volk ausrichten.
Mehr Demokratie brauchen wir auch in der Kulturpolitik selbst. Forderungen nach mehr Mitsprache kommen jetzt sogar aus der CSU-Fraktion. Ich habe das bereits angesprochen. Wie schlecht es darum bestellt ist, sieht man an den einsamen Beschlüssen des Ministerpräsidenten Seehofer zum Konzertsaal in München und zum Museum der Bayerischen Geschichte. Selbst Herr Staatsminister Dr. Heubisch darf hier nicht mitreden. Das stört ihn aber nicht, er findet trotzdem noch alles schön.
Nun zur dritten Hauptaufgabe, der verlässlichen Finanzierung. Ich muss jetzt ein bisschen schneller sprechen; denn ich habe nur 40 Sekunden pro Antrag. Diese Finanzierung fehlt zwar in allen Bereichen der Museen, aus Zeitgründen kann ich aber nur ein Beispiel nennen. Ich habe eine Anfrage zu künftigen Investitionen im Kulturbereich gestellt. Herr Minister, Sie wissen das. Aus der Antwort wird deutlich, wie enorm der Bedarf in den nächsten Jahren sein wird. Allein der Restfinanzierungsbedarf - also was bereits im Haushalt für die nächsten Jahre ausgewiesen ist macht beim Kulturminister 466 Millionen Euro aus. Hinzu kommt die Schlösserverwaltung mit knapp 100 Millionen Euro.
Für die geplante Erweiterung des Museums "Mensch und Natur" sind laut Staatsregierung 65 Millionen Euro vorgesehen. Der Anteil Bayerns am Deutschen Museum beläuft sich auf 180 Millionen Euro. Für den Neubau eines Dokumentationszentrums in München
liegt der Anteil bei 28 Millionen Euro. Für das Depot der Staatlichen Museen und Sammlungen sind 135 Millionen Euro vorgesehen. Für das Depot der Staatlichen naturwissenschaftlichen Sammlungen wurden 14 Millionen Euro veranschlagt. Die Kosten für die Sanierung des Hauses der Bayerischen Kunst sind nicht bekannt. Das gilt auch für die Kosten für die Archäologische Staatssammlung und die Neue Pinakothek. Die Kosten hierfür sind nicht bekannt.
Die Kosten für diese drei Baumaßnahmen wurden von der "Süddeutschen Zeitung" am Wochenende auf 130 Millionen Euro geschätzt. Die Kosten für die Sanierung des Landestheaters Coburg sind nicht bekannt. Die Kosten für die Sanierung der Glyptothek sind nicht bekannt. Dies gilt auch für die Kosten für das Bayerische Nationalmuseum, die staatliche Bibliothek Passau, das Bayerische Hauptstaatsarchiv oder für die Magazinbauten für die Bayerische Staatsbibliothek und für das Staatsarchiv München. Von diesen Maßnahmen wissen wir, dass wir sie irgendwann durchführen müssen. Die Kosten dafür sind nicht bekannt.
Für die Bestandssicherungsmaßnahmen in bayerischen Museen, Bibliotheken und Archiven gibt es keine Angaben. Ein Bedarf von mehr als 100 Millionen Euro für diese Maßnahmen ist heute schon abzusehen. Für die Digitalisierung der Bestände wird ein "erheblicher Bedarf" genannt. Diese dürfte noch einmal mehr als 100 Millionen Euro kosten. Hinzu kommen die Kosten für eine energetische Sanierung. Hierzu macht die Staatsregierung keine Angaben. Hierfür wird aber ein dreistelliger Millionenbetrag anfallen. Grob überschlagen - etwas anderes lassen die dürftigen Angaben der Staatsregierung nicht zu - wird allein bei den Museen, Sammlungen, Archiven und Bibliotheken in den nächsten fünf bis zehn Jahren ein Finanzbedarf von 1,5 bis 2 Milliarden Euro entstehen. Das ist doch ein Wahnsinn. Das ist dramatisch.
Was tun Herr Minister Dr. Heubisch und Herr Ministerpräsident Seehofer in einer solchen Lage? Sie sagen "Augen zu und durch". Sie wollen lieber ein neues Museum bauen, statt etwas für die alten zu tun.
Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie es nicht einfach zu, dass die beiden so weiterwursteln. Stimmen Sie unseren Anträgen zu.
Lieber Herr Kollege Jörg, ich bitte Sie noch um ein bisschen Geduld. Nach meinen Ankündigungen werde ich Ihnen gern das Wort erteilen.
Zunächst darf ich darauf hinweisen, dass wir uns freundlicherweise außerhalb des Saals unterhalten sollten. Dies gilt insbesondere für Handy-Gespräche. Aktuell sehe ich niemanden, aber mindestens ein Abgeordneter in diesem Saal sollte jetzt ein schlechtes Gewissen haben und alle, die ich nicht erwischt habe, auch.
Des Weiteren gebe ich Ihnen jetzt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Antrag der Abgeordneten Aiwanger, Streibl, Professor Dr. Piazolo und Fraktion der FREIEN WÄHLER, "Amerika Haus in München - Schließung verhindern, Zukunft garantieren", Drucksache 16/8261, bekannt. Mit Ja haben 62 und mit Nein 81 Abgeordnete gestimmt. Es gab fünf Stimmenthaltungen. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Wir fahren jetzt in der Debatte fort. Herr Kollege Oliver Jörg hat sich schon am Pult eingefunden. Sie haben das Wort.
Verehrtes Präsidium, Kolleginnen und Kollegen! Ich bin höchst dankbar, dass diese 15 Anträge hochgezogen wurden. Mit diesen Anträgen können Sie genau sehen, wie sich Herr Dr. Dürr bei uns im Hochschulausschuss die Kulturpolitik im Bayerischen Landtag vorstellt.
(Volkmar Halbleib (SPD): Das war eine ganz konkrete Auflistung von Maßnahmen, die erforderlich sind!)
Ihre Anträge sind geprägt von staatlicher Direktive. Sie fordern ein Staatskonzept für das Bamberger Museumsquartier. Mit einer schönen Rede überdecken Sie all das, worüber Sie im Hochschulausschuss diskutieren. Sie wollen eine staatliche Verpflichtung zur Schaffung von Regionalmuseen. Diese Verpflichtung soll nicht nur für staatliche Museen gelten, sondern auch für private. Für die kommunalen kulturellen Mu