Protocol of the Session on November 29, 2011

Worum geht es denn eigentlich? - Es geht keineswegs um das, was man als Gigaliner bezeichnet hat. Das waren Lkws, die mit 60 Tonnen fahren sollten. Auch ich hätte Bedenken gehabt, ob das beispielsweise unsere Brücken aushalten können und ob unsere Infrastruktur dadurch zu stark in Mitleidenschaft gezogen wird. Nunmehr geht es um Lang-Lkws. Sie tragen wiederum diese Fehlinformation vor, und das kann ich nicht ernst nehmen.

(Zuruf des Abgeordneten Hans Joachim Werner (SPD))

Diese Fahrzeuge sind mit maximal 40 Tonnen, allenfalls mit 44 Tonnen im kombinierten Verkehr, ansonsten also mit maximal 40 Tonnen nicht schwerer als herkömmliche Lkws. Im Vor- und Nachlauf zum kombinierten Verkehr, das heißt bei Umladen von Straße auf Schiene oder von Wasserstraße auf Straße haben sie maximal 44 Tonnen, wie das, wohlgemerkt, schon jetzt zugelassen ist.

Der Lang-Lkw ist nicht nur genauso schwer wie herkömmliche Lkws, er ist auch genauso breit und genauso hoch. Lediglich die Länge beträgt mit maximal 25 m mehr als die bisher zugelassenen 18,75 m. Da sich das gleiche Gewicht jedoch auf mehr Achsen verteilt, nämlich auf sieben oder acht Achsen statt auf fünf, sind die Lang-Lkws selbst in vollbeladenem Zustand straßen- und brückenschonender als die heute üblichen 40-Tonner. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht um mehr Volumen und nicht um mehr Gewicht.

Über welche Größenordnung sprechen wir denn überhaupt? - Es geht um maximal 400 Fahrzeuge in Deutschland, die in diesem Versuch zugelassen werden sollen.

(Unruhe)

Maximal zwei Fahrzeuge pro Unternehmen werden genehmigt. Es haben überhaupt nur dreißig Unternehmen Interesse daran bekundet, auf bayerischen Straßen mit maximal zwei Lkws zu fahren. Also hier den Untergang des Abendlandes an die Wand zu malen, ist völlig unangebracht.

(Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in enger Zusammenarbeit mit den Kommunen, der Polizei und den Straßenverkehrsbehörden sind die Anträge der Spediteu

re besprochen worden, insbesondere die Frage, wie die Strecken nach Verlassen der Autobahn geführt werden können. Ursprünglich waren 200 Strecken im Gespräch, und davon sind nach der Prüfung, in welche die Kommunen einbezogen worden sind, 50 übrig geblieben. Wenn eine Kommune das nicht wollte, wird das nicht gemacht. Beispielsweise wollte die Stadt Nürnberg das nicht, deshalb kann man nicht von Nürnberg-Hafen auf einen Lang-Lkw umladen, das ist nicht machbar. Der Protest des Gemeindetages ist also völlig überflüssig, weil keine Kommune, die das nicht will, das bekommt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Versuch wird die Frage beantworten, ob es tatsächlich zu Verlagerungen des Güterverkehrs von der Schiene auf die Straße kommt. Da wäre ich auch dagegen. Wir haben aber nicht überall einen Gleisanschluss. Daher ist es sinnvoll, große Behälter, die auf der Schiene angeliefert werden, umzuladen und die letzten Kilometer auf der Straße zu transportieren. Nicht jeder Raum ist per Schiene erschlossen. Mich interessiert besonders, wie die Lang-Lkws im kombinierten Verkehr von Schiene und Straße genutzt werden.

Im Übrigen möchte ich auch auf die umweltpolitischen Gesichtspunkte hinweisen, auch wenn sie bei der geringen Anzahl von Fahrzeugen für mich nicht im Vordergrund stehen. Immerhin wären statt drei herkömmlicher Lkws nur zwei Lang-Lkws im Einsatz. Damit gäbe es ein Drittel weniger Kraftstoffverbrauch und ein Drittel weniger CO2-Ausstoß.

Wir wollen mit diesem Versuch - es geht wirklich nur um einen Versuch - die Bedenken der Bedenkenträger ausräumen. Lassen wir doch diesen ergebnisoffenen Feldversuch zu! Wir lehnen Ihren Antrag ab.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Danke schön, Herr Kollege. Als Nächster hat Kollege Alexander Muthmann das Wort, bitte schön.

Lieber Kollege Rotter, natürlich geht es nicht um die Existenz des Abendlandes,

(Zuruf des Abgeordneten Eberhard Rotter (CSU))

aber auch andere Themen sind es wert, darüber richtig, vernünftig und sachgerecht im Hinblick auf die Zukunft zu entscheiden. Es wird dem Gesamtanliegen nicht gerecht, wenn man diesen Feldversuch isoliert als geschlossenes System betrachtet; denn dieser Feldversuch soll nur ein Einstieg in den weiteren Betrieb und in die Zulassung von Gigalinern sein. Weil wir den Versuch nicht isoliert betrachten, sondern un

seren Blick darüber hinaus richten, lehnen wir diesen Feldversuch im Wesentlichen aus drei Gründen ab.

Erstens wird der Druck, solche Gigaliner auf Staatsund Kommunalstraßen künftig zuzulassen, erheblich steigen. Gerade da werden die Risiken erheblich wachsen. Diese Straßen sind dafür vielfach ungeeignet, zu eng, und an Engstellen, Kurven und Kreuzungen sind Sicherheitsprobleme zu erwarten. Das alles wurde schon vorgetragen; ich will es an dieser Stelle nur in Erinnerung rufen.

Zweitens. Wenn die Gigaliner nicht auf Staats- oder Kommunalstraßen zugelassen werden, müssten sie an den Bundesautobahnen umgerüstet werden. Wo sind die Umladestationen, wo sind die Lkw-Standplätze? - Schon jetzt gibt es viel zu wenige Lkw-Standplätze, wie wir alle wissen. Die Probleme, die aufgrund fehlender Lkw-Standplätze entstehen, sind bisher schon nicht gelöst und würden sich dann noch vergrößern. Auch diese Risiken sollten wir ernst nehmen und nicht noch durch derartige zusätzliche Belastungen weiter verschärfen.

Der dritte Aspekt, auf den ich in diesem Zusammenhang noch hinweisen will, ist das umweltpolitisch falsche Signal, das mit diesem Versuch gesetzt wird. Anstrengungen sind vonnöten, den Güterverkehr verstärkt auf die Schiene zu bringen, anstatt mit einem solchen Feldversuch die Weichen in die falsche Richtung zu stellen. Deshalb werden auch wir den Feldversuch für Gigaliner ablehnen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege Muthmann. Als Nächster hat Kollege Thomas Mütze das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann sich schon fragen, was die Regierungen in Bund und in Bayern geritten hat, dass sie diesen Feldversuch durchführen wollen; denn alle Argumente sind eigentlich auf der Seite der Gegner. Lieber Kollege Rotter, wenn ich den Begriff Lang-Lkw höre, erinnert mich das an den Neusprech im Roman "1984". Man sollte die Dinge als das bezeichnen, was sie sind. Ein Gigaliner bleibt ein Gigaliner, auch in der Forschung. Das schon angeführte Fraunhofer-Institut spricht von Gigalinern schon bei 44 Tonnen wie auch bei 60 Tonnen. Bei beiden Tonnagen wird von Gigalinern gesprochen.

Genügend Gründe dagegen sind schon genannt worden. Das Umweltbundesamt stellt fest, dass es dadurch keine nennenswerten Kraftstoffeinsparungen gibt, also nicht die Verringerung um ein Drittel, von

dem Sie gesprochen haben. Es gibt keine Verringerung der Schadstoffemissionen, und es gibt dadurch keine Reduktion des Verkehrslärms. Das FraunhoferInstitut stellt in dem vorliegenden Gutachten fest, dass es sehr wohl zu Modalverschiebungen kommt, und zwar vor allem, lieber Kollege Rotter, bei dem 44-Tonnen-Lkw, und zwar sowohl beim Kombi-Verkehr als auch bei den Einzelwagen.

Wenn also schon die rein theoretischen Ablehnungsgründe so überzeugend sind, dann frage ich mich: Warum wird dieser Versuch durchgeführt? Wir brauchen keine Lang-Lkws, wir brauchen keine Gigaliner, wir brauchen mehr Güter auf der Schiene!

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt gerade einen kleinen Boom bei Gütern auf der Schiene, nachdem wir über Jahrzehnte und über alle Grenzen hinweg den Güterverkehr auf der Schiene kaputt gemacht haben. Jetzt auf einmal entdeckt man den Schienengüterverkehr wieder. Wie ist die Reaktion der Lobby? - Die Lobby sagt natürlich, das ist Konkurrenz, dagegen müssen wir etwas tun, und sie erfindet den Gigaliner. Und was tun Sie? - Sie springen hinterher und rufen: Das ist eine tolle Idee, um den steigenden Güterverkehr in den Griff zu bekommen. Stattdessen sollten Sie sagen: Wir wollen mal schauen, ob wir nicht in die Bahn investieren können. Zu Güterverkehrsprojekten habe ich schon lange nichts mehr von Ihnen gehört. Ich bin gespannt, wie Sie entscheiden, wenn es um die Frage geht, die Strecke Hof-Regensburg zu elektrifizieren, um dort mehr Güterverkehr als bisher fahren zu lassen.

Ich will aber vor allem auf ein Thema eingehen, und das sind die praktischen Probleme. Die sind ganz lustig, wenn ich zum Beispiel sähe, ein solcher Gigaliner käme zu uns nach Aschaffenburg. Ich nehme das Beispiel Aschaffenburg, denn da kenne ich mich aus. Wenn so ein Gigaliner also nach Aschaffenburg käme, käme er von der Bundesstraße. Er darf nicht in die Stadt fahren, sondern er muss abfahren. Er fährt also auf der letzten Abfahrt von der Bundesstraße ab, das ist Strietwald. Der Fahrer kommt dann zu einer TKreuzung; dort steht er dann. Das Innenministerium empfiehlt dem Fahrzeugführer, das Fahrzeug stehen zu lassen, also mitten auf der Kreuzung, und eine Polizeieskorte anzufordern. Das ist nämlich notwendig, denn er braucht eine Ausnahmegenehmigung, um im Stadtgebiet weiterfahren zu können.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Liebe Freundinnen und Freunde! - Entschuldigung. Liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und der SPD - Bei- fall des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

Dazu fällt mir nur ein: Die unterbeschäftigte Polizei in Unterfranken wird sich für jeden dieser Gigaliner bedanken, die sie dann irgendwohin zu einem Paketdienst chauffieren darf, denn das Innenministerium hat das so empfohlen.

Ein weiteres Beispiel: Die B 469 führt von Aschaffenburg nach Miltenberg. Die Straße endet in einem Kreisel, der auch nicht für Gigaliner gebaut ist. Also darf sich auch die Polizei in diesem Bereich freuen. Freuen dürfen sich auch alle, die an diesem Stau teilhaben dürfen. Dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, laufe ich durch die Stadt Aschaffenburg und gebe den Bürgerinnen und Bürgern dort Zettel in die Hand, auf denen steht: Bedanken Sie sich bei der CSU und der FDP, die diesen Mist verzapft haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD - Zurufe: Bravo, bravo!)

Als Nächster hat Herr Kollege Tobias Thalhammer das Wort. Bitte schön.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Oh je, oh je!)

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wenn Herr Kollege Mütze von den GRÜNEN sagt, dass alle Argumente aufseiten der Gegner seien, dann muss ich hier feststellen: Ich habe kein einziges Argument gehört.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Unruhe bei den GRÜNEN und der SPD - Glocke des Präsi- denten)

Ich gebe Herrn Kollegen Rotter recht, der darauf hinweist, dass es sich hier um eine maßvolle Verlängerung von Lkws handelt, und der deutlich macht, dass man das Thema dramatisiert. Herr Kollege Rotter, ich muss Sie insofern korrigieren, die Opposition dramatisiert das nicht nur, sondern hier werden auch bewusst Falschaussagen in den Raum gestellt. Ich möchte die Diskussion deshalb ein bisschen versachlichen, was die Lang-Lkws anbelangt. Ich möchte Ihre Scheinargumente in Falschaussagen umtitulieren und eine nach der anderen abarbeiten.

Falschaussage Nummer eins, gerade von Herrn Kollegen Mütze genannt: Gigaliner verursachen in den Gemeinden und Städten innerorts einen Verkehrskollaps. - Herr Kollege Mütze, Sie müssen keine Angst haben, dass bei Ihnen in Aschaffenburg irgendwelche Gigaliner hoch nach Schweinheim fahren. Es handelt sich um klar festgelegte Punkt-zu-Punkt-Verbindun

gen, von einem Lagerumschlagpunkt zum nächsten. Die Gigaliner sind auf der Autobahn, die Lager für die großen Spediteure sind meist unmittelbar an der Autobahn. Es handelt sich also um eine Falschaussage, wenn dargelegt wird, die Gigaliner würden die Straßen innerorts verstopfen.

Falschaussage Nummer zwei: Gigaliner verschlimmern die angespannte Verkehrssituation auf den Autobahnen. - Es ist so: Zwei Lang-Lkws werden nun für die gleiche Ladung gebraucht, die bisher drei Lkws benötigen würden. Es kommt also nicht zu einer höheren, sondern zu einer niedrigeren Verkehrsbelastung.

Falschaussage Nummer drei: Gigaliner schädigen durch erhöhtes Gewicht Straßen und Brücken. - Hier ist einmal klar festzustellen, dass es in den Speditionen heutzutage einen Konkurrenzkampf um jeden Kubikmeter gibt. Es geht also um Volumen, nicht um Tonnen.

Herr Kollege Thalhammer, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Mütze zu?

Nein, erst hören, dann stören.

(Zurufe von den GRÜNEN)

In diesem Feldversuch -

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)