Protocol of the Session on November 29, 2011

Herrn de Maizière wurden viele ungelöste Fragen hinterlassen, viele Fragezeichen. Man musste überhaupt erst einmal Ordnung in die Reform bringen. Ich danke Herrn de Maizière für seine sachliche Herangehens

weise. Vielen Dank auch an Herrn Kreuzer, der sich in diesem Stil der Sache weiter nähert.

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Ich dachte, es geht um Dank für Herrn de Maizière?)

Die Forschung und die Entwicklung wurden hier in Bayern gestärkt. Ich habe das Beispiel der Innovationsforschung genannt. Das geschah aber auch innerhalb der Struktur der Bundeswehr, indem beispielsweise die Universität der Bundeswehr in meinem Heimatort Neubiberg strukturell gefördert wurde. Auch das ist ein wichtiges Zeichen für die Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr; denn die Innovation ist eine der entscheidenden Stellschrauben.

Meine Damen und Herren, in Bayern haben wir unsere Aufgaben gemacht. Wir machen sie auch dann, wenn sie nicht immer bequem sind. Wir hoffen auf Unterstützung aus Berlin. Ich möchte mich, wie auch Herr Kollege Hintersberger, dem Dank an alle unsere Soldatinnen und Soldaten anschließen, ob sie hier bei uns sind oder auf Einsätzen. Erlauben Sie mir noch eine kleine Anmerkung: Lieber Herr Kollege, die Bundeswehr ist dem Parlament unterstellt. Sie gehört keiner Partei.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, möchte ich den Botschafter des Vereinigten Königreiches, Herrn Simon McDonald, ganz herzlich begrüßen, der auf der Besuchertribüne Platz genommen hat. Exzellenz, herzlich willkommen bei uns.

(Allgemeiner Beifall)

Ich weiß, dass Sie sehr gut Deutsch sprechen und dieser Debatte deshalb gut folgen können. Viel Spaß dabei.

(Allgemeine Heiterkeit)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Professor Dr. Gantzer. Bitte schön, Herr Kollege Dr. Gantzer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich damit beginnen, auch im Namen der SPD klar und deutlich zu sagen, dass wir unseren Soldatinnen und Soldaten, die im Inland wie auch im Ausland im Einsatz sind, danken.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Bedenken Sie, was es gerade für die Soldaten bedeutet, die im Ausland sind und dort die Meldung bekommen haben, dass ihr Standort in der Heimat geschlos

sen wird. Bedenken Sie, was es für die Soldaten bedeutet, wenn sie im scharfen Einsatz sind und sich Gedanken darüber machen, wie ihre Zukunft aussieht, wie die Zukunft ihrer Familie aussieht. An die Betroffenen deshalb an dieser Stelle ein besonderes Dankeschön.

Sehr geehrter Herr Staatsminister, Sie haben Ihre Rede mit den Worten begonnen: "Wir haben alle gewusst…" Das muss man wirklich betonen: "Wir haben alle gewusst, dass die Reform für den Freistaat schmerzhafte Einschnitte mit sich bringen wird." - Herr Minister, das ist wirklich falsch, was Sie da sagten. Es war vielmehr die Taskforce der SPD, die sich schon im letzten Jahr, also 2010, damit befasst hat und schmerzhafte Einschnitte vorhergesagt hat. Sie haben das immer negiert. Ich kann mich daran erinnern, dass Ihr Fraktionsvorsitzender gesagt hat: Ich habe mit dem Verteidigungsminister gesprochen. Der Herr Ministerpräsident hat gesagt, er habe mit dem Verteidigungsminister gesprochen. Herr Staatssekretär Huber, der jetzt als Minister für Umwelt in der Staatsregierung ist, hat mir in einem Schreiben vom 24.10.2011, zwei Tage vor Bekanntgabe der Reform, noch mitgeteilt: Ich habe mit Nachdruck gefordert, dass es keinen Kahlschlag bei den bayerischen Standorten geben darf. Was ist stattdessen passiert? - Die Zahlen kennen Sie: Die Zahl der Dienstposten verringert sich von 50.700 auf 31.000. Das heißt, Bayern hat 40 % der Dienstposten verloren. Kollege Hintersberger hat gesagt, Bayern sei Heimatland der Bundeswehr. Wenn das so weitergeht, Herr Hintersberger, wie Sie die Bundeswehr reformieren, dann können Sie die Bundeswehr bald bei den Heimatvertriebenen anmelden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Zuruf des Abgeordneten Johannes Hintersberger (CSU))

Dann haben Sie gesagt, Herr Staatsminister: Das Ziel "Reduzierung vor Schließung" haben wir voll erreicht. Sie unterschlagen dabei aber die signifikanten Reduzierungen, die mein Fraktionsvorsitzender schon angesprochen hat; denn wir haben 20 signifikante Reduzierungen. Sechs davon sind praktisch Schließungen. Das sind die Standorte, an denen die Zahl der Dienstposten auf sechs zurückgeht. Ich nenne beispielhaft Kempten. Sie waren damals schon Staatssekretär, als das alles verhandelt wurde. Was haben Sie als Staatssekretär in der bayerischen Regierung eigentlich dagegen getan, dass in Kempten die Dienstpostenzahl von 870 auf 6 gesenkt wird? - Ich habe dazu nie etwas von Ihnen gehört. Jetzt machen Sie Bereisungen. Mir kommt das so vor, als versuchten Sie, das Kind unbedingt zu retten, das schon in den Brunnen gefallen ist. Da ist nichts mehr zu retten. Es bleibt zum Beispiel in Kempten bei sechs Dienstposten.

Oder nehmen Sie Lagerlechfeld, das ihr Schwaben so besonders herausstellt: Der Standort verliert über 1.000 Dienstposten. Dass noch 570 Dienstposten erhalten bleiben, feiern Sie als großen Sieg.

(Harald Güller (SPD): Scheinheilig!)

- Ich will jetzt nicht sagen, dass Sie scheinheilig sind. Aber ich will eines sagen: Mir kommt Herr Kreuzer wie ein Arzt vor, zu dem ein Patient kommt, der sagt: Herr Doktor, Herr Doktor, ich habe die Magersucht! Der Arzt stellt bei der Untersuchung auch noch die Schwindsucht fest und sagt: Herzlichen Glückwunsch, dass Sie noch leben.

(Beifall und Heiterkeit des Abgeordneten Harald Güller (SPD))

Ich komme zum dritten Punkt, zur Konversion. Wir sind uns darüber im Klaren: Ohne Geld gibt es keine Konversion. Ich will das schon aufgegriffene strittige Thema der Städtebauförderung ansprechen. Fest steht, dass die Mittel für die Städtebauförderung zusammengestrichen wurden. Mir liegt eine Auskunft des Wirtschaftsministeriums vom 04.11.2011, also ganz frisch, vor. Ihre Staatssekretärin schreibt wegen der Streichung wörtlich: "Damit stünden für 2012 keine Mittel für neue Projekte bei der Militärkonversion zur Verfügung". Dazu muss ich eigentlich nichts mehr sagen. Wir haben in Bayern nur einen Topf von 1,9 Millionen Euro, wie wir gehört haben. Ihr Haus hat mir mitgeteilt, dass der Freistaat Bayern von 1990 bis 2010, also in 20 Jahren, für all die Konversionsmaßnahmen insgesamt gerade einmal 36 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat. Wir sind also auf die Bundesmittel angewiesen. Jetzt frage ich Sie: Wer hat denn diese Bundesmittel gestrichen? Wer waren die Haushälter? - Das waren die Haushälter der CDU, der CSU und der FDP. Herr Tobias Thalhammer: Das sollten Sie sehen. Sie sind die Schuldigen. Tun Sie nicht so, als ob die Gelder irgendwo verschwunden seien. Ich frage nur: Wo sind sie geblieben?

Es kommt hinzu, dass wir - nämlich die damalige SPD-Regierung - beschlossen hatten, dass den Ländern ein Umsatzsteueranteil von 2 % ausdrücklich für Konversionsmaßnahmen zur Verfügung gestellt wird. Ich habe diesbezüglich eine Anfrage an das Wirtschaftsministerium gestellt. Darauf gibt es keine Antwort. Keiner weiß, was mit diesen 2 % passiert ist. Herr Staatsminister, ich frage Sie - ich weiß nicht, ob ich heute eine Antwort bekomme -: Was ist mit dem Umsatzsteueranteil von 2 % passiert? - Bayern hat pro Jahr rund 200 Millionen Euro bekommen. Wo ist dieses Geld geblieben? - Vielleicht bei der Landesbank oder irgendwo anders? - Jedenfalls ist es bei Ihnen bis jetzt nicht aufgetaucht.

Ich komme zum Thema "Wehrtechnik". Sie haben eingangs gesagt, bestehend -

(Unruhe)

- Kann das auf meine Redezeit angerechnet werden? - Ich will den Herrn Staatssekretär nur etwas fragen.

Sie haben gesagt, bestehende Verträge seien einzuhalten. Das stimmt zwar grundsätzlich - pacta sunt servanda. Wer richtig gedient hat, wer die Offiziersausbildung durchlaufen hat, der weiß, dass wir bis 1989 folgendes Szenario hatten:

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Die großen Panzerschlachten würden, wenn es zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem Warschauer Pakt und der NATO kommen würde, in der Norddeutschen Tiefebene stattfinden. Dann kam das Jahr 1989. Keiner von uns kann sich heute noch vorstellen, dass dort große Panzerschlachten stattfinden könnten. Auch KMW - Krauss-Maffei Wegmann hat sich das nicht mehr vorstellen können.

Genauso war das mit dem Kampfhubschrauber "Tiger". Den "Tiger" haben wir damals bestellt, weil wir wegen der erwarteten großen Panzerschlachten meinten, wir bräuchten Kampfunterstützungshubschrauber. Der "Tiger" ist in erster Linie entwickelt worden, um bei diesen großen Panzerschlachten in der Norddeutschen Tiefebene einzugreifen. Auch dieses Szenario können wir uns heute nicht mehr vorstellen.

Zu Eurocopter will ich nicht mehr sagen; wenn wir sagen "pacta sunt servanda", dann gilt das auch für Eurocopter. Das muss man so feststellen. Da sind schwache Momente bei der Auslieferung von Hubschraubern. Aber ich sage es einmal positiv. KMW Krauss-Maffei Wegmann - hat das 1989 erkannt. Die haben gewusst, dass Panzer nicht mehr in früherem Umfang gebaut werden können. Was haben sie gemacht? - Sie haben sich gefragt, wie sich die Bundeswehr entwickeln wird: Sie wird mehr Auslandseinsätze haben, wir müssen unsere Soldaten schützen. Sie haben das sicherste Fahrzeug der Welt entwickelt, den "Dingo". Der "Dingo" kann durch keine bekannte Panzermine in die Luft gesprengt werden. Die Insassen tragen höchstens Traumaschäden davon, wenn dieses Fahrzeug auf eine Mine auffährt. Dieses Fahrzeug bietet unseren Soldaten wirklich zu hundert Prozent Sicherheit. Was haben Sie beide gesagt? - "Wir müssen unsere Truppe bestmöglich ausstatten". Was ist passiert, als es um die Nachbestellung solcher Fahrzeuge ging? - Ihr Verteidigungsminister zu Guttenberg bestellte nicht den "Dingo", sondern den "Eagle" aus der Schweiz. Das Schweizer Unternehmen

ist eine hundertprozentige Tochter eines amerikanischen Rüstungsunternehmens.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU und der FDP, ihr seid an der Regierung. Sie sollten hier nicht nur schön reden, sondern den Worten Taten folgen lassen.

(Beifall bei der SPD)

Es kann doch nicht sein, dass wir amerikanisches Rüstungsgerät bestellen, das wesentlich schlechter ist als das deutsche. Wir wissen doch alle, was die mit ihren "Hummers" gemacht haben; die haben Stahlplatten darunter gebaut und sind damit trotzdem in die Luft geflogen, mit schweren Folgen. Mit dem "Dingo" haben wir das alles vermieden. Ich frage Sie: Weswegen hat Ihr Verteidigungsminister zu Guttenberg, den Sie zum Teil immer noch loben, solche unhaltbaren Verträge gemacht? - In den USA wäre das nicht passiert.

Als EADS in der Tankflugzeug-Ausschreibung gewonnen hat, haben die Amerikaner solange gebohrt, bis die Ausschreibung wieder aufgemacht wurde. Jetzt ist Boeing dran. Die Amerikaner verfolgen eine klare Linie. Jammern Sie nicht über die Rüstungsindustrie, sondern tun Sie etwas dafür.

(Beifall bei der SPD)

Schließlich noch kurz zu den Reservisten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe es schon in der letzten Debatte gesagt: Ich war lange genug Kommandeur eines Bataillons und dann eines Regiments und weiß, was Reservisten können. Ich weiß vor allem, wozu Reservisten ausgebildet werden. Die großen Reservisteneinheiten üben alle zwei Jahre 14 Tage lang. Sie wollen dafür also Material zwei, vier, sechs Jahre lang lagern. Die Reservisten sind dazu nicht ausgebildet. Ich habe große Zweifel, ob Sie das wirklich gut überlegt haben. Ich habe dem Reservistenverband schon angeboten, dass wir grundsätzlich in die Diskussion eintreten und die Sachargumente austauschen können.

Mit Blick auf meine Redezeit weise ich darauf hin, Herr Präsident, dass die CSU ihre Redezeit um zwei Minuten überzogen hat.

Die Frau Präsidentin ist da etwas großzügiger als ich.

(Tobias Thalhammer (FDP): Ich gebe Ihnen von mir etwas ab!)

Ich bin schon bei der Zusammenfassung. Was Sie gesagt haben,

lieber Herr Staatsminister, nehme ich Ihnen nicht übel. Sie sind noch ganz frisch im Geschäft und müssen sehen, wie Sie die Fehler Ihrer Vorgänger verteidigen. Ich nehme das nicht persönlich. Im Grunde sind nicht Sie dafür verantwortlich, sondern verantwortlich dafür ist die CDU/CSU/FDP-Bundesregierung. Sie hat schließlich die Bundeswehrreform beschlossen.

(Beifall bei der SPD)

Sie tun so, als ob eine Drohne die Bundeswehr unbemerkt angegriffen und sie schwer getroffen hat. Dabei haben Sie immer in der Steuerzentrale gesessen. Sie haben aber nie etwas für die Bundeswehr in Bayern gemacht. Ich denke an das Ergebnis, das wir jetzt haben.

(Zuruf von der CSU)

- Nein, Sie haben nichts gemacht. Sie haben nicht gesteuert.

Jetzt ist die Zeit aber vorüber.

Ich sage nur noch einmal: Man hat gemerkt, dass Sie in Berlin keinen Einfluss mehr haben.

(Zuruf von den GRÜNEN)