Protocol of the Session on November 29, 2011

(Dr. Paul Wengert (SPD): Dazu habe ich gar keinen Grund! - Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN - Glocke der Präsidentin - Zuruf von der SPD: Das ist provinziell!)

- Vielleicht kann man das Gerät ein bisschen in Schwung setzen.

Sehr geehrte Frau Kollegin! Ich habe das gemacht. Ich brauche Ihre Aufforderung nicht; denn es sind alle, die zur Unruhe beitragen, Teil des Parlaments. Wir hier oben können nicht mehr machen, als immer wieder um Ruhe zu bitten.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Danke. - Ein Lob gilt auf jeden Fall den Kommunen, die entschlossen Prioritäten setzen und in weiche Standortfaktoren investiert haben. Viele kleinere Gemeinden sind nicht unbedingt in der bevorzugten Lage, hohe Gewerbesteuereinnahmen und Einkommensteueranteile vorzuweisen. Dennoch setzen sie aktuell mit dem Krippenbau ein Zeichen für die Zukunft.

Kein anderes Bundesland hat die Bundesmittel so kräftig aufgestockt, wie das in Bayern der Fall war.

(Zurufe der Abgeordneten Renate Ackermann (GRÜNE), Dr. Simone Strohmayr (SPD) - Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Im Nachtragshaushalt sind 92 Millionen Euro für das Investitionsprogramm Krippenausbau vorgesehen. Das ist mittlerweile bekannt. Ich bitte, die Entlastungskomponente im Rahmen des Nachtragshaushalts zur Kenntnis zu nehmen: 20 Millionen Euro als Zuschuss zum letzten Kindergartenjahr, eine qualitative Verbesserung des Anstellungsschlüssels mit 11 Millionen Euro. Im Ganztagsschulbereich findet jedes Kind, das eine Nachmittagsbetreuung sucht, seinen Platz, wenn auch nicht unbedingt in der gebundenen Form. Das erwarten die Eltern aber gar nicht.

(Beifall bei der CSU - Zurufe von der SPD)

Fragen Sie doch einmal auf Elternversammlungen nach: Manche Eltern kennen noch nicht einmal den Unterschied zwischen der gebundenen und der offenen Form der Ganztagsbetreuung.

(Widerspruch bei der SPD und den GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen, wir haben alle noch Redezeit.

Hier sind nicht die Gelder des Aufbruchs Bayern eingerechnet. Die gerade genannte Summe besteht aus fresh Money. Das ist alles bayerisches Geld.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sprechen in Ihren weiteren Anträgen von zweifellos vorhandenen Überforderungssituationen von Frauen. Diese gibt es natürlich. Das streitet niemand ab. Es ist aber nicht so, dass der Staat untätig wäre. Ich darf beispielsweise auf die Angebote der Mutter-Kind-Kuren sowie auf die Haushaltshilfen und Kinderbetreuungsmöglichkeiten im Krankheits- und Erholungsfall hinweisen. In Ihren Anträgen werden diese Möglichkeiten als nicht vorhanden suggeriert.

Zudem gibt es Familienferienstätten für gemeinsame Aufenthalte mit entsprechenden Angeboten. Die Leistungen der Familienpflege sollen vor allem Mütter entlasten, die ihre Kinder wegen Krankheit nicht selbst versorgen können. Hier gibt es eine Infrastruktur, die auch genutzt wird und die hier einmal hervorgehoben werden muss. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass Frauen für die häusliche Pflege ihrer Angehörigen entsprechende Entlastungsangebote erhalten. Wir haben Fachstellen für pflegende Angehörige, und wir haben niedrigschwellige Betreuungsangebote, die über die Pflegekassen laufen. Wenn eine Pflegeperson ausfällt, kann für bis zu vier Wochen eine Ersatzpflege gewährt werden.

Die in Ihrem Antrag geforderten lokalen Netzwerke können auf staatlicher Basis nicht finanziert werden. Ergänzende Hilfestellungen müssen über die Nachbarschaftshilfe und die Selbsthilfe vor Ort geregelt werden. Wir haben hier gut funktionierende Systeme. Ich verweise auf viele Alleinerziehenden-Initiativen, Mütterzentren und Familienbildungsstätten, die sehr vieles, was von Ihnen moniert wurde, abdecken. Wir wollen das ehrenamtliche Engagement - vor allem im sozialen Bereich - noch weiter stärken und fördern. Die Ehrenamts-Card ist dazu ein Einstieg. Diese Maßnahme soll noch ausgebaut und gefestigt werden. Wir alle wissen, dass es dafür in den nächsten Jahren eine große Notwendigkeit geben wird.

(Horst Arnold (SPD): Oberfranken stirbt aus!)

- Leisten Sie einen Gegenbeitrag, damit Oberfranken nicht ausstirbt. Suchen Sie sich eine Oberfränkin.

(Beifall und Heiterkeit bei der CSU - Heiterkeit bei den FREIEN WÄHLERN)

- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, dieses Thema ist nicht so lustig. Deshalb bin ich jetzt erstaunt, dass Sie hier so lachen.

Ich möchte abschließend noch einen Hinweis geben: Wenn wir uns die Statistiken ansehen, haben wir natürlich vor allem die Frauen im Fokus, die sich im Rentenalter befinden. 77 % der Frauen, die zwischen 1941 und 1962 geboren sind, haben laut der Statistik wegen der Kindererziehung ihre Erwerbstätigkeit unterbrochen. Diese Frauen haben im Durchschnitt über zehn Jahre lang pausiert. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Rente. Die Situation hat sich in den letzten Jahren signifikant verändert. Heute teilen sich Frauen und Männer - wenn sie dies wollen - die Arbeit zu Hause und die Erwerbstätigkeit außer Haus. Diese Tendenz verstärkt sich doch.

(Widerspruch bei der SPD und den GRÜNEN)

In Bayern wird doch niemand dazu gezwungen, einen bestimmten Lebensweg einzuschlagen. Meine Damen und Herren, wir schaffen verbesserte Anreize über das Elterngeld. Wir bauen Kindertagesstätten aus. Wir regeln die Ganztagsbetreuung an Schulen. Wir unterstützen die Betreuung, unabhängig davon, wie jeder für sich das organisiert und annimmt. Dies kommt doch den Frauen und Männern entgegen. In Bayern gibt es im Übrigen bei den Frauen die höchste Erwerbsquote.

(Beifall bei der CSU - Widerspruch bei der SPD und den GRÜNEN)

- Meine Damen und Herren, regen Sie sich doch nicht so auf.

Die Wahlfreiheit wird sich immer an den Realitäten und an den Rahmenbedingungen orientieren, die jeder und jede für sich vorfindet. Die Frauenarmut wird mit Sicherheit nicht dadurch reduziert, dass mehr Geld ins soziale System gepumpt und noch mehr soziale Stütze angeboten wird. Nein. Für mich sind die wirksamsten Instrumente gegen Frauenarmut

(Harald Güller (SPD): Der Mindestlohn!)

bestmögliche Qualifizierung, verlässliche familienpolitische Rahmenbedingungen und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Die Wirtschaft und die Unternehmen dürfen von Frauen nicht pauschal verlangen, dass sie die Berufsbiografien der Männer kopieren. Die Wirtschaft muss hier - wie das der öffentliche Dienst vormacht - entsprechende Impulse setzen. Das ist meine Vision der Zukunft. Das würde auch gut funktionieren.

(Beifall bei der CSU - Harald Güller (SPD): Mindestlohn!)

Das Wort hat Herr Prof. Dr. Bauer für die FREIEN WÄHLER.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Sozialbericht 2010 hat schon gezeigt, dass es enorme soziale Probleme gerade bei Frauen und älteren Menschen in Bayern gibt. Der Sozialbericht 2011 hat dies bestätigt. Frauen verdienen in gleicher Position - zum Beispiel als Arbeiterinnen durchschnittlich 29 % weniger, als Angestellte sogar durchschnittlich 32 % weniger als Männer. Meine Damen und Herren, dies gilt nicht in irgendeinem Staat, sondern direkt vor unserer Haustür. Diese soziale Schieflage ist nicht länger hinzunehmen. Diese soziale Schieflage gilt es zu verändern.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Was noch wichtiger ist: Der Trend der letzten Jahre hat aufgezeigt, dass diese Schieflage immer stärker wird und das Gefüge immer mehr ins Rutschen kommt. Für die Zukunft ist zu befürchten - die Tatsachen sprechen dafür -, dass sich dieser Trend noch verstärken wird; denn bereits im Jahr 2009 bezogen in Bayern 2,3 % aller Frauen im Rentenalter Grundsicherungsleistungen. Im Vergleich dazu lag der Prozentsatz bei Männern bei 1,8 %. Dies zeigen die aktuellen Ergebnisse des Berichts aus dem Sozialministerium zur sozialen Lage in Bayern 2011. Das sind weiß Gott keine Zahlen der Opposition.

"Armut ist alt und weiblich." Dieser Ausspruch ist seit vielen Jahren bekannt und leider auch weiterhin gültig. Dem gilt es, entgegenzuwirken. Was sind die Gründe für diese Feststellung? Die Karrierechancen von Frauen sind von vornherein geringer. Wirft man einen Blick auf die Führungsetagen - dabei darf man nicht nur auf die DAX-Konzerne schauen -, so trifft man dort viel zu wenige Frauen an. Im öffentlichen Dienst sieht es auch nicht besser aus. Das möchte ich an dieser Stelle feststellen. Die Tatsache, dass es in der Richterschaft mehr Frauen gibt, bedeutet noch keine grüne Wiese.

Typische Frauenberufe wurden von Anfang an schlechter bezahlt. Ich nenne als Beispiele Friseurinnen, Pflegerinnen und Erzieherinnen. Das wissen wir alle. Frauen leisten nach wie vor weit mehr unbezahlte Familienarbeit als Männer.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Bei der Erziehung der Kinder und bei der Pflege älterer Angehöriger sind Frauen überdurchschnittlich tätig. Aus diesem Grunde wird gerade von Frauen häufig eine Teilzeitarbeit gesucht. Dies hat aber später zur Folge, dass ihre Rentenanwartschaften viel zu niedrig sind. Schließlich steigt auch das Armutsrisiko von Frauen erheblich, sobald Familienstrukturen zerbrechen. Dies ist heute noch nicht so deutlich angesprochen worden. Wenn Familien durch eine Scheidung oder die Trennung von einem Partner auseinanderbrechen, hat das massive negative Auswirkungen auf die Frauen. Vor allem Alleinerziehende haben mit 40 % die höchste Armutsgefährdung in Bayern. Zu 90 % handelt es sich dabei um alleinerziehende Frauen.

Die Alterssicherungssysteme orientieren sich bisher an einer ununterbrochenen normalen Erwerbsbiografie. Frau Kollegin Brendel-Fischer, damit benachteiligen wir Frauen, die Erziehungs- und Pflegezeiten in Anspruch nehmen müssen; denn diese Pflegezeiten werden bei der Rente nur anteilig berücksichtigt. Unsere Gesellschaft ist aber darauf angewiesen, dass die zunehmende Zahl von pflegebedürftigen älteren Menschen zu Hause gepflegt wird. Dies muss zum Wohle der älteren Menschen gesellschaftlich und auch finanziell anerkannt werden. Seien wir doch ehrlich: Eine zunehmende Inanspruchnahme der stationären Pflege - was die einzige Alternative wäre - wäre unfinanzierbar. Diese finanziellen Belastungen könnten wir in unserem System nicht schultern. Die Pflegeversicherung hat bereits jetzt finanzielle Probleme. Wie soll das in Zukunft gehen, wenn mehr auf die stationäre Pflege eingegangen wird?

Wir von den FREIEN WÄHLERN setzen uns nachdrücklich für eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein. Dieses Problem müssen wir an der Wurzel packen. Deswegen begrüßen wir grundsätzlich die vorliegenden Anträge. Wir von den FREIEN WÄHLERN haben ja schon ähnliche Anträge gestellt. Hinsichtlich der Aspekte Lohnungleichheit, Ausbau der Kinderbetreuung und kostenfreies Kindergartenjahr hat sich dankenswerterweise etwas getan; das begrüßen wir sehr. Netzwerke für Notfälle aufzubauen, ist auch ein wichtiger Punkt; denn es fallen immer mehr aus.

Wir können also den vorliegenden Anträgen teilweise zustimmen. Nähere Ausführungen habe ich schon im Sozialausschuss gemacht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke, Herr Kollege Dr. Bauer. Ich bitte jetzt für die Fraktion des

BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Frau Stamm nach vorne.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau zu sein bedeutet in Bayern, arm zu sein.

(Lachen bei der CSU)

- Wenn Sie das zum Lachen finden, ist das sehr traurig. Frau Kollegin Strohmayr hat hier heftige Zahlen vorgetragen. Ich muss sie wohl wiederholen, weil Ihnen zum Lachen zumute ist. Es ist sicher merkwürdig, wie Ihnen jetzt noch zum Lachen zumute sein kann, wenn wir davon reden,

(Lebhafte Zurufe von der CSU)

dass Alleinerziehende ein viermal höheres Armutsrisiko haben als der Durchschnittsbayer.

(Josef Miller (CSU): Wo leben Sie denn? - Zahlreiche Zurufe von der CSU - Unruhe)

In Bayern gibt es 25 % Gender Pay Gap, während es im übrigen Deutschland 23 % sind.

(Anhaltende Unruhe)