Protocol of the Session on November 24, 2011

Es soll verschleiern, dass Sie den Krippenausbau nicht schaffen. Man will so verhindern, dass möglichst viele Kinder in die Kinderkrippe kommen. Es soll vom notwendigen Ausbau ablenken. Ich appelliere deshalb an die Mitglieder der CSU im Sozialausschuss: Lassen Sie sich nicht von populistischen Schnellschüssen des Ministerpräsidenten beirren! Tragen Sie dazu bei, dass Eltern echte Wahlfreiheit bekommen! Sie ist nur zu erreichen, wenn ausreichend Kinderkrippenplätze zur Verfügung stehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion darf ich Herrn Kollege Pfaffmann das Wort erteilen. - Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute das Thema "frühkindliche Bildung". Ich halte dieses

Thema für eines der wichtigsten überhaupt, wenn man nach vorne schaut.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Die frühkindliche Bildung gewinnt immer größere Bedeutung.

Gestatten Sie mir einen Rückblick auf die letzten Jahre. Die Erkenntnis, dass frühkindliche Bildung hohe Bedeutung hat, ist nicht neu. Leider haben wir das in den letzten Jahren verschlafen. Daran sind Sie nicht ganz unbeteiligt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU. - Sei es drum. Wenn man nach vorne schaut, sollte man feststellen: Frühkindliche Bildung ist eine Grundlage bzw. leistet einen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit und späterem Wohlstand. Es hat inhaltlichen Wert, die frühkindliche Bildung voranzutreiben. Die frühkindliche Bildung bzw. Vorhaltung von Kindertageseinrichtungen und -betreuungsplätzen ist ein entscheidender Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich behaupte, dass die Regierung hier in Bayern diesen Ausbau nur sehr halbherzig vorantreibt.

(Beifall bei der SPD)

Sie schreiben zwar immer wieder neue Lobeslisten auf Ihre Politik. Aber wenn man diese Listen anschaut, stellt man fest: Davon bleibt nicht viel übrig, Frau Ackermann hat es schon angesprochen. Man braucht nur die behaupteten 28 % bei der Versorgung mit Kindertagesstätten zu nehmen, die Sie immer wieder hervorheben. Sie können das mit nichts belegen; Sie behaupten das.

Ich nenne Ihnen in diesem Zusammenhang einige Zahlen, die belegbar sind, nämlich durch die Statistikämter: Bayern hat bei den Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren einen Versorgungsgrad von 18,6 %. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 23,1 %. Sachsen-Anhalt ist mit 56 % Spitzenreiter, Bayern mit 18,6 % Schlusslicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Bei der Ganztagsbetreuung für Kinder unter drei Jahren beträgt der bayerische Anteil 4,9 %, der Bundesdurchschnitt liegt bei 11,6 %. Bayern ist Schlusslicht, meine Damen und Herren. Das ist durch die Statistikämter belegt.

Beim Anteil der Kinderpflegerinnen in Kindertageseinrichtungen ist Bayern mit 37,2 % Schlusslicht.

Beim Personalschlüssel gibt das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz - BayKiBiG - ein Verhältnis von 1 : 12,5 vor. In dem von Ihnen immer wieder gerne als Negativbeispiel beschimpften Bremen beträgt das Verhältnis 1 : 3,4. Auch bei der Personalberechnung für die Kindertageseinrichtungen ist Bayern Schlusslicht. Das sind Fakten, die zu diskutieren sind. Da hilft es gar nichts, wenn Sie den Menschen immer neue Listen mit schönen Worten vor die Nase halten. In den Kindertageseinrichtungen sieht die Realität komplett anders aus. Mit diesem Personalschlüssel ist eine qualitätvolle Versorgung im Sinne frühkindlicher Bildung und innovativer Förderung der Kinder überhaupt nicht möglich, und zwar seit Jahren nicht. Sie nehmen das klaglos hin. Das ist die Wahrheit. Darüber haben wir zu diskutieren.

Zum Betreuungsgeld. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in dieser Frage streiten Sie bundesweit. Frau Ackermann hat schon darauf hingewiesen. Sie sind beim Betreuungsgeld die Streithansel-Partei, die Streithansel-Koalition, von Berlin bis hier nach Bayern. Das geht bis hin zu gegenseitigen Drohungen; das bayerische Sozialministerium droht den Berliner Kollegen in der Koalition mit einer eigenen Gesetzesinitiative zum Betreuungsgeld, weil diese wiederum das Betreuungsgeld für falsch halten. Recht haben sie. Auch die Frauen-Union hat recht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Maria Böhmer hat das deutlich gesagt: Das Betreuungsgeld ist der falsche Weg. Aber nein, Bayern will das unbedingt durchsetzen.

(Margarete Bause (GRÜNE): Nicht Bayern! Markus Rinderspacher (SPD): Noch nicht einmal die FDP will mitmachen!)

- Nicht Bayern. Die Mehrheit des bayerischen Parlaments, die CSU und die FDP wollen das. Ich habe den Eindruck, da kommt ein bisschen Starrsinn durch, wider alle Vernunft, Rechthaberei. Das steckt hinter Ihrem Willen zur Durchsetzung des Betreuungsgeldes.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen Sie die Argumente doch einmal auf. Das Betreuungsgeld schafft einen Anreiz, dass Mütter oder Väter zu Hause bleiben, insbesondere in Familien mit gutem Familieneinkommen, in denen möglicherweise Mutter oder Vater arbeiten gehen würden, meinetwegen halbtags als Fachkraft. Das Betreuungsgeld schafft dafür keinen Anreiz. Die Eltern bleiben also zu Hause. Sie verstärken damit den Fachkräftemangel hierzulande.

Auf der anderen Seite nutzt das Betreuungsgeld den Geringverdienern, vor allen Dingen den Alleinerziehenden gar nichts. Nennen Sie mir doch einmal eine

alleinerziehende Mutter, die wegen ein paar Euro Betreuungsgeld auf ein Gehalt verzichten kann. Das ist doch geradezu lächerlich. Die Familien, die gut verdienen, liebe Kolleginnen und Kollegen, bräuchten das Betreuungsgeld gar nicht. Denen legen Sie das Betreuungsgeld freiwillig auf den Tisch, obwohl sie es nicht bräuchten. Das halte ich schon für schwierig. Gleichzeitig kostet das Betreuungsgeld bis zu zwei Milliarden Euro. Würden Sie diese zwei Milliarden Euro in den Ausbau von Kindertagesstätten stecken, liebe Kolleginnen und Kollegen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

wäre der gesamten Gesellschaft mehr geholfen als mit dem, was Sie aus Starrsinn durchzusetzen versuchen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen stimmt, was Frau Kollegin Ackermann gesagt hat: Dieses Betreuungsgeld, wie Sie es hier vorschlagen, ist nichts anderes als ein Sparmodell. Sie spatzen sich ab, weil Sie wegen des Rechtsanspruchs auf Kinderbetreuung auch in Bayern hohe Investitionen erwarten. Das wollen Sie nicht bezahlen. Deswegen versuchen Sie, dafür zu sorgen, dass Eltern zu Hause bleiben. Den Versuch, Einfluss darauf zu nehmen, was Eltern zu machen haben und was nicht, halte ich für unerträgliche politische Steuerung. Ich finde es unmöglich, wie Sie sich politisch verhalten.

Zur Frage der Qualität in den Kindertageseinrichtungen: Auch hierzu immer eine große Lobeshymne allerorten, auf jeder Weihnachtsfeier - die Weihnachtsfeiern kommen jetzt alle; da können wir die Lobeshymnen wieder hören. Tatsache ist, dass die Qualität, gemessen am Personal, schon deutlich besser ist. Ich sage dazu nur: Bayern ist Schlusslicht. Der Anteil an Kinderpflegerinnen und Kinderpflegern in bayerischen Kindertageseinrichtungen liegt bei 37,2 %. Das sind sozusagen dreimal so viel weniger qualifizierte Fachkräfte - ich will der Profession nichts abtun - als im gesamten Bundesdurchschnitt. Bayern ist Schlusslicht. Auch da hilft es nichts, wenn Sie Ihre Lobeshymnen immer wieder singen. Die Finanzierung - darauf bin ich schon eingegangen - ist grottenschlecht. Erzählen Sie mir doch einmal, wie mit dem Personal, das wir in den Kindertageseinrichtungen haben, dort, wo Bildung stattfinden soll, dort, wo es wirklich wichtig ist, dass auch qualifiziert gearbeitet wird, die Aufgaben bei einem Schlüssel von 12,5 erledigt werden sollen. Es ist geradezu fahrlässig, wie Sie mit der Betreuung von Kindern umgehen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt will ich Ihnen noch etwas anderes sagen. Hier haben Sie ja auch wieder versucht, falsche Tatsachen in die Welt zu setzen, in der Hoffnung, die Menschen würden Ihnen glauben. Die Ausgaben der öffentlichen Hand in Bayern für die Kinderbetreuung sind im Bundesvergleich grottenschlecht. Sie geben 2.338 Euro pro Kind unter sechs Jahren für die Tagesbetreuung aus - nachzulesen im Bericht der Statistischen Ämter, nicht in der SPD-Programmatik; dort steht das nicht. Es steht im Bericht der Statistischen Ämter. Das sind 16 % weniger als im gesamten Bundesdurchschnitt. Wollen Sie das den Menschen vielleicht einmal sagen, oder wollen Sie dabei bleiben, immer wieder zu erzählen, wie gut und toll in Bayern alles ist? Nichts ist toll.

(Zuruf von der FDP: Das ist Ihre Denkweise!)

Die Realität in den Kindergärten, die Realität in den Kindertagesstätten sieht anders aus, als Sie den Menschen klarzumachen versuchen.

Zum Schluss noch einen Satz zu Ihrer wunderbaren Klausurbeschlusslage: So kann man es natürlich machen. Man kann dafür sorgen, dass dicke Schlagzeilen in der Zeitung stehen: kostenfreies Kindergartenjahr. Das kann man natürlich in der Hoffnung machen, dass Ihnen die Leute, die das lesen, vor Ort in Ihren Stimmkreisen auf die Schulter klopfen und sagen: Das habt ihr gut gemacht. Ich würde der Ehrlichkeit halber allen Leuten, die sagen "Das habt ihr gut gemacht", Folgendes sagen: Moment mal, von kostenfreiem Kindergartenjahr kann überhaupt keine Rede sein. Sie geben 50 Euro Zuschuss. Das Höchste - das wird komplett verschwiegen -, ist, dass diese 50 Euro Zuschuss unter Haushaltsvorbehalt stehen, Kolleginnen und Kollegen. Wissen Sie, was das bedeutet?

(Beifall bei der SPD)

Das bedeutet: Nichts gibt es.

Das bezeichnen Sie als ersten Schritt in die Kostenfreiheit oder in ein kostenfreies Kindergartenjahr. Hier ist Schluss mit lustig und mit Lobhudelei sowieso. Die Lage in den Kindertageseinrichtungen muss verbessert werden. Beides ist richtig, nämlich durch einen Dringlichkeitsantrag mit parlamentarischer Diskussion und durch eine Änderung des BayKiBiG, die heute noch in Erster Lesung beraten wird.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Rena- te Ackermann (GRÜNE))

Nächste Wortmeldung für die CSU-Fraktion: Frau Kollegin Dettenhöfer. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch uns geht es um Qualität. Auch uns geht es darum, dass wir das Ausbauziel bis 2013 erreichen, nämlich ausreichend Krippenplätze vorzuhalten. Allerdings wollen wir im Gegensatz zu Ihnen die Wahlfreiheit für Eltern gewährleisten. Wir setzen nicht einseitig auf staatliche Betreuung. Zwei Drittel der Eltern in Bayern erziehen ihre Kinder in den ersten Jahren selbst oder organisieren die Betreuung in eigener Verantwortung: Oma, Opa, Tagesmutter oder wer auch immer. Auch diesen Eltern gebührt unsere Anerkennung mit Erziehungs-, Landeserziehungs- und mit Betreuungsgeld.

Herr Pfaffmann, zur frühkindlichen Bildung gehört auch die Erziehungsleistung der Eltern, auch jene, die sie zu Hause leisten, nicht nur das, was in den staatlichen Einrichtungen geleistet wird.

(Zuruf von der SPD: Das hat doch niemand be- hauptet!)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Ackermann?

Das machen wir im Anschluss, da die Zeit läuft.

Deshalb halten wir auch am Betreuungsgeld fest. Wir halten es für einen wichtigen Ansatz.

Herr Pfaffmann, Sie vergessen eines. Das Ausbauziel 2013, genügend Kinderkrippenplätze, also 35 % zur Verfügung zu stellen, steht bereits im Koalitionsvertrag der Großen Koalition aus dem Jahr 2006. Von der jetzigen Koalition ist dies wieder eingebracht worden und wieder festgeschrieben worden. Auch diese Dinge sind zu erfüllen. Wir werden 2013 unser Ziel erreichen - davon bin ich überzeugt. Auch Sie sollten das, was Sie damals mit unterzeichnet haben, erfüllen.

(Beifall bei der CSU)

Deshalb halten wir nach wie vor am Betreuungsgeld fest.

Sie haben vorhin angeführt - auch die GRÜNEN führen sie an - eine Betreuungsquote von 18,5 % aus dem Jahre 2010. Wer mit offenen Augen durch unsere Kommunen geht,

(Zuruf von den GRÜNEN: Lesen Sie den Sozial- bericht!)

der sieht, was entsteht. Wenn ich durch unseren Landkreis oder die Stadt Weiden gehe, sehe ich, dass eine Kinderkrippe nach der anderen eröffnet wird.

(Beifall bei der CSU)