Protocol of the Session on November 9, 2011

Meine Damen und Herren, zu sagen, wir hätten unser Ziel erreicht, wenn ein Viertel aller Dienstposten Deutschlands in Bayern gestrichen wird, ist schlichtweg die Unwahrheit. Das können wir so nicht hinnehmen.

(Beifall bei der SPD)

Ich bedauere, dass es nicht gelungen ist, entgegen Ihren Ankündigungen die gewachsenen Beziehungen zwischen Bundeswehr und Bayern zu erhalten. Ich weiß aber auch, dass wir im Augenblick mit diesem Ergebnis leben müssen. Deswegen müssen wir nach

vorne schauen. Feinplanung und Zeithorizont sind ganz wichtig. Das Verteidigungsministerium hat angekündigt: Feinplanung bis Ende des Jahres, der Zeithorizont April 2012. Das ist zu lang. Wir müssen den Soldaten Planungssicherheit geben. Wir müssen uns beeilen. Sie müssen Druck machen. Deswegen unser Antrag.

Was mir weiter sehr wichtig ist, ist das Konversionsprogramm. Das haben wir bereits in früheren Anträgen ausführlich dargestellt. Ich werde daher darauf jetzt nicht näher eingehen. Ich stelle aber fest aufgrund einer gerade beantworteten Schriftlichen Anfrage von mir: Sie verweisen immer auf das Städtebauförderungsprogramm des Bundes. Dabei wissen wir, dass 2012 eine deutliche Kürzung des Städtebauförderungsprogramms erfolgen wird. Das wurde mit den Stimmen der CSU so beschlossen. 2012 wird es also keine Mittel für neue Projekte der Militärkonversion geben. Also ich weiß nicht, was Sie uns da erzählen wollen. Und von dem 2-%-Umsatzsteueranteil für Bayern ist in der Antwort auf meine Anfrage überhaupt keine Rede.

Ich sage Ihnen zum Schluss noch Folgendes: Der Standort Kempten ist praktisch aufgelöst worden. Das ist der Bereich des damaligen Staatssekretärs Kreuzer, der jetzt Minister ist. Der Standort Manching ist signifikant reduziert. Das ist der Einflussbereich von Seehofer und Haderthauer. Der Standort Fürstenfeldbruck wird aufgelöst. Das ist der Bereich Ihrer Landesgruppensprecherin Hasselfeldt. Die Lufttransportschule Altenstadt ist aufgelöst worden - ein Markenzeichen der Bundeswehr. Und dies, obwohl Sie vor Ort immer erklärt haben, Sie würden darum kämpfen. Altenstadt liegt im Bereich von Generalsekretär Dobrindt. Was hat er bloß für Reden gehalten, Kollegin Dodell auch. Sie ist jetzt leider nicht da.

(Barbara Stamm (CSU): Sie ist krank!)

Was haben Sie uns alles erzählt! Auch der Standort Donauwörth - das ist der Bereich des Fraktionsvorsitzenden Schmid - wird praktisch aufgelöst.

Was lernen wir daraus? Wir haben eine Diskussion um Steuersenkungen und wir haben die Bundeswehrreform. Wir lernen daraus: Die CSU hat in Berlin keinerlei Einfluss mehr.

(Beifall bei der SPD)

Auf Ihre eigene Regierung haben Sie keinen Einfluss mehr. Sie feiern jetzt schon das Betreuungsgeld als Erfolg. Aber Ihr Einfluss in Berlin ist gleich null.

Deswegen bitte ich Sie, jetzt endlich tätig zu werden. Die Arbeitsgemeinschaft "Bundeswehr", die Sie in der

Staatskanzlei gegründet haben, muss sofort tätig werden. Denn Sie haben versäumt, den Rettungsschirm für die Bundeswehr in Bayern aufzuspannen, was zu einem katastrophalen Ergebnis geführt hat. Sorgen Sie wenigstens jetzt für einen Rettungsschirm für die Kommunen.

In diesem Sinne vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

CSU-Fraktion rührt euch!

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Gantzer. Nächster Redner ist Herr Pohl. Bitte schön, Herr Kollege Pohl.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als am 26. Oktober dieses Jahres die Ergebnisse der Standortentscheidungen des Verteidigungsministers verkündet wurden, habe ich gedacht, wir werden in Berlin von einem linken Bundeskanzler aus den neuen Bundesländern regiert, dem man sein Abitur in Bayern nicht anerkannt hat und der persönliche Ressentiments gegen jeden Menschen hegt, der hier im Freistaat lebt.

Ich war fassungslos, ich war entsetzt und bin es noch heute. Was sind die ganzen Beteuerungen, die wir gehört haben, wert, die Bundeswehrreform zur Chefsache zu machen und der Ministerpräsident werde sich persönlich für die Standorte einsetzen?

Aber Sie glauben immer noch, dass Bayern gut weggekommen ist, wenn ich Ziffer 2 Ihres Dringlichkeitsantrags lese:

Der Landtag begrüßt, dass die Bundeswehr wie gefordert auch nach der Umsetzung der Reform flächendeckend in ganz Bayern … präsent bleibt.

(Hans Joachim Werner (SPD): Das ist eine Lachnummer!)

Das ist ein Schlag ins Gesicht der Menschen in Kaufbeuren, in Fürstenfeldbruck und in Penzing, die von einer Totalschließung des Standorts betroffen sind. Das ist ein Schlag in das Gesicht von Zehntausenden von Soldaten, die in Bayern verschwinden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Und das, meine Damen und Herren, obwohl speziell die bayerische Bevölkerung das umgesetzt hat, und zwar nicht erst seit zwölf Monaten, seit man weiß, dass es Umstrukturierungen geben wird, und immer schon einen engen Schulterschluss mit den Soldaten der Bundeswehr geübt hat. Die Soldaten waren in

Bayern willkommen, anders als in anderen Bundesländern. Jetzt muss Bayern die Zeche dafür zahlen, dass ein Verteidigungsminister von und zu Guttenberg eine Reform angestoßen hat, zurücktreten musste und die CSU nicht in der Lage war, diesen Posten mit einem eigenen Mann oder mit einer eigenen Frau zu besetzen.

Meine Damen und Herren, Sie sagen, die Freiwilligenarmee ist jetzt das Maß der Dinge. Ich kann mich noch gut erinnern: Im Bundestagswahlkampf hat die FDP mit ihrem Vorsitzenden Westerwelle die Abschaffung der Wehrpflicht gefordert. Die Union hat das als Provokation zurückgewiesen und gesagt: Mit uns geht das nicht. - So lange ist die Halbwertszeit von grundlegenden Aussagen. Ich weiß nicht, ob die CDU ihr Programm inzwischen neu gedruckt hat. Ich meine, dass da immer noch die Wehrpflicht drinsteht.

Wir haben den Schaden in vielen Kommunen des Freistaats Bayern. Wir sind jetzt gefordert, und zwar die Staatsregierung, der Bund, der Bayerische Landtag und die Kommunen. Deswegen fordern wir in unserem Dringlichkeitsantrag, dass Staatsregierung gemeinsam mit den Abgeordneten des Bayerischen Landtags den Kommunen, die von Standortschließungen und -reduzierungen betroffen sind, transparent und effektiv eine Zukunftschance gibt, aber eine echte Zukunftschance, nicht so eine, wie sie der Zukunftsrat will, sondern eine Zukunftschance, mit der wir in Bayern endlich zu gleichwertigen Lebensverhältnissen im ganzen Land kommen.

In meiner eigenen Stadt Kaufbeuren sind 1.200 Dienstposten weg, davon Hunderte Offiziere, Diplomingenieure, Maschinenbauer etc. Das war und ist die Lebensader der Wirtschaft dieser Stadt. Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, dass man tatenlos zuschaut, wie hier etwas verschwindet.

Ich möchte Ihnen kurz ein persönliches Erlebnis mit dieser Bundeswehrreform schildern. Sie können sich vielleicht erinnern: Die FREIEN WÄHLER haben eine zivil-militärische Kooperation gefordert. Wir haben einen Dringlichkeitsantrag im Landtag gestellt. Wir hatten damit keinen Erfolg. Aber ein paar Tage später kam Staatssekretär Schmidt vom Verteidigungsministerium zu uns, um für diese Idee zu werben. Er sagte: Wenn ihr das hinbekommt, dann ist das eine Maßnahme der Standortsicherung - keine Garantie, aber eine Maßnahme der Standortsicherung.

Wir haben es hingebracht. Wir haben die Option einer zivil-militärischen Kooperation. Dankenswerterweise hat mich Staatsminister Zeil - leider ist er gerade nicht da - hervorragend unterstützt, auch der Kollege Thomae von der FDP im Deutschen Bundestag.

Wir haben gedacht, wir haben das auf die Reihe gebracht und haben unseren Standort gerettet. Falsch. Totalschließung heißt die Antwort. Da frage ich mich: Hat sich die Bayerische Staatsregierung nicht eingesetzt, oder war sie zu schwach, für Bayern etwas herauszuholen?

(Zuruf von den FREIEN WÄHLERN: Beides!)

Es ist ein Trauerspiel. Damit es nicht länger ein Trauerspiel bleibt, müssen wir alle an einem Strang ziehen und das ernst nehmen. Wir müssen es ernst nehmen und diesen Gemeinden, diesen Städten eine Zukunft geben durch Infrastrukturmaßnahmen, Behördenverlagerungen, Standorte von Hochschulen, Forschungseinrichtungen und durch eine Verkehrsanbindung, die ihnen die Chance gibt, durch Infrastruktur dort Wirtschaft anzusiedeln, wo wesentliche Wirtschaftskraft verlorengegangen ist.

Meine Damen und Herren, ich bitte um Zustimmung zu diesem Dringlichkeitsantrag und füge gleich hinzu: Ich denke, dass die Konversion eine der wesentlichen und wichtigsten Aufgaben in den verbleibenden Jahren dieser Legislaturperiode und darüber hinaus sein wird.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Herr Kollege Pohl.

Ich darf Ihnen mitteilen, dass zu allen drei Anträgen zwischenzeitlich beantragt wurde, in namentlicher Form abzustimmen. Das kann frühestens in 15 Minuten geschehen. Einstweilen diskutieren wir den Dringlichkeitsantrag weiter mit dem Beitrag des Kollegen Hintersberger.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Professor Gantzer, die CSU saß nicht still, die CSU sitzt nicht still. Ich wünsche mir, dass Sie Ihren Führungsanspruch und Ihren Befehlston stärker in Ihrer Fraktion und in Ihrer Partei einbringen als auf unsere Fraktion gemünzt. Aber lassen Sie uns nun ernst werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt in der Tat überhaupt nichts schönzureden, aber es gilt, die Tatsachen deutlich zu betonen. Tatsache war und ist, dass an der grundsätzlichen Reform der Bundeswehr, die vor dem Hintergrund der geänderten Einsatzvoraussetzungen eine schlanke, leistungsstarke und schnell einsatzfähige Truppe schaffen will, kein Weg vorbeiführt. Das ist anzuerkennen, und bei allen Diskussionen wurde dies als Realität betont. Sie aber blasen Luftballone auf und tun so, als könnte die grundsätzliche Strukturreform unserer Bundeswehr an Bayern vorübergehen. Diese Reform hat das Ziel,

bestens ausgebildete, einsatzfähige Soldatinnen und Soldaten mit der bestmöglichen Ausrüstung für die zentrale Aufgabe unserer Bundeswehr zur Verfügung zu stellen. Das müssen wir auch fordern, daran führt kein Weg vorbei.

Ein weiterer Aspekt war und ist, die Bundeswehr planungssicher zu finanzieren, anstatt, wie es leider in den letzten Jahrzehnten geschah, sich durchzuwursteln mit allen Folgen, die wir leider zur Kenntnis nehmen mussten und die es nicht zugelassen haben, dass sich unsere Bundeswehr bei Einsatz- und Planungssicherheit optimal auf die veränderten Bedrohungen einstellen konnte.

Bayern bleibt sehr wohl ein attraktives Bundeswehrland und Heimat für unsere Soldatinnen und Soldaten. Mit 2,5 Dienstposten pro tausend Einwohner liegen wir nach wie vor über dem bundesweiten Durchschnitt von 2,4. Das Verhältnis ist also überproportional hoch.

(Zurufe von der SPD)

Das ist zwar ein statistischer Wert, aber er muss einfach auch genannt werden. Nach Niedersachsen haben wir in Bayern weiter die zweithöchste Anzahl von Soldatinnen und Soldaten, auch nach der Reform. Schon bisher standen wir in diesem Ranking an zweiter Stelle. Lassen Sie mich das einfach so darstellen. Die Zahlen, die Kollege Gantzer genannt hatte, stimmen selbstverständlich, da sie aus dem Entscheid des Bundesverteidigungsministers gekommen sind.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. Ich möchte noch auf einige entscheidende Punkte eingehen, und ich denke, wir sind da nicht weit voneinander entfernt.

Trotz schmerzlicher Schließungen und massiver Reduzierungen gerade auch in meiner Heimat Schwaben zeigt die Bundeswehr in Bayern nach wie vor eine flächendeckende Präsenz. Das ist wichtig, und da sage ich unserem Ministerpräsidenten und dem scheidenden Staatskanzleichef sowie unserem Innenminister Dank für ihren Einsatz. Das war und ist nicht selbstverständlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CSU)

Die Tatsache, dass zwei Großverbände, nämlich die Panzerbrigade in der Oberpfalz und die Gebirgsjägerbrigade 23 im südbayerischen Raum mit allen Bataillonsstandorten bestehen bleiben, ist auch ein Grund dafür, dass sich die Bundeswehr in Bayern beheima

tet fühlt. Das kommt in diesen starken Strukturen zum Ausdruck.

Auf die weiteren Punkte möchte ich nur stichwortartig eingehen. Selbstverständlich ist es notwendig und wichtig - da bin ich d’accord mit meinem Kollegen Gantzer -, dass wir zeitnah die zeitlichen Vorstellungen erfahren - da ist in den letzten Wochen vieles falsch berichtet worden -, wann die letzten Soldaten den einen oder anderen Standort verlassen müssen. Das sind Zeitfenster nicht Wochen oder Monate, sondern über Jahre. Das lässt uns Luft, um die Folgen durch verstärkte zivil-militärische Zusammenarbeit zu kompensieren, auch in Verbünden der Forschung und Entwicklung, in der Ausbildung und durch zivile Umsetzung, zum Beispiel durch Förderprogramme. Der zuständige Bundesbauminister Kollege Ramsauer hat gestern schon dargestellt, dass der Bund über eine Fondslösung Förderprogramme auflegen wird.