Protocol of the Session on October 20, 2011

Ich will unterstreichen, dass jedenfalls ich - ich habe auch mal Vergleiche angefordert - keinen Planfeststellungsbeschluss in der Bundesrepublik Deutschland kenne, der über 2.800 Seiten umfasst und der die Anliegen, Probleme und Auswirkungen in einer derart gründlichen Art und Weise abgewogen hat wie der Planfeststellungsbeschluss, der hier erlassen worden ist.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Das ist auch richtig so; denn wir schulden der betroffenen Bevölkerung eine ganz klare Auseinandersetzung mit ihren Einwendungen und Belangen. Das gebietet der Respekt vor diesen Betroffenheiten. Deswegen werden wir es dabei auch nicht bewenden lassen. Wir von der Staatsregierung haben erstens mit Zustimmung zur Kenntnis genommen, dass von dem Planfeststellungsbeschluss vor einer ersten juristischen Runde kein Gebrauch gemacht wird. Wir haben zweitens festgelegt, dass es für die notwendi

gen Infrastrukturmaßnahmen selbstverständlich nicht nur eine Perspektive geben muss, sondern dass es konkrete, klare Festlegungen geben muss, dass die versprochene Infrastruktur zeitnah im Zusammenhang mit einer Inbetriebnahme der dritten Startbahn auch geschaffen wird. Darauf hat diese Region unser Wort, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Zurufe von der SPD: Sehr gut!)

Herr Kollege Herrmann, wir haben gerade hinsichtlich der Neufahrner Kurve und des Erdinger Ringschlusses, wie übrigens auch beim Bahnknoten München, die Dinge so weit vorangetrieben, wie sie noch nie waren. Wir kämpfen gemeinsam dafür, dass selbstverständlich auch die Finanzierung sichergestellt werden kann.

Meine Damen und Herren, wir müssen in unserer Sprache und in unserem politischen Verhalten den Betroffenheiten angemessen Rechnung tragen. Jeder von uns, der hier in der Verantwortung steht, ist dazu aufgerufen, auch zum Ausdruck zu bringen, dass man es sich nicht so leicht macht. Da muss ich schon sagen: Wenn beispielsweise ein Münchner Oberbürgermeister in der Region in dieser schwierigen Situation den Menschen sagt, sie hätten keinen Anspruch darauf, dass sie dort wohnen bleiben können, wo sie lange gewohnt haben, ist das nicht die Sprache, die hier angemessen ist.

(Widerspruch bei der SPD - Alexander König (CSU): Das ist viel schlimmer, er hat von Umsiedeln gesprochen! - Markus Rinderspacher (SPD): Das ist nie gesagt worden!)

- Das können Sie dann alles richtigstellen. Jedenfalls ist das so über die Presse rübergekommen.

(Widerspruch bei der SPD - Unruhe)

Wir stehen hier gemeinsam in der Verantwortung. Jeder kann einen Beitrag dazu leisten, dass sich die Menschen dort ernst genommen fühlen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Ich möchte noch etwas zum Münchner Bürgerbegehren sagen. Ich bin, wie wir alle, auch oft in der Region. Die Menschen dort empfinden es als anmaßend,

(Georg Schmid (CSU): Zu Recht!)

dass woanders über die Bürger entschieden werden soll und sie nicht gefragt werden können.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Deswegen müssen wir sehr genau abwägen, was wir tun, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zuruf des Abgeordneten Alexander König (CSU))

Es setzt allem die Krone auf, wenn man, wie beispielsweise die GRÜNEN, den Menschen auch noch sagt, wenn der Entscheid nicht so ausgeht, wie wir uns das vorstellen, werden wir uns nicht daran halten. Das ist nicht nur respektlos, das ist auch, wie Herr Kollege Pfaffmann neulich richtig gesagt hat, von einem undemokratischen Denken getragen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Meine Damen und Herren, zu Recht wurde darauf hingewiesen, wie bedeutend dieser Flughafen für ganz Bayern ist und dass er im Wettbewerb mit anderen Drehkreuzen eine sehr gute Entwicklung genommen hat, die wirtschaftlich weit über die Region ausstrahlt. Man muss dabei nicht nur den Arbeitsmarkt in der Region im Auge haben, sondern auch wissen, dass gerade Unternehmen mit internationalem Bezug natürlich Standortentscheidungen treffen, weil es diesen Flughafen, dieses Drehkreuz gibt. Deswegen würde ein Unterbleiben des Ausbaus weitere Entwicklungen weit über die Region München hinaus blockieren. Das ist der Gesamtzusammenhang, den wir sehen müssen, wenn wir für unser ganzes Land Verantwortung tragen.

Hier wurde ein Flughafenkonzept eingefordert. Ich rate jedem, einen Blick ins LEP zu werfen. Dort steht, welche Rolle welchen Flughäfen zugemessen wird. Natürlich hat der Flughafen Nürnberg auch eine große Bedeutung für Bayern. Das internationale Drehkreuz ist aber der Flughafen München. Wenn Sie den einen Flughafen gegen den anderen ausspielen, wie es die FREIEN WÄHLER getan haben, zeigen Sie, dass Sie das Thema nicht genügend durchdrungen haben.

(Beifall bei der FDP - Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer (FREIE WÄHLER): Das stimmt doch gar nicht! Das ist falsch! Besser lesen!)

Wir haben vereinbart, dass wir diese notwendigen Infrastrukturmaßnahmen vorantreiben. Wir tun dies aber auf eine Art und Weise, die weder anmaßend ist noch die Bürger in irgendwelche Ecken stellt. Wir sind zum Dialog bereit. Wir nehmen die Sorgen der Bürger ernst, ohne dass wir uns ihnen anbiedern. Das ist ein respektvoller Umgang.

(Beifall bei der FDP)

Vorhin ist hier gesagt worden, man solle genauer hinschauen, es gebe doch gute und schlechte Arbeit. Ich

weiß gar nicht, wer darüber immer entscheidet. Meines Erachtens haben die Tarifvertragsparteien die Rahmenbedingungen festzulegen, lieber Herr Kollege Dr. Beyer.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Darüber sprechen wir heute auch noch!)

Dieser Punkt kann in der Frage, ob wir eine Entscheidung treffen, keine Rolle spielen. Wir sollten hier keine schiefen Argumente bringen.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Die Betroffenen sind keine schiefen Argumente!)

Lassen Sie mich abschließend sagen, dass wir die Diskussion sehr ernsthaft führen und sie nicht verschärfen wollen. Wir wollen die Bürger ernst nehmen, wir wollen aber dieses Projekt vorantreiben, weil wir uns unserer Verantwortung für das ganze Land bewusst sind. Ich habe zugeschaut, wie es hier innerhalb der Opposition läuft, und festgestellt, dass mit Begriffen wie "undemokratisch" oder "menschenverachtend" Politik gemacht wird. Ich weiß, wie wir in der Koalition miteinander reden. Wir haben auch die eine oder andere Auseinandersetzung. Zu so einer Sprache haben wir uns aber noch nie hinreißen lassen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Darum wünsche ich dieser bunten Veranstaltung viel Vergnügen. Wir werden alles tun, damit Sie deswegen, weil Sie nicht zukunftsfähig sind, dort sitzen bleiben, wo Sie sind, nämlich in der Opposition.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Damit ist die Aktuelle Stunde beendet. Ich bitte jetzt darum, dass wir eine Mittagspause einlegen. Sie beträgt wie geplant 30 Minuten.

(Erwin Huber (CSU): Drei Stunden!)

Das bedeutet, dass wir die Beratungen um 14.25 Uhr wieder aufnehmen. Wir haben dann die Zweite Lesung zum Landeswahlgesetz. Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung der Sitzung von 13.54 bis 14.26 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir nehmen die Sitzung wieder auf. Ich darf die anwesenden Kollegen der Fraktionen bitten, nach ihren Kollegen zu schauen. Wir fangen jetzt an.

Wir haben heute ein zeitliches Problem. Für 18.30 Uhr ist das Ende der Sitzung terminiert. Für die Dringlichkeitsanträge werden wir drei Stunden brauchen. Das bedeutet, wir müssten um 15.30 Uhr die Dringlichkeitsanträge aufrufen, ansonsten hätte es wenig Sinn. Wir könnten andernfalls nur einen oder zwei Dringlichkeitsanträge beraten und müssten die restlichen Dringlichkeitsanträge in die Ausschüsse überweisen. Möglicherweise wird gewünscht, gar keine Dringlichkeitsanträge aufzurufen. Es bestünde auch noch die Möglichkeit einer fraktionsübergreifenden Verabredung bezüglich der Zweiten Lesungen. Es bestünde die Möglichkeit, die Zweiten Lesungen zu verschieben.

Um Zeit zu gewinnen, werde ich jetzt in der Tagesordnung fortfahren. Nehmen Sie aber bitte meinen Hinweis auf. Gegebenenfalls müssen wir sehen, wie wir mit den Dringlichkeitsanträgen verfahren.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Landeswahlgesetzes (Drs. 16/8800) - Zweite Lesung

hierzu:

Änderungsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. Dr. Michael Piazolo u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) (Drs. 16/9185)

Bevor wir in die Aussprache eintreten, weise ich darauf hin, dass die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN erklärt haben, dass die Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf in namentlicher Form durchgeführt werden soll.

Ich eröffne die Aussprache. Der erste Redner ist Herr Kollege Professor Dr. Bausback. Ihm wird Herr Kollege Schindler folgen. Herr Kollege Professor. Dr. Bausback, ich kann Ihnen kein größeres Auditorium bieten. Sie haben das Wort.

Herr Präsident, es kommt nicht auf die Masse an, sondern auf die Qualität.

Sehr verehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wahlen sind in einer demokratischen Gesellschaft - so das Zitat von Wolfgang Schreiber, einem der maßgeblichsten deutschen Wahlrechtsexperten der Grundvorgang jedes parlamentarisch-demokratischen Verfassungslebens und Fundamentalausdruck der Volkssouveränität. Schreiber weist darauf hin, dass die Ausgestaltung des Wahlrechts die Gesellschaftsordnung in besonderer Weise prägt und dass

sie eine Messlatte der demokratischen Verfassung und zugleich ein Spiegel des gesellschaftlichen Selbstverständnisses eines Staates sei.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem zentralen Maastricht-Urteil, das dieser Tage in anderer Weise Bedeutung erlangt, das Recht der Staatsbürger, durch Wahlen an der Legitimation von Staatsgewalt teilzunehmen, ein zentrales, subjektives, verfassungsmäßiges Recht genannt. Das Recht, Demokratie zu spenden, ist das wichtigste Bürgerrecht in unserer Demokratie.