Protocol of the Session on October 20, 2011

Das kann man auch einmal so stehen lassen. Ich finde in der Tat aus voller Überzeugung das steuerfinanzierte System überhaupt nicht gerechter. Wenn Sie in diesem Bildungsbereich nicht einmal einen überschaubaren Eigenanteil verlangen, dann verzich

ten Sie darauf, von den Menschen Eigenverantwortung zu fordern.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN - Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Dann müsst ihr in der Hauptschule auch Schulgeld einführen! - Unruhe)

Eigenverantwortung war in der deutschen und bayerischen Geschichte immer noch eine gute Triebfeder, um ein Land voranzubringen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank. Es gibt eine weitere Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Gote für das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön.

Herr Kollege Jörg, nach den Ausführungen frage ich mich wirklich: Wo leben Sie eigentlich?

(Oliver Jörg (CSU): In Würzburg! - Heiterkeit und Beifall bei der CSU)

Sie haben doch von der Realität überhaupt keine Ahnung. Wenn Sie hier behaupten, dass es normal wäre, dass man einen geringen Kostenbetrag zum Studium leisten müsste, dann frage ich mich -

(Oliver Jörg (CSU): "Überschaubar", korrekt zitieren!)

- Darf ich jetzt bitte mal reden, ohne dass Sie mir dreinreden?

(Lachen und lebhafter Widerspruch bei der CSU - Unruhe - Oliver Jörg (CSU): Sie sind ja schon humorvoll veranlagt!)

Ich darf Ihnen erklären - vielleicht verstehen Sie es dann endlich -, dass in Deutschland die Hälfte aller Kosten eines Studiums die Familien und die Studierenden tragen, und zwar ohne Studiengebühren, Herr Jörg. Wissen Sie denn nicht, dass Studieren im Monat mindestens 700 Euro kostet, die allein die Familien und die Studierenden aufbringen? Die Mehrzahl der Studierenden muss nebenher arbeiten, und die Eltern, häufig die Großeltern und sonst wer zahlen dafür. Das ist die Realität. Wenn da noch 500 Euro draufgesetzt werden, macht es das nur noch schlimmer.

(Zurufe von der CSU - Unruhe)

Die Ungerechtigkeit, das sage ich ganz klar, würde auch bleiben, wenn die 500 Euro weg wären. Der eigentliche Skandal besteht darin, dass man sich bei

uns ein Studium nur dann leisten kann, wenn man entweder ganz arm ist.

(Josef Miller (CSU): Das stimmt doch nicht, wo leben Sie denn!)

Dann bekommt man nämlich BAföG und dann ist man fein raus. Das sind ganz wenige, und das wissen Sie auch.

(Anhaltende Unruhe)

Oder man hat eine Familie im Hintergrund, die monatlich 700 Euro aufbringen kann. Ihre Kinder sind noch klein. Warten Sie mal, bis die groß sind. Dann machen Sie vielleicht eine andere Rechnung auf.

Ich will nur, dass Sie endlich aufhören zu behaupten, ein Studium in Deutschland und in Bayern wäre kostenlos und diejenigen, die studieren, würden keinen finanziellen Beitrag dazu leisten. Das ist eine glatte Lüge. Das muss ich hier so deutlich sagen. Die Familien bringen 700 Euro Monat für Monat auf, und da haben Sie die Dreistigkeit, die Studiengebühren noch draufzusatteln. Schaffen Sie die Studiengebühren sofort ab und sorgen Sie für eine vernünftige Studienfinanzierung auf Bundesebene! Wir GRÜNE haben dazu Vorschläge gemacht, wie das gehen könnte.

(Georg Schmid (CSU): Vorschläge schon, aber nicht, wer es zahlt!)

Behaupten Sie aber nicht mehr, ein Studium würde nichts kosten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Jörg, bitte.

Sie können mir nicht vorschreiben, was ich behaupten darf und was nicht. Muss man auf eine solche Polemik überhaupt antworten? Ich würde sagen: eher nein. Machen Sie sich einmal die Mühe, meinen Lebenslauf durchzulesen, dann sehen Sie, dass ich eigenverantwortlich studiert habe.

(Beifall bei der CSU)

Ich habe mich selbst durch das Studium geschlagen, und ich weiß, was das kostet. Hätte es zu meiner Zeit Studienbeiträge gegeben, hätte ich ein Darlehen in Anspruch genommen und es mittlerweile zurückgezahlt. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. Für die FREIEN WÄHLER darf ich nun Herrn Dr. Hans Jürgen Fahn das Wort geben. Ich bitte

alle Beteiligten, dieses Mal mit Zwischenrufen nicht so exzessiv umzugehen; das waren eben doch ein bisschen viele.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

- Wer weiß? - Es gibt zwei Seiten des Hauses. Bitte schön, Herr Dr. Fahn, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Jörg, halten Sie mal den Ball ein bisschen flach. Sie sind auch ein Mann des Ehrenamtes und haben zum Thema Ehrenamt viele Anträge für die Sitzung des Sozialausschusses am nächsten Donnerstag eingebracht. Untersuchungen haben ergeben, dass die Freizeit von Schülern und Studenten immer geringer geworden ist.

(Zurufe von der CSU: Oh, ach!)

- Die Ursache bei den Schülern ist das G 8. Die Freizeit der Studenten ist durch die Verschulung des Studiums geringer geworden, und auch die Studiengebühren spielen eine große Rolle. Deswegen ist die ehrenamtliche Tätigkeit gerade unter den Studenten geringer geworden. Das müssten Sie aber doch unterstützen; denn Sie sind ein Mann des Ehrenamtes.

Wir als FREIE WÄHLER lehnen das Darlehen ab, weil dabei so viele Bedingungen zu beachten sind und so viel Bürokratie damit verbunden ist. Herr Jörg, wissen Sie eigentlich, dass nur 5 % der Studenten das Darlehen in Anspruch nehmen? Da wird immer gesagt, dass das so toll ist. Wenn es wirklich so toll wäre, dann würden es doch viel mehr Studierende in Anspruch nehmen.

Warum sind Studiengebühren so umstritten? - Ein Grund sind die Schweizer Geldtresore, wie wir immer gesagt haben. Das sind die vielen Millionen, welche die Universitäten angehäuft haben. Wenn die Opposition das nicht permanent angeprangert hätte, hätte der Wissenschaftsminister oder der Ministerpräsident gewiss nicht gesagt, dass das abgebaut werden muss. Dazu sind Sie jetzt auf dem Weg, aber sonst hätten Sie das nicht gemacht. Ein weiterer Grund ist die fehlende Transparenz; das muss ich ganz klar sagen. Die Studenten wollen nämlich Transparenz. Sie wollen wissen, was mit ihren Studiengebühren passiert und wie sie verwendet werden. Ich habe am 12.01.2011 eine Schriftliche Anfrage gestellt. Unter anderem fragte ich nach den Ursachen für diese Geldanhäufung. In Frage 4 wollte ich wissen, welche Einzelmaßnahmen aus den Einnahmen der Studiengebühren die staatlichen Hochschulen im Jahr 2010 zur Verbesserung der Studienbedingungen durchführten. Diese Anfrage habe ich am 12.01.2011 gestellt. Zweimal hat das Ministerium eine Fristverlängerung

beantragt. Bis heute ist diese Frage, um die es eigentlich geht, vom Ministerium nicht beantwortet.

(Zuruf des Abgeordneten Markus Rinderspacher (SPD))

Wir haben vor drei Tagen wieder angerufen, und man hat uns gesagt, die Antwort kommt in den nächsten Tagen. Es ist doch ein Skandal, Herr Wissenschaftsminister, dass Sie es nach zehn Monaten immer noch nicht geschafft haben, diese Übersicht zu liefern.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN - Zurufe von der CSU - Unruhe)

Wenn es ein Ministerium nicht schafft, innerhalb von zehn Monaten die Verwendung der Studiengebühren detailliert zu dokumentieren und damit die notwendige Transparenz zu gewährleisten, braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Studiengebühren bei den Studenten und in der Bevölkerung keine Akzeptanz finden. Das wird von Untersuchungen der Universität Hohenheim immer wieder bestätigt. Die Studenten wollen zeitnah genau wissen, wie die Studiengebühren verwendet werden; dann würden sie diese vielleicht akzeptieren. Das ist de facto nicht der Fall. Über 5.000 persönliche Interviews wurden geführt: Nur 20 % der Studenten fühlen sich ausreichend über die Verwendung der Studiengebühren informiert. Bundesweit betrachten sich 85 % der Studierenden als nicht ausreichend darüber informiert.

Herr Jörg, ich habe ein Zitat von Ihnen gefunden. Sie haben im Hochschulausschuss gesagt, Sie seien ein Transparenzfan; so steht es im Protokoll. Gleichzeitig sind Sie gegen die Transparenz, wenn die Hochschulen einmal jährlich Rechenschaft über die Verwendung der Studiengebühren abgeben müssen. Das ist doch ein Widerspruch. So kann es nicht sein. Die Studenten wünschen Transparenz und eine zeitnahe Unterrichtung über die Verwendung der Studiengebühren. Genau das fehlt aber in Bayern. Deshalb haben Studiengebühren einen so schlechten Ruf.

Klar, heute bekommen Sie die Mehrheit. Jetzt aber wird das Volk sprechen. Wir haben das Volksbegehren zur Abschaffung der Studiengebühren jetzt angeleiert. Die notwendigen 25.000 Unterschriften werden wir in Kürze vorlegen. Die SPD macht eine Massenpetition, und die ÖDP macht die Popularklage. Dann werden wir sehen, was kommt. Wir sind uns dessen sicher, dass das wirklich ein Thema ist, das die Bevölkerung interessiert. Wir werden das abschaffen. Wir haben es so gestaltet, dass wir möglichst keine juristischen Bedenken befürchten müssen.

Wir kennen auch die Denkweise des Herrn Ministerpräsidenten, der vielleicht beabsichtigt, sich später ir

gendwann, vielleicht in den nächsten zwei Jahren, an die Spitze des Zuges zu stellen und kurz vor der nächsten Landtagswahl die Abschaffung der Studiengebühren zu verkünden. Wir halten das für ein durchschaubares Manöver und werden es durchkreuzen.

(Zuruf des Abgeordneten Harald Güller (SPD))

Deswegen kreuzen im Moment viele Bürger das entsprechende Feld an.

(Alexander König (CSU): Verratet nicht gleich eure ganze Strategie!)

Wir wollen eine ehrliche Politik vor und nach der Wahl machen. Wir haben vor der Wahl gesagt, dass wir für die Abschaffung der Studiengebühren sind, und wir sagen nach der Wahl, dass wir gegen die Studiengebühren sind.