Protocol of the Session on October 20, 2011

Die Banalität, dass es diese hundertprozentige mathematische Gleichheit nicht gibt - rein denklogisch, Kollege Schindler -, entbindet uns natürlich nicht von der Verpflichtung, diesem gleichen Erfolgswert möglichst nahezukommen. Die Abweichung muss nur so gering wie möglich sein. Man kann es auch anders formulieren: Je größer die Abweichung, desto größer ist das rechtliche Risiko.

Damit ist auch schon die Frage beantwortet, ob wir eine Alternative zur Mandatsverschiebung von Oberfranken und der Oberpfalz nach Oberbayern gehabt hätten. Die Antwort ist ganz einfach und lautet: Nein! Jeder, der hier den Eindruck erweckt, wir könnten es mal ohne diese Verschiebung probieren, riskiert, dass wir im Jahr 2013 eine Landtagswahl abhalten, die nicht den verfassungsrechtlichen Regeln entspricht. Dazu kann ich nur eines sagen: Das Wahlrecht ist der falsche Ort für politische Sandkastenspiele. Die können wir hier nicht brauchen!

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Eines ist auch klar: Das Wahlrecht folgt der Bevölkerungsentwicklung und nicht umgekehrt. Kollege Meyer, Sie haben gesagt, der Wegfall eines Mandats geht an die Seele der Menschen. Ich frage mich: Glauben Sie das wirklich? Wo leben Sie denn? Meinen Sie, dass es die Bevölkerung tatsächlich so sehr interessiert, ob es 17 oder 16 Abgeordnete sind, und dass sie vielleicht deswegen wegziehen? Seien Sie doch ehrlich: Die Menschen ziehen nicht deshalb weg, weil es einen Abgeordneten weniger gibt, sondern sie ziehen weg, wenn der Arbeitsplatz fehlt, wenn die Schule schließt oder wenn der Arzt fehlt.

Das ist Strukturpolitik und nicht ein Mandat mehr oder weniger.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Zurufe von der SPD)

Ich finde es schon sehr interessant, wenn man die Quantität der Abgeordneten so sehr bemüht.

(Zuruf des Abgeordneten Markus Rinderspacher (SPD))

Ich finde es sehr interessant, dass die SPD und die GRÜNEN, als die Verkleinerung des Landtags auf 180 Mandate angestanden hat und mit einem Volksentscheid bestätigt wurde, kein Problem darin gesehen haben, dass es statt 20 nur noch 17 Mandate für Oberfranken gibt, aber dass es jetzt ein großes Problem ist, wenn es statt 17 Mandaten 16 sind. Das sind Krokodilstränen, das ist scheinheilig, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Zuruf von den GRÜNEN)

Ich weise genauso entschieden den Vorwurf zurück, dass in Bayern eine verfehlte Strukturpolitik gemacht wird. Das ist nicht richtig. Sie tun gerade so, als ob das Problem der Abwanderung in die Ballungsräume ein rein bayerisches Problem wäre. Sie wissen doch ganz genau, dass das in ganz Deutschland der Fall ist. Überall wandern die Menschen ab. Das ist eine Folge der demografischen Entwicklung,

(Zurufe von der SPD: Oh!)

und es ist eine Folge der Anziehungskraft der Ballungsräume.

(Zurufe von der SPD)

Der ländliche Raum in Bayern - das sage ich hier als Vertreter des ländlichen Raums - steht besser da als überall anders in Deutschland.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Kolleginnen und Kollegen, ich sage Ihnen, dass es eigentlich keine Alternative gegeben hätte. Wenn wir eine Mandatszahl in Oberfranken oder der Oberpfalz nicht festschreiben wollen, dann gibt es nur eine andere Möglichkeit, nämlich eine Erhöhung der Mandatszahl im Bayerischen Landtag. Diese Erhöhung würde bedeuten, dass wir eine Verfassungsänderung brauchen. Nun kann man sagen: Gut, das wollen wir so haben, das ist uns das wert, das ist uns auch die Kosten wert. Aber die Folge wäre eben auch die Vergrößerung des Bayerischen Landtags - und das, ob

wohl es eine bewusste Entscheidung in der Vergangenheit war, den Landtag zu verkleinern.

Nun kann man natürlich einwenden, es gehe doch nur um fünf oder sechs Mandate. Aber dann muss man auch sagen: Wehe, wenn ich auf das Ende sehe. Wenn sich nämlich diese Entwicklung fortsetzt, dann können es auch mehr Mandate sein, dann ist vielleicht der Punkt erreicht, wo wir reagieren müssen.

Deswegen sage ich: Heute stehen wir vor der Aufgabe, ein Wahlrecht für 2013 zu schaffen und nicht ein Wahlrecht für 2018. Wir haben von allen Experten die klare Meinung gehört: Das, was wir hier vorlegen, ist verfassungsgemäß. Daher sage ich: Nehmen wir uns diese Aufgabe als Ziel. Wir wollen 2013 ein verfassungsgemäßes Wahlrecht, und wenn es 2018 Regelungsbedarf gibt, dann kann das in der nächsten Legislaturperiode geklärt werden.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Ale- xander König (CSU))

Die Expertenanhörung hat noch etwas klar ergeben. Sie hat klar ergeben, dass das Argument, das veränderte Wahlrecht würde zu einer Verschärfung der Fünf-Prozent-Klausel führen, in dieser Legislaturperiode jedenfalls rechnerisch ziemlich sicher nicht greift. Das ist ein weiterer Grund zu sagen, wir sind nicht gezwungen, in dieser Periode eine Änderung vorzunehmen, eine Änderung, die zur Erhöhung der Mandatszahl und damit zu einer Aufblähung des Bayerischen Landtags führen würde, die von der Bevölkerung ganz sicher nicht gewollt würde.

Ich möchte aber auch noch auf die Frage des Zuschnitts der Stimmkreise eingehen. Da muss ich schon einige Dinge klarstellen. Es ist sehr schön, wenn man allen alles verspricht. Das ist die Politik, die offensichtlich von den FREIEN WÄHLERN gemacht wird, indem man sagt: Ich möchte niemandem etwas wegnehmen, ich möchte niemandem wehtun, und am besten stelle ich auch keinen Änderungsantrag, etwa nach dem Motto: "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!", dann mache ich nichts falsch.

(Beifall bei der FDP)

So einfach, Kolleginnen und Kollegen, kann man es sich machen, wenn man hier keine Vorschläge vorlegt. Fakt ist, dass es genau einen Vorschlag gab, der hier auf dem Tisch lag. Es gab einen einzigen Änderungsantrag. Er war, zugegeben, von Ihnen und betraf den Stimmkreiszuschnitt in der Landeshauptstadt München. Zu diesem einen Änderungsantrag möchte ich auch Stellung nehmen.

Dieser Änderungsantrag wurde mit dem Argument begründet, die Stadtbezirke seien eine so große Identifikationsklammer, dass man ihre Grenzen zugrunde legen müsse. Und dazu sage ich jetzt: Das bezweifeln wir!

(Markus Rinderspacher (SPD): Ei, ei, ei!)

Es gibt ganz klar eine Identifikation der Menschen mit einem Stadtteil, aber nicht mit einem Stadtbezirk, mit einer willkürlich gezogenen politischen Grenze, einer Grenze, die genauso willkürlich politisch gezogen ist wie jetzt in der Stimmkreisreform. Das ist nicht die Identifikation der Menschen draußen. Deswegen haben wir gesagt: Es gibt keinen Grund, in der Landeshauptstadt München etwas zu ändern. Es gibt keinen Grund, weil es eben in der Natur der Sache liegt, dass auf der anderen Seite der Straße ein anderer Stimmbezirk ist und die Stimmbezirke unmittelbar aneinanderstoßen.

Interessant ist auch die Stellungnahme, die vonseiten der GRÜNEN hier vorgetragen wurde. Kollegin Tausendfreund, auf der einen Seite beklagen Sie, das Ergebnis sei von vornherein festgeklopft worden, und auf der anderen Seite beklagen Sie, dass es einen Änderungsantrag der FDP gegeben hat, bei dem es in der Oberpfalz nochmals zu einer Änderung gekommen ist. Das, Kolleginnen und Kollegen, ist widersprüchlich.

Der Änderungsantrag, dem wir hier gefolgt sind, war eindeutig nicht parteipolitisch motiviert, sondern er war der Tatsache geschuldet - ich möchte nur ganz kurz darauf eingehen -, dass die Gemeinden Sinzing und Pettendorf wenig Kontakt zur Stadt haben, viel weniger Kontakt zu Regensburg-Stadt als die Gemeinden, die jetzt betroffen sind, nämlich Pentling und Wenzenbach. Die Verkehrsverbindung ist in Sinzing und Pettendorf schlechter. Sie erfolgt im Falle Sinzing nur über eine Autobahnbrücke. Hier ist die Donau ein trennendes Element. Das waren sachliche Gründe, die uns dazu bewogen haben, diesen Änderungsantrag zu stellen. Deswegen weise ich mit Nachdruck eine parteipolitische Motivation an dieser Stelle zurück. Das war nicht der Grund, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Ich fasse zusammen: Der vorgesehene Gesetzentwurf ist schlüssig, er ist nachvollziehbar, und er gewährleistet bei der kommenden Wahl einen verfassungsgemäßen Zustand. Deswegen wird die FDPFraktion diesen Gesetzentwurf unterstützen und bittet Sie um Ihre Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Vielen Dank, Herr Dr. Fischer. Einen Moment, bitte. Wir haben zwei Zwischenbemerkungen. Zuerst spricht Kollege Dr. Rabenstein. Bitte schön.

Herr Kollege Dr. Fischer, Sie haben die Empfindlichkeit und das Empfinden der Region Oberfranken angesprochen. Ich glaube, Sie als Abgeordneter aus Kelheim sollten hier etwas vorsichtiger sein. Ich als Abgeordneter in Oberfranken habe nicht nur die öffentliche, sondern auch die veröffentlichte Meinung des letzten halben Jahres sehr genau angeschaut. Die Bevölkerung in Oberfranken ist nicht deshalb so empört, weil sie ein Mandat verliert, wie Sie gesagt haben. Das ist schließlich auch bei der Verkleinerung des Landtags geschehen. Nein, bei der Verkleinerung des Landtags haben alle Regierungsbezirke verloren. Aber hier geht es um Oberfranken und um die Oberpfalz. Die Bevölkerung in Oberfranken und in der Oberpfalz ist deshalb so empört, weil diese Regierungsbezirke eindeutig durch eine verfehlte Strukturpolitik Bevölkerung verloren haben.

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CSU)

Wer ist denn sonst daran schuld? Es ist nicht nur eine demografische Entwicklung, die wir in ganz Deutschland haben, sondern wir haben in diesen Regionen eindeutig Abwanderung. Man sagt sogar, gerade in Wunsiedel müsse man das machen, weil die Bevölkerung dort in den nächsten Jahren noch weiter zurückgeht. Daran sieht man, welche Einstellung es hier gibt.

Nein, die Bevölkerung ist deshalb so empört, weil die Einwohnerzahl in dieser Region so stark zurückgeht und weil sie dafür noch bestraft wird, indem sie ein Mandat verliert und somit noch weniger Einfluss hat.

(Unruhe bei der CSU - Glocke des Präsidenten)

Erst diese Kombination führt dazu, dass wir in der öffentlichen und veröffentlichten Meinung in diesen Regionen eine Stimmung haben, die sich eindeutig gegen diesen Vorschlag ausspricht, und das ist entscheidend.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Unruhe bei der CSU)

Vielen Dank. Bitte schön, Herr Kollege Dr. Fischer.

Herr Kollege Rabenstein, wenn Sie mir zugehört hätten, dann hätten Sie

gehört, dass ich sehr deutlich gemacht habe, dass es zu dieser Entwicklung keine verfassungsrechtlich zulässige Alternative gibt. Wenn Sie mir weiter zugehört hätten, dann hätten Sie auch gehört, dass ich gesagt habe: Natürlich müssen wir bei der Strukturpolitik ansetzen, und wir tun das längst. Dass Sie die Gelegenheit nutzen, hier eine Debatte über die Strukturpolitik vom Zaun zu brechen, ist das Vorrecht der Opposition. Es wird dadurch aber nicht richtiger, Herr Kollege.

(Dr. Christoph Rabenstein (SPD): Das gehört dazu!)

Moment, Herr Dr. Fischer. Wir haben eine Zwischenbemerkung des Herrn Kollegen Meyer. Bitte schön.

Herr Kollege Dr. Fischer, um Ihre Frage, die Sie direkt an mich gestellt haben, zu beantworten: Ich lebe in Oberfranken. Wie Kollege Rabenstein gerade ausgeführt hat, ist es den Menschen nicht egal, wie es mit ihrer Vertretung weitergeht. Sie haben dem Kollegen Rabenstein vorgeworfen, dass Ihnen niemand zuhört: Sie haben nach den Alternativen gefragt. Als wenn es keine Alternative auf dem Tisch gegeben hätte! Was haben Sie, die FDP und die CSU, in den letzten 14 Tagen eigentlich diskutiert? Die Presse hat vorgestern verkündet, Sie hätten sich geeinigt, es bleibe bei dem Stimmkreis Wunsiedel-Kulmbach. Wenn es nicht so ist, was haben Sie dann diskutiert?

(Thomas Hacker (FDP): Die Alternative bei der Stimmkreiseinteilung; nicht beim Wegfall der Mandate! Wir können es noch einmal erklären!)

Da kommt es nicht, Kollege Hacker, auf einen förmlichen Antrag an, den Sie sowieso abgelehnt hätten. Sie haben 14 Tage lang den Stimmkreiszuschnitt diskutiert

(Thomas Hacker (FDP): 10 Monate!)

und sagen, es gab keine Alternative.