Protocol of the Session on June 28, 2011

Wunderbar! Dort haben wir es geschafft. In Kärnten wird das verwirklicht, was wir hier fordern. Hier haben wir es noch nicht geschafft, obwohl es der Zukunftsrat fordert.

Was möchte ich damit zum Ausdruck bringen? - Die Forderungen des Zukunftsrates werden in diesen Teilen natürlich auch von uns Sozialdemokraten unterstützt; sie entsprechen unseren Anträgen. Warum kritisieren wir aber trotzdem den Zukunftsrat massiv? Es geht - das ist auch schon öfter angesprochen worden - um das Kapitel "Metropolregionen und ländlicher Raum"; das sind die Seiten 31 bis 62, ist also ein zentrales Kapitel mit 30 Seiten. Es beginnt mit einer Feststellung.

Zunächst muss ich noch eine Vorbemerkung machen. Ich habe den Eindruck, dass viele, die sich mit dem Zukunftsrat beschäftigt haben, dieses Kapitel nicht richtig gelesen haben. Ich werde auf Ihre Folgerungen, Herr Staatsminister, eingehen; ich bin anderer Meinung. Man muss das wirklich genau lesen und sehen, was neben den vielen Nebensätzen, die auch vorkommen, an Aussagen steht.

Es beginnt mit einer Feststellung. Dort heißt es:

Schon jetzt zeigt sich, dass sich in großen Regionen im Norden und Osten Bayerns die Bevölkerungszahl negativ entwickelt. Gleichzeitig findet nennenswerter Bevölkerungszuwachs primär nur noch in Oberbayern statt.

Das stimmt. Man gibt sich aber einfach damit zufrieden. Das ist gottgegeben; da kann man scheinbar nichts machen, und darauf bauen wir jetzt auf. Ich sage dazu: Das ist der falsche Einstieg des Zukunftsrates. Wenn ich einfach akzeptiere, dass sich in Bayern die Verhältnisse unterschiedlich entwickeln und dass dies so weitergeht, kann ich gleich mit Strukturpolitik Schluss machen; dann brauche ich gar nichts mehr zu machen. Das ist der falsche Ansatz. Wir sind der Meinung, dass man neben dem allgemeinen demografischen Wandel natürlich etwas machen kann und etwas machen muss, damit die Bevölkerung in den strukturschwachen Gebieten nicht so stark zurückgeht, wie das jetzt noch der Fall ist. Dazu haben wir auch deutliche Forderungen formuliert.

(Alexander König (CSU): Was schlagen Sie denn alles vor?)

Dann kommt das berühmte Szenario, das vorgestellt wird und das vom Staatsminister Huber als "gut" eingeschätzt worden ist. Ich möchte das doch einmal vortragen. Zu den Entwicklungsstrategien heißt es:

1. Fokus rein auf eine Megacity (Bayern wird München)

Sämtliche Investitionen werden auf München und Umgebung konzentriert, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Das ist also Vorschlag Nummer 1. Vorschlag Nummer 2 lautet:

Vernetzung existierender Zentren

Neben München werden gezielt Städte mit Wachstumspontenzial durch Vernetzung und Anbindung an München zu sogenannten Leistungszentren entwickelt.

Dann kommt Szenario Nummer 3.

Fokus rein auf den ländlichen Raum

Investitionen fließen nur in die Entwicklung des ländlichen Raums, die Städte werden regulatorisch am weiteren Wachsen gehindert.

Das ist das Szenario, das vom Zukunftsrat aufgestellt wird. Auf Seite 49 heißt es:

Dabei wurde Szenario 2 als optimale Strategie für eine nachhaltige Entwicklung Bayerns identifiziert.

(Alexander König (CSU): Sind wir uns einig, dass das Unsinn ist, Herr Kollege Dr. Rabenstein?)

Dann werden die Leistungszentren benannt. Neben München kommen die Städte Augsburg, Ingolstadt, Nürnberg, Erlangen und Fürth, Regensburg und Würzburg in Frage. Kriterium ist dabei die Größe von 100.000 Einwohnern. Das ist die Aussage der Wissenschaftler des Zukunftsrates, und das ist das Konzept des Zukunftsrates.

Was sollen nun die Bezirke unternehmen, die keine Leistungszentren haben? Auch dazu gibt es auf Seite 52 eine Antwort. Ich zitiere wieder wörtlich:

Regionen ohne … Leistungszentren kompensieren die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit durch ein Mehr an Lebensqualität und ökologischer Nachhaltigkeit und helfen so, Bayern ausgeglichen zu entwickeln.

(Volkmar Halbleib (SPD): Das ist wissenschaftlicher Zynismus! - Alexander König (CSU): Das ist völliger Blödsinn!)

- Genau, das meine ich auch.

Auf Seite 56 heißt es, dass eine länderübergreifende Betrachtung zu prüfen ist, zum Beispiel Oberfranken und Sachsen, Passau und Österreich.

Was sagt die Bayerische Staatsregierung in ihrer Stellungnahme - nicht Sie, Herr Minister, sondern die Bayerische Staatsregierung - zu diesen Aussagen? - Zunächst wird in der Stellungnahme auf die Drei-SäulenStrategie verwiesen. Darin wird auch die Unterstützung der strukturschwachen Räume betont. Dazu muss ich sagen: Das ist gut und richtig und ist auch unsere Strategie. Dann geht es aber weiter. Wörtlich heißt es dann: Die Ausführungen des Zukunftsrates widersprechen dem nicht. Im Bericht sind manche Formulierungen möglicherweise zu eng interpretiert worden.

(Zuruf des Abgeordneten Alexander König (CSU))

Das ist wirklich ein starkes Stück. Hier beginnt unsere Kritik. Anstatt klar auf die Defizite des Zukunftsrates hinzuweisen, wird die Darstellung noch verteidigt. Ich kritisiere an der Staatsregierung, dass sie diesen Zukunftsrat auch in diesem Punkt verteidigt, an dem es massive Kritik von der CSU, von allen Verbänden, vom Landratstag und von allen, was man sich vorstellen kann, gibt. Ich bleibe bei der Feststellung des ehemaligen Wirtschaftsministers Huber: haarsträubender Blödsinn. Ich möchte jetzt in mehreren Punkten begründen, warum das haarsträubender Blödsinn ist.

Erstens. Ich komme auf die Szenarien zurück. Die Prämisse mit den drei Szenarien ist von Grund auf falsch. Das Szenarium Nummer 3 lautet: Investitionen fließen nur in die Entwicklung des ländlichen Raums. Die Städte werden regulatorisch am weiteren Wachstum gehindert. Wer will denn das? Wer von den Leuten, die sich mit dem ländlichen Raum auseinandersetzen, hat denn gefordert, dass sämtliche Investitionen in den ländlichen Raum gehen und dadurch die Städte praktisch am Wachsen gehindert werden? Das wollte doch niemand. Wenn ich eine solche falsche Prämisse vorgebe, kann ich nur zu einem falschen Schluss kommen und sagen, das Szenarium 2 wäre das Richtige.

(Beifall bei der SPD)

Hier wurde schon die Prämisse falsch gestellt. Von dieser falschen Prämisse ausgehend kommt man zu dem Schluss: Bayern und München, das geht nicht. Da würde ganz Bayern aufjaulen und sagen: Bayern ist nicht München, und München ist nicht Bayern. Damit kommt man auf das Szenarium 2, wonach der ländliche Raum abgehängt würde.

Zweitens. Die zweite Begründung lautet: Die Potenziale der sogenannten ländlichen Räume würden nicht gewürdigt. Deshalb kam der Zukunftsrat zu einem völlig falschen Vorschlag, nämlich dem Ausbau der ökologischen Nachhaltigkeit. Das heißt wohl Erholungsräume für die Leistungszentren. Ich muss deutlich sagen: Oberfranken und Niederbayern haben nicht nur schöne Landschaften, sondern auch fortschrittliche Unternehmer und innovative Betriebe, die unterstützt werden müssen. Das muss unsere Forderung sein.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Bernd Sibler (CSU))

Geschätzter Herr Vizepräsident Bocklet, deshalb muss ich Ihrem Gutachten und Herrn Dr. Paesler recht geben, der gefordert hat: Die von den Gutach

tern gewählten Begriffe der Leistungszentren sollten daher zumindest auf alle Oberzentren ausgedehnt werden, also etwa auf die Mittelstädte wie Aschaffenburg, Bamberg, Bayreuth, Kempten, Passau, Rosenheim, Straubing, Weiden und andere. Wir könnten noch Hof und Coburg nennen. Das ist die richtige Forderung. Sie geht weit über das, was der Zukunftsrat gesagt hat, hinaus.

(Beifall bei der SPD)

Drittens. Die Empfehlung, Oberfranken mit Sachsen und Passau mit Österreich zusammenzulegen, ist eine Beleidigung und Demütigung für die betroffene Bevölkerung. Das möchte ich hier einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte das begründen: Natürlich wollen wir die Zusammenarbeit mit diesen Regionen, die mit Sachsen, Thüringen oder Österreich schon immer praktiziert wurde. Das gilt auch für die Zusammenarbeit von Oberfranken mit Tschechien. Hier sind wir dran. Durch diese eigenartigen Aussagen des Zukunftsrats hat man jedoch den Eindruck, als ob man diese Regionen - vor allem Niederbayern und Oberfranken loswerden wollte wie arme Verwandte, die woanders unterkommen sollten. Dieser Eindruck, dass man abgeschoben werden soll, sorgt für Empörung in der Region.

(Alexander König (CSU): Jawohl!)

Herr Dr. Paesler spricht in seinem Gutachten davon, dass die Fixierung auf Großstädte für die Bewohner ländlicher Räume zynisch klingt. Herr Vizepräsident Bocklet, damit hat er recht.

(Beifall bei der SPD - Alexander König (CSU): Das stimmt, ist aber keine neue Erkenntnis!)

Viertens. Ich habe schon eingangs gesagt, dass der Bericht des Zukunftsrats unwissenschaftlich und in vielen Teilen unprofessionell ist. Auch dies wird von Herrn Dr. Paesler kritisiert. Er spricht von gravierenden Mängeln und davon, dass mangelnde Kenntnis des aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstandes bei diesem Gutachten erkennbar seien. Ich frage mich, wofür die Staatsregierung dieses Geld ausgegeben hat, wenn der Zukunftsrat nicht einmal auf dem neuesten Stand der Forschung ist.

(Beifall bei der SPD)

Was soll beispielsweise die Empfehlung, dass Bayern vorbildliche Regierungsformen aus Singapur übernehmen sollte? Ich kann nur sagen: Aufgewacht, Regie

rung. Wenn das die Forderung des Zukunftsrats ist, dann fahrt einmal nach Singapur und schaut euch einmal das dortige Regierungssystem an. Hier sieht man, wie unprofessionell dieses Gutachten ist.

Fünftens. Ich glaube, dass die Zusammensetzung des Zukunftsrats nicht professionell war. Das wurde vielfach kritisiert und in dem Gutachten dargelegt. Keiner, der etwas von Raumordnung versteht, war dabei. Ich sage auch ganz selbstbewusst: Kein einziger Oberfranke war dabei. Was soll denn da schon Gescheites rauskommen?

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD und den FREI- EN WÄHLERN)

Ich fasse zusammen: Die vielfache Kritik, gerade von der CSU-Seite, zeigt, wie problematisch die Empfehlungen des Zukunftsrats sind. Die Staatsregierung hat sich nicht klar von diesem Zukunftsrat und seinen Empfehlungen, gerade in diesem kritischen Teil, distanziert. Sie hat das auch heute vermieden. Ich kritisiere das umso schärfer. Wir brauchen eine nachhaltige Strukturpolitik, auch für den ländlichen Raum. Dafür haben gerade wir Sozialdemokraten, Annette Karl und meine Wenigkeit, viele Vorschläge eingebracht und hoffen, dass diese Beschlüsse, die zum Teil einstimmig gefasst worden sind, umgesetzt werden. Papier ist geduldig.

Ziel muss es sein, gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern zu schaffen. Wir brauchen starke Zentren, das möchte ich noch einmal ganz deutlich sagen. Aber Bayerns Stärke war und ist auch der ländliche Raum. Er darf nicht abgehängt werden.

(Beifall bei der SPD)