Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Susann Biedefeld, Adelheid Rupp u. a. und Fraktion (SPD) zur Einführung des Verbandsklagerechts für Tierschutzverbände (Bayerisches Tierschutzverbandsklagegesetz - BayTierSchVbklG) (Drs. 16/5966) - Zweite Lesung
Ich darf um Aufmerksamkeit bitten und eröffne die Aussprache. Wir haben eine Redezeit von 10 Minuten vereinbart. Die erste Rednerin ist Frau Kollegin Rupp, gefolgt von Herrn Kollegen Kobler. Frau Kollegin Rupp, Sie haben das Wort.
(Von der Rednerin nicht auto- risiert) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Man könnte die ganze Diskussion über das Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände mit einem Satz zusammenfassen: Der Bayerische Landtag hat es wieder einmal versäumt, etwas Vernünftiges zu tun. In dieser ganzen Diskussion halte ich es für auffällig - das zeigt sich, wenn man die Protokolle liest und sich eingehend damit beschäftigt -, dass dieser kleine Gesetzentwurf, der eigentlich etwas ganz Selbstverständliches vorsieht, bei manchen Kolleginnen und Kollegen geradezu zu Horrorvisionen führt. Von Frau Müller von den Freien Wählern wird schon der Tod der bäuerlichen Landwirtschaft gesehen. Herr Kobler von der CSU glaubt, dass der Untergang unserer Gerichte bevorstünde, weil sie in einer Prozessflut versänken. Vonseiten der FDP sind sich Herr Thalhammer und Herr Fischer überhaupt nicht einig, wie die Frage des Tierschutzes und des Verbandsklagerechts zu bewerten ist. Es bleibt der Eindruck, dass man sich nicht wirklich mit dem Gesetzentwurf beschäftigt hat, sondern einfach gewissen Vorurteilen
Tierschutz ist ein Rechtsgut mit Verfassungsrang. Artikel 20 a des Grundgesetzes und Artikel 141 Absatz 1 Satz 2 der Bayerischen Verfassung legen fest, dass wir verpflichtet sind, effektiven Tierschutz zu leisten. Effektiv ist das, was wir aktuell haben, nicht, da Tiere selbst nicht in der Lage sind, ihre Interessen zu vertreten. Unsere Verpflichtung umfasst drei Bereiche. Das ist zum einen der Schutz vor nicht artgemäßer Haltung, zum anderen der Schutz vor vermeidbarem Leiden sowie der Schutz vor Zerstörung des Lebensraums.
Häufig wurde in Diskussionen in den Ausschüssen argumentiert, es gebe ausreichend gesetzliche Regelungen. Wenn dem so ist, so ist nicht nachvollziehbar, warum es diese Angst vor der Prozessflut gibt. Sie ist ein Widerspruch in sich, weil klar ist: Wenn alles ordnungsgemäß vonstatten geht und es keine tierquälerische Haltung gibt, wenn die Berichte alle falsch sind, dann haben wir bei Einführung eines Verbandsklagerechts auch keine Prozessflut zu befürchten. Wir wissen aber alle, dass immer wieder massiv gegen den Tierschutz verstoßen wird und dass die Interessen von den Tieren nicht selbst artikuliert werden können. Damit kommt es zu einem rechtlichen Ungleichgewicht zwischen Tiernutzern und den zu schützenden Tieren. Auch ein "Zu wenig" an Tierschutz muss gerichtlich überprüfbar sein. Die Verbandsklage wäre der juristisch richtige Weg gewesen, um dies zu ermöglichen. Nicht zum ersten Mal im Bayerischen Landtag wird dies von einer Mehrheit abgelehnt.
Ich finde, dieses Verhalten ist äußerst enttäuschend, weil ich glaube, dass Sie sich nicht intensiv mit dem befasst haben, um das es eigentlich geht. Es geht unter anderem um das Schlachten von Tieren ohne Betäubung, um das Kürzen von Schnabelspitzen bei Nutzgeflügel, das Kürzen des bindegewebigen Endstückes des Schwanzes von männlichen Kälbern, die weniger als drei Monate alt sind, mittels elastischer Ringe, um die Verwendung von Wirbeltieren für Tierversuche, die nicht für solche Zwecke gezüchtet worden, also Primaten, Hunde, Katzen usw. Es geht ferner um das Züchten, Halten, Zurschaustellen, Ausbilden, Handeln und Bekämpfen von Wirbeltieren nach den unter § 11 des Tierschutzgesetzes genannten Zwecken. All diese Maßnahmen quälen die Tiere. Für mich ist es nicht nachvollziehbar, warum Sie nicht bereit sind, ein Verbandsklagerecht einzuführen.
Im Tierschutzbeirat, der immer wieder zitiert wird, wurde von vielen Organisationen darauf hingewiesen, dass ein Verbandsklagerecht wichtig und einzuführen wäre. Frau Staatssekretärin Huml, Sie haben in der letzten Sitzung des Tierschutzbeirates gesagt, dass man sich durchaus überlegen müsse, wie man weiter verfahre. Ich finde es sehr schade, dass Sie offensichtlich keinen Einfluss auf die CSU-Fraktion ausüben konnten, um tatsächlich einen Schritt weiterzukommen.
Die Argumentation des Kollegen Kobler finde ich ebenfalls bedauerlich. Im Falle der Einführung eines Verbandsklagerechtes sieht er die Forschung und die Wirtschaft beeinträchtigt. Ich glaube nicht, dass Wirtschaft und Forschung durch Klagen beispielsweise gegen tierquälerische Haltungen beeinträchtigt werden. Im Übrigen, selbst wenn dies Effekte auf die Wirtschaft hätte, kann dies von uns nicht gewünscht sein.
Frau Müller, ich empfehle Ihnen dringend, in Tierschutzfragen nicht mehr in diesem Landtag aufzutreten. Sie sollten Ihre persönliche Betroffenheit nicht als Maßstab für Äußerungen in Bezug auf den Tierschutz anführen. Das kann es nicht sein. Sie werden sehr wenige Kolleginnen und Kollegen finden, die bedauern, dass sich die Tierhaltungsverordnung verschärft und sich deshalb die Geflügelhaltung ins Ausland verlagert. Das haben Sie im Ausschuss so gesagt. Das kann es nicht sein. Ich bitte Sie dringend, sich in diesen Fragen etwas zurückzuhalten. Sie sollten diejenigen, die als radikale Tierschützer auftreten und möglicherweise sogar Straftaten begehen, nicht mit Verbänden, die sich in seriöser Weise mit dem Tierschutz beschäftigen, in einen Topf werfen.
Das kann definitiv nicht sein. So haben Sie sich im Ausschuss geäußert. Das ist ein völlig verfehltes Vorgehen.
Wir werden nicht morgen, aber in einigen Monaten oder ein bis zwei Jahren, einen weiteren Gesetzentwurf einbringen. Wir bleiben an diesem Thema dran. Kolleginnen und Kollegen, wir werden all das, was hier zu Fragen der Verbandsklage und des Tierschutzes gesagt worden ist, an die Verbände, die sich für den Tierschutz einsetzen, weitergeben. Eigentlich müsste es in Ihrem Interesse sein, diese für sich zu gewinnen und einen Schritt auf die Tierschützer zuzugehen. Das sollte nicht im Interesse der Personen, die sich für den Tierschutz engagieren, sondern im Inte
resse der Tiere geschehen, die nach wie vor sowohl in der Landwirtschaft als auch von Privatpersonen nicht artgerecht gehalten werden. Ich bitte Sie, in Zukunft einen Schritt weiterzugehen.
Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Tierschutz hat bei uns in Bayern einen sehr hohen Stellenwert. Frau Kollegin Rupp, mit einem Verbandsklagerecht verleihen Sie oder wir den Tieren keine einzige Stimme. Zwar stellen Sie dies immer wieder emotional in den Raum, jedoch erreichen Sie mit einem Verbandsklagerecht gar nichts. Um die Geschöpfe zu schützen, ist ein Verbandsklagegesetz in der von Ihnen vorgeschlagenen Form in keiner Weise erforderlich. Ihre Gesetzesinitiative starteten Sie bereits vor drei Jahren. Wir haben den Gesetzentwurf ohne besondere Neuigkeiten in den zuständigen Ausschüssen für Verfassung, Landwirtschaft und Umwelt beraten und erörtert. Wir haben darüber beraten, ob es zielführend ist, ein Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände einzuführen oder nicht. Ich sage Ihnen ganz offen: In den Ausschüssen hat sich die Auffassung der CSU zur Forderung der Antragsteller nicht geändert. Da lüfte ich kein Geheimnis. Das ist weithin bekannt. Ihr Gesetzentwurf stößt auf eine klare Ablehnung. Ihr Gesetzentwurf ist nach wie vor das sage ich noch einmal - alter Wein in neuen Schläuchen, ein neuer Aufguss. Mehr ist nicht drin.
Um was ging es in Ihrem Gesetzentwurf? Den Tieren sollte mittels eines entsprechenden Gesetzes Schutz gewährt werden. Neuer Schutzbestimmungen bedarf es hier jedoch nicht. Der Tierschutz, begonnen von der Haltung über den Transport und die Tierversuche bis hin zu den Schlachtformen, ist mit dem geltenden Gesetz ganz eindeutig und ausführlich geregelt. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Tierschutz ist, weil er bereits einen entsprechenden Stellenwert in der Gesellschaft hat - Frau Kollegin Rupp hat darauf Bezug genommen -, als Staatsziel in die Verfassung aufgenommen worden. Wir von der CSU sind der Überzeugung, dass wir bereits einen geordneten Tierschutz haben - und nicht nur das. Wir haben gut funktionierende und engagierte Tierschutzorganisationen, denen die Möglichkeit im Rahmen entsprechender Institutionen gegeben ist, ihre Ansichten sowohl im Hinblick auf allgemeine Tierschutzfragen als auch im Hin
blick auf konkrete Einzelfälle einzubringen. Beispielhaft ist an dieser Stelle der Tierschutzbeirat des Umweltministeriums zu nennen. Diese Institution ist demokratisch verfasst. Dort sind die Mehrheitsverhältnisse ausschlaggebend. Der Tierschutzbeirat leistet gute Arbeit. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Tierschutzverbände leisten nebenher wie ein Seismograf ebenfalls entsprechend gute Arbeit.
Ich kann hier nur nochmals feststellen, dass die Antragsteller in der Vergangenheit mehrmals versuchten, ein Verbandsklagerecht auf Landesebene einzuführen. Was ist bisher geschehen? Lediglich das Land Bremen, eines unter 16 Bundesländern, hat es eingeführt. Sie hätten die Möglichkeit, in vielen, vielen anderen Ländern, in denen Sie von der SPD mit in der Verantwortung sind, ebenfalls entsprechende Verbandsklagegesetze einzuführen.
Nebenbei ist vor sieben oder acht Jahren, ausgehend von Schleswig-Holstein, auch noch über den Bundesrat versucht worden dieses Klagerecht einzuführen, was dort ebenfalls wieder mit großer Mehrheit abgelehnt wurde.
Es geht doch konkret darum, dass mit Ihrem Gesetzesvorschlag unter bestimmten Voraussetzungen den dort genannten Tierschutzverbänden in Bayern ein Verbandsklagerecht eingeräumt werden soll. Es soll für folgende vier Verbände angewendet werden: den Deutschen Tierschutzverband, den Bund gegen Missbrauch der Tiere, für Animal 2000 und das Bündnis Bayerischer Tierrechtsorganisationen. Ich weise darauf hin, dass weitere Organisationen und Verbände bereits vorhanden sind. Diese sparen Sie aus und legen damit den Keil des Zwistes. Die einen sind dabei und die anderen wären dann nicht dabei. Das kann man nicht tun. Ich meine, dass bei der ganzen Situation die Diskussion um den Tierschutz vielleicht doch zu stark auf die Nutztiere konzentriert wird, für welche ohnehin stringente Haltungsbedingungen vorgegeben sind.
Haben Sie sich einmal informiert, welche Vereine und Verbände letztendlich wirklich in den im Gesetzentwurf genannten Vereinen und Verbänden organisiert sind? Wissen Sie, dass es weitaus mehr sind, wenn Sie zum Beispiel die Organi
sation der Tierrechte mit dazunehmen? Viele Vereine und Verbände sind Mitglied in dieser Organisation. Das heißt, es werden weitaus mehr Vereine und Verbände, die im Tierschutz aktiv sind, umfasst. Wissen Sie, wer überhaupt dahintersteckt? Denn wir hatten nicht die Absicht, wichtige Tierschutzorganisationen Bayerns unberücksichtigt zu lassen.
Frau Kollegin, ich bin natürlich hierüber sehr gut informiert. Ein Teil davon ist im Bündnis Bayerischer Tierrechtsorganisationen tätig. Aber es gibt nach wie vor einen größeren Teil, der nicht organisiert ist.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden dem Gesetzentwurf insbesondere auch deshalb nicht zustimmen können, weil es auf europäischer, auf deutscher und auf bayerischer Ebene ausgedehnte Regelwerke zum Tierschutz gibt und weil ohnehin sehr viel für den Tierschutz getan wurde.
Durch die bestehenden Tierschutzregelungen ist jede Grundlage gegeben, um Verstöße auch zur Anzeige zu bringen. Werte Kolleginnen und Kollegen der SPD, wohin führte die Umsetzung Ihres Vorschlages in der Praxis? Ihr Vorschlag würde dazu führen, den Tierschutzorganisationen die Möglichkeit einzuräumen, gegen tierschutzrechtliche Genehmigungen oder Erlaubnisse und behördliche Anordnungen klagen zu können.
Aufgrund des großen Engagements der Tierschutzverbände hätten wir, ganz gleich, ob zum Beispiel bei Tierversuchen, im Bereich der landwirtschaftlichen Tierhaltung oder in der Heimtierhaltung usw., mit einer Vielzahl von Klagen zu rechnen, die zu nicht hinnehmbaren Beeinträchtigungen für die Wirtschaft, für die Forschung und für die Gerichte führen würden.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen immer von Bürokratieabbau. Mit einem solchen Instrument, mit einem Klagerecht würden natürlich die Behörden und die Gerichte durch die zu erwartende Klageflut erheblich mehr belastet, und wir brauchen kein solches - ich apostrophiere - "Beschäftigungsförderungs- oder Arbeitsbeschaffungsprogramm" für Gerichte, Staatsanwälte und vielleicht auch für Anwalts
kanzleien. All die schönen emotionalen Floskeln, dass Tiere über ein Verbandsklagegesetz einen Vormund oder eine Stimme brauchen, bringen uns in keiner Weise weiter.
Als Resümee darf ich deshalb feststellen: Es muss durch die Menschen darauf hingewiesen werden, dass die bestehenden Tierschutzregelungen eingehalten, umgesetzt und entsprechend angewandt werden. Wir können hier ohne Weiteres auch einen Blick in Richtung Berlin zu unserer Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner werfen, die vor wenigen Tagen den Vorschlag machte, Tierschutzlabel auf europäischer Ebene einzuführen. Ich möchte das nicht weiter vertiefen, weil es nicht hierher gehört.
Ich darf zum Schluss kommen, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Ein solches Verbandsklagegesetz wäre nicht gut, weil buchstäblich ein Keil zwischen die vier großen Tierschutzverbände und die kleinen Tierschutzorganisationen getrieben würde. Der Gesetzentwurf ist überflüssig. Die Argumente gegen ein Verbandsklagegesetz im Tierschutz haben sich in keiner Weise für uns, für die CSU, geändert, und auch bestimmte Defizite und Verstöße, die es trotz des bestehenden Tierschutzgesetzes geben kann, könnten durch ein Verbandsklagegesetz nicht verhindert werden. Da muss meines Erachtens viel mehr an anderen Stellen nachjustiert werden. Meinetwegen geht es auch bei den Veterinärbehörden darum, den Kontrollaufgaben noch stärker nachzukommen und andererseits natürlich Fälle, bei denen es Verstöße gibt, mit Mut zur Anzeige zu bringen.
Ich bitte um Verständnis, dass die CSU aus diesen Gründen Ihrem Entwurf eines Tierschutzverbandsklagegesetzes nicht zustimmen kann. - Herzlichen Dank.
Herr Kobler, bitte bleiben Sie noch kurz am Mikrofon. Es gibt noch eine Zwischenbemerkung von Herrn Kollegen Arnold.
Werter Kollege Kobler, sagen Sie das auch dann, wenn Sie am Wochenende bei den Tierschutzverbänden auftreten und die Freiwilligkeit loben, wenn Sie sagen, wie wichtig die Rechte sind, die wahrgenommen werden, und dass Sie im Prinzip diese Verbände zwar schätzen, aber rechtlich kastriert sehen wollen? Machen Sie das dann so?
Lieber Kollege Arnold, ich weiß nicht, warum Sie mir eine solche Frage stellen. Wir kennen uns doch ganz gut. Es ist klar, dass ich das natürlich auch dort so sage. Ich habe doch das