Protocol of the Session on February 22, 2011

Die frühkindliche Bildung ist nicht nur wichtig, weil sie die Weichen für die Zukunft stellt, sondern sie ist auch aktuell wichtig. Alleinerziehende Mütter und Familien, die eine Infrastruktur für ihre Kinder vorfinden, können auch berufstätig sein. Die zahlen auch Steuern. Wenn Sie schon die Bedeutung der Bildung nicht anerkennen, dann erkennen Sie doch wenigstens die Wirkung für den Staatssäckel an. Tun Sie endlich etwas, damit die Krippen in Bayern flächendeckend ausgebaut werden.

Auch in einem weiteren Bereich, in dem Sie gesetzlich verpflichtet sind, tun Sie nichts. Frau Ministerin, das Wort "Inklusion" finde ich im Sozialhaushalt nirgends. Die Inklusion der Rechte behinderter Menschen beruht auf einem einstimmigen Beschluss des Bundestags und des Bundesrats. Der Vollzug dieses Beschlusses wurde auf die Länder übertragen. Sie

haben dazu weder etwas geplant noch etwas getan. Sie sind von der UN aufgefordert, einen sogenannten Focal point, eine Koordinierungsstelle einzurichten. Sie haben sie nicht geplant. Sie sind aufgefordert worden, einen Aktionsplan für das Vorgehen aufzulegen. Sie haben ihn nicht vorgelegt. In anderen Ländern, wie zum Beispiel in Rheinland-Pfalz, liegt er bereits vor. In Hessen ist er in Vorbereitung. In NordrheinWestfalen ist er in Vorbereitung. In Bayern haben wir Fehlanzeige.

Und es kommt noch schlimmer. Wir haben nicht nur keine Weichen für die Inklusion behinderter Menschen gestellt. Nein, die Mittel für behinderte Menschen im Haushalt werden auch noch um drei Millionen Euro gekürzt.

Herr Unterländer, Sie sagen, wir können das nicht kritisieren, weil wir noch nicht wissen, was im März sein wird. Es kann schon sein, dass aus den Steuermehreinnahmen noch etwas in diesen Haushalt fließt. Ganz sicher schaffen Sie es aber bis März nicht mehr, den notwendigen Paradigmenwechsel zugunsten der Menschen mit Behinderung vorzunehmen. Das müssen Sie sich vorwerfen lassen, denn Sie kommen den gesetzlichen Verpflichtungen nicht nach.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Redezeit ist leider zu Ende. Ich hätte Sie gerne noch darauf hingewiesen, dass auch bei den Menschen, für die die Fürsorgepflicht des Staates gilt, Fehlanzeige besteht. Ich nenne nur Heimkinder, Altenpflegeschulen und psychisch Kranke. Hier wird gekürzt, statt die ambulante Versorgung auszubauen. Es ist ein Trauerspiel und kein Sozialhaushalt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Rednerin ist Frau Brigitte Meyer. Ihr folgt Frau Dettenhöfer.

Verehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, als ich das Thema der heutigen Aktuellen Stunde gelesen habe, habe ich mich ganz spontan gefragt, wie glaubwürdig ist eigentlich eine solche Themenwahl, welche die bayerische Sozialpolitik als Schaulaufen kritisiert und dabei selber nur ein Schaulaufen inszeniert.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Eine ernsthafte und sachlich fundierte Diskussion kann sich aus einem solchen pauschalen Titel kaum entwickeln. Das ist vermutlich auch gar nicht gewollt. Wir haben gerade beim Beitrag der Frau Kollegin

Ackermann gesehen, dass es auch gar nicht möglich ist, die ganze Bandbreite der Sozialpolitik innerhalb von fünf Minuten abzuhandeln. Sie selbst hat sich auch nur auf wenige Punkte konzentriert.

Jede Fraktion hat wohl ihre ganz eigene Meinung dazu, was eine verlässliche und gute Sozialpolitik ist. Ich möchte aus Sicht der FDP dazu etwas Grundsätzliches sagen. Wir Liberale verstehen darunter nicht das lebenslange Organisieren von Betreuungssystemen. Unser Ziel ist es, die Menschen so zu fördern, dass sie baldmöglichst wieder ohne Fürsorge leben können.

(Zuruf der Abgeordneten Christa Steiger (SPD))

Nach unserem Verständnis muss der Staat dort tätig werden, wo die Menschen, aus welchen Gründen auch immer, der Hilfe wirklich bedürfen. Wir wissen, dass auch staatliche Sozialleistungen von den finanziellen Möglichkeiten abhängen. Deshalb muss der Staat seine Hilfesysteme immer wieder überprüfen und bereit sein, seine Hilfesysteme dort einzustellen, wo sie sich als nicht mehr notwendig und als nicht mehr effizient erweisen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Dadurch können frei werdende Gelder an anderer Stelle eingesetzt werden, wo unter Umständen neue Not entstanden ist.

Das sind unsere Vorstellungen eines Rahmens für eine seriöse Sozialpolitik. Unter diesem Aspekt sind auch unsere Handlungsansätze zu sehen.

Dazu gehört - das ist für uns ganz wichtig - eine gute Wirtschaftspolitik, welche die Menschen im Auge hat das ist die breite Mitte unserer Gesellschaft -, die das Geld erwirtschaften, das der Staat dann für soziale Ausgaben zur Verfügung hat.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Dazu gehört eine Mittelstandspolitik, die Raum für die Schaffung neuer Arbeitsplätze lässt; denn nach wie vor ist die Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes die beste sozialpolitische Maßnahme.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Zurufe von der SPD)

Dazu gehört auch eine Bildungspolitik, die Chancengerechtigkeit von der frühkindlichen Bildung bis zur Hochschule zu einem der wichtigsten Ziele erklärt. Liebe Frau Stachowitz, dazu gehören die Bereiche Kinderbetreuung, Pflege, Menschen mit Behinderung. Das Themenspektrum ist riesig breit. Frau Ackermann

hat vorhin gezeigt, dass es gar nicht möglich ist, das alles innerhalb von fünf Minuten zu umreißen.

Wir haben in den letzten zwei Jahren und auch, seitdem ich an verantwortlicher Stelle im Sozialausschuss bin, wirklich verantwortlich gehandelt und sehr viel auf den Weg gebracht. Wir haben den Ausbau der Kindertagesbetreuung vorangetrieben. Der Betrag von 227 Millionen Euro zum Aufbau weiterer Kinderkrippen und weiterer Kindertagesplätze steht natürlich nicht im Haushalt, sondern in "Aufbruch Bayern".

(Christa Steiger (SPD): Ohne die Bundesvorgaben wäre gar nichts passiert!)

Das kostenfreie Kindergartenjahr ist nicht unsere oberste Priorität. Ich halte nämlich die Verbesserung der Qualität für eine viel wichtigere Investition als die sozialpolitische Maßnahme der Familienunterstützung durch ein kostenfreies Kindergartenjahr; das gebe ich ganz ehrlich zu.

Sie haben die Pflege angesprochen. Das ist eine riesengroße Herausforderung, der wir gerecht werden müssen, eine Herausforderung in erster Linie für die Bundespolitik. Sie hatten lange Zeit Gelegenheit, da die Weichen richtig zu stellen. Ihnen ist das auch nicht gelungen.

(Diana Stachowitz (SPD): Ihnen schon gleich gar nicht!)

- Das können Sie so überhaupt nicht sagen. Wir stehen erst seit zwei Jahren in der Verantwortung und haben in dieser Zeit dieses Thema ernsthaft aufgegriffen.

Zu den Pflegekammern: Wir sind nicht der Meinung, dass wir mit neuen bürokratischen Maßnahmen für die Altenpflegekräfte etwas verbessern können.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Das jetzt behandelte Thema ist so umfassend und so wichtig, dass wir es in einer Aktuellen Stunde nicht pauschal abhandeln können. Ich hoffe, dass wir im Ausschuss weiterhin so sachlich, fundiert und gut zusammenarbeiten können, wie wir das in den letzten zwei Jahren getan haben.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Nächste Rednerin ist Frau Dettenhöfer; ihr folgt Frau Stachowitz. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Viele Aspekte des Themas wurden schon angesprochen. Ich werde mich auf

die Kinderbetreuung konzentrieren; denn auch hier gab es Kritik. Ich möchte vorausschicken: In Bayern wird verlässliche und seriöse Sozialpolitik gemacht. Wir finanzieren nichts auf Pump und wir versprechen den Menschen auch nicht den Himmel auf Erden, wie Sie das oft tun. Die Menschen wissen, dass sie sich auf uns verlassen können.

(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der FDP)

Herr Professor Bauer, wir stecken auch nicht den Kopf in den Sand. Sie dürfen unsere Wahlprogramme durchaus ernst nehmen. Wir versuchen, das umzusetzen, was drinsteht. Manches dauert vielleicht ein wenig, aber wir halten an unseren Zielen fest.

Wenn der Finanzausgleich innerhalb Deutschlands anders geregelt ist, dann können wir uns in Bayern vielleicht auch endlich einmal das kostenlose Kindergartenjahr leisten, was wir jetzt nicht können. Andere haben das, und zwar auf unsere Kosten, auf Kosten Bayerns!

(Lebhafter Beifall bei der CSU und Abgeordneten der FDP - Zurufe von der SPD und den GRÜ- NEN)

Wir können mit wirklich seriösen Zahlen belegen, dass Ihre Vorwürfe ins Leere gehen. Mit den Prozentzahlen zum Sozialbereich, die Sie vorhin genannt haben, haben Sie eine Milchmädchenrechnung aufgemacht. Wirklich wichtig sind die Zahlen, die wir nachlesen können: 2011 werden es 916 Millionen sein, und im Jahr 2012 werden wir rund eine Milliarde aus dem Sozialhaushalt allein für die Kinderbetreuung ausgeben. Das ist im Jahr 2011 ein Mehr von 56 Millionen und im Jahr 2012 ein Mehr von 151 Millionen gegenüber den Vorjahren. Das ist Geld, das bestens angelegt ist, nämlich für eine gute Entwicklung und Förderung unserer Kinder.

Von 2008 bis 2010 nahm die Zahl der Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchten, um knapp 50 % zu. Das ist die Zwangsläufigkeit, die Sie angesprochen haben, und die wollen wir auch. 2008 waren es noch rund 44 000 Kinder, die eine außerhäusliche Betreuung in Anspruch nahmen, 2010 waren es bereits rund 65 000 Kinder. Das ist eine gewaltige Steigerung innerhalb kürzester Zeit, und das trotz des Rückgangs der Geburtenzahlen.

(Zurufe der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

- Leider verstehe ich Ihre Zwischenrufe nicht, und deshalb kann ich darauf nicht antworten. - Bei der Betreuung von Kindern unter drei Jahren sind wir in Bayern enorm vorangekommen. Im Jahr 2008 betrug die

Betreuungsquote noch 13,7 %. Im Jahr 2010 war sie bereits auf 22,3 % gestiegen. Das Ziel, bis 2013 eine Bedarfsdeckung zu erreichen, rückt damit in greifbare Nähe; denn man spricht bereits bei einer Betreuungsquote von 31 % von Bedarfsdeckung, nicht erst bei einer Quote von 100 %, wie Sie meinen, Frau Ackermann.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Sie haben uns vorhin vorgerechnet, dass 50 % fehlen. Es gibt allerdings auch noch Väter und Mütter, die zu Hause bei ihren Kindern bleiben,

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

die das gerne tun, die sich das leisten können und deshalb keine Kinderkrippe brauchen. Seien wir doch froh, dass es noch vielen jungen Menschen möglich ist, ihre Kinder zu Hause selbst zu erziehen!