(Heiterkeit bei Abgeordneten der CSU - Hubert Aiwanger (FW): Das haben wir nie bezweifelt! Das meinen wir doch!)
Wenn ich mit diesen militärischen Zertifizierungen zivile Anerkennung haben will, dann ist das beispielsweise im Rahmen einer Verbundausbildung in Ordnung. Das wird auch schon gemacht. Hier schreiben Sie doch tatsächlich, dass die Bundeswehr unter allen Umständen die gleiche Ausbildungskapazität erhalten soll, bei einer Reduzierung von über 35 % der Armee, bei einer Aussetzung der Wehrpflicht - im letzten Jahr haben wir noch über 68.000 Wehrpflichtige gehabt -, bei künftig 15.000 freiwillig Dienenden. Sie machen den Leuten ein X für ein U vor. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Freien Wählern: Entweder Sie wissen es nicht besser, oder Sie wollen hier opportunistisch Punkte machen.
Unser Ansatz, und der wurde in zwei Anträgen deutlich gemacht, ist vielmehr der, dass wir versuchen, die Schulstandorte mit den notwendigen Kapazitäten, und zwar mit denen, die in erster Linie militärisch notwendig sind, im Verbund mit aktiven Einheiten zu erhalten. Dort soll auch die Kooperation im zivilen Bereich weiter ausgebaut werden. Das ist überhaupt keine Frage. Es geht aber nicht, dass die Bundeswehr über ihren eigenen Bedarf hinaus ausbildet und die Ausbildungskapazitäten - ich weiß gar nicht, wie Sie sich das vorstellen - zivilen Betrieben zur Verfügung stellt. Kapazitäten können auch außerhalb der Bundeswehr zur Verfügung gestellt werden, aber nicht über den Bedarf hinaus, der militärisch notwendig ist.
- Lassen Sie sich Folgendes sagen: Die Bundeswehr ist keine Ausbildungseinrichtung, sie ist auch keine Einrichtung zur Förderung der Wirtschaft, wie Sie das manchmal darstellen. Die Bundeswehr hat in erster Linie einen militärischen Auftrag, und den kennen Sie.
(Hubert Aiwanger (FW): Das wurde auch schon anders gesagt! Das Wirtschaftspotenzial muss doch genutzt werden!)
Das ist doch ein ganz entscheidender Punkt und ein wichtiger Aspekt vor dem Hintergrund der jetzigen Bundeswehrreform. Ich brauche Ihnen wohl nicht noch einmal zu sagen, dass die Bundeswehr den Auftrag hat, Deutschland und seine Bevölkerung zu schützen, internationale Konflikte zu verhüten, Krisenbewältigung zu betreiben, die Bündnispartner zu unterstützen und bei Katastrophen und Unglücksfällen zu helfen. Das ist der Auftrag unserer Bundeswehr,
der Auftrag unserer Soldatinnen und Soldaten. Nach diesem Auftrag richtet sich die Ausbildung in der Bundeswehr. Ihr Antrag ist deshalb schlicht und einfach eine Themaverfehlung. Wir lehnen diesen Antrag als reine Effekthascherei ab.
Herr Kollege Hintersberger, ich denke, Sie werden mir zustimmen, wenn ich sage, dass Ausbildungskapazitäten im derzeitigen Umfang bei reduzierter Personalstärke nur dann zu halten sind, wenn man sich darüber Gedanken macht, wie man das Vakuum dort, wo es weniger Soldaten gibt, auffüllt. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass es bereits jetzt bei der Ausbildung Kooperationen mit der Wirtschaft gibt.
Ich hätte erwartet, dass Sie mir entgegenhalten, dass das Primat der Wirtschaft gilt und dass sich der Staat, die öffentliche Hand, zurückhalten soll. Ich hätte Ihnen dann gesagt, es gibt genügend Nischen, die die Wirtschaft nicht bedient, wo die Wirtschaft sogar dankbar ist, wenn sie von militärischer Seite Unterstützung bekommt. Nehmen Sie aber bitte zur Kenntnis, dass wir dieses Ausbildungsniveau nur dann halten können, wenn wir bei sinkenden Soldatenzahlen auch zivile Personen ausbilden, selbstverständlich bei einem entsprechenden Kostenersatz seitens der Wirtschaft.
Das war eine Zwischenbemerkung. Die ist so möglich. Sie müssen darauf nicht antworten, Herr Kollege.
Lieber Kollege Pohl, Sie müssen sich über eines im Klaren sein: Die Bundeswehr hat den Auftrag, ihre Soldatinnen und Soldaten bestmöglich für ihre Ziele auszubilden. Dies ist ihr Auftrag. Dafür zahlt auch der Steuerzahler entsprechende Beträge. Wenn sich im Rahmen dieses Auftrags Ausbildungspotenziale sinnvoll ergänzen, wenn die zivile Wirtschaft im Rahmen von kooperativen Leistungen von Schulstandorten
und Ausbildungsstandorten der Bundeswehr partizipiert, was vielfach passiert, wenn dadurch die Qualität verbessert werden kann und wenn nach dem Ausscheiden der Soldaten - egal ob nach 20 Monaten oder nach 12 Jahren - die beim Militär gesammelten Erfahrungen und erworbenen Qualifikationen und Zertifikate auch von der zivilen Wirtschaft anerkannt werden, dann sind wir beieinander. Nicht zustimmen können wir aber Ihrem Sammelsurium, wonach die Bundeswehr über ihren militärischen Auftrag und über den militärischen Bedarf hinaus für was auch immer ausbilden soll. Dies ist überhaupt nicht in Ordnung. Daher geht Ihr Antrag am Thema vorbei. Wir lehnen ihn ab.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag ist, wie ich glaube, von allen 20 Mitgliedern der Freien Wähler unterschrieben worden. Acht davon haben gedient. Dass jetzt aber statt des Oberstleutnants der Obergefreite den Antrag stellt, ist nicht mehr ganz sachdienlich, wie wir gerade festgestellt haben.
(Beifall bei der CSU und der FDP - Staatsminister Joachim Herrmann: Keine Beleidigung der Mann- schaftsdienstgrade!)
Das ist aber nicht der Grund dafür, dass wir diesen Antrag ablehnen. Der Grund dafür ist, dass dieser Antrag an einem grundsätzlichen Fehler leidet. Etwas Schlimmeres können Sie nicht machen. Herr Pohl, Sie scheinen der Initiator zu sein. Wenn ich Ihren Antrag richtig lese, dann nehmen Sie damit die Reduzierung und den Abbau von Einrichtungen und Garnisonen der Bundeswehr schon als gegeben hin. Während wir hier im Landtag darum kämpfen, dass Bayern möglichst geschont wird und möglichst keine Truppen bei uns abgebaut werden, nehmen Sie das schon als selbstverständlich hin. Militärisch würde ich sagen: Das, was Sie hier betreiben, ist Kapitulation.
(Heiterkeit und Beifall bei der CSU und der FDP - Dr. Manfred Weiß (CSU): Und das schon vor dem ersten Schuss!)
Es kommt noch ein Zweites hinzu. Ich lese in Ihrem Antrag die ersten beiden Spiegelstriche. Im ersten Spiegelstrich heißt es, dass vorhandene Ausbildungskapazitäten bei der Bundeswehr in gleichem Umfang weiter genutzt werden sollen. Im zweiten Spiegelstrich sagen Sie, dass nicht mehr benötigte militärische Ausbildungskapazitäten für zivile Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden sollen. Was nun? Sollen wir die militärischen Ausbildungskapazitäten weiter nutzen, oder sollen wir sie weitergeben? Ihr Antrag widerspricht sich also selbst.
- Doch, er widerspricht sich. Ich bin auch Jurist wie Sie und kann lesen. Ich habe einen Beruf, bei dem ich nicht nur lesen, sondern auch verstehen muss.
Im letzten Spiegelstrich fordern Sie, dass militärisch erworbene Fähigkeiten anerkannt werden sollen. Das ist bereits so. Sie können hingehen, wo Sie wollen; ganz egal, ob es sich um einen einfachen Kfz-Mechaniker oder um einen Studenten an der Universität der Bundeswehr handelt. Alle Bundeswehrangehörigen kommen ohne Probleme in der Wirtschaft unter. An der Universität der Bundeswehr untersuchen wir das regelmäßig. Wir stellen immer wieder fest, dass alle unsere Studenten, aber auch alle anderen, die wir bei der Bundeswehr ausgebildet haben, in der freien Wirtschaft ohne Weiteres Verwendung finden. Sie haben keine Probleme. Deshalb geht auch dieser Spiegelstrich völlig ins Leere.
Sie behaupten, dass die Ausbildungspotenziale und das Hightech-Know-how verloren gehen. Das stimmt nicht. Herr Pohl, es stimmt nicht, es ist nicht wahr, was Sie sagen. Verloren geht nur die Quantität. Quantitativ haben wir nicht mehr soviel Hightech-Wissen und Hochwissen. An der Qualität ändert sich aber nichts. Die Qualität wird vielleicht sogar besser werden. Die Qualität bleibt bei der Bundeswehr erhalten. Insofern stimmt Ihr Antrag auch nicht.
Eine letzte Anmerkung, die ich machen möchte. Es ehrt und freut mich, dass Sie sich für die Universität der Bundeswehr einsetzen. Trotzdem muss ich feststellen, dass Bildung Ländersache ist. Sie sollten wissen, wie schwierig es damals war, als die Bundeswehruniversitäten gegründet wurden, wie schwierig die Absprachen mit den einzelnen Ländern gewesen sind und welch große Rolle die Kostenfrage gespielt hat. Sie sollten wissen, wie viele Probleme wir gehabt haben, als wir in den letzten Jahren auch zivile Studenten aufgenommen haben, die bei uns studieren können. Dabei stellte sich immer wieder die Frage,
wer das bezahlen soll. Sollen es die Hamburger oder die Bayern bezahlen? Es gibt hier große Probleme.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Freien Wähler, ich fasse meine Ausführungen militärisch knapp zusammen: Freie Wähler stillgestanden! Auf die Stube weggetreten!
Herr Kollege, ich bin versucht zu sagen: Und das mit der wunderschönen Frühlingskrawatte heute. Herr Kollege Dr. Runge, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Der Ton, den Kollege Gantzer eingeschlagen hat, ist uns gleich gänzlich fremd. Ich werde aber einmal bei Ihnen in der Fraktion nachfragen, ob es dort öfter so zugeht. Vielleicht können wir davon auch noch lernen.
Kolleginnen und Kollegen, auch wir halten den Antrag der Freien Wähler nicht gerade für zielführend. Allerdings möchte ich nach den harten Worten meiner beiden Vorredner einschränkend schon sagen, dass dieser einer der eher harmloseren und maßvolleren Anträge ist, die wir im Kontext der Bundeswehrreform erleben durften. Alle bisherigen Anträge sind nach dem Motto geschrieben worden: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.
Beim letzten Mal hatten wir auch schon Dringlichkeitsanträge zur Bundeswehrreform. Damals habe ich mir erlaubt, Ihren Verteidigungsminister zu Guttenberg zu zitieren. Diesmal habe ich ein paar andere Zitate: "Tiefster Einschnitt in der Geschichte der Bundeswehr", "Von allen wird viel abverlangt". Deshalb war es wirklich interessant, welche Anträge bei uns auf den Tisch gekommen sind, die wir im Wirtschaftsausschuss und teilweise auch im Plenum behandeln durften. Es gibt einen Dringlichkeitsantrag der SPD vom 15. Dezember, wonach Standorte und Dienststellen in Bayern weitgehend erhalten bleiben sollen. Die Freien Wähler haben diesen Antrag noch getoppt und sich einen Tag vorher für den Erhalt aller Standorte in Bayern ausgesprochen. Bei der CSU waren es nur möglichst viele Standorte und Dienststellen, die erhalten werden sollten. Dann gab es einen gemeinsamen Antrag von CSU und FDP, bei dem man sich auf den ländlichen Raum kapriziert hat. Letzte Woche hatten wir den schönen Dringlichkeitsantrag, mit dem Planungssicherheit für wehrtechnische Unternehmen gefordert wurde. Dabei ging es um Arbeitsplätze und um Technologiekompetenz. Die Diktion war aber immer die gleiche: Möglichst viel muss in Bayern erhalten bleiben.
Betrachten wir den Antrag einmal aus einer anderen Warte. Die Kollegen haben schon einiges zur Bundeswehr und ihrem Auftrag gesagt. Wir haben uns die Relationen und Relativierungen angeschaut. Deutschlandweit haben wir 1.400 Ausbildungsplätze bei der Bundeswehr. Ich meine damit jetzt nicht die Bundeswehruniversitäten, sondern klassische Ausbildungsplätze. In Bayern haben wir 260. Herr Kollege Pohl, Sie werden nicht behaupten, dass die Standorte und Dienststellen von heute auf morgen dicht gemacht werden. Diejenigen, die in der Ausbildung sind, können diese Ausbildung sicher auch zu Ende führen. Darin sind wir uns alle einig.
Herr Kollege Pohl, wir haben uns auch angeschaut, welche Berufsfelder betroffen sind. Es sind Zahntechniker, Industriemechaniker, Fluggerätemechaniker, Anlagemechaniker, Fachinformatiker und vieles mehr. Es sind also Berufe, mit denen man gut eine Arbeit finden kann, wenn man sie erlernt und eine fundierte Ausbildung genossen hat. Wir laufen auf einen immer größeren Fachkräftemangel zu. Also brauchen wir uns deswegen keine Sorgen zu machen.
Ganz interessant war für mich auch die Relation. Ich habe gesagt, es sind bei der Bundeswehr 260 Ausbildungsplätze in Bayern. Insgesamt haben wir in Bayern 83.000 Ausbildungsplätze. Wir wissen doch auch, was passiert, wenn ein großes Unternehmen wie AEG oder Quelle schließt. Dann haben wir an einem Standort von heute auf morgen ganz große Probleme. Herr Kollege Pohl, ich möchte Ihre Formulierung nicht falsch interpretieren. Sie haben sie wahrscheinlich ganz anders gemeint, aber es gibt einen Satz, der uns die Zustimmung unmöglich macht: "Etwa bestehende normative Hindernisse im Bereich der zivilen Betätigung der Bundeswehr sind zu beseitigen." Das bezieht sich zwar auf den Text vorher, aber das ist so schwammig und wachsweich formuliert, dass man da alles hineininterpretieren kann. Deswegen bekommen Sie von uns, auch wenn es uns schwerfällt, eine Ablehnung.