Seit Einführung der R 6 hat die Hauptschule 85.500 Schülerinnen und Schüler verloren. Sie haben die Mittelschule eingeführt. Trotzdem sind die Anmeldungen ab dem Schuljahr 2010/11 um weitere 10.000 Schülerinnen und Schüler zurückgegangen.
Kolleginnen und Kollegen, in den letzten Jahren haben Sie 561 Hauptschulen geschlossen. Sie spielen sich in Bayern zwar gern als Retter der Hauptschule auf; derweil sind Sie aber das Gegenteil, nämlich der Totengräber der Hauptschule.
Dieses Hauptschulsterben hat nicht allein mit der demografischen Entwicklung zu tun, liebe Freunde von der CSU und der FDP, sondern auch mit Ihrer Untätigkeit. Es ist nicht so, dass diese Entwicklung nicht schon seit Jahren absehbar gewesen wäre. Es ist auch nicht so, dass man in diesem Hause nicht ausreichend darüber geredet hätte. Nein, Sie wollen aus ideologischen und parteipolitischen Gründen an Ihrer Schulstruktur festhalten. Das ist aber eine Schulstruktur von gestern. Sie nimmt in ganz Europa ab.
Das dreigliedrige Schulsystem ist ungerecht und unsozial. Das können Sie in Ihrem eigenen Bildungsbericht, den Sie offensichtlich nicht lesen wollen, nachlesen. Ich sage Ihnen das immer wieder, weil es die größte Ungerechtigkeit ist, die Sie jahrelang hinnehmen.
Akademikerkinder haben eine 4,3-mal höhere Chance, ein Gymnasium zu besuchen, als Facharbeiterkinder. Das können Sie nicht wegdiskutieren. Das ist unsozial und ungerecht.
Weiter bleiben Sie die Erklärung schuldig, warum es eine regional unterschiedliche Gerechtigkeit gibt. Im Landkreis München gehen 61 % aller Schülerinnen und Schüler auf ein Gymnasium. Im Landkreis Donau-Ries sind es 24,7 %. Wollen Sie mir erklären, dass die Schülerinnen und Schüler im Landkreis Donau-Ries dümmer sind als die im Landkreis München? Einen solchen Blödsinn können Sie sich selber erzählen, aber nicht diesem Hohen Haus.
Während Ihre Regierungsbank und Sie selber im Land über die Frage der Integration herumschwadronieren, sind Sie selber das größte Integrationshemmnis, das das Land hat.
Sie verantworten die Tatsache, dass es eine Ungerechtigkeit und eine völlig klar feststellbare Benachteiligung der Familien mit Migrationshintergrund gibt. Das akzeptieren Sie seit Jahren. Parallel blasen Sie hier in die Luft, dass Sie Integration für wichtig halten.
Ich lese dies daran ab, dass 36,4 % aller deutschen Kinder, aber doppelt so viele Kinder mit Migrationshintergrund nach der Grundschule in die Hauptschule gehen. Wollen Sie auch hier sagen, dass die Migrationskinder halt dümmer sind und es deshalb nicht schaffen? Nein, das hat ganz andere Gründe: Sie selektieren gnadenlos nach Schulstruktur und Parteiräson, nicht nach den individuellen Möglichkeiten der Kinder. Das ist Ihr Problem.
Wir brauchen sie, um den Sortierauftrag, den Sie den Schulen geben, durch einen Auftrag für individuelle Förderung abzulösen. Das ist die Schule der Zukunft.
Auch die FDP, der "größtmögliche Gegensatz zur CSU" - könnt ihr euch an die Plakate vor der Landtagswahl erinnern?
in schulpolitischen Fragen, ist mittlerweile keiner mehr. Sie sind der CSU assimiliert. Sie haben nichts mehr zu melden und nichts mehr zu sagen, und die Menschen wissen endlich, woran sie sind mit Ihrer Schulpolitik.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Tobias Thal- hammer (FDP): Aber wir haben mehr zu melden als Sie, Herr Pfaffmann!)
Ich will Ihnen, Herr Kultusminister - wo ist er? Ah, der Herr Staatssekretär -, noch einmal sagen: Ihre propagandistischen Äußerungen, die SPD wolle eine Einheitsschule, müssten Sie mir vielleicht einmal erklären. Sagen Sie mir endlich: Was ist eine Einheitsschule?
Wir jedenfalls verlangen keine Einheitsschule, wir verlangen eine Gemeinschaftsschule mit folgendem In
halt: Wir wollen den Leistungsdruck in der Schule vermindern. Sie wissen ganz genau, dass wir eine Schule der Angst haben, für die Sie verantwortlich sind. Sie wissen genau, dass die Schule, die Sie unterstützen, krank macht. Sie wissen, dass es einen Notendruck gibt, dass Nachhilfe mittlerweile in der Schule völlig unverzichtbar ist. Sie wissen, dass jedes dritte Kind in der Grundschule bereits nur noch mit Nachhilfe durchkommt. Das alles wollen wir nicht.
Wir wollen auch den Unterricht nicht in die Elternhäuser verlagern, wo nur diejenigen das alles noch schultern können, die sich das auch leisten können. Und wir wollen auch nicht den massiven Zulauf in die Privatschulen, sondern wir wollen ein starkes öffentliches Schulsystem.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen, dass sich auch Bayern endlich an die internationale Schulentwicklung angleicht. Der sind Sie meilenweit hinterher.
Eines ist doch interessant zu beobachten, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wenn in Deutschland oder in Bayern eine Schule einen Schulpreis bekommt, dann sitzen die Konservativen immer in der ersten Reihe und klatschen Beifall und loben diese Schule über den grünen Klee.
Dass aber jeder Schule, die einen Schulpreis bekommt, der Sie Beifall klatschen, kein dreigliedriges Schulsystem zugrunde liegt, sondern eine Ganztagsschule mit einer längeren gemeinsamen Schulzeit mit individueller Förderung, das sagen Sie nicht.
Deshalb sind Sie in schulpolitischen Fragen die Heuchler vor dem Herrn. Daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen.
Wir bieten in einer Gemeinschaftsschule ein echtes differenziertes Bildungsangebot auch für kleine Schulstandorte an, weil es gelingt, mit einer Gemeinschaftsschule dieser Ausprägung auch kleine Schulstandorte zu erhalten. Ich bin sehr gespannt, Kolleginnen und Kollegen, wie Sie das in den Ausschüssen diskutieren wollen.
Zum Schluss: Wir beantragen nicht die Abschaffung der Gymnasien, der Hauptschulen - Sie nennen sie heute Mittelschulen, aber im Prinzip ist es nichts anderes. Wir beantragen auch nicht die Abschaffung der Realschulen - das wissen Sie, wenn Sie unseren Gesetzentwurf aufmerksam gelesen haben -, sondern wir beantragen, dass Eltern eine Alternative zu der Schule haben, die sie wollen, für eine moderne Schule der Zukunft mit individueller Förderung, also eine Ergänzung.
Wenn Sie weiterhin behaupten, wir wollten Gymnasien abschaffen, dann lügen Sie die Menschen an. Das ist nicht der Fall. Aber wenn Sie noch nicht einmal in der Lage sind, Modellschulen zuzulassen, nicht gezwungen, sondern wo Eltern und Gemeinden dies wünschen, dann zeigt das nur eines: Sie wollen einfach nicht. Das ist schade und schlecht für Bayerns Eltern, Lehrer und Schüler, weil sie damit in der Schul- und Bildungspolitik der Steinzeit stehen bleiben.
Ich weiß auch warum, Kolleginnen und Kollegen. Sie sind in Ihrer eigenen Falle angekommen. Wer zehn Jahre lang den Menschen verkündet: Wir sind die Besten und die Größten, der kann nach zehn Jahren nicht zugeben, dass er zehn Jahre lang einen Fehler gemacht hat. Das ist das Problem, das Sie politisch haben.
Ich hoffe, dass wir in den Ausschüssen die Möglichkeit haben, darüber konstruktiv zu diskutieren, und ich bitte Sie ganz herzlich: Haben Sie endlich ein Einsehen mit den Eltern, mit den Lehrern und mit den Schülern in diesem Land.
Der verwendeten Redezeit entnehme ich, dass Sie Begründung und Aussprache zusammengefasst haben. Ich rufe deswegen zur weiteren Aussprache auf und bitte Herrn Nöth für die CSU nach vorne.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kollegen! Die SPD hat mit diesem Gesetzentwurf buchstäblich die Katze aus dem Sack gelassen und ihr "Modell der Zukunft" kreiert. Sie fordert mit dem Gesetzentwurf die Einführung der Gemeinschaftsschule und setzt - da bin ich mir sicher - mit diesem Modell auf einen Lösungsansatz, der bisher in
Deutschland überall dort, wo mit der Gemeinschaftsschule gearbeitet wurde, kläglich gescheitert ist.
Sie haben im Übrigen sehr lange gebraucht, Herr Pfaffmann, bis Sie diesen Gesetzentwurf auf den Tisch gebracht haben. Sie haben darüber diskutiert. Sie waren zunächst für die sechsjährige gemeinsame Schulzeit, dann für die achtjährige. Dann kam aus Berlin der Wink für die zehnjährige gemeinsame Schulzeit. Wenn ich jetzt Ihren Gesetzentwurf genau anschaue, dann erinnert er mich in vielen Bereichen an den Entwurf des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, nämlich an die sogenannte Regionalschule.