Protocol of the Session on October 19, 2010

Das ist ein anderes Beispiel. Die 15 Minuten sind jedenfalls so weit gefasst, da kann man auch eine solche Bemerkung machen. Wir stimmen Ihnen also in dem Punkt zu, dass das altmodisch und nicht mehr zeitgemäß ist.

Die Lernmittelfreiheit beschränkt sich auf Bücher, und man weiß, dass heute in einem modernen Klassenzimmer natürlich Notebooks sind, dass Softwareklassensätze angeschafft werden müssen, und die sind auch nicht gerade billig. Deswegen ist die Einschränkung auf Büchererstattung für uns überhaupt nicht mehr der Zeit entsprechend.

Außerdem ist es einseitig, und mein Vorredner macht sich mehr oder weniger lächerlich mit seiner Bemerkung übers Golfspielen. Wir reden von staatlichen Schulen, und ich weiß nicht, ob an einer einzigen staatlichen Schule Golf angeboten wird, und wenn, dann ist es sicher im Rahmen eines Wahlunterrichts, dass man vielleicht drei Schulen in Bayern zusammenbringt. Dann ist es vielleicht im Zusammenhang mit Schule und Sport, und dann wird es vom Sport finanziert.

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordne- ten der SPD)

Es ist schon hirnrissig, so ein Beispiel zu bringen. Das verhöhnt eigentlich die ganze Diskussion; denn hier geht es um den Alltag.

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordne- ten der SPD)

Der Alltag heißt sehr wohl - da könnte man wieder die Minister-Seite links loben -, dass ein Ministerium laufend von den Lehrern verlangt, dass sie den Unterricht so gestalten, dass er alle Sinne umfasst. Man wird gebeten, Theateraufführungen in die Schule zu holen. Dabei geht es nicht darum, mit den Kindern in die Bayerische Staatsoper zu gehen, obwohl das wahrscheinlich nicht so teuer ist, wenn man es am Vormittag macht. Mittlerweile gibt es didaktisch sehr

schöne Aufführungen: "Der junge Mozart", "Der junge Bach" oder wie sie alle heißen. Ich frage mich, ob der Kollege, der das gerade mit dem Golf gesagt hat, weiß, dass an diesen Tagen die Krankheitsquote an den Schulen enorm steigt, obwohl keine Grippewelle ist. Denn da bleiben die Schüler zuhause, weil man von ihnen 3,50 Euro oder 5 Euro verlangen muss, und das haben viele Kinder nicht mehr. Das ist tatsächlich Ausgrenzung.

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordne- ten der SPD)

Deshalb ist es absolut sinnvoll, davon wegzugehen, dass die Schule nur Bücher kaufen darf, was entsprechend bezuschusst wird. Wir brauchen einen zeitgemäßen Unterricht, und der schaut anders aus. Deswegen tut es mir leid, dass Sie seinerzeit, als Sie das Büchergeld wieder abgeschafft haben, nicht gleich Nägel mit Köpfen gemacht und diese Förderung an den modernen Unterricht angepasst haben. Da haben Sie eine Chance verpasst, aber wahrscheinlich wissen einige von Ihnen nicht mehr, wie es draußen an den Schulen zugeht.

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordne- ten der SPD)

Aber - und im Bildungsausschuss haben wir darüber schon öfter diskutiert - wir enthalten uns bei diesem Antrag, weil er die Finanzierung doch dem Staat aufhalst. Wir sind hier an dieser Stelle oft der Meinung und kämpfen auch dafür, dass der Staat die Aufgaben der Kommunen mit übernehmen soll. Aber hier haben wir eine bewährte Mischfinanzierung, die vor allem auf Eigenverantwortlichkeit des Schulträgers und der Schulfamilie setzt. Diese Finanzierung wollen Sie kippen. Sie sagen, das muss dann alles der Freistaat zahlen. Das tragen wir nicht mit, weil wir meinen, dass es um ein bewährtes System geht. Uns ist die Bildung natürlich teuer. Aber unserer Meinung nach müsste man Mehrkosten, die hier entstehen, mehr in Manpower und Womanpower stecken und nicht in die Sachaufgaben einer Schule. Sie generieren durch diesen Gesetzentwurf eindeutig Mehrkosten. Wie gesagt, Bildung muss mehr kosten, aber unserer Meinung nach nicht in diesem Bereich. Sie generieren hier wesentlich mehr Bürokratie. Das kann unten entschieden werden. Sie gehen hier den umgekehrten Weg, der unserer Meinung nach falsch ist. Sie gehen von oben nach unten und wollen die Entscheidungen oben ansiedeln. Wir meinen nach wie vor, dass die Schule in Eigenverantwortlichkeit vor Ort entscheiden soll. Das funktioniert.

Wir hören dann oft das Argument, das müsste doch mehr kosten. Unterschwellig schwingt die Frage mit:

Meinen Sie, das Büchergeld ist zu hoch? Nein, wir meinen, die momentan vorhandenen Etats müssen von der Schulfamilie verteilt werden. Es muss der Schule überlassen bleiben - diesen Teil Ihres Gesetzentwurfs halten wir für gut -, zu entscheiden, ob sie einen Klassensatz Lesebücher oder für alle fünften Klassen Lesebücher kauft. Dazu müsste es dann eben auch Alternativen geben, über die vor Ort entschieden wird. Diesen Weg gehen Sie leider nicht mit uns. Das heißt, diese Eigenverantwortlichkeit in der Schulfamilie, die eine wichtige Voraussetzung für den sorgsamen Umgang mit unseren Steuergeldern ist, wollen Sie kippen. Sie wollen mehr an den Staat delegieren. Das wollen wir nicht. Deswegen werden wir uns bei der Abstimmung enthalten.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Vielen Dank, Frau Kollegin Gottstein. Für die GRÜNEN äußert sich nun Kollege Gehring.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die soziale Schere zwischen Arm und Reich klafft in unserer Gesellschaft immer weiter auseinander. Die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung ist eine der wichtigsten Aufgaben unserer Politik auf den verschiedensten Feldern.

Bei der Bildungspolitik, von der wir gerade reden, geht es nun darum, klar zu erkennen, dass die soziale Ungleichheit in dieser Gesellschaft von der Bildungsarmut herrührt, das heißt, dass der Bildungserfolg vom sozialen Hintergrund der Familien abhängt.

Und hier gilt es zu differenzieren. Es geht auf der einen Seite um den sozialen Hintergrund in finanzieller Hinsicht, das heißt die finanzielle Ausstattung der Familien, und auf der anderen Seite um das kulturelle Kapital, das Familien ihren Kindern mitgeben können. Wenn wir nun über die einzelnen Maßnahmen reden, müssen wir verschiedene Kriterien anwenden, um zu einer Bewertung der Maßnahmen zu kommen. Wir müssen uns fragen:

Erstens: Wie zielsicher sind die Maßnahmen?

Zweitens: Auf welcher Ebene der politischen Zuständigkeit bewegen wir uns, wenn wir hier miteinander diskutieren, wie es um die finanziellen Dimensionen steht? Wir müssen das Ganze im Haushalt auch finanzieren können. Deswegen geht es auch immer um Priorität bei den Maßnahmen, die wir diskutieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir führen hier im Grunde eine Diskussion, die stückweise auch eine Stellvertreterdiskussion über Kinderarmut und Sozialpolitik in diesem Land ist. Damit reden wir gleichzeitig auch über die Bundespolitik, und wir reden darüber, dass die Hartz-IV-Regelsätze trotz des Verfassungsgerichtsurteils nicht erhöht werden, obwohl die Regelsätze für Kinder zu niedrig sind.

Die Kinderarmut ist in diesem Land ein hausgemachtes Problem; es ist vor allem ein Problem, das auf der Bundesgesetzgebung beruht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was jetzt von der Bundesregierung mit dem Bildungschip und dem Bildungspakt angedacht wird, ist zum einen noch sehr vage, wird zum anderen große Probleme in der Umsetzung mit sich bringen und wird darüber hinaus die tatsächlichen Probleme von Kinderarmut auch im Bildungsbereich nicht lösen.

Wir GRÜNE haben in diesem Zusammenhang einen Antrag für eine Kindergrundsicherung eingebracht, in dem es darum geht, Kindern eine eigene Grundsicherung zu geben. Wir wollen damit die Transfers an das Kindsein bündeln, um damit eine gute finanzielle Ausstattung für Familien in schwierigen sozialen Verhältnissen zu ermöglichen. Das ist unser Weg. Gehen Sie bei unserem Antrag mit, dann, denke ich, können wir mit diesem Antrag etwas gestalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bildungsgerechtigkeit ist vor allem eine Aufgabe, die den Ländern obliegt. Wir müssen feststellen, dass der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg in Bayern beträchtlich ist. Auch im Bundesvergleich ist er schlecht; wir in Bayern sind keineswegs Spitze.

Das ist beschämend; es ist eine Schande für die bayerische Bildungspolitik. Gleichzeitig müssen wir erkennen, dass wir diesen Misserfolg zu verzeichnen haben, obwohl wir in der Lernmittelfreiheit zum Teil weitergehende Lösungen als andere Bundesländer wie zum Beispiel Rheinland-Pfalz haben.

Da dieser große Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg besteht, müssen wir uns durchaus erneut überlegen, wo genau die Ursachen für diese Bildungsungerechtigkeit in Bayern zu finden sind.

Ich sehe hier drei Dinge. Das Erste ist die Frühförderung. Die Bertelsmann-Stiftung hat erst kürzlich wieder bestätigt, dass die Frühförderung in Bayern kein ausreichendes Niveau hat. Auch hier nimmt Bayern

im bundesweiten Vergleich einen schlechten Platz ein.

Das Zweite ist die frühe Sortierung der Schülerinnen und Schüler nach der vierten Klasse. Das befördert diejenigen, die einen guten familiären Hintergrund haben, und benachteiligt diejenigen, die aus schwierigen und nicht so guten sozialen Verhältnissen kommen.

Das Dritte ist das schlechte, unzureichende Angebot an Ganztagsschulen. Auch in Bezug auf die Ganztagsangebote liegt Bayern bundesweit auf dem letzten Platz.

Mit diesen drei Punkten hängt auch der boomende Markt an Nachhilfe zusammen, den wir in Bayern haben. Hier gibt es eine ganz klare soziale Selektion zwischen Eltern, die sich Nachhilfe leisten können, und Eltern, die sie sich nicht leisten können.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass wohlhabende Eltern immer mehr zusätzliches Unterrichtsmaterial kaufen, das gar nicht im Lehrplan steht. Auch das machen nur die Eltern, die sich das leisten können. All das ist Ausdruck ungenügender Förderfähigkeit in unseren Schulen.

Wir müssen also in eine bessere Frühförderung investieren. Dazu gehören auch die Qualitätsverbesserung in den Kindergärten und als ein zweiter Schritt der kostenfreie Kindergarten.

Wir müssen in eine bessere Betreuung und Unterrichtsausstattung an den Schulen bis hin zu Ganztagsschulen investieren.

Zur Aufnahme der Lernmittelfreiheit in die Verfassung möchte ich erklären, dass wir diesem Vorschlag der SPD nicht nähertreten können. Wir werden uns bei diesem Punkt der Stimme enthalten, weil dieser Vorschlag nicht zielführend ist. Eine Änderung der Verfassung verändert noch nicht die tatsächliche Politik. Auch der Hinweis auf Baden-Württemberg zeigt, dass es dort nicht wirklich andere Verhältnisse gibt. In der Verordnung von Baden-Württemberg findet sich nämlich der unbestimmte Rechtsbegriff der "Gegenstände geringen Werts". Das führt nach meiner Wahrnehmung dazu, dass es in Baden-Württemberg nicht so viel anders als in Bayern läuft, mit der Ausnahme, dass zwar Atlanten und Formelsammlungen ebenfalls von der Schule ausgeliehen werden, aber die anderen notwendigen Ausgaben in Baden-Württemberg von den Eltern getragen werden.

Wir warnen daher davor, die Verfassung mit weiteren unbestimmten Rechtsbegriffen zu betrachten, weil sie vor allem symbolischen Charakter haben und sich da

raus keine Verpflichtung ergibt. Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir die Verfassung noch voller schreiben, als sie es heute bereits ist. Deswegen werden wir uns bei diesem Punkt, wie gesagt, der Stimme enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bei der Debatte zu Ihrem Gesetzentwurf auf Drucksache 16/4615 zum Schulfinanzierungsgesetz müssen wir noch einmal über die Kosten reden. Wir vermissen in diesem Entwurf wirklich konkrete Aussagen zu den Kosten. Wenn es sich um 1.000 Euro pro Schüler handelte, hätten wir unermessliche Kosten in Höhe von 1,8 Milliarden Euro. Wenn es 100 Euro pro Schüler sind, sind wir immerhin bei 180 Millionen Euro. Das heißt, der jetzige Etat würde sich verdreifachen. Es gibt keine Aussagen über eine mögliche Deckelung der Kosten, sodass diese für die Schulen sozusagen ins Uferlose gehen könnten.

Ich komme noch zu einem weiteren wichtigen Punkt. Eine allgemeine Lernmittelfreiheit ist eine soziale Wohltat für alle und damit gleichzeitig eine Wohltat für Besserverdienende, also auch für diejenigen, die sich die Lernmittel leisten könnten. Damit ist auch die allgemeine Lernmittelfreiheit nicht zielgerichtet. Selbstverständlich geht es bei der Infrastruktur darum, sie für alle unentgeltlich zu machen. Gleichwohl müssen wir bei allen Transferleistungen - und selbstverständlich handelt es sich auch hier um eine Transferleistung - genau hinsehen, was zielführend ist und was nicht.

Sicherlich ist es notwendig, die gegenwärtige Lernmittelfreiheit in Bayern weiterzuentwickeln; Frau Gottstein hat bereits darauf hingewiesen. Wenn es nicht nur darum geht, Bücher auszuleihen, sondern wenn es auch um elektronische Medien geht, um hohe Kopierkosten etc., brauchen wir mehr Flexibilität, und wir brauchen Budgets für Schulen, mit denen diese Schulen dann arbeiten. Möglicherweise müssen sie höher sein, als das heute der Fall ist, aber das bedarf einer anderen Regelung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deswegen werden wir uns auch bei diesem Gesetzentwurf der Stimme enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Kollege Gehring. Frau Kollegin Sandt für die FDP. Bitte sehr.

Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen! "… An den öffentlichen Schulen