Protocol of the Session on October 14, 2010

In den letzten beiden Jahren wurde in Bildung massiv investiert. Die Ausgaben sind um 2 Milliarden, von 12 auf 14 Milliarden Euro, angestiegen. Es wurden zusätzliche Lehrerstellen geschaffen und die Zahl der Ganztagesschulen - 50 % im Jahr 2009/2010 - wurde deutlich erhöht. Auch zum neuen Schuljahr wurden 100 weitere gebundene Ganztageszüge an den Grundschulen neu genehmigt. Das zeigt, wie wichtig gerade die Bildung ist. Wir wollen weitergehen mit der eigenverantwortlichen Schule, der Verbesserung der frühkindlichen Bildung und mit einer soliden Finanzierung unserer Hochschulen. Für Bayern ist das existenziell wichtig.

(Beifall bei der FDP)

Der Wohlstand in Bayern im Jahr 2030 wird vor allem davon abhängen, wie qualifiziert unsere Kinder und Enkel ausgebildet werden. Bildung ist der Wirtschaftsmotor der Zukunft.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Eine innovative Wirtschaft braucht aber auch künftig genügend Arbeitskräfte. Ob es uns gelingt, den drohenden Fachkräftemangel zu bekämpfen, ist gerade für die Unternehmen in Bayern, für unsere Wirtschaft, eine Existenzfrage. Schauen Sie sich den Maschinenbau an. Auf diesem Feld sind unsere Unternehmen führend. Die starke Position werden wir schnell verlieren, wenn wir unsere Wirtschaft nicht in die Lage versetzen, auch in Zukunft qualitativ hochwertige und gut ausgebildete Facharbeiter einstellen zu können. Bereits im Aufschwung wird deutlich, dass in manchen Berufsgruppen die Arbeitskräfte knapp werden. Für die Zukunft zeigen die Studien ganz dramatische Entwicklungen auf. Allein in Bayern sollen bis 2030 über eine Million Arbeitskräfte fehlen. Dabei geht es nicht nur um die Spitzenkräfte. Deutschlandweit gehen in den kommenden Jahren 1,5 Millionen Personen mit abgeschlossener Lehre in Rente. Das heißt, der deutschen Wirtschaft gehen nicht nur die Ingenieure aus, sondern vor allem die Facharbeiter. Um das zu verhindern, brauchen wir ein ganzes Bündel von Maß

nahmen. Am Anfang steht dabei natürlich zu Recht die Weiterqualifizierung. Wir brauchen lebenslanges Lernen, wir brauchen eine immerwährende Weiterqualifizierung der Menschen in diesem Land. Wir brauchen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um neue Potenziale auszuschöpfen. Wir brauchen flexiblere Ruhestandsgrenzen, um älteren Mitmenschen nach deren Bedürfnissen die Möglichkeit zu geben, im Arbeitsleben zu verbleiben.

Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um junge, gut ausgebildete Menschen im Inland zu halten. Bei all den aufgeregten öffentlichen Debatten über Deutschland als Einwanderungsland verlieren wir eines leicht aus dem Blick: In Wahrheit ist Deutschland zunächst einmal ein Auswanderungsland. Die Zahl der Fortzüge von Deutschen hat sich allein von 2001 bis 2006 um 42 % erhöht. Wer geht? Es sind die gut Ausgebildeten und Qualifizierten. Hier ist die Politik gefordert. Wir müssen die Arbeits- und Lebensbedingungen in unserem Land so attraktiv machen, dass junge Spitzenkräfte hier bleiben oder noch besser - hierher zurückkehren.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Wir müssen uns auch der Herausforderung stellen, mehr qualifizierte Einwanderer für unsere Wirtschaft zu gewinnen. Auch hier könnten wir von anderen Ländern lernen. Kanada zeigt, wie man Migration steuern und den Wert einer offenen und toleranten Gesellschaft mit den wohlverstandenen Interessen einer Nation verbinden kann. Es ist wichtig, dass wir jungen, talentierten Menschen aus allen Teilen der Welt an unseren Hochschulen Möglichkeiten geben, sich weiterzuentwickeln, so, wie es in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik Deutschland gang und gäbe war. Junge Menschen hier auszubilden bedeutet: Auch, wenn sie in ihre Heimatländer zurückkehren, gibt es Verbindungen zu Deutschland, Verbindungen zu den Unternehmen, was dem gemeinsame Nachvornekommen dient.

Einen ersten Schritt zu mehr Offenheit hat die Bundesregierung gemacht, indem sie Regeln für eine leichtere Anerkennung anderer beruflicher Qualifikationen geschaffen hat. Hier ist der richtige Weg eingeschlagen. Diesen Weg muss Deutschland mit der aktiven Unterstützung Bayerns weitergehen. Wer dies verneint, verschließt die Augen vor der Realität. Er verschließt die Augen vor der demografischen Entwicklung und setzt somit den Spitzenplatz des Forschungs-, Wissenschafts- und Innovationsstandortes Bayern aufs Spiel.

Meine Damen und Herren, wenn junge Menschen Bayern verlassen, hat das zum einen damit zu tun,

dass sie durch ihren Weggang ihr persönliches Wohlergehen im Ausland besser verwirklicht sehen. Sie tun es aber auch oft deshalb, weil andere Länder mehr Freiheit bieten, zum Beispiel mehr Forschungsfreiheit oder mehr Offenheit für neue Ideen. Walter Scheel hat einmal gesagt: Nichts geschieht ohne Risiko, aber ohne Risiko geschieht auch nichts.

Wir reden in diesem Hohen Haus zu Recht oft über die Risiken neuer Technologien, müssen aber auch ihre Chancen sehen. Wir müssen uns auf Veränderungen einlassen und dürfen neuen Technologien nicht schon von vornherein mit Misstrauen begegnen. Nur so wird unsere Gesellschaft weiter vom Fortschritt profitieren. Eine Politik der Fortschrittsverweigerung setzt die Zukunft Bayerns aufs Spiel.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Meine Damen und Herren, manche in diesem Hohen Hause kommen mir so vor, als ob sie wie Robinson Crusoe auf einer einsamen Insel lebten, umgeben von Wasser, nicht eingebunden in die Europäische Union und in eine Welt, in der es viele Länder gibt, die mehr Dynamik und Innovation zeigen.

Wenn wir es nicht schaffen, Forschungsfreundlichkeit und die Akzeptanz neuer Technologien in unserer Gesellschaft zu erhalten, und wenn wir es nicht schaffen, notwendige Infrastrukturmaßnahmen in Angriff zu nehmen und nach vorne zu bringen, wird dieses Land Bayern, wird die Bundesrepublik Deutschland die eigene Zukunft aufs Spiel setzen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Wenn wir das Energiekonzept der Bundesregierung betrachten, eine Brücke zu bauen, bis die regenerativen Energien die Versorgung der Grundlast sicherstellen können, dann scheint bei manchen noch nicht angekommen zu sein, welche Widerstände es in der Bevölkerung auch dann gibt, wenn in der Nachbarschaft neue Windräder gebaut werden sollen, wenn neue Solarparks auf den Feldern geplant werden oder wenn neue Biomassekraftwerke errichtet werden sollen. Denn immer dann regt sich Widerstand in der Gesellschaft. Ich muss diese Technologien aber auch umsetzen und anwenden, denn nur dann können wir das andere Ende der Brücke in der Energie erreichen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

In den letzten Tagen hat Robert Edwards den Nobelpreis für Medizin bekommen, weil er vielen Millionen Menschen half, den Kinderwunsch zu erfüllen. Glauben Sie, bei den Debatten, die wir in der Bundesrepublik Deutschland derzeit führen, wäre das möglich gewesen, wäre eine solche Forschung und Innovation

zu verwirklichen gewesen? Mehr Mut, mehr Zuversicht und mehr Bereitschaft, neue Entwicklungen aufzunehmen, das wünsche ich mir für dieses Land.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Weil das unsere Grundüberzeugung ist, macht es aus unserer Sicht sehr wohl einen Unterschied, wer in der Regierungsverantwortung ist.

(Widerspruch bei der SPD und den GRÜNEN)

Weil wir dieses Land als FDP nach vorne bringen wollen, arbeiten Wolfgang Heubisch, Martin Zeil und Katja Hessel daran, ein forschungsfreundliches und innovationsfreundliches Bayern zu gestalten, um die Zukunftsfähigkeit dieses Landes zu erhalten.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, was ist Innovation? Eine Idee, ein Patent, ein Prototyp allein sind noch keine Innovation. Wir brauchen für diese merklichen Neuerungen immer auch die Möglichkeit der Umsetzung in der Wirtschaft. Deswegen arbeiten unsere Minister, arbeiten wir daran, die Verzahnung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft noch stärker zu verbessern, den Technologietransfer zu verstärken, und wir arbeiten daran, dass mehr von den hervorragenden Forschungsergebnissen tatsächlich in Produkte umgesetzt werden.

Meine Damen und Herren, wenn wir auf die aufstrebenden Länder der Welt blicken, fällt neben der Schwerpunktsetzung auf Bildung und Bildungsinvestitionen eine weitere Gemeinsamkeit auf: Fast alle diese Länder setzen auf eine starke Mittelschicht. Aus dem Mund eines Liberalen mag es etwas seltsam klingen, sich darauf zu berufen. Aber immerhin tritt morgen in Peking das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei zusammen. Das liegt Ihnen ja näher.

(Harald Güller (SPD): Ich habe immer gehört, das sei unter Westerwelle so! - Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Es soll dort ein neuer Fünfjahresplan diskutiert werden.

Man höre und staune: Bei diesem neuen Fünfjahresplan geht es nicht darum, die Großindustrie zu fördern, und es geht nicht darum, das Heer von Billigarbeitern weiter auszubauen, sondern es geht um die Urbanisierung des Landes und um die Schaffung einer neuen Mittelschicht, die durch ihren Konsum für ein Wachstum jenseits des Exports sorgt und darüber hinaus die Klammer in der Gesellschaft bildet.

Und wenn schon China erkennt, wie wichtig die Mittelschicht ist, dann bestärkt uns das nur darin, unser ganzes Augenmerk auf eine ganz starke Mitte zu setzen, die zusammenhält und die für die Gerechtigkeit in unserem Lande so entscheidend ist. Denn diese Mitte verbindet die wirtschaftliche Dynamik mit dem sozialen Zusammenhalt, und so ist eine starke Mittelschicht die beste Stabilitätssicherung für dieses Land, für die sich jeder Einsatz lohnt.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Gesellschaften haben eine Zukunft, wenn sie auf Freiheit setzen, gleichzeitig aber auch die Verantwortung sehen und übernehmen. Diese Verbindung von Freiheit und Verantwortung gilt über alle Zeiten und Grenzen hinweg. Wir arbeiten daran mit ganzer Kraft, dass diese Freiheit, die Möglichkeit sich zu entwickeln, als Weg in die Zukunft ein Erfolgsmodell für Bayern bleibt.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Danke, Herr Kollege Hacker. Ich bitte für die CSU nun den Herrn Kollegen Schöffel nach vorne.

- Ist Herr Schöffel da? - Ja! Entschuldigung, es gab hier im Saal so viel Gewühle, dass ich schon dachte, die Kollegen rüsteten sich schon zum Aufbruch. Bitte sehr, Herr Kollege Schöffel.

Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bayerische Wirtschaftspolitik ist eine Erfolgsgeschichte.

(Zuruf von der CSU: Jawohl! - Zurufe von der CSU: Bravo! - Beifall bei der CSU)

Das zeigt sich ganz besonders nach der letzten Krise. Aus der Sicht des ländlichen Raumes ist besonders hervorzuheben, dass die Unternehmen in allen Regionen unseres Landes gestärkt aus der Krise hervorgehen. In allen Teilen unseres Landes gibt es heute Hochtechnologieunternehmen, die für den Weltmarkt produzieren. Durch die Konzentration der Regionalförderung auf die strukturschwachen Räume wurden Arbeitsplätze da geschaffen und gesichert, wo sie besonders im Fokus standen.

Durch den Mittelstandsschirm sowie den starken Einsatz von Staatsregierung und LfA, aber auch der Arbeitgeber und Arbeitnehmer konnte vielen Unternehmen in schwieriger Zeit geholfen werden und ihre Existenz konnte gesichert werden.

Durch die Einrichtung von Hochschulaußenstellen im ländlichen Raum werden neue starke Impulse gesetzt

in Richtung Forschung und Entwicklung und in Richtung Technologieführerschaft. Mit sinnvollen Modellregionen bringen wir Themen wie die Elektromobilität voran. Von der Bildung von Clustern profitieren gerade auch die Unternehmen im ländlichen Raum. Und der Freistaat selbst wird auch Arbeitsplätze gezielt aus den Ballungszentren hinaus verlegen. Alle Regierungsbezirke haben eine Arbeitslosenrate unter dem Schnitt der alten Bundesländer. Die Investitionen der Vergangenheit zum Beispiel in die Universitäten und Fachhochschulen waren richtig. Sie zahlen sich jetzt aus und wir spüren jetzt überall im Lande die positiven Wirkungen.

Das alles sind nur Schlaglichter, aber sie belegen, dass Bayern auf einem erfolgreichen Weg ist. Unsere Bilanz ist hervorragend. Gleichwohl schauen wir noch genauer hin. Denn wir wissen, dass nicht alle wirtschaftspolitischen Fragen beantwortet sind. Unser Grenzland zu den neuen Bundesländern und zu Tschechien hat die Folgen der jahrzehntelangen Randlange und des Strukturwandels zu verkraften. Die großen Anstrengungen der letzten Jahre haben sich ausgezahlt. Es braucht jedoch weitere Hilfen zur Selbsthilfe. Weite Teile unseres ländlichen Raumes haben sich früher oder später mit den Folgen des demografischen Wandels auseinanderzusetzen. Unsere vorrangige Aufgabe ist es, wie im LEP (Landesent- wicklungsprogramm, Anm.) festgeschrieben, uns mit der Entwicklung des ländlichen Raums zu beschäftigen und Konzepte für die Zukunft zu entwickeln.

Wir müssen und werden verhindern, dass die Bevölkerungsentwicklung, wie vom Statistischen Landesamt prognostiziert, eintritt. Die Folge wäre eine Erodierung der bayerischen Wirtschaftskraft, weil Kaufund Fachkräfte außerhalb der Metropolen fehlen. Außerdem wird die Vorhaltung der Infrastruktur immer schwieriger. Wir kennen die Diskussion aus der Schulpolitik bei zurückgehenden Geburtenzahlen. Unternehmen bangen um den Zuzug von Fachkräften und den Erhalt von guten Leuten.

Deswegen stellen sich folgende Fragen: Reichen die positiven Impulse der Vergangenheit aus, um diesen Herausforderungen zu begegnen? Bestehen unsere Landkreise überall die Zukunft und den Wettbewerb um Menschen und um Kapital? Wie sieht es mit der im LEP angesprochenen Veränderung der Eigentumswerte im Freistaat aus? Jetzt ist die Zeit, die Rolle und die Chancen des gesamten ländlichen Raums im Freistaat für die Zukunft zu definieren und für zukunftsfähige Ziele Konzepte und Strategien zu entwickeln.

Gerade in wirtschaftlich guten Zeiten müssen wir unsere knappen Mittel dort konzentrieren, wo wir wirt

schaftlich aufzuholen haben, in Regionen, die momentan nicht aus eigener Kraft den Anschluss an die Entwicklung halten können. Die Menschen in allen Regionen Bayerns hängen sich voll rein. Deswegen ist Bayern auch so erfolgreich. Unser ländlicher Raum, jede Region unseres Landes, muss sich als zukunftsfähiger Lebensraum und als echte Alternative zur Metropole profilieren. Das sind grundsätzliche Fragen in Bezug auf das Vorhalteprinzip von wichtigen Einrichtungen und nach professionellem Personalmanagement. Frau Staatssekretärin, unser Staatssekretärsausschuss hat Beispielregionen festgelegt, in denen diese Themen bearbeitet werden sollten.

(Alexander Muthmann (FW): Was ist daraus geworden?)

Außerdem sollten meines Erachtens in den Beispielregionen Reglementierungen des Landesentwicklungsprogramms komplett ausgesetzt werden, um die Entwicklung dieser ländlichen Gebiete gezielt voranbringen zu können; auf der Grundlage unserer Grundprinzipien: Vorrang, Vorhaltung und gleichwertige Lebensverhältnisse. Lieber Kollege Muthmann, da fällt uns sehr viel ein.

(Harald Güller (SPD): Machen, machen, machen!)