Protocol of the Session on October 14, 2010

Erstens. Eine Regierungserklärung zum Thema Innovation, die sich nicht mit dem Thema Bildung befasst, geht gar nicht. Nur ein bisschen Berufsschule, ein bisschen Duales System - und selbst da, lieber Herr Zeil, wäre es doch wichtig und richtig gewesen, auch einmal auf den eklatanten Lehrermangel bei den Berufsschulen hinzuweisen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Das ist wichtig für die Schüler, es ist aber auch wichtig für die Unternehmen, für diejenigen, die die Auszubildenden dann in ihre Betriebe auf- und übernehmen. An dieser Stelle könnten Sie doch auch einmal als Stimme der Wirtschaft einen Blick zum Kultusminister richten und sagen: So ist das auch aus Sicht der Wirtschaft inakzeptabel! Es ist auch Aufgabe des Wirtschaftsministers, auf solche Defizite an dieser Stelle hinzuweisen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Insgesamt hätte ich mir schon gewünscht, dass Sie die Erwartungen an die Schulen auch einmal aus Sicht der Wirtschaft, aus Sicht der Unternehmen formulieren. Das ist schon bei der Mittelschuldiskussion ausgeblieben. Ich hätte schon ein klares Bekenntnis erwartet, was zukunftsorientierte, was innovationsorientierte Bildungsinhalte sind. Da reicht es eben nicht, nur Fachlehrpläne jährlich zu wiederholen. Die müssen abgespeckt werden, und die Persönlichkeitsbildung muss jetzt endlich einmal den Stellenwert und den Rang erreichen, den wir alle und vor allem auch die Wirtschaftsunternehmen wollen.

Da geht es um leistungsbereite, da geht es um kreative, da geht es um interessierte, zuverlässige und teamorientierte Menschen und weniger um das Abspulen von irgendwelchem Fachwissen. Das, was an Fachwissen erforderlich ist, können die Unternehmen selbst den Menschen, den jungen Menschen beibringen.

Die geistige Grundhaltung für Innovation setzt Offenheit für Neues voraus, und das Neue kommt nicht in die Welt, wenn man nur Bekanntes repetiert. Aber wahrscheinlich wird der Wirtschaftsminister bei Bildungspolitik gar nicht gefragt. Jedenfalls lässt das Ergebnis - auch bei der Mittelschuldiskussion - nichts anderes vermuten. Wir müssen auch im Bildungsbereich weg von Organisationsdebatten hin zu Inhaltsdebatten.

Zweitens. Ein Konzept zur Behebung des Fachkräftemangels ist eine ganz zentrale Frage. Sie haben die Zahlen selbst genannt. Prognos hat schon für das Jahr 2015 für Bayern einen Fachkräftemangel von über 500.000 vorausgesagt. Da genügt es nicht, auf eine nächste Staatsregierung nach dem Jahr 2013 zu warten, sondern da sind jetzt zentral alle wesentlichen Weichen zu stellen, wenn es nicht ohnehin bereits zu spät ist. Deswegen wäre es auch in dieser Regierungserklärung dringend notwendig gewesen, deutlich zu machen, wie dieser Herausforderung im Interesse auch der bayerischen Wirtschaft begegnet werden soll.

Unsere Arbeitsmarktprobleme, im Übrigen aber auch unsere allgemeinen sozialpolitischen und gesellschaftlichen Probleme können wir jedenfalls nicht im parteipolitischen Schlagabtausch und durch dumpfe Stimmungsmache gegen Menschen anderer Kulturen bewältigen.

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordne- ten der SPD)

Gefragt ist an dieser Stelle eine offene, integrationsbereite Gesellschaft und natürlich auch ein Stufenprogramm. Zunächst müssen wir selbstverständlich alle eigenen Potenziale in unserer Gesellschaft heben. Das gilt vor allem auch - da bin ich wieder beim vorigen Thema - für den Bildungsbereich, aber das wird nicht genügen.

Die Welt schläft nicht. Wir sollten dankbar sein, wenn wir die benötigen Fachkräfte gewinnen können - innerhalb der EU, aber durchaus auch außerhalb. Wenn wir da auch Menschen anderer Kulturen mit in unsere Arbeitswelt integrieren, dann ist das eine Integration erster Klasse. Eine Einbindung ins Arbeitsleben, in den Betrieb mit Kollegen, ist beste Voraussetzung für eine insgesamt gelingende Integration.

Drittens geht es um steuerndes Eingreifen für Zukunftstechnologien. Spannende Fragen sind unbeantwortet geblieben: Wie marktorientiert soll Forschung sein? Wie soll vor allem auch die Vernetzung des Mittelstandes mit der anwendungsbezogenen Wissenschaft verbessert werden?

Der Innovationsgutschein - auch das will ich anerkennen - ist hier durchaus ein Schritt in die richtige Richtung, aber sicherlich noch nicht ausreichend, wenn man Innovation programmatisch und zukunftsfähig auch für die mittelständische Wirtschaft entwickeln will. Da wäre eine Antwort auf die Frage zu erwarten gewesen: Soll der Förderdschungel endlich bereinigt werden, um auch den Unterstützung suchenden mittelständischen Unternehmen die notwendige Transparenz in diesem Bereich anbieten zu können?

Präsident Rodenstock hat auf der Veranstaltung am vergangenen Montag zum Thema eine "Innovationsstrategie mit Hand und Fuß" gefordert. Das sollte auch der Politik zu denken geben; denn wenn es eine Innovationsstrategie ohne Hand und Fuß ist, dann ist es halt ein Torso, und wie weit man mit einem Torso kommt, ist bekannt. Der Ministerpräsident hat bei eben dieser Veranstaltung auch bestätigt, dass eine Strategie aus einem Guss erforderlich ist. Er hat es den Herren Zeil und Heubisch überlassen, diese Strategie zu präsentieren. Am Montag wurde sie nicht präsentiert, heute wurde sie leider auch nicht präsentiert.

Sie haben gesagt, das Land Bayern sei beim Abgreifen von Forschungsmitteln nicht auf Platz eins, lieber Kollege Schmid: Bayern will doch überall den Platz eins erreichen und reklamiert das auch für sich, ist mit weniger als mit dem Platz eins zu Recht auch nicht zufrieden. Da sind wir einer Meinung. Wenn das so ist, dann darf man auch an dieser Stelle mit Blick auf Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen nicht zufrieden sein. Auch da waren doch Antworten auf die Frage zu erwarten, wie wir von einem guten Platz im vorderen Mittelfeld aus den angestrebten Platz eins wieder erreichen können. Ich habe keine Antwort vernommen. Vielleicht können Sie mir das noch einmal erklären.

Zum Thema E-Mobilität und E-WALD und den Ankündigungen, die wir auch heute wieder gehört haben: Das sind keine Heldenleistungen, so wie Sie uns das glauben machen wollen. Zwar ist am vergangenen Dienstag wohl wieder ein Pilotprojekt zur Elektromobilität angekündigt worden, aber zu der doch nicht ganz unwesentlichen Frage, wie dieses Projekt finanziert wird, ist überhaupt keine Antwort zu erwarten. Die Beantwortung dieser Frage wird auf einen sehr viel späteren Zeitpunkt verschoben.

Auch inhaltlich ist das noch nicht sauber gelöst. Dazu, jetzt die E-Mobilität zu forcieren, ohne auf erneuerbare Energien zu setzen, sage ich: E-Autos machen doch nur dann Sinn, wenn der dafür benötigte Strom aus sauberer Energie stammt.

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordne- ten der SPD)

Es ist auch doppelzüngig, wenn die Staatsregierung einerseits erneuerbare Energien durch ihren Atomlobbyismus blockiert und andererseits gleichzeitig das Öko-Auto anpreist. Das passt halt nicht zusammen! Das Elektroauto kann dabei ein Baustein, ein wichtiger Baustein bei der Entwicklung von Speichertechnologien regenerativer Energien sein. Das muss Hand in Hand gehen. Da fehlt die Antwort, wie diese Konzepte weiterentwickelt werden.

Viertens, zum Landesentwicklungsprogramm, Herr Staatsminister. Nicht ganz zufällig ist die Landesentwicklung vor Jahren aus dem Umweltministerium in das Wirtschaftsministerium gewandert. Die Chance, dieses Instrument jetzt im Sinne einer Gesamtsteuerung zu nutzen, ist von Ihnen bislang völlig unbeachtet geblieben.

Wir haben das Bekenntnis zu gleichwertigen Lebensbedingungen in ganz Bayern gehört. Es steht schon im Grundgesetz. Die Ankündigung, die Bayerische Staatsregierung werde das Grundgesetz auch künftig beachten, haben wir zwar gern gehört, aber das darf auch als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt werden.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Mehr zum Landesentwicklungsprogramm haben wir nicht erfahren. Ich fürchte, Sie haben noch keine klaren Vorstellungen zu so zentralen Fragen, wie es mit dem Vorrangprinzip und dem Vorhalteprinzip ausschaut und wie es mit dem Wettbewerb der Regionen ausschaut, der durchaus leistungssteigernd sein könnte. Sind das nicht auch Aspekte, denen man sich im Bereich der Landesentwicklung vermehrt stellen könnte oder müsste?

Auch haben wir an dieser Stelle nichts zur Effizienz der Arbeit des Staatssekretärsausschusses gehört. Liebe Frau Hessel, damit ist es leider nicht weit her; ich würde gern etwas anderes sagen, aber das geht an dieser Stelle beim besten Willen nicht.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Fünftens: Bürokratieabbau. Hierzu haben wir kein Wort gehört, Herr Zeil. Es wäre eine große Chance für einen Wirtschaftsminister, zum Thema Bürokratieabbau nicht nur etwas zu sagen, sondern vor allem

etwas zu tun, weil dies möglicherweise nichts kostet. Viele Dinge, mit denen Sie sich konfrontiert sehen, sind kostspielig. Über Infrastruktur müssen wir gleich noch reden. In Zeiten knappen Geldes ist die Verwirklichung der Pläne nicht so ganz einfach.

Aber wenden Sie sich auch einmal den Dingen zu, die nicht unbedingt Geld kosten, sondern über intelligente Lösungen und ohne viel Geld realisierbar sind und der Wirtschaft zugutekommen könnten. Da ist Bürokratieabbau ein klassisches Feld. Ich denke, es ist auch ein klassisches Feld der FDP.

Im Koalitionsvertrag steht: Bürokratie abbauen, Staatsquote herunter. Das sind Dinge, die sich schön lesen lassen. Aber nicht das Wort, sondern die Tat ziert den Mann, sehr geehrter Herr Staatsminister. Es dürfen also Dinge nicht nur vollmundig angekündigt werden, sondern es muss auch etwas nachfolgen.

Bürokratieabbau wäre auch ein Mittelstandsförderprogramm. Aber in der Regierungserklärung haben wir nichts dazu gehört. Das lässt nichts Gutes erwarten.

Herr Zeil, die Freien Wähler haben zum Ladenschluss einen - zugegeben: bescheidenen, aber vereinfachenden - Vorschlag gemacht. Die Gruppierung FDP -

(Thomas Hacker (FDP): Wir sind sogar eine Partei!)

- Wenn Sie so weitermachen, nicht mehr lange.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Ihre Gruppierung oder Partei, Herr Zeil, die FDP, hat auch an dieser Stelle schon Ablehnung angekündigt. Sie wollen also noch nicht einmal einen kleinen Schritt tun. Es geht hier einmal in fachlicher Hinsicht um Interessen, aber auch um ein Signal insgesamt. Sind Sie überhaupt interessiert, bürokratische Hürden, die sich den Menschen und Unternehmen entgegenstellen, abzubauen? Was Sie an dieser Stelle bisher geboten haben, ist ein Trauerspiel und macht hier die Aufforderung notwendig, dringend in sich zu gehen, nachzudenken und entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Das gilt nicht nur bezüglich unseres Entwurfs zum Ladenschluss, sondern generell für das Feld des Bürokratieabbaus. Dieses Feld muss endlich einmal ernsthaft beackert werden.

Ich könnte noch eine Reihe weiterer Beispiele nennen, ich will aber nur ein paar Schlaglichter setzen.

Die Wirtschaftspolitik kann ganz generell in Richtung Bürokratieabbau Bremsen lösen und die staatliche Kontrollmanie abbauen. Dieser Tage habe ich mir vom Verband für Ländliche Entwicklung sagen lassen,

dass jeder Euro, der ausgegeben wird, durch zehn Prüfinstanzen geprüft wird. Die Energien, die dafür verschwendet werden, könnte man sehr viel besser an anderer Stelle nutzen. Dass wir Geld brauchen und es nicht nur mit der Intelligenz gehen wird, wird jedem spätestens dann klar, wenn wir über Infrastruktursicherung sprechen.

Ihre Ausführungen, die Sie an dieser Stelle gemacht haben, veranlassen mich auch, die folgenden Bemerkungen zu machen:

Die erste Bemerkung mache ich zu Sein und Schein. Richtig ist, dass eine leistungsfähige Infrastruktur Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung ist. Aber was Sie beschrieben haben und das, was tatsächlich ist, liegt ein gutes Stück auseinander.

Sie haben gefragt: Welche Perspektive hätten die Menschen heute ohne unser leistungsfähiges Schienen- und Straßennetz im ganzen Land? Reden Sie denn im Kabinett nicht miteinander, Herr Zeil? Sprechen Sie einmal mit dem Herrn Innenminister, der am 1. November 2009 in einer Stellungnahme zum Zustand der Staatsstraßen an die Präsidentin Folgendes berichtet hat - ich darf zitieren -:

Es ist zu erwarten, dass sich die Straßensubstanz bei gleichbleibendem Mitteleinsatz auch in Zukunft weiter verschlechtern wird. … ein bekanntes Phänomen.

Dann das Hohelied der Infrastruktur zu singen passt mit dem anderen nicht zusammen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Bei der Schiene ist es nicht anders. Auch da kennen wir die zahllosen Defizite unserer Infrastruktur. Ich bringe beispielhaft nur die Themen Elektrifizierung der Strecke Hof - Regensburg, notwendiger Ausbau der Strecke Plattling - Landshut und vor allem die wirtschaftlich angemessene Erschließung des Chemiedreiecks in Erinnerung.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Wir dürfen an dieser Stelle heute auch noch einen Dringlichkeitsantrag beraten.

(Erwin Huber (CSU): Stimmen Sie zu?)

Das ist natürlich ein bisschen seltsam, aber ich will die Debatte an dieser Stelle nicht vorwegnehmen. Sie fordern die Staatsregierung auf, den Wirtschaftsausschuss zu informieren. Wir fühlten uns eigentlich ausreichend informiert. Auch bei Ihnen hätten wir das als

durchaus denkbar unterstellt. Aber dazu sage ich an anderer Stelle mehr.