Wir hatten in den letzten Wochen die Diskussion über Sarrazin. Ich gehe nicht soweit zu sagen, Seehofer wollte dartun, was Sarrazin kann, kann ich schon lange.
Ich glaube, dass Seehofer zunächst eine etwas unüberlegte Äußerung getan hat, wie es beim Uniklinikum Augsburg der Fall gewesen war, am Ende von der Reaktion überrascht wurde und sich dann, als die ersten positiven Mails gekommen waren, vorgenommen hatte: Jetzt packe ich den Stier bei den Hörnern und stehe dazu.
Diese rein ideologische Diskussion wird im Grunde doch nur dazu missbraucht, sich gegenseitig vorzuwerfen, ihr könnt es nicht. Eine solche Diskussion führt am Ziel vorbei und steht der Integration im Wege.
Wir müssen auf die Sachebene herunterkommen und die Realitäten betrachten. Das heißt, wir müssen genau da ansetzen, wo sich Integration entwickelt. Das ist in erster Linie im frühkindlichen Bereich. Ich will nicht sagen, dass das in Bayern alles schlecht ist. Es gibt sicherlich auch rot oder rot-grün regierte Länder, in denen die Politik in punkto Deutschförderung hinterherhinkt. Gleichwohl ist festzustellen, dass auch in Bayern noch nicht alle Register gezogen werden, die man möglicherweise ziehen könnte. Noch ist der
Betreuungsschlüssel zu hoch. Man kämpft darum, in Klassen mit über 50 % Ausländeranteil eine Obergrenze von 25 Kindern einzuführen. Diese Klassenobergrenze bräuchten wir schon in manchen rein deutschen Klassen ohne Migrationshintergrund.
Wenn in etwa die Hälfte der Kinder kein gutes Deutsch spricht, zeigt das: Wir brauchen deutlich kleinere Einheiten. Man möge jetzt auch nicht sagen, in den anderen Ländern sei das noch schlechter. Das mag so sein, aber auch in Bayern gilt es auf dieser Ebene anzusetzen, denn da entscheidet sich, ob Integration funktioniert oder nicht.
Wir müssen die Eltern der Kinder mit Migrationshintergrund an den Tisch holen und müssen niedrigschwellige Angebote schaffen, um diese Kinder in die Schulfamilie hineinzubekommen. Diese Dinge werden zwar jetzt diskutiert, sind aber über Jahre und Jahrzehnte weg nicht konsequent genug angegangen worden. Hier wurden Dinge versäumt, die man jetzt dringend nachholen muss.
Sagen Sie nur nicht, in Bayern sei die Welt in Ordnung. Sprechen Sie doch einmal mit Polizisten. Diese werden Ihnen sagen, dass sie Jugendliche mit einer ganzen Latte von Straftaten auf dem Revier haben, mit denen sie fertig werden sollen, und gleichzeitig zu wenig Personal haben. Auch hier ist über Jahre hinweg zu wenig getan worden; hier muss nachgelegt werden.
Wir müssen diejenigen unterstützen, die die Integration vor Ort steuern. Noch einmal: Integration kann nur von unten gelingen. Sie kann niemals in dem Sinn gelingen, dass man meint, auf hoher ideologischer Ebene die Weltformel für die Integration finden zu können. Die werden Sie niemals finden. Entscheidend ist nur, ob sich die Leute vor Ort gegenseitig akzeptieren und ob sie miteinander auskommen.
Gehen Sie doch in der bayerischen Geschichte einmal dreißig oder vierzig Jahre zurück: Damals sind die ersten Fabrikarbeiter hier angekommen. Es gab damals ein selbstverständliches Zusammenarbeiten verschiedenster Kulturkreise. Das war damals unstrittig möglich. Problematisch ist es erst später geworden, als sich religiöse Gruppierungen abgespaltet
Heute ist es völlig sinnlos und nicht zielführend, in regelmäßigen Abständen den Migranten den moralischen Zeigefinger vor die Nase zu halten und zu sagen: Du musst dich besser integrieren. Genauso wenig zielführend ist es, gegenüber denjenigen, die Integrationsprobleme und Defizite ansprechen, den moralischen Zeigefinger zu heben und zu sagen: Du darfst die Migranten nicht kritisieren. Das ist Populismus.
Hier müssen beide Seiten abrüsten. Wir dürfen nicht versuchen, dieses Thema zu parteipolitischen Zwecken zu missbrauchen.
Wir müssen alle gemeinsam - deshalb freue ich mich auf diese Integrationsdebatte auch in Anwesenheit des Herrn Ministerpräsidenten - nach Ergebnissen suchen. Ich hoffe, dass sie sich dann nicht in wohlklingenden Worthülsen erschöpft, die sich in der Realität draußen nicht niederschlagen.
Ich freue mich also auf eine Debatte, an der sich alle Parteien ganz offen beteiligen und bei der gemeinsam wirklich dezidierte Lösungsvorschläge unterbreitet werden, wie ich es vorhin mit den Stichworten Senkung der Klassengrößen, andere Betreuungsschlüssel oder mehr Deutschkurse angesprochen habe. Darüber hinaus müssten auch die Eltern herangeholt werden. Den Migranten muss ein fairer Zugang zu den Arbeitsmärkten auf allen Ebenen eröffnet werden. Dann freue ich mich auf die sachlich geführten Debatten und sage ganz klar: Was in den letzten Jahren passiert ist, war parteipolitisches Zündeln und gefährlich. Vor den Wahlen wurde immer irgendein Mehmet gefunden, den man zu Recht oder zu Unrecht an den Pranger stellen konnte. Dies geschah immer zum richtigen Zeitpunkt, um Wahlen zu gewinnen und um weitere fünf oder sechs Jahre Ruhe zu haben. Wir müssten diese Zeit zwischen den Wahlen nutzen, um zu sinnvollen Ergebnissen zu kommen. Wir müssen verbal und ideologisch auf allen Fronten abrüsten.
Einen Moment, Herr Kollege. Soeben hat sich Herr Kollege Dr. Bertermann zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.
angegriffen und gesagt, es gebe leere Worthülsen. Ich habe Ihrem Vortrag sehr genau zugehört. Sie sprechen von einer Weltformel der Integration. Ist es das, was die Freien Wähler wollen?
Ich habe gesagt: Man wird die Weltformel für Integration nicht finden. Das habe ich gesagt. Man wird sie nicht finden. Zu den Worthülsen habe ich gesagt: Ich hoffe, dass sich diese Integrationsdebatte, die nach Ankündigung des Herrn Ministerpräsidenten noch geführt werden wird, nicht in wohlklingenden Worthülsen erschöpfen wird. Stattdessen sollten wir diese Dinge ganz dezidiert abstimmen. Ich glaube, damit sind die Missverständnisse ausgeräumt.
Genauso machen wir das. Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Brigitte Meyer. Bitte schön Frau Kollegin.
(Von der Rednerin nicht autori- siert) Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte um Einwanderung und Integration, die derzeit landauf und landab sehr intensiv geführt wird, ist wichtig. Wie schwierig es ist, eine solche Debatte sachlich zu führen, haben wir gerade eindrucksvoll erlebt. Bei dem aggressiven Auftritt und dem lauten Ton ist es schwierig, sachlich zu bleiben. Ich versuche, die Problematik etwas differenzierter zu betrachten.
Unter welchen rechtlichen Bedingungen soll künftig qualifizierten Arbeitskräften die Zuwanderung nach Deutschland gestattet werden? Ich denke, die Debatte darüber orientiert sich an unseren nationalen Interessen. In der Debatte um Zuwanderung steht die Qualifikation der Zuwanderer im Mittelpunkt, und sie muss auch im Mittelpunkt stehen. Die notwendige Qualifikation der Zuwanderer soll die Zukunftsfähigkeit Deutschlands auf dem Arbeitsmarkt sicherstellen.
Diese Debatte bezieht sich auf ganz Deutschland und betrachtet die eine Seite der Medaille. Sie richtet sich nach unserer Ansicht - das muss sie auch - in die Zukunft. Gleichzeitig wird in ganz Deutschland eine Debatte geführt, die sich auf die gesellschaftliche Ge
genwart bezieht. Bei dieser Debatte, die die andere Seite der Medaille beleuchtet, steht die Bewertung von Güte und Verbesserungsnotwendigkeiten der Integration unserer ausländischen Mitbürger und Mitbürgerinnen, der Leute, die in zweiter oder dritter Generation bei uns sind, im Mittelpunkt. Diese Debatte betrifft alle jene Mitbürgerinnen und Mitbürger - ich nenne sie bewusst so -, die schon lange in unserem Land leben.
Ich bitte darum, in der politischen Debatte die beiden Seiten der Medaille sehr klar zu trennen und zu differenzieren. In der Zuwanderungsdebatte sind wir aufgefordert, das zu tun, was bereits klassische Einwanderungsländer wie die USA und Kanada getan haben, nämlich ein Zuwanderungsrecht zu entwickeln, das unsere nationalen Interessen berücksichtigt.
Die Integrationsdebatte spiegelt unsere unmittelbare gesellschaftliche Verfassung, unser gesellschaftliches Zusammenleben und unser Miteinander wieder. Wir sind sowohl als gesamte Bundesrepublik als auch als Freistaat Bayern seit Langem de facto ein Einwanderungsland. Bayern hat sich in der jüngsten Geschichte ebenfalls durchaus durch seine Integrationsfähigkeit ausgezeichnet. Ich möchte das betonen, denn wir haben in der letzten Woche von der Universität Bamberg eine Studie erhalten, die belegt, dass Bayern bei der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund durchaus einen guten Weg eingeschlagen hat. Ich denke, dies darf man positiv hervorheben.
Dabei sollten die bisherigen Integrationserfolge aber nicht ursächlich auf die etwas restriktive politische Grundhaltung hier in Bayern zurückgeführt werden. Nein, wir sollten das benennen und weiterentwickeln, was uns tatsächlich bisher hier in Bayern erfolgreich gemacht hat. Wir unterscheiden uns - um ein Beispiel zu nennen - von sogenannten Problemkiezen in Berlin dadurch, dass wir den Integrationsprozess mit Sachverstand steuern. Liebe Frau Bause, Sie sagen, bayerische Integrationspolitik funktioniere nur in München, weil dort eine andere Stadtspitze am Ruder sei. Wir haben in ganz Bayern Beispiele für positive Integrationspolitik.
Dazu zähle ich eine kluge Städtebaupolitik, die versucht eine Gettobildung zu vermeiden. Dazu zähle ich eine Bildungspolitik, die versucht, die Klassen zu verkleinern. Lieber Herr Kollege Schmid, das ist nicht nur das Ergebnis der Tätigkeit eines Koalitionspartners, sondern es ist sehr wohl eine gemeinsame Aktion, die Klassen mit einem hohen Migrationsanteil auf 25
In der frühkindlichen Bildung, die für mich in der Integrationsdebatte der effektivste Ansatz ist, zeigt die Integrationsstudie, die letzte Woche vorgestellt worden ist, Ergebnisse auf, die eindeutig belegen, dass Kinder mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich oft bereits jetzt den Kindergarten besuchen und von diesem profitieren.