Protocol of the Session on July 15, 2010

Ich will ein paar Sätze zu der Vergleichswertung sagen. Auch hier, lieber Herr Staatsminister, ist schon sehr interessant, was Sie sagen. Sie wollen den Eindruck erwecken, dass Bayern das beste Ergebnis hat, vor allen Dingen gegenüber denjenigen mit anderen Schulsystemen.

(Demonstrativer Beifall bei der CSU)

- Klatschen Sie nur. Sie versuchen, die Menschen für dumm zu verkaufen.

Darf ich Ihnen folgendes Ergebnis nennen: Bayern hat 509 Kompetenzpunkte bei dieser Studie. Sachsen, übrigens ein Land mit einem zweigliedrigen Schulsystem, mit einer längeren gemeinsamen Schulzeit, mit einer individuellen Förderung hat - hören Sie gut zu - einen einzigen Kompetenzpunkt weniger, nämlich 508.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Und Sie erklären hier an diesem Pult, dass all diejenigen, die eine andere Schulsystematik haben, am Ende der Skala wären. Das ist unlauter, was Sie hier machen, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD - Georg Schmid (CSU): Und Sie reden alles schlecht!)

Darf ich Ihnen noch ein anderes Ergebnis sagen, das Sie auch immer gern verschweigen? Rheinland-Pfalz. Rheinland-Pfalz hat andere Schulsysteme, punktuell, nicht im ganzen Land. Soll ich Ihnen das Ergebnis der Kompetenzpunkte für Rheinland-Pfalz sagen? Rheinland-Pfalz liegt fünf Kompetenzpunkte unter dem bayerischen Ergebnis.

Jetzt wollen Sie uns wirklich weismachen, ein Unterschied von einem oder fünf Kompetenzpunkten in der Skala, 509 bis 500, wäre sozusagen eine schallende Ohrfeige für alle diejenigen, die ein anderes Schulsystem haben. Das ist geradezu lächerlich.

(Beifall bei der SPD - Georg Schmid (CSU): Die anderen sind auch bloß knapp drunter!)

- Lieber Herr Fraktionsvorsitzender, Sie haben doch von Bildungspolitik gar keine Ahnung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Georg Schmid (CSU): Aber Sie! Sie haben es mit dem Löffel gefressen!)

Bitte die Zwiegespräche einstellen.

Sie haben weder von der Landesbank Ahnung noch von der Bildungspolitik.

(Beifall bei der SPD - Georg Schmid (CSU): Sie verkaufen doch die Leute für dumm! Sie lügen die Leute an!)

Deswegen sollten Sie ganz leise sein.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe Sie, Herr Fraktionsvorsitzender, in den letzten eineinhalb Jahren hier gar nicht reden hören. Wenn Sie mehr können als dumme Zwischenrufe, sagen Sie hier etwas zur Bildungspolitik. Dann höre ich Ihnen auch zu.

(Beifall bei der SPD - Georg Schmid (CSU): Arroganter Bursche!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die ewig Letzten im Ländervergleich in Deutschland sind in der Tat Bremen und Berlin. Das war schon immer so. Aber ich rate in dieser Frage, die arrogante Haltung gegenüber diesen Ländern etwas zurückzufahren. Wäre nämlich Kultusminister Spaenle in Berlin Kultusminister, behaupte ich, hätte er dort keine anderen Ergebnisse, weil sie gar nicht vergleichbar sind. Die Lage in Berlin ist schon allein wegen der Zusammensetzung der Schülerinnen und Schüler eine komplett andere.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich höre in der Regierungserklärung - auch das gehört seit Jahren zum Standard -, die Kompetenz der bayerischen Lehrkräfte in den Fachwissenschaften sei die Grundlage für die positiven Ergebnisse sowie das Engagement von Schülern und Eltern. Das stimmt, Kolleginnen und Kollegen. Das heißt aber im Umkehrschluss, genau das Engagement von Eltern und Lehrern und deren Kompetenz ist die Grundlage für gute Ergebnisse, nicht die Politik, die Sie hier machen, liebe Freunde.

(Beifall bei der SPD - Alexander König (CSU): Gott sei Dank hören die Menschen draußen Sie überhaupt nicht!)

Dann kommt immer wieder die Oberheuchelei zur Sprache: Wir bedanken uns bei den Lehrerinnen und Lehrern, bei den Schülerinnen und Schülern, bei den Eltern. Jawohl, wir auch. Herzlichen Dank für das En

gagement der Schulen! Nur stellt sich die Frage, wie dieser Dank in Wahrheit aussieht. Das ist die entscheidende Frage. Reden kann man viel. Dank sollte sich aber auch in konkreter Politik ausdrücken, und da haben Sie enorme Defizite, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Oder ist es eventuell ein gutes Dankeschön, die Lehrer mit übervollen Klassen an den Schulen allein zu lassen?

(Petra Guttenberger (CSU): Quatsch!)

Ist es ein gutes Dankeschön, seit Jahren einen Lehrermangel zu akzeptieren, wie ihn kein anderes Land in Deutschland hat? Erzählen Sie doch keine solchen Lügen!

Oder ist es vielleicht ein Dankeschön an die Lehrerinnen und Lehrer, vor allen Dingen aber an die Eltern, dass man Kombiklassen als Sparmodell in Bayern einrichtet,

(Beifall bei der SPD)

unabhängig vom pädagogischen Nutzen?

Ich sage Ihnen, Ihr eigener Bericht sagt aus, dass der ersatzlos ausgefallene Unterricht an bayerischen Schulen in den letzten Jahren um bis zu 70 % zugenommen hat. Ist das ein Dankeschön an die Lehrerinnen und Lehrer, Kolleginnen und Kollegen?

(Beifall bei der SPD)

Ist es ein Dankeschön, dass Sie über 1.500 Aushilfslehrer beschäftigen, anstatt feste Arbeitsverhältnisse zu installieren? Nein, der Dank von der CSU und der FDP beschränkt sich auf schöne Worte. Taten, die einer Anerkennung folgen sollten, sehe ich nicht.

Jetzt komme ich zu einer weiteren Aussage. Lieber Herr Staatsminister, Sie sagen, das differenzierte bayerische Bildungswesen sei herausragend, leistungsstark und biete einen besonderen Chancenreichtum. Bitte klatschen.

(Georg Schmid (CSU): Wir klatschen, wenn wir wollen!)

Kolleginnen und Kollegen, Sie stützen Ihre Aussagen auf einen Ländervergleich der Sprachkompetenzen. Das zeigt, mit welchen Mitteln Sie arbeiten. Daran kann man das erkennen. Ich halte Ihrer Aussage den Bayerischen Bildungsbericht entgegen, den Sie ganz ausgeblendet haben. Ein paar Fakten aus dem bayerischen Bildungsbericht möchte ich hier vortragen

von wegen herausragend, leistungsstark und besonderer Chancenreichtum! Ihr Bayerischer Bildungsbericht - nicht unserer - sagt Folgendes: In Gebieten in Bayern - nicht in Bremen oder Berlin - mit überdurchschnittlichem Einkommen ist die Bildungschance der Kinder deutlich höher. Das ist eine Aussage des Bayerischen Bildungsberichtes. In Ihrem Bildungsbericht steht, in Freyung-Grafenau gehen 25,7 % der Schüler auf ein Gymnasium oder eine Realschule, im Landkreis München 56,5 %. Sie brauchen gar nicht den Kopf zu schütteln. Dieser Bildungsbericht weist dies eindeutig nach. Sie müssen ihn nur lesen. Es gibt in Bayern eine regionale Bildungsungerechtigkeit, und das seit Jahren. Wenn das Ihr herausragendes und leistungsstarkes bayerisches Bildungssystem sein soll, dann gute Nacht. Darauf können wir verzichten.

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, die Bildungschancen in Bayern stehen in einem signifikanten Zusammenhang mit den Einkommen der Familien. Kinder aus Familien mit hohem Einkommen haben deutlich bessere Bildungschancen als Kinder aus Familien mit niedrigem Einkommen. Damit sind nicht Hartz-IV-Empfänger gemeint. Das geht bis in die Facharbeiterebene. Sie erklären den Menschen, Ihr Bildungswesen sei herausragend und leistungsstark. Kolleginnen und Kollegen, das ist eine eigenwillige Interpretation von "leistungsstark". Darauf können wir verzichten.

(Beifall bei der SPD)

Es geht noch weiter. Ihr Bildungsbericht zeigt auf, dass die Übertrittsquote von der Grundschule auf eine weiterführende Schule wie eine Realschule oder ein Gymnasium in Bayern bei Kindern mit Migrationshintergrund um 50 % niedriger ist als bei deutschen Kindern. Das ist keine sozialistische Behauptung der SPD aus der Zentrale am Oberanger. Das können Sie dem Bildungsbericht des Bayerischen Kultusministeriums entnehmen. Vor diesem Hintergrund wollen Sie uns erklären, das bayerische Bildungswesen sei herausragend und leistungsstark. Welche Stärken können das sein, wenn der Bildungsbericht solche Unterschiede aufzeigt?

Sie reden immer von Integration und Teilhabegerechtigkeit. Das sind alles schöne Worte ohne Substanz. Darf ich Ihnen auch hierzu die Zahlen aus dem Bayerischen Bildungsbericht vorhalten? 78 % aller türkischen Kinder wechseln von der Grundschule an eine Hauptschule. Das sind 78 %. Ist das Ihre Auffassung von Teilhabegerechtigkeit?

(Beifall bei der SPD)

Die Chancengleichheit besteht nicht nur im Besuch eines Gymnasiums. Nein, Chancengleichheit besteht dann, wenn Kinder in der Weise individuell gefördert werden, dass sie den für sie besten Weg finden. Wollen Sie wirklich behaupten, dass 80 % aller türkischen Kinder nicht für eine Schule mit mittlerem Bildungsabschluss geeignet seien? Damit diskriminieren Sie eine ganze Gruppe, die wir in Bayern haben. Dafür sind Sie verantwortlich.

(Beifall bei der SPD)

Das nennen Sie leistungsstark und herausragend. Nein, das ist kein Grund zum Jubeln. Deswegen bitte ich Sie eindringlich: Lassen Sie die Jubelorgien bei einer Regierungserklärung sein und versuchen Sie, mit uns gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Das ist die entscheidende Frage.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CSU)

Sie nutzen diesen Landtag und andere Foren dazu, um mit völlig verdrehten Zahlen und unlauteren Mitteln einen guten Eindruck zu erwecken. Dabei blenden Sie die Realität komplett aus.

(Georg Schmid (CSU): Sie reden alles schlecht!)