Ich komme zurück zur Verkürzung der Wehr- und Zivildienstzeit. Das ist in der Tat eine Herausforderung für unsere Sozialverbände und für die Politik. Wir müssen darüber nachdenken, wie es nach der Verkürzung weitergeht. Ich möchte Sie alle einladen, sich
an der Diskussion darüber zu beteiligen, und freue mich auf die weiteren Ausführungen der nachfolgenden Redner unserer Fraktion.
(Beifall bei der CSU und der FDP - Hubert Aiwan- ger (FW): Das war schwach! Ich habe gedacht, jetzt kommt noch etwas!)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf meinen Ausführungen zwei Klarstellungen voranstellen. Erstens. Wir alle wissen, dass der Zivildienst ein Ersatzdienst ist, dessen Existenz davon abhängig ist, dass es einen Wehrdienst gibt, der nach seiner jetzigen Konzeption junge Männer zum Dienst verpflichtet. Zweitens. Zivildienstleistende - das ist ein klares Wort - sind keine billigen Arbeitskräfte, und sie dürfen das auch nicht sein.
Die Sozialministerin hat das auf der ConSozial 2009 in ihrer manchmal unnachahmlichen Art wie folgt zusammengefasst: "Die Träger haben keinen Anspruch auf Zivis." Das war ein lockerer Spruch, der uns aber nicht davon abgehalten hat, in der Zeit danach sehr konstruktiv über dieses Problem zu reden. Ich darf sagen - es wäre schön, wenn das berücksichtigt würde; das sage ich auch in Richtung von Herrn Jörg -, dass es zum Schluss eine einvernehmlich Haltung des Staatsministeriums und der Wohlfahrtsverbände gegeben hat. Diese Klarstellungen sollen uns aber nicht davon abhalten, den Blick auf die soziale Wirklichkeit in diesem Land zu richten. Wenn man die Szene wirklich kennt, muss man feststellen: Der Zivildienst ist in seiner bisherigen Form als - ich betone ergänzende Unterstützung der Fachkräfte im sozialen Sektor derzeit nicht zu ersetzen. Der Wegfall - das ist die Konsequenz daraus - wird zu erheblichen Einbußen in der sozialen Betreuung von älteren, von behinderten und kranken Menschen führen.
Zivildienstleistende - ich betone noch einmal: in diesen Funktionen - aus Kostengründen durch hauptamtliche Kräfte zu ersetzen, ist angesichts der Rahmenbedingungen illusorisch. Im Mobilen Sozialen Hilfsdienst könnten viele Hilfstätigkeiten, Einkaufshilfen, Besuchdienste, Hilfen im Haushalt älterer Menschen, dann eben nicht mehr angeboten werden. Zusätzliche Zeit von Zivildienstleistenden im Heim ist zusätzliche Zeit für menschliche Zuwendung, für die Betreuung, die dem hauptamtlichen Personal wegen der Rahmenbedingungen nicht zur Verfügung steht. Hilfebedürftige alte Menschen und die Schwachen der
Gesellschaft, die auf soziale Hilfen besonders angewiesen sind, werden jedenfalls die Leidtragenden eines ersatzlosen Wegfalls, einer ersatzlosen Zerschlagung des Zivildienstes sein.
Ein oft vergessener Gesichtspunkt: Der Zivildienst ist nicht nur dem Gesetz nach ein Lerndienst, sondern er ist es auch in der Praxis. Gerade viele junge Männer haben hier die einzige Möglichkeit, mit dem sozialen Bereich in Kontakt zu kommen, Erfahrungen zu sammeln und diesen Bereich hierdurch auch als Arbeitsplatz für sich zu entdecken. - Herr Jörg nickt. Er kennt dieses Argument, das in der Tat richtig ist. Entfällt der Zivildienst, dann entfällt die Möglichkeit für junge Männer, sich auch diesen Themen widmen zu können, und hinterher wird in verstärktem Maße beklagt, dass männliche Arbeitskräfte im sozialen Bereich unterrepräsentiert sind.
Vielleicht liegt unter anderem auch darin der Schlüssel dafür, dass heute schon ein Drittel der Zivildienstleistenden sagen, sie würden den Dienst gern länger ausüben. Insofern ist die Möglichkeit einer freiwilligen Verlängerung anlässlich der Verkürzung eine richtige Maßnahme, die aber bisher schwer durchzusetzen war.
Herr Jörg setzt stark auf die Freiwilligendienste. Das ist eine gute, eine schöne Hoffnung, aber sie ist in der gegenwärtigen Form aus meiner Sicht mit großer Skepsis behaftet. Der bestehende Freiwilligendienst kann unter anderem wegen der finanziellen Rahmenbedingungen den Zivildienst nicht ersetzen. Ich sage Ihnen eines: Dass Schwarz-Gelb bereit wäre, das Geld, das man bei der Einstellung des Zivildienstes spart, in den Ausbau der Freiwilligendienste zu stecken, glaube ich Ihnen nicht, Kolleginnen und Kollegen.
Zu § 14 c, also der Möglichkeit des Freiwilligen Sozialen Jahres statt des Zivildienstes, hat Herr Schäuble sofort einen Teil der eingestrichenen Mittel für seinen Haushalt vereinnahmt. - Frau Meyer, das ist die Wahrheit. Das heißt also: Ein Ersatz des Zivildienstes durch die Ausweitung eines freiwilligen Sozialdienstes muss mit einer Veränderung der Strukturen, auch der finanziellen Mittel, einhergehen. Er muss mit größerer Anerkennung für die Zivildienstleistenden bzw. die dann Freiwilligen im Hinblick auf finanzielle und gesellschaftliche Anerkennung verbunden sein. Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt: Ich glaube Ihnen nicht, dass Sie bereit sind, mit der qualitativen Veränderung der Freiwilligendienste Ernst zu machen, dass Schwarz-Gelb bereit ist, dafür die Strukturen zu schaf
Die Auswirkungen einer Verkürzung oder gar eines Wegfalls des Zivildienstes auf den sozialen Sektor, das ist die Fragestellung, die uns die Freien Wähler aufgegeben haben. Wir sagen: Sie werden gravierend sein, auch weil die Bundesregierung dabei so handelt, wie wir sie nunmehr seit fast einem Jahr erleben: erstens zu entscheiden, ohne ein tragfähiges Konzept zu haben, zweitens ohne ausreichende Finanzmittel für das bereitzustellen, was man angeblich anstrebt, und drittens ohne Rücksicht auf die soziale Balance in diesem Land. Deshalb sehen wir diese durch Herrn Guttenberg angestoßene Diskussion mit großer Skepsis. Ich finde es bedauerlich, dass man auch über den Wehrdienst letztlich aus Gründen der Kosteneinsparung diskutiert. Im sozialen Sektor lehnen wir das völlig ab, meine Damen und Herren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die gegenwärtige chaotische Wehrpflichtdiskussion ist ein Spiegelbild der schwarz-gelben Koalition in Berlin. Das muss man einfach so sehen.
Vor den Koalitionsverhandlungen hat die FDP noch die Abschaffung der Wehrpflicht gefordert, und die Unionsparteien wollten unbedingt alles beibehalten. Die jetzt beschlossene Verkürzung ist ein fauler Kompromiss, weil sie weder für mehr Gerechtigkeit noch für klare Verhältnisse sorgt und dies weder für die Betroffenen noch für die Träger, die Zivildienststellen anbietet. Wenn die Dienstdauer so kurz ist, wie jetzt beschlossen, stellt das das ganze System infrage, weil die Einarbeitungszeit für beide Systeme, für den Wehrdienst und für den Zivildienst, zu kurz ist. Das ist für die Gesellschaft nicht in Ordnung.
Klar ist: Seine rechtliche Legitimation erhält der Zivildienst als Wehrersatzdienst. Zivildienst ist Ersatz für Wehrdienst. Folglich muss seine Dauer der Dauer des Wehrdienstes entsprechen. - Also sechs Monate und sechs Monate. Gegen einen sechsmonatigen Zivildienst wehren sich aber die Zivildienstträger massiv. Wegen der Einarbeitungszeit etc. fordern Sie eine längere Dienstzeit. Die Zivildienstleistenden erhalten die Option, ihren Dienst freiwillig um bis zu sechs Monate zu verlängern. Das hat man ihnen jetzt zugestanden.
Die koalitionsinternen Streitereien waren noch nicht ganz verstummt und der halbherzige Gesetzentwurf auf dem Tisch, da überraschte der Bundesverteidigungsminister nicht nur die eigene Partei, sondern auch die Opposition mit dem Vorschlag, die Bundeswehr nicht nur zu verkleinern, sondern auch die Wehrpflicht auszusetzen. Das bedeutet dann natürlich auch, dass der Zivildienst ausgesetzt wird.
Jetzt wird ergebnisoffen geprüft, wie es mit der Bundeswehr weitergehen soll. In der öffentlichen Diskussion bleibt zu Guttenberg dabei - das haben wir kürzlich noch am Fernseher gehört -, dass die Bundeswehr angesichts der knappen Ressourcen auf die Wehrpflicht verzichten muss. Dennoch hält die Bundesregierung sozusagen im Vorgriff daran fest, die Wehrdienstverkürzung und damit auch die Verkürzung des Zivildienstes durchzuführen. Es wurde also zunächst einmal etwas Halbherziges beschlossen, nämlich das Ganze ein bisschen zu reduzieren, und anschließend wird jetzt noch geprüft, wie es überhaupt weitergehen soll. Na bravo, meine Damen und Herren von CSU, CDU und FDP! Klasse, was Sie gemacht haben!
den Zivildienst folgerichtig auch und das gesamte soziale System zu überdenken. Wie kommt es denn, dass wir kaum noch auf die Zivildienstleistenden verzichten können? Fakt ist doch, dass ein Zivi alleine eine Behindertengruppe im Dienst führen, leiten und beaufsichtigen muss. Das geht doch nicht. Wir nutzen die Zivis in unserem Sozialsystem aus. Warum nutzen wir sie aus? Weil wir nicht für das zahlen wollen, was notwendig wäre. Wir brauchen also eine Reform unseres Sozialsystems sowie den Ausbau von Freiwilligendiensten und von bürgerschaftlichem Engagement. Die Befürchtung, das Ende der Wehrpflicht führe zum Zusammenbruch unseres Sozialsystems, lässt sich nicht als Argument für die Beibehaltung der Wehrpflicht heranziehen. Das eine kann man nicht vom anderen abhängig machen.
Deswegen sagen wir: Wir brauchen Impulse für unsere Zivilgesellschaft, Perspektiven für Freiwilligendienste und Zivildienste in Deutschland. Wir hatten das im Jahr 2004 schon einmal auf der Tagesordnung. Damals gab es einen Bericht, und es hieß, dass man sich nun wirklich einmal etwas analog zum Zivildienst überlegen müsse. Man hat gesagt, in diesem System müsse man im Grunde auf die Dienstleistungen der
Zivildienstleister verzichten können. Das hat man im Bundestag im Grunde negiert. Aber eines steht schon lange fest: Solange die Wehrpflicht noch existiert und damit auch der Zivildienst weiterhin Bestand hat, muss der Einsatz der Zivildienstleistenden arbeitsmarktneutral sein. Darauf hatten wir uns einmal geeinigt. Wir politisch Verantwortlichen sollten uns den Realitäten stellen und an der Kultur einer selbstverständlichen Freiwilligkeit mitarbeiten. Ich möchte wirklich keinen dazu verpflichten, dass er im Altenheim pflegt, wenn er gar keine Lust dazu hat und es nur tut, weil er hierzu herangezogen wurde. Ich hätte wirklich große Bedenken, so etwas zu unterstützen.
Deswegen sagen wir: Diese sozialen Dienste dürfen nur auf der Grundlage der Freiwilligkeit erfolgen. Das sind wir unseren Wählerinnen und Wählern schuldig. Das sind wir auch unserem System schuldig. Auch dürfen wir dies nicht vom Alter abhängig machen. Es können durchaus auch ältere Leute sein. Es gibt so viele Leute, die sich engagieren wollen. Diese können in unserer Gesellschaft viel auffangen. Im Zuge der demografischen Entwicklung müssen wir uns überlegen, wie wir damit umgehen. Wir können viele Leute einbinden; aber dann muss es gerecht zugehen und es kann nicht so sein, dass es ein ungerechtes System gibt, so wie wir es heute haben. Zwei Drittel der jungen Leute werden nicht eingezogen, ein Drittel muss zur Wehrpflicht. Das geht nicht.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zur politischen Bewertung und zu Lösungsvorschlägen komme, erlauben Sie mir ganz kurz die Fragestellung der Freien Wähler und die Gedanken von Herrn Kollegen Aiwanger überhaupt erst einmal ein bisschen zu sortieren.
Ich gehe davon aus, wenn Sie vom Sozialsystem sprechen, dass Sie nicht die Arbeitslosenversicherung, sondern die fehlenden Kräfte der Zivildienstleistenden im Krankenhaus und im Pflegebereich meinen. Wenn Sie das Sozialsystem in einem Atemzug mit der Wehrpflicht nennen und in diesen Atemzug auch noch den Zivildienst aufnehmen, muss ich schon einmal feststellen, dass es keinen kausalen Zusammenhang zwischen dem Wehrdienst und den Sozialleistungen in Krankenhäusern oder in der Pflege gibt.
- Sie waren ja auch beim Reservistenempfang -, nicht an der Kassenlage. Das hat auch unser Ministerpräsident richtigerweise festgestellt. Der Wehrdienst bemisst sich auch nicht an den Wünschen der Wohlfahrtsverbände und auch nicht am Sozialsystem. Die Diskussionsgrundlage ist einzig und allein die Wehrpflicht, und der Zivildienst, so wie wir es auch gehört haben, ist ein Ersatzdienst für die Wehrpflicht.
Jetzt zur politischen Bewertung, Herr Kollege Aiwanger. Es gibt keinen sachlichen Grund zur Aufrechterhaltung der Wehrpflicht. Es gibt keinen sachlichen Grund zur Aufrechterhaltung eines Relikts aus dem Kalten Krieg. Befürworter geben immer wieder Ersatzargumente an, die sich aber auch nicht als stichhaltig erweisen. Aus Zeitgründen kann ich nur einige nennen: Ein erstes falsches Argument ist, die Wehrpflicht würde für die Einbindung der Bundeswehr in die Gesellschaft sorgen.
Dieses Argument, liebe Kollegen, ist gleich doppelt falsch. Zum einen werden eh nur 18 % unter sehr fragwürdigen Umständen eingezogen, zum anderen sind die Wehrpflichtigen nur ein geringer Teil unserer Soldatinnen und Soldaten. Genauer gesagt empfinde ich es sogar als eine Beleidigung für unsere Zeit- und Berufssoldaten, so etwas zu unterstellen. Denn es gibt in unserer Bundeswehr nicht den geringsten Hinweis auf einen Staat im Staate.
Zweites falsches Argument: Ohne Wehrpflicht hätte die Bundeswehr Nachwuchsprobleme. Ich gestehe zu, dass es einfacher ist, entsprechend Zeit- und Berufssoldaten zu gewinnen. Aber auch das ist kein Argument dafür, Freiheitsrechte junger Menschen einzuschränken.
Die Bundeswehr muss ganz einfach attraktiver werden, völlig unabhängig von der Wehrpflichtdiskussion, um im Vergleich mit anderen Arbeitgebern Bestand haben zu können. Ein weiteres Fehlargument, das angeführt wird - und ich glaube, darauf beruht Ihre aktuelle Fragestellung - ist, dass quasi ohne Wehrpflicht der Zivildienst zusammenbrechen würde. Ich sage es noch einmal: Der Ersatzdienst ist eingeführt worden als Alternative zur Wehrpflicht. Es ist hochgradig paradox, Herr Kollege Aiwanger, wenn nun der Ersatz die Begründung dafür liefern muss, dass wegen des Bedarfs an Ersatz am originären Dienst festgehalten werden soll. Das ist keine logische Gedankenkette.
Wir wollen jetzt kurz, weil das, glaube ich, der Sinn Ihrer Fragestellung war, die ein bisschen wischiwaschi daherkam, die Auswirkungen auf den Bereich der Pflege und der Gesundheit benennen.
Zum einen ist festzustellen, dass Zivildienstleistende dafür können sie nichts, aber es ist nun einmal so - in einem Konkurrenzverhältnis zu Krankenschwestern und Krankenpflegern stehen. Ich persönlich verstehe überhaupt nicht, weshalb beispielsweise ein privater Klinikbetreiber Anspruch auf staatlich subventionierte Arbeitskräfte hat. Das war für mich noch nie einleuchtend, und ich glaube, hier haben wir auch Handlungsbedarf.
Es ist generell die Frage, dass wir nicht die Zwangsdienste, wie Sie von den Freien Wählern - auch hier ist ein gewisser Widerspruch -, in den Fokus rücken sollen, sondern dass wir die Freiwilligendienste stärken müssen. Herr Kollege von der SPD, die schwarzgelbe Koalition auf Bundesebene hat sich sehr wohl für die Stärkung der Freiwilligendienste eingesetzt. 1 Million Euro mehr Haushaltsmittel wurden bereitgestellt, um 1.100 mehr Freiwilligendienste zu ermöglichen.
Wir müssen uns um das Freiwillige Soziale Jahr kümmern. Ich nenne im selben Atemzug das Freiwillige Ökologische Jahr, und ich stelle fest, dass es schon ein Potenzial an Freiwilligendiensten gibt, um die Pflichtdienste langfristig zu ersetzen. Ich glaube nicht an die Engpässe, wie es immer heißt. Denn es gibt mehr potenzielle Freiwillige als Zivildienstleistende in Deutschland. 85.000 Jugendliche bewerben sich für einen Platz im Freiwilligendienst, und nur jedem Dritten, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird ein Platz angeboten.