Protocol of the Session on April 22, 2010

Nun kommen wir zur namentlichen Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt. Wir beginnen mit dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/4589. Das ist der Antrag der Fraktion der Freien Wähler. Die Urnen stehen bereit. Wenn Sie einverstanden sind, legen wir jetzt schon drei Minuten Abstimmungszeit fest.

(Zurufe: Jawohl!)

- Drei Minuten. Wir beginnen jetzt.

(Thomas Kreuzer (CSU): Es sind zwei Abstimmungen! Dass das jeder mitbekommt!)

- Im Anschluss folgt noch eine namentliche Abstimmung, genau. -

(Namentliche Abstimmung von 16.23 bis 16.26 Uhr)

Meine Damen und Herren, die drei Minuten sind beendet. Ich schließe die Abstimmung. - Sind die Urnen zwischenzeitlich wieder geleert? - Danke schön. Dann stelle ich den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/4602 zur Abstimmung. Das ist der Antrag der SPDFraktion. Bitte schön, die Abstimmung ist eröffnet; die Abstimmungszeit beträgt wieder drei Minuten.

(Namentliche Abstimmung von 16.27 bis 16.30 Uhr)

Meine Damen und Herren, die drei Minuten sind um. Ich beende den Abstimmungsvorgang. Es wird außerhalb des Saales ausgezählt. Wir fahren in der Tagesordnung fort. - Wenn ich Sie bitten dürfte, die Plätze wieder einzunehmen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:

Eingabe betreffend Betriebsverbot für Medizinprodukt (Az: UG.0214.16)

Der Ausschuss für Umwelt und Gesundheit hat sich mit der Eingabe in seiner Sitzung am 25. März 2010 befasst. Er hat beschlossen, die Eingabe gemäß § 80 Nummer 4 der Geschäftsordnung aufgrund der Stellungnahme der Staatsregierung für erledigt zu erklären. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat gemäß Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 des Bayerischen Petitionsgesetzes fristgerecht beantragt, die Eingabe auf die Tagesordnung des Plenums zu setzen. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat auch beantragt, die Abstimmung in namentlicher Form durchführen zu lassen.

Ich eröffne die Aussprache. Die Redezeit beträgt fünf Minuten pro Fraktion. Erster Redner ist Kollege Dr. Runge für die Fraktion BÜNDIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte sehr.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Petition, über die wir jetzt sprechen, handelt von einem Schurkenstück gewaltigen Ausmaßes, kombiniert mit Versäumnissen von Behörden auf verschiedenen Ebenen. Zu diesen Fehlleistungen gehören aber nicht nur die Versäumnisse der Behörden - das Schurkenstück selbst wurde von einer Behörde, nämlich dem damals zuständigen Sozialministerium, assistiert von der Regierung von Oberbayern, begangen.

Es geht um das Vorgehen bayerischer Behörden gegen ein Medizinprodukt, um das Berauben eines Unternehmens der Möglichkeiten des Verfahrensrechtes. Meine Kolleginnen und Kollegen, Frau Kollegin Sonnenholzner, ich bitte Sie, genau zuzuhören. Uns geht es um die Verfahrensschritte. Uns geht es zunächst einmal nicht um das Produkt per se, sondern darum: Was wurde hier gemacht, was wurde versäumt, was wurde falsch gemacht?

Dieses Produkt wurde in den Neunzigerjahren entwickelt und kam dann zum zweiten Mal unter einem neuen Namen auf den Markt. Das Produkt wurde von einer bayerischen Firma hergestellt. Es handelt sich um eine Applikationshilfe zur Inhalation kurz wirksamer Dosieraerosole in der Bedarfs- und Notfalltherapie der Volkskrankheit Asthma. Mittels dieser Inhalierhilfe soll eine exaktere Dosierung ermöglicht werden, um damit eine geringere Verbrauchsmenge des Medikaments zu erreichen. Das ist gut für den Patienten und vor allem gut für die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen.

Mit zwei Krankenkassen wurden in den Jahren 2002 bis 2005 Kooperationsprojekte durchgeführt. Die Krankenkassen haben bestätigt, dass es bei vielen hundert Patienten und bei vielen Millionen Sprühstößen zu keinen Zwischenfällen oder Vorfällen gekommen ist. Gleichzeitig konnten erhebliche Mengen an Medikamenten eingespart werden.

Die Regierung von Oberbayern ist allerdings mehrfach gegen dieses Produkt vorgegangen, zuletzt mit Bescheid vom Mai 2005. Damals hat sie das Inverkehrbringen dieser Inhalierhilfe mit der Begründung untersagt, die Inhalierhilfe sei mit den Vorschriften des Medizinprodukterechts nicht vereinbar. In früheren Jahren wurde ähnlich argumentiert. Solche Verkehrsbeschränkungen sind rechtlich durchaus möglich, nämlich dann, wenn Gefahr für Leib und Leben droht. In solchen Fällen müssen Schutzklauselverfahren entsprechend der einschlägigen EG-Richtlinien durchgeführt werden.

Dieses Verfahren wurde seitens der Bundesregierung angemeldet, aber nie weitergeführt. Dieses Verfahren wurde nicht durchgeführt und auch nicht zu Ende gebracht, im Gegensatz zu dem, was das Ministerium häufig erklärt hat. Das sind Versäumnisse der EU-Kommission und der Bundesregierung.

Jetzt komme ich wieder zurück auf das hiesige Ministerium und die Regierung von Oberbayern. Frau Kollegin Sonnenholzner, lesen Sie sich einmal die Verbotsverfügung durch. Darin wurde die Behauptung aufgestellt, eine Trennung der Zulassungseinheit Inhalator/Arzneimittel sei schon arzneimittelrechtlich gar nicht möglich, da ansonsten das Arzneimittel als solches seinen Zulassungsstatus verlöre. Diese Begründung ist definitiv falsch. Von dieser Begründung ist die Bayerische Staatsregierung schließlich abgerückt und hat sich auf Nebenkriegsschauplätze begeben.

Ich darf aus einem Brief des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Gesundheit des Landes Sachsen-Anhalt zitieren:

Die Überprüfung des Herstellers durch die zuständige staatliche Gewerbeaufsicht und das Landesamt für Arbeitsschutz ergaben hinsichtlich der Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens und der Produktdokumentation keine Beanstandungen. Die Unterlagen zeigen, dass die vorgebrachten Bedenken im Rahmen der Konformitätsbewertung bereits berücksichtigt worden sind. Dem Hersteller wird von Zertifizierungs- und Prüfungsgesellschaften für die Medizin bescheinigt, dass er Qualitätssicherungssysteme entsprechend den Forderungen der Anhänge I, II und V der Richtlinie 93/42/EWG anwendet und aufrechterhält.

Dies war der Regierung von Oberbayern bekannt. Trotzdem ist sie gegen dieses Produkt vorgegangen. In unseren Augen hat sich die Bayerische Staatsregierung zum Büttel von Großunternehmen der Pharmaindustrie gemacht, weil diese selbstverständlich kein Interesse daran haben kann, dass der Medikamentenverbrauch sparsamer gestaltet wird.

Wir dürfen uns hier nicht wegducken und müssen Aufklärung verlangen. Im Landtag wird immer wieder betont, wie wichtig Standortpolitik, Wirtschaftsförderung und die Förderung des Mittelstandes seien. Gleichzeitig eint uns das Ziel, die Kosten im Gesundheitswesen nicht gänzlich aus dem Ruder laufen zu lassen. Deswegen bitten wir Sie, zum Votum des zuständigen Ausschusses für Umwelt und Gesundheit mit Nein zu stimmen. Dieses Votum ist im Übrigen ausschließlich mit den Stimmen der CSU zustande gekommen. Nicht

einmal die FDP hat das Votum der Staatsregierung mitgetragen.

Ich sehe gerade, dass die Lampe rot leuchtet. Herr Präsident, ich komme deshalb zum letzten Satz: Kolleginnen und Kollegen, wenn wir sagen, dass diese Eingabe aufgrund der Erklärung der Staatsregierung erledigt sei, würden wir uns selbst bis auf die Knochen blamieren. Diese Erklärung ist inhaltsarm, substanzlos, in Teilen falsch und sogar in Teilen anmaßend. In unserer Geschäftsordnung ist nämlich ganz klar festgelegt, dass uns die Staatsregierung keine Ratschläge zum Verfahren zu erteilen hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Dr. Runge, nur zur Information: Dieses rote Licht leuchtet automatisch auf. Das ist keine Maßnahme des Präsidenten gegen Sie persönlich. Das können Ihnen alle Redner, die ihre Redezeit ebenfalls überzogen haben, bestätigen. Jetzt hat Frau Kollegin Stewens das Wort.

Herr Präsident, liebe Kollegen und Kolleginnen! Worum geht es eigentlich? - In diesem Fall hat ein Hersteller von Medizinprodukten ein Produkt auf den Markt gebracht und eine CE-Kennzeichnung daraufgesetzt, ohne den dafür erforderlichen wissenschaftlichen Nachweis durch wissenschaftliche Studien erbracht zu haben, dass dieses Medizinprodukt die Sicherheit der Patienten nicht gefährdet. Dieses Produkt kam auf den Markt und wurde verwendet. Dann wurde erklärt, die CE-Kennzeichnung sei fälschlicherweise auf dieses Produkt gesetzt worden. In dieser Situation schritt die Regierung von Oberbayern ein.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, mit dieser Sache haben sich das Verwaltungsgericht München und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof beschäftigt. Ferner haben sich damit der Petitionsausschuss des Bundestages, die Ausschüsse im Europäischen Parlament und Herr Kommissar Verheugen beschäftigt. Im Grund geht es darum, dass ein Medizinprodukt mit der Applikation eines Medikaments auf den Markt gebracht worden ist, ohne dass dazu klinische Studien durchgeführt worden wären. Im Nachhinein wird behauptet, dass dieses Produkt ein paar Jahre auf dem Markt gewesen und fälschlicherweise das CE-Kennzeichen daraufgeklebt worden sei. Dieses Kennzeichen musste dann wieder abgenommen werden.

Das Unternehmen vertritt jedoch die Auffassung, da auf dem Markt bislang nichts passiert sei, seien für dieses Produkt keine klinischen Studien erforderlich. Dem möchte ich widersprechen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sicherheit der Patienten ist uns ein hohes Gut.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb müssen die klinischen Studien erbracht werden. Es gab bereits auf allen Ebenen runde Tische, um dem Hersteller zu helfen, dieses Medizinprodukt marktfähig zu machen. Das Unternehmen versucht nun, sich durch die Institutionen zu klagen, um die Marktfähigkeit des Produkts zu erreichen.

Herr Kollege Dr. Runge, ich möchte Ihnen eines ganz klar sagen: Die Bayerische Staatsregierung hat sich keineswegs zum Büttel von Großunternehmen gemacht. Es ist völlig egal, ob ein kleiner oder ein großer Unternehmer so handelt. Klinische Studien müssen sein. Sonst gibt es keinen Nachweis über die Sicherheit dieses Produktes.

(Beifall bei der FDP)

Im Grunde geht es um das Einführen eines Stutzens, der gerade ist - sonst gebogen -, bei Asthmaerkrankungen. Man hatte schon Schwierigkeiten zu unterscheiden, ob es um das Medikament oder lediglich um ein Medizinprodukt mit einer Applikation geht. Meine Damen und Herren, wir müssen darauf achten, dass Medikamente und Medizinprodukte angemessen sicher sind und die notwendigen klinischen Studien durchgeführt werden. Das müssen wir immer durchhalten, egal wo.

Um nichts anderes geht es in diesem Fall. Vor diesem Hintergrund habe ich und hat die CSU dafür plädiert, dass diese Eingabe aufgrund der Erklärung der Staatsregierung, die mit Sicherheit etwas kurz war, für erledigt erklärt wird.

Wenn man die Urteilsbegründungen des Verwaltungsgerichts und des VGH durchliest, zeigt sich, dass sorgfältig abgewogen wurde. Vor diesem Hintergrund abgesehen davon, dass wir die Gewaltenteilung haben - bin ich nach wie vor der Meinung, dass die Eingabe aufgrund der Erklärung der Stellungnahme der Staatsregierung für erledigt zu erklären ist.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin Stewens, bitte bleiben Sie noch am Rednerpult. Kollege Dr. Runge hat noch eine Zwischenbemerkung angemeldet. Ich bitte Sie daher, noch am Rednerpult zu bleiben, damit Sie diese beantworten können. Bitte schön, Herr Kollege Runge.

Frau Kollegin, ich hoffe sehr, dass Sie meinem Beitrag zugehört haben. Ich

habe nämlich dezidiert gesagt, dass es uns nicht um die Bewertung des Produktes geht - das können wir auch gar nicht leisten -, sondern um das Verfahren. Was soll ein Unternehmer denn machen, wenn das Schutzklauselverfahren zwar angemeldet, aber dann einfach nicht durchgeführt wird? Das ist Fakt, anders als Sie es ausweislich des Protokolls der Beratung im federführenden Ausschuss behauptet haben. Da haben Sie behauptet, das Verfahren wäre durchgezogen und zu Ende gebracht worden. Das ist ausweislich der Unterlagen nicht geschehen. Ich danke Ihnen, dass Sie jetzt bestätigt haben, dass die Stellungnahme der Staatsregierung, auf die Sie sich beziehen und die Sie abnicken, äußerst dürftig ist.

Bitte schön, Frau Kollegin Stewens.

Das Schutzklauselverfahren ist faktisch beendet, weil es von der Europäischen Kommission dazu keine Stellungnahme mehr gegeben hat. Vor diesem Hintergrund ist das Schutzklauselverfahren 2007 faktisch beendet worden.

Herr Kollege Runge, zum Thema Stellungnahme möchte ich Ihnen sagen: Wir haben auch eine Bringpflicht. Ich kenne natürlich diesen Fall, weil ich mich als Ministerin damit beschäftigt habe. Für uns Abgeordnete ist es schon wichtig, die einschlägigen Urteile mit ihren Begründungen durchzulesen. Ich kann Ihnen nur sagen: Dort wurde sehr sorgfältig abgewogen.

(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der FDP)

Danke schön, Frau Kollegin Stewens. Als Nächste hat Frau Kollegin Sonnenholzner das Wort, bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Stewens hat schon erwähnt, dass es tatsächlich um eine sehr sensible Angelegenheit geht, nämlich um die Sicherheit der Patientinnen und Patienten. Ich habe großes Verständnis dafür, dass der Petent seine wirtschaftlichen Interessen aufgrund der Länge des Verfahrens gefährdet sieht. Für uns kann die ausschlaggebende Überlegung aber nur darin bestehen: Sind wir davon überzeugt, dass die Sicherheit der Patientinnen und Patienten an dieser Stelle gewährleistet ist? Nach Lektüre aller Unterlagen, die uns hier vorliegen - der schon genannten Gerichtsurteile und der Stellungnahme des Bundesamtes für Arzneimittelsicherheit -, können wir das definitiv nicht sagen. Ich kann nicht beurteilen, ob das Produkt sicher ist oder nicht. Wenn selbst das Bundesamt für Arzneimittelsicherheit sagt, dass noch die klinischen Studien fehlen und dass noch Beweise ausstehen, dann können nicht einmal die

Ärztinnen und Ärzte im Ausschuss diesen Sachverhalt beurteilen.

Es gibt zwei Gerichtsurteile mit einer sehr ausführlichen Begründung, die das bestätigt haben; Frau Stewens hat es schon gesagt. Das bestätigt uns in unserer Meinung, dass die klinischen Studien noch nachzureichen sind. Die Petition behauptet, dass vonseiten der Regierung von Oberbayern als auch vonseiten des Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit ein Fehlverhalten vorlege. Ich kann das bei beiden Stellen nicht erkennen.