Bis 23.00 Uhr ist eine lange Zeit. Wir können eventuell aber auch früher fertig werden. Dann müssen wir aber zügig fortfahren.
- Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich nehme die Sitzung erst wieder auf, wenn alle die Plätze einge
Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Eisenbahn- und Seilbahngesetzes (Drs. 16/4232) - Erste Lesung
Dieser Gesetzentwurf soll ohne Aussprache an den federführenden Ausschuss für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie überwiesen werden. Wer mit der Überweisung an den zur Federführung vorgeschlagenen Ausschuss einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. - Stimmenthaltungen? - Keine. Dann wird dieser Gesetzentwurf dem Ausschuss federführend zugewiesen.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Dr. Linus Förster, Helga SchmittBussinger u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung der Verfassung, des Landeswahlgesetzes und des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes (Absenkung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre bei Wahlen, Volksbegehren und Volksentscheiden sowie Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden) (Drs. 16/4039) - Erste Lesung
Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Ich darf zunächst für die SPD-Fraktion das Wort Herrn Dr. Förster erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bitte schenken Sie mir einen kurzen Augenblick Ihre Aufmerksamkeit. Nutzen Sie Ihre Imagination und folgen Sie mir in die Zukunft. Schließen Sie die Augen und stellen Sie sich vor, die Welt wird von einer Übermacht an rüstigen Greisen regiert, die sich junge Menschen und Kinder als Sklaven halten, rechtlos und mittellos.
Das ist nicht der Stoff, aus dem Science-Fiction ist. Das entspringt nicht der kranken Fantasie des jugendpolitischen Sprechers der SPD-Landtagsfraktion, sondern das ist Bestandteil eines seriösen Kommentars einer Journalistin einer seriösen Zeitung meiner Heimatstadt zu einer Studie des internationalen Forschungsverbun
des Population Europe in Berlin. Nach Berechnungen des Forschungsinstituts Prognos wird die deutsche Bevölkerung in den kommenden vier Jahrzehnten um etwa 12 Millionen Einwohner auf nur mehr 70,1 Millionen Einwohner sinken. Vor allem die niedrige Geburtenrate und die noch immer steigende Lebenserwartung werden dazu beitragen, dass die Zahl der jüngeren Menschen weiter sinken wird. Die der best ager wird aber noch zunehmen. Das Durchschnittsalter bei den 20- bis 60-Jährigen wird etwa bei 49,3 Jahren liegen. In dieses statistische Zahlenwerk füge ich nun das Szenario des Forschungsverbundes ein, der nach zwei umfangreichen Befragungen - ich zitiere - "eindeutig feststellen (musste), dass, je älter die Menschen sind, umso weniger heißen sie es gut, dass öffentliche Gelder an Familien und Kinder fließen, und umso mehr fordern sie zusätzliche Mittel für Rentner." Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass es die alternde Demografie den Jüngeren immer schwerer machen wird, öffentliche Hilfe zu bekommen. Zudem sind sie pessimistisch, einen generationenübergreifenden Zusammenhalt der Gesellschaft werde es in Zukunft nicht mehr geben. Macht Ihnen das Angst?
- Nein? Liegt es vielleicht daran, dass wir 20- bis 60Jährigen nicht mehr zu den unter 19-Jährigen gehören werden? Dass wir vielleicht auch nicht mehr zu denen gehören werden, welche das hoffentlich gute und lebenswerte Leben der best ager finanzieren müssen? Also machen wir hier Lobby-Politik für die Älteren und verhindern damit, dass junge Menschen über Maß an Entscheidungen beteiligt werden, die anders ausfallen könnten, als wir es vielleicht in der Vorstufe unserer Altersfreizeit haben wollen.
Wenn dies so wäre, wenn jeder junge Wähler und jede junge Wählerin, die ebenso egoistisch für seine oder ihre Interessen stimmen würde wie wir Älteren, dann wäre jeder von diesen jungen Wähler einer zu viel. Dann stimmen Sie gegen unseren Antrag, der die Zahl dieser jugendlichen Wähler erhöhen könnte. Dann stimmen Sie gegen die Absenkung des Wahlalters auf 16.
Natürlich habe ich hier etwas übertrieben. Peter Paul Gantzer und ich hoffen gemeinsam darauf, dass der Generationenvertrag als wichtiges sozialpolitisches Element erhalten bleibt. Aber haben wir denn so viel Angst vor dem Recht junger Menschen, durch Wahlen in unsere politischen Diskussionen und Entscheidungen einzugreifen? Fakt ist, es gibt in Deutschland immer weniger Kinder und Jugendliche, aber immer mehr ältere Menschen. Aufgrund dieser demografischen Entwicklung richtet sich die Politik an den Interessen der Älteren aus. Peter Paul Gantzer wird sagen:
"Zeit wurde es." Aber das meinte ich mit der provokativen Frage, ob wir nur Lobby-Arbeit für diese Älteren machen wollen. Denn wenn wir das nicht wollen, können wir es nur mit einer Absenkung des Wahlalters verhindern. Denn solange junge Menschen von der politischen Willensbildung ausgeschlossen sind, wird die Politik, also wir, ihre Interessen weiterhin nicht angemessen berücksichtigen. Vielleicht sind ja Ältere als Wählerschicht homogener und es sind ja auch viel mehr. Die Präsidentin des Bayerischen Jugendrings hält uns schließlich auch vor:
Abgeordnete und Parteien wollen gewählt werden, also sehen sie vor allem die Interessen derjenigen, die ihnen die meisten Stimmen bringen. Das sind heute schon die Älteren, und dieser Trend wird sich aufgrund der Bevölkerungsentwicklung in Zukunft noch deutlich verstärken.
Ich sage das so provokativ, weil wir uns in der Vergangenheit oft genug mit den Argumenten pro und kontra Absenkung des Wahlalters auseinandergesetzt haben. Ich will das nicht zum x-tausendsten Mal wiederholen. Aber zahlreiche Befragungen und Studien und nicht zuletzt die Jugend-Enquetekommission des Bayerischen Landtags in diesem Haus haben bewiesen und belegt, dass es weder entwicklungspsychologische noch juristische Gründe gibt, die einer Absenkung des Wahlalters widersprechen würden.
Argumente wie "Die jungen Menschen sind politisch zu unreif, wollen selbst überhaupt nicht wählen oder sind politikverdrossen und wählen nur radikal" lasse ich nicht gelten. Das habe ich an dieser Stelle und auch in der Jugend-Enquete - eine Kollegin in der Jugend-Enquete war auch dabei und hat diese Erkenntnisse mit genießen können - klar gemacht: Diese jungen Menschen sind in der Lage zu wählen. Sie sind vielleicht parteienverdrossen, aber nicht politikverdrossen.
Wenn das Argument, dass die Bildung nicht reicht, greifen soll, sage ich eines: Für die Bildung, die nötig ist, damit junge Menschen kompetent entscheiden können, sind wir selber zuständig. Wir als Bayerischer Landtag können die politische Bildungsarbeit, den Sozialkundeunterricht an Schulen, verbessern und so die jungen Menschen befähigen. Dann kann für junge Menschen auch das Motto gelten: Wer Pflichten hat, muss auch mit adäquaten Rechten ausgestattet sein. Der Bayerische Jugendring unterstützt uns dabei, auch wenn ihm unsere Forderung nicht weit genug geht. Der Bayerische Jugendring fordert nämlich nach wie vor das Wahlalter 14, und auch dafür gibt es sachliche Gründe. Aber wir streben den Konsens an, gemeinsam mit allen Abgeordneten des Bayerischen Landtags in einem ers
ten Schritt das Wahlalter auf 16 Jahre abzusenken. Damit werden hoffentlich auch alle leben können. Diesem Angebot sollten Sie folgen. Stimmen Sie unserem Gesetzesantrag zu. Geben Sie den jungen Menschen die Chance, ihr Recht frühzeitig in Wahlen wahrnehmen zu können. Ich zitiere noch einmal den Bayerischen Jugendring:
Politik interessiert sich heute zu wenig für junge Menschen und nicht umgekehrt. Junge Menschen wollen unsere Gesellschaft mitgestalten, und das Interesse an gesellschaftlicher Teilhabe wächst mit den Möglichkeiten, an Entscheidungen mitzuwirken.
Danke schön, Herr Kollege Dr. Förster. Ich gehe davon aus, dass damit die Aussprache eröffnet wurde und der nächste Redner demzufolge Herr Kollege Lorenz von der CSU ist. Sie haben das Wort, Herr Kollege.
(Vom Redner nicht autori- siert) Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kollegen! Das Wahlrecht ist ein zentrales Bürgerrecht, und weil es ein zentrales Bürgerrecht ist, sollte man es auch nicht mit minderen Anforderungen versehen. In unserer Rechtsordnung gibt es ganz klar eine Parallelität zwischen Volljährigkeit und Wahlrecht. Wer 18 ist, kann rechtskräftig Verträge abschließen. Er kann auch sonst verantwortlich tätig sein. Warum sollten wir jemanden, der 16 oder 17 ist und noch nicht rechtsgültig Verträge abschließen kann, mit einem doch so wichtigen Recht wie dem Wahlrecht versehen?
Wir glauben, dass es eine gewisse Parallelität zwischen Rechten und Pflichten geben muss. In diesem Punkt stimme ich Ihnen zu. Wir glauben aber, dass der Anknüpfungspunkt der Volljährigkeit und auch der Geschäftsfähigkeit der richtige Ansatzpunkt ist. Ich habe mir einmal eine Statistik angeschaut, wie es weltweit gemacht wird. In fast allen Ländern ist es so, dass Wahlrecht und Geschäftsfähigkeit übereinstimmen. Es gibt natürlich Ausnahmen. Es gibt sogar Länder, in denen das Wahlalter höher ist.
Sie fordern, dass man auf der einen Seite das Wahlrecht einräumt; auf der anderen Seite habe ich, wenn Sie der Meinung sind, dass Jugendliche heute besser gebildet sind, noch keine Initiative gehört, das Alter für Volljährigkeit zu senken, zum Beispiel auf 17 oder 16. Ich schließe nicht aus, dass es eines Tages eine solche Anpassung geben wird. Derzeit gibt es sie nicht. Wir glauben daher, dass die Anknüpfung des Wahlrechts
Was die von Ihnen angeführten wissenschaftlichen Studien angeht, gibt es dazu unterschiedliche Meinungen. Mir liegen Studien vor, die ganz klare Unterschiede in der politischen Bildung von Sechzehn- und Achtzehnjährigen aufzeigen. Ich zitiere die Universität Hohenheim:
"Interessiert, aber überfordert", sagt der ermittelnde Forscher. Die unterschiedlichen politischen Wissensgrade bei den Sechzehn- und Achtzehnjährigen belegen eigentlich, dass der Anknüpfungspunkt der Volljährigkeit weiterhin sinnvoll ist. Folglich lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was wünschen wir uns mehr als aktive Teilnahme am politischen Leben? Daran, dass sie oft fehlt, krankt unsere Republik. Die Wahlergebnisse zeigen ein riesengroßes Defizit in unserer Gesellschaft. Wenn wir ein Wahlalter 16 wollen, müssen wir auch bereit sein, etwas dafür zu tun, dass die Jugend entsprechend ausgebildet ist, entsprechend geschult ist, entsprechend politisch reif ist, bereit, fähig und willens, sich am politischen Geschehen aktiv zu beteiligen.
Wir fordern deshalb, dass mit der politischen Bildung in den Schulen wesentlich früher begonnen wird. Die Universität Hohenheim hat festgestellt, dass bis zum 16. Lebensjahr ein eklatantes Unwissen vorhanden ist, zwischen 16 und 18 Jahren ein Grundwissen und das politische Verständnis erst ab 18 Jahren, wenn sich die Schüler auf das Abitur vorbereiten oder in einer weiterführenden Schule politisch etwas besser ausgebildet werden, wächst. Wir fordern, dass dieser Zeitpunkt gesenkt wird und dass die entsprechende Bildung in den Schulen rechtzeitig erfolgt. Dann sind wir auch der Meinung, dass die aktive Teilnahme von Jugendlichen am politischen Geschehen erfolgen soll.
Zum Wahlrecht ab 16 Jahren sind wir der Meinung, dass sich die Jugendlichen durchaus dafür interessieren, wer in ihrer Heimatgemeinde Bürgermeister wird, wer als junger Mensch Mitglied eines Gemeinde- oder Stadtrates wird, wie der Sportplatz ausschaut, der gebaut wird, oder das Schwimmbad. Deswegen sind wir der Meinung, dass man das Wahlalter 16 nicht pauschal einführen sollte, sondern dass man sagen sollte:
Probieren wir auf der kommunalen Ebene das Wahlalter 16 für Bürgerentscheide, für Volksentscheide, für die kommunale Ebene schlechthin aus. Dafür plädieren wir. Wir überlegen, einen eigenen Antrag einzubringen. Dafür haben wir noch etwas Zeit. Wir haben sowieso ausgemacht, alle Änderungsvorschläge im Bereich des Wahlrechts von allen Fraktionen im Herbst zusammenzubringen. Wir sagen also Ja zu einem Versuch auf kommunaler Ebene, aber zu einem allgemeinen Wahlrecht ab 16 zum jetzigen Zeitpunkt sagen wir Nein.
Danke schön, Herr Hanisch. Wir haben noch zwei Wortmeldungen, Frau Kollegin Tausendfreund und danach Herrn Dr. Fischer. Bitte, Frau Tausendfreund.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir begrüßen den Vorstoß der SPD zur Absenkung des Wahlalters beim Wahlrecht und auch beim Abstimmungsrecht bei Bürgerentscheiden und Volksentscheiden auf 16 Jahre. Das ist in den Gesetzentwürfen ebenfalls enthalten. Hiermit greifen Sie eine langjährige Forderung der GRÜNEN auf und setzen sich erfreulich klar von der Position der SPD-Bundestagsfraktion in der letzten Legislaturperiode ab. Diese hatte nämlich 2008 und 2009 entsprechende Gesetzentwürfe und Anträge der GRÜNEN-Fraktion, bezogen auf Bundestags- und Europawahlen, abgelehnt, was ich eigentlich nicht nachvollziehen kann. Aber, wie gesagt, Sie setzen sich hier erfreulich ab, und da kommen wir auf alle Fälle zusammen.
Die GRÜNEN haben immer wieder Initiativen zu diesem wichtigen Thema eingebracht und die gesellschaftliche Diskussion angestoßen. Wir müssen dabei viele Vorurteile ausräumen, aber diese Vorurteile können leicht ausgeräumt werden, und sie sind auch vom Bayerischen Jugendring sehr schön zusammengefasst worden. Er hat die einzelnen Vorurteile aufgelistet und die Gegenargumente aufgeführt.
Wir haben auch einen aktuellen Gesetzentwurf auf der Drucksache 16/2621 vorgelegt. Er stammt vom November 2009. Dabei haben wir uns auf die kommunale Ebene konzentriert. Die Freien Wähler müssen also nicht unbedingt einen eigenen Gesetzentwurf einbringen, Herr Kollege Hanisch. Dieser Gesetzentwurf liegt schon vor. Sie müssen ihm nur zustimmen.
Es ist also ganz logisch, dass wir den Inhalt des Gesetzentwurfs der SPD unterstützen. Ich möchte auch gern noch mit ein paar Argumenten erläutern - es sind natürlich nicht alle, denn es gibt eine Vielzahl von Argumenten -, warum uns das Thema "Mehr Demokratie und Partizipation von Jugendlichen" so wichtig ist.