Protocol of the Session on February 4, 2010

Nächster und vorläufig letzter Redner zu diesem Punkt ist Herr Kol lege Dr. Bertermann, bitte sehr.

(Vom Redner nicht auto risiert) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Runge, ich möchte mich bei Ihnen bedanken, dass Sie die Diskussion auf niederfrequente magnet ische Wellen fokussieren. Da ist die Forschung eben

noch lange nicht so weit wie bei den hochfrequenten Wellen. Sie führen immer wieder die Ergebnisse des Bundesamtes für Strahlenschutz und epidemiologische Untersuchungen ins Feld, die offensichtlich einen kor relativen Zusammenhang zwischen zum Beispiel nie derfrequenten elektromagnetischen Strahlungen und der Leukämie-Rate dokumentieren. Das ist ein korre lativer Zusammenhang, der aber letztlich noch nichts über die Ursachen aussagt, also darüber, ob die elekt romagnetische Strahlung tatsächlich für die Leukämie bei Kindern in Frage kommt.

Dieser Befund ist ernst zu nehmen. Er wird auch wis senschaftlich untersucht, ist aber in zahlreichen tierex perimentellen Studien nicht verifiziert worden. Also auch da fehlen valide Daten, um ein Argument zu haben, dass wir die Grenzwerte senken wollen. Sie sel ber führen immer wieder die Ergebnisse des Bundes amtes für Strahlenschutz an. Dieses Bundesamt für Strahlenschutz führt selber viele Untersuchungen durch oder hat Untersuchungen über einen möglichen Zusammenhang zwischen niederfrequenten elektri schen und magnetischen Feldern und neuro-degene rativen Erkrankungen in Auftrag gegeben. So ist eine Untersuchung an die Gutenberg-Universität gegangen, die bis zum Jahre 2012 herauskommt.

Auch das Bundesamt für Strahlenschutz - BfS - ist sich nicht sicher, welche Auswirkungen auf die Organe und welche Zusammenhänge zu neuroendogenerativen Er krankungen bestehen. Dasselbe gilt für die Untersu chungen zu den Auswirkungen elektromagnetischer Felder auf die Fortpflanzung. Ebenso müssen wir die Auswirkungen niederfrequenter Felder auf die blutbild enden Systeme untersuchen.

Was ich damit sagen will, ist: Auf der einen Seite gibt es, lieber Herr Runge, sehr valide Daten, die aber keine Langzeitergebnisse darstellen, auf der anderen Seite gibt es epidemiologische Daten. Dazwischen steht das Vorsorgeprinzip. Die Frage lautet letztlich: Wann sollen wir als Politiker dieses Vorsorgeprinzip aktiv gestalten? Die Frage ist: Wie früh wollen wir Verantwortung über nehmen? - Dann, wenn es epidemiologische, vielleicht tierexperimentelle Untersuchungen gibt, oder wollen wir uns an der Validität der Daten orientieren? Wollen wir das Ergebnis der Studien, die im Moment laufen, noch abwarten und uns dann entscheiden und im Nach hinein vielleicht sagen: "Hätten wir doch die Grenzwerte früher gesenkt, dann wäre vielleicht gerade in sensiblen Bereichen wie Kindergärten, Schulen oder bei Klein kindern kein Schaden entstanden?" Ich bin jemand, der dies nicht politisch sieht. Das soll zu keiner politischen Schlammschlacht führen. 2007, als die Untersuchung herausgekommen ist, die Sie immer wieder zitiert haben und die in den Medien groß dargestellt worden ist, gab es eine Schlacht. Ich kann dazu nur sagen: Für

mich ist die Entscheidungsgrundlage, Herr Runge, die Validität der Daten, und zwar derer, die noch Ergebnis se bringen müssen. Mir fällt es mit dem jetzigen Wissen schwer, zu urteilen, dass eine Senkung der Grenzwerte dazu beiträgt, weitere gesundheitliche Schäden bei Kindern und Jugendlichen zu vermeiden. Ich meine deshalb, dass wir das Thema ernst nehmen müssen. Wir müssen die Untersuchungen abwarten und in ein oder zwei Jahren neu entscheiden. Dann kann es durchaus sein, dass wir zu einem anderen Ergebnis kommen und die elektromagnetischen Grenzwerte drastisch senken müssen.

Stimmen Sie unserem Antrag zu, weil die Validität un serer Daten gegeben ist; denn alle epidemiologischen Studien sind in die Grenzwerte eingeflossen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Berter mann, einen Moment. Eine Zwischenbemerkung von Herrn Runge. Bitte schön.

Herr Kollege Berter mann, ich will noch einmal versuchen, Sie zu überzeu gen.

(Unruhe)

Darf ich um etwas mehr Ruhe bitten?

Ich versuche noch ein mal, Sie zu überzeugen. Das BfS hat gesagt, dass es seit vielen Jahren konsistente Ergebnisse gibt, und hat auch auf die WHO hingewiesen. Im Übrigen möchte ich widersprechen. Sie haben gesagt, dass wir bei der Hochfrequenz viel weiter wären. Das BfS sagt seit Jah ren genau umgekehrt, dass man die Folgen von Nie derfrequenz viel eher nachweisen kann. Ich zitiere: Die niederfrequenten Felder sind bezüglich des Nachwei ses wissenschaftlich wesentlich greifbarer als die Grenzwerte im hochfrequenten Bereich. Sie haben ge fragt: Wie früh sollen wir handeln? Wie spät soll wieder gehandelt werden, Herr Bertermann? Wie früh ist denn beispielsweise beim Asbest gehandelt worden? Wir meinen, wenn es aus der Epidemiologie Erkenntnisse gibt, wenn es eine doch ziemlich stabile und massiv feststellbare Assoziation oder Korrelation gibt, dann sollte man den gesundheitlichen Vorsorgeaspekt be denkend handeln.

Noch einmal: Unser Antrag enthält drei Forderungen. Forderung eins: Die Öffentlichkeit wirklich gescheit in formieren. Forderung zwei betrifft die öffentlichen Pla nungs- und Projektträger, die sich im Bereich der Niederfrequenz tummeln; das sind vor allem die DB Projektbau oder die Bahn selbst, das sind die Strom

versorgungsunternehmen. Die dritte Forderung lautet, auf den Bund einzuwirken, in eine Grenzwertdiskussion einzusteigen. Wir meinen, dass diese Dinge schon dem Vorsorgeprinzip entsprechen. Stimmen Sie doch bitte zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bitte, Herr Ber termann.

(Vom Redner nicht auto risiert) Herr Runge, Sie müssen mir dann auch beant worten, warum das Bundesamt für Strahlenschutz weitere Untersuchungen durchführen möchte, um den Sachverhalt zu klären. Wenn der Sachverhalt klar und eindeutig ist, können wir beide uns doch einigen und sagen: Wir senken die Grenzwerte. Ich bin jedenfalls der Meinung, dass alle wissenschaftlichen Daten und alle validen epidemiologischen Daten, wenn man von Langzeit sprechen kann, schon in die jetzt bestehenden Grenzwerte eingegangen sind. Das reicht im Moment aus, um die Gesundheit zu schützen. Sollten wir nach einem Jahr zu einem anderen Ergebnis kommen, komme ich gerne auf Sie zu und erfülle Ihre Forderun gen.

Ich sehe zu die sem Tagesordnungspunkt keine weiteren Wortmeldun gen mehr. Damit können wir zur Abstimmung schreiten. Sie findet, wie angekündigt, in namentlicher Form statt. Dazu haben wir das übliche Prozedere. Ich eröffne die namentliche Abstimmung zu diesem Antrag.

(Namentliche Abstimmung von 17.45 bis 17.51 Uhr)

Meine Damen und Herren, es kann weitergehen; wir gehen in die letzte Runde. Der Abstimmungsvorgang ist beendet. Die Stimmen werden außerhalb des Rau mes ausgezählt, und ich gebe Ihnen das Ergebnis am Ende der Sitzung bekannt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Antrag der Abgeordneten Kathrin Sonnenholzner, Sabine Dittmar, Margit Wild u. a. (SPD) Weiterentwicklung des Schulmilchprogramms (Drs. 16/2583)

Das ist heute unser letzter Antrag. Ich eröffne die Aus sprache. Die Redezeit beträgt fünf Minuten pro Frakti on. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Sonnenholzner. Bitte sehr.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kol legen! Das ist zwar der letzte Tagesordnungspunkt, das

Thema ist deswegen aber nicht weniger wichtig. Herr Staatsminister, Sie sind seit Beginn dieser Legislatur periode Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Die Ernährung steht an exponierter Stelle. Das ist gut und richtig so. Als Gesundheitspolitikerin hätte ich mir auch vorstellen können, dass die Ernährung dem Ressort Gesundheit zugeordnet wird. Sie kann aber auch bei Ihnen gut aufgehoben sein. Es reicht al lerdings nicht, wenn sie nur im Titel des Ministeriums steht und wenn Sie landauf, landab über Ernährung re ferieren. Tatsächlich muss auch etwas getan werden, was den Entwicklungen in der Gesellschaft Rechnung trägt.

Wir stellen fest, dass nach den neuen Zahlen nur noch in jedem vierten Haushalt gekocht wird. Der Bezug zu gesunder Ernährung und insbesondere auch zu regio naler Ernährung wird immer geringer. Wenn man ihn zumindest bei der nächsten Generation schaffen will, muss man früh anfangen, nämlich in den Kindertages stätten und in den Schulen.

Wir fordern Sie deshalb mit diesem Antrag auf, das Schulmilchprogramm weiterzuentwickeln und auf der Basis des Beschlusses der EU-Kommission vom 15. Oktober letzten Jahres ein ressortübergreifendes Konzept zur Verteilung von Schulmilch zu erarbeiten. Ich sage gleich dazu: Schulmilch ist nicht mehr das, was sie zu meiner Schulzeit war, nämlich eine scheußliche H-Milch mit Kakao. Heute werden an den Schulen ge sunde Milchprodukte verteilt, die von den Kindern und Jugendlichen gern angenommen werden.

Dies ist wichtig für die Ernährung der Kinder und Ju gendlichen. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund der zunehmenden Zahl von Familien, die in Armut leben, wichtig. Diese Familien können ihren Kindern teilweise überhaupt keine Ernährung bieten. Die Kinder kommen zum Teil ohne Frühstück in die Schule. Außerdem bie tet die Kooperation mit regionalen Anbietern und Milch bauern der Landwirtschaft eine Chance. Dies ist ein Argument, das Sie besonders zum Handeln animieren müsste.

Es gibt bereits bewährte und eingeführte Projekte. Ich nenne als Beispiele nur "Landfrauen machen Schule" und lokale Projekte wie "Allgäuer Kinder". Die Staats regierung könnte sich die dort gemachten Erfahrungen zunutze machen, sie einbeziehen und auf sie aufbauen. Wichtig ist auch eine Kooperation mit den Vernetzungs stellen "Schulverpflegung" und "Schulfrucht". Aller dings muss ich sagen: Was Ihnen da mit dem Schulobst und der Mehrwertsteuer eingefallen ist, wonach sich die Schulen selbst einen Sponsor für diese 7 % suchen müssen, halte ich für einen Versuch, ein richtiges und wichtiges Programm auf kaltem Wege kurzfristig aus zuhebeln.

(Beifall bei der SPD)

Der Verband der Milchwirtschaft ist beim Thema Schul milch aktiv und sponsert zum Beispiel Kühlgeräte. Für die Schulen ist der Preis für die Beteiligung an einem solchen Programm viel zu hoch. Auch der Preis für die Produkte ist teilweise noch zu hoch. Wir glauben aber trotzdem, dass die Weiterentwicklung des Schulmilch programms dringend geboten ist. Ich verhehle nicht, dass Bayern in dieser Hinsicht etwas tut. Was es bisher gibt, reicht aber bei Weitem nicht aus, um den Bedarf dessen, was ernährungsphysiologisch notwendig ist, zu decken. Die Milchbauern könnten in dieser prekären Situation dadurch eine Hilfe erhalten.

Seien Sie innovativ, geben Sie sich einen Ruck und stimmen Sie unserem Antrag zu. Wir sind gern bereit, uns an innovativen Projekten zu beteiligen. Das wäre zum Wohle der Kinder in unserem Land, zum Wohle der beteiligten Landwirte und zum Wohle der Hauswirt schaftlerinnen und Hauswirtschaftler sowie zum Wohle aller, die sich hier einbringen könnten.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Brendel-Fischer.

Sehr verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch für uns gilt natürlich, dass Milch ein gesundes Lebensmittel ist, das insbesondere im Schulalltag sehr schnell als Ener gielieferant eingesetzt werden kann. Das Ministerium ist deshalb nicht erst aktuell aktiv geworden, sondern hat seit vielen Jahren Initiativen gestartet, die bei Schü lerinnen und Schülern mehr Lust auf Milch wecken sollten.

Durch das Engagement des Freistaates wurde zum Beispiel vor zwei Jahren in der EU erreicht, dass die Schulmilchförderung bis zu einem Anteil von 20 % auch auf Milchprodukte ausgeweitet werden konnte. Zuvor war diese Förderung rein auf Milch reduziert. An allen Landwirtschaftsämtern gibt es einen Ansprechpartner für die Schulmilchversorgung, die insbesondere inte ressierte Schulleitungen, Hausmeister oder Elternbei räte beraten und auf Angebote vor Ort hinweisen soll.

Mittlerweile haben sich in Bayern zehn Milchbetriebe das technische Know-how verschafft um direkt ohne Zwischenhandel an Schulen liefern zu können. Diese Betriebe beliefern mittlerweile 100 Einrichtungen, also Schulen und Kindertagesstätten. Den Hauptanteil über nehmen natürlich Molkereien und der Handel. Das En gagement der Molkereien war in den letzten Jahren nicht so, dass man damit zufrieden sein konnte. Mitt lerweile haben sie gemerkt, dass hier ein Tätigkeitsfeld besteht.

Aufgrund der verbesserten Qualität von haltbarer Milch, insbesondere der ESL-Milch steigen die Chancen einer noch besseren Akzeptanz von Schulmilch bei allen Be teiligten, insbesondere bei den Lieferanten. Hier be steht nämlich nicht die Notwendigkeit einer dauerhaften Kühlung. Die Anfahrten können in relativ großen zeitli chen Abständen erfolgen, was gerade für den ländli chen Bereich eine große Rolle spielt. Zurzeit liegt der Anteil der Schulen, die Milch und Milchprodukte im Pau senbetrieb anbieten, bei knapp 60 %. Ich räume ein, dass dieser Anteil ausbaufähig ist. In dieser Zahl sind auch Schulen enthalten, die auf die Schulmilchbeihilfe der EU verzichten; denn diese ist - das wissen wir alle in diesem Hohen Haus - mit erheblicher Bürokratie ver bunden.

Deshalb offerieren Molkereien und Händler den Kin dertagesstätten und Schulen oft sehr günstige Ange bote, sodass auf die bereits genannte sehr aufwendige Beantragung verzichtet werden kann. Die Bezuschus sung liegt momentan bei 4,6 Cent pro Viertelliter. Die Staatsregierung hat im vergangenen Jahr unter der Führung des Herrn Staatsministers Brunner ein 750.000-Euro-Programm zur Beschaffung von Schul milchautomaten auf den Weg gebracht. Diese Automa ten wurden gut angenommen. Die Schulen, die an diesem Programm partizipieren, mussten sich ver pflichten, fünf Jahre aktiv an diesem Programm teilzu nehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines muss ich ganz offen ansprechen: Kinder und Jugendliche lassen sich nicht täglich Milchportionen zwangsverordnen. Viele kennen das Lebensmittel aus der häuslichen Versor gung nicht mehr. Frau Kollegin Sonnenholzner, Sie haben bereits darauf hingewiesen.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Genau deshalb muss man früh anfangen!)

Deshalb setzen wir auf die relativ neuen Vernetzungs stellen, die sowohl auf die jungen Familien zugehen als auch Impulse für die Schul- und Gemeinschaftsverpfle gung setzen sollen. Ein Bewusstsein für gesunde Er nährung kann nicht durch Referate und Frontalunter richt kommuniziert werden. Deshalb unterstützen wir weiterhin den Einsatz außerschulischer Experten, die Verbraucherbildung und gesundheitsbewusste Nah rungszubereitung kindgerecht und praxisnah vermit teln. Hierbei spielen Milchprodukte, regionale und saisonale Produkte eine wesentliche Rolle. Die Grund sätze der DGE - der Deutschen Gesellschaft für Ernäh rung - müssen eingehalten werden; darauf wird strikt geachtet. Wir möchten auch erreichen, dass Angebot spaletten, die vor allem mit Süßwaren ausgestattet sind, an Bayerns Schulen demnächst der Vergangen heit angehören.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Wie machen Sie das?)

Ich nenne vor allem das bewährte Konzept "Landfrauen machen Schule" sowie die Idee der Schul-Coaches und der Regio-Treffs des Ernährungsministeriums sowie die Angebote der Kursreihe "Fit in die Zukunft", die über das Verbraucherschutzministerium in Bayern gefördert werden.

Das Kultusministerium unterstützt weitere Projekte, zum Beispiel das Konzept "Voll in Form". An den Kin dertagesstätten spüren wir bereits die Umsetzung des Erziehungs- und Bildungsplans, mit dessen Hilfe die Kleinsten wirkungsvoll gesundes Essverhalten in die Elternhäuser tragen sollen.

Die CSU-Fraktion hat letzte Woche im Bildungsaus schuss einen Antrag eingebracht,

(Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Nein!)

der sich mit einer intensiveren Vermittlung von Alltags kompetenzen auseinandersetzt. Dieser Antrag wurde von Ihnen belächelt und schlechtgeredet. Wir setzen weiterhin auf ganzheitliches Vorgehen. Aufgrund der geschilderten Zwischenbilanz lehnen wir Ihren Antrag ab. Wir sind der Meinung, die Dinge sind erledigt und Lösungen auf dem Weg.

(Beifall bei der CSU)