Protocol of the Session on December 17, 2009

Wir bitten deshalb die Staatsregierung, uns zunächst einen Überblick über die derzeit in Bayern angebotenen Präventionsprogramme zu geben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie recht herzlich um Unterstützung für unseren Antrag.

(Beifall bei der FDP)

Als Nächste hat Frau Kollegin Brendel-Fischer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landessozialbericht hat es deutlich gemacht: Vor allem junge Menschen haben häufig Probleme, mit dem zur Verfügung stehenden Geld zurechtzukommen, und sind von Überschuldung bedroht. Als Ursache steht die unwirtschaftliche Haushaltsführung an erster Stelle, die sich auch bei höheren Altersgruppen wie ein roter Faden durch die Schuldenbiographien zieht. Besonders betroffen sind die Bezieher niedriger Einkommen, aber auch junge Erwachsene, insbesondere dann, wenn die Familiengründung sehr früh oder unvorbereitet erfolgt, akut junge Alleinerziehende.

Umfragen zufolge ist bereits bei Teenies ein Trend absehbar, sich von Verwandten oder Freunden schnell einmal Geld zu leihen, um sich trotz eines finanziellen Engpasses einen Konsumwunsch zu erfüllen. Dabei spielt natürlich eine Rolle, welche Orientierung Heranwachsende zu Hause im Elternhaus erfahren. Selbstverständlich herrschen in den unterschiedlichen Familien sehr individuelle Werthaltungen vor, die sich förderlich oder eben auch hinderlich auf die spätere Lebensgestaltung auswirken. Hinzu kommen coole Sprüche von Marketing-Strategen, bei denen die schnellstmögliche Erfüllung von Konsumwünschen die Kernbotschaft ist.

Deshalb ist es von besonderer Bedeutung, dass an unseren Schulen Chancen genutzt werden, den Umgang mit Geld möglichst handlungsorientiert, praxisnah und am Alltag der Jugendlichen ausgerichtet zu thematisieren. Planspiele und Projekte, Exkursionen und Schülerfirmen sind geeignete Methoden, die Jugendlichen aktiv zu beteiligen. Ganztagsangebote bieten hier besondere Möglichkeiten, auch unter Einsatz von außerschulischen Experten. Dass solche Angebote gern angenommen werden, beweist das Projekt "Fit in die Zukunft", das vom Bayerischen Landesausschuss für Hauswirtschaft getragen, vom bayerischen Verbraucherschutzministerium gefördert und sogar von der Universität Augsburg evaluiert worden ist. Solche Kurse sind effizient und nachhaltig, weil sie sich nicht mit Schulbuch und isolierten Lernbausteinen befassen, sondern die konkreten Anliegen der Jugendlichen in den Mittelpunkt stellen, nämlich den eigenen Handy

Vertrag, das zur Verfügung stehende Taschengeld oder auch den eigenen teuren Medienkonsum.

Die Angebotspalette der Jugendarbeit ist ebenso ein geeigneter Platz, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Deshalb begrüßen wir den Berichtsantrag; denn er ermöglicht uns einen Vergleich der vorhandenen Angebote und lässt uns eine gute Weiterentwicklung auf den Weg bringen, die Prävention in den Mittelpunkt stellt und nicht zu einem späteren Zeitpunkt Insolvenzberater in die Gänge kommen lassen muss.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin, bitte bleiben Sie noch am Rednerpult. - Frau Kollegin, Entschuldigung! - Sie waren schnell weg, bitte bleiben Sie am Rednerpult; denn Herr Kollege Pfaffmann hat sich für eine Zwischenintervention gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße es natürlich sehr, wenn viel getan wird, um die Überschuldung von jungen Menschen in der täglichen Politik zu berücksichtigen. Sind Sie denn gleichzeitig bereit, die Gründe, die zu Geldmangel in den Familien führen, politisch zu bewerten, zum Beispiel durch die Abschaffung der Studiengebühren, durch eine Verbesserung bei den Nebenkosten der Beschulung in Höhe von monatlich über 100 Euro, durch die Aufgabe ihres Widerstands gegen den Mindestlohn und durch die Verbesserung der finanziellen Lage der Familien? Sind Sie bereit, diese Themen endlich politisch zu problematisieren und den entsprechenden Anträgen zuzustimmen, um präventiv zu wirken und die Gründe für den Geldmangel in den Familien gerade bei den Alleinerziehenden zu beseitigen, anstatt immer nur Berichte zu verlangen, die letztlich, wie Ihre Vorrednerin gesagt hat, in den Schubladen der Ministerien verschwinden?

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Brendel-Fischer, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Pfaffmann, ich denke, es gibt eine breite Palette von Möglichkeiten, die man nutzen muss. Bei dem vorliegenden Antrag geht es aber darum, den jungen Menschen bewusst zu machen, wie sie mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Einkommen auskommen.

Auf der Prioritätenliste müssen hier an erster Stelle die notwendigen Ausgaben stehen. Das gilt im Übrigen unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. Auch reiche Jugendliche haben hier oft ein Problem, das sie zwar nicht

gleich in die Überschuldung führt, aber es ist kein guter Lebensstil, den sie entwickeln. Wir wissen alle, dass es über kurz oder lang schnell passieren kann, dass man plötzlich sehr wenig Geld zur Verfügung hat. Wir kennen junge Leute, die plötzlich mit Hartz IV auskommen müssen und sich schnell auf den Weg machen müssen, um umzuschalten. Damit der Hebel so umgeschaltet werden kann, dass er richtig steht, braucht man die Strategie, dass zuerst das Notwendige kommt, dann das Nützliche und zum Schluss das Angenehme. Diese Reihenfolge gilt es einzuhalten, und zwar unabhängig vom Geldbeutel.

Für den Fall, dass Studiengebühren aufgrund der finanziellen Situation nicht geleistet werden können, gibt es eine Regelung. Sie wissen sehr wohl, dass über einem Drittel der Studierenden die Studiengebühren erlassen werden. Sie kennen auch die Geschwisterregelung. Es gibt die Subsidiarität in allen Lebensbereichen, in denen es möglich ist.

Der Antrag heute bezieht sich auf ein anderes Problem und hat einen ganz anderen Ansatz.

(Beifall bei der CSU)

Als Nächster hat Herr Kollege Dr. Linus Förster das Wort. Bitte schön.

Merry Christmas, Mr. Presi dent!

(Allgemeine Heiterkeit - Markus Sackmann (CSU): Schauen wir mal, was die Rede für eine Bescherung bringt!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie um etwas mehr Engagement, um den vielleicht von diesen Maßnahmen betroffenen Jugendlichen oben auf der Zuschauertribüne klarzumachen, dass es hier nicht um einen Schaufenstervortrag geht, sondern dass wir ernsthaft über einen kurzen und bündigen, aber bestimmt nicht falschen Antrag der FDP diskutieren. Ein paar Fragezeichen gibt es allerdings schon, gerade was "kurz und bündig" betrifft.

Erst einmal bin ich überrascht, dass dieser Antrag lediglich einen Bericht und dazu noch einen dringlichen Bericht über präventive Maßnahmen zur Bekämpfung der Überschuldung bei Jugendlichen fordert, wobei Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, anscheinend schon genau zu wissen glauben, was man Ihnen berichten wird, nämlich dass die Präventionsmaterialien nicht hinreichend auf ihre Wirksamkeit evaluiert und die Maßnahmen zumeist nicht ausreichend vernetzt sind. Sie meinen, dass Kinder und Jugendliche bei uns

im Freistaat nicht ausreichend auf den richtigen Umgang mit dem Geld vorbereitet werden. Sie schreiben das in Ihrem Antrag und sagen, dass Sie das dem aktuellen Sozialbericht entnehmen. Warum fordern Sie also einen Bericht der Staatsregierung, der Sie, soviel ich weiß, angehören, statt konkrete Maßnahmen zu fordern, mit denen die Prävention verbessert werden kann?

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, weiter überrascht mich - das allerdings positiv -, dass Sie in Ihrem Antrag die soziale Vererbung von Bildungsarmut monieren. Ich hatte bisher immer den Eindruck - ähnlich wie Kollege Pfaffmann es in seiner Zwischenintervention angedeutet hat -, dass Sie eigentlich kein großes Problem mit unterschiedlichen einkommens- und schichtspezifischen Bildungschancen haben. Ich denke hier zum Beispiel an die Diskussion über die Studiengebühren. In diesem Punkt hat mich Ihr Antrag überrascht und erfreut. Wenn Sie im Kampf gegen die Staatsregierung in Sachen Bildungsgerechtigkeit Hilfe brauchen, stehen wir an Ihrer Seite.

(Beifall bei der SPD)

Unabhängig davon werden meine Fraktion und ich den Dringlichkeitsantrag unterstützen, weil wir Schuldenpräventionsprogramme grundsätzlich richtig und wichtig finden und präventiven Maßnahmen grundsätzlich Vorrang vor Strafen einräumen.

Damit bin ich beim dritten Punkt, der mich bei Ihrem Antrag überrascht hat. Mich wundert, dass Sie Ihr Koalitionspartner nicht zurückgepfiffen hat; denn schließlich gehört Präventionsarbeit nicht unbedingt immer zu den Wegen, die Ihre Kolleginnen und Kollegen von der CSU in der Jugendpolitik primär gehen wollen. Ich denke zum Beispiel an die Diskussion über die Verschärfung des Jugendstrafrechts.

Kommen wir zum Antrag. Dass aktive Präventionsarbeit zur Verminderung der Verschuldung von jungen Menschen bei uns im Freistaat wichtig ist, zeigt nicht zuletzt der Befund aus dem Zweiten Bayerischen Sozialbericht, wie Sie im Antrag richtig ausführen und wie auch die Rednerin der CSU richtig gesagt hat. Dort wird unwirtschaftliche Haushaltshaltführung bei über der Hälfte der Fälle als Hauptgrund für die Überschuldung von jungen Menschen zwischen 19 und 25 Jahren angegeben. Dies zeigt, dass eine bessere Vorbereitung der jungen Menschen im Hinblick auf den richtigen und vernünftigen Umgang mit Geld wichtig ist. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die beste Vorbeugung gegen die Überschuldung von jungen Menschen die Vermeidung ihres Armutsrisikos ist. Nach der unwirtschaftli

chen Haushaltsführung ist nämlich Arbeitslosigkeit die zweite Hauptursache für die Verschuldung der jungen Menschen im Freistaat, und gegen Arbeitslosigkeit hilft nun einmal keine Aufklärung über den Umgang mit Geld.

Die Befunde des Zweiten Sozialberichts zeigen, dass Bayern zwar bei der Kinder- und Jugendarmut im Vergleich zum übrigen Bundesgebiet noch relativ gut dasteht. Aber was uns Sorgen bereiten muss, liebe Kollegen und Kolleginnen, ist doch der relative Anstieg der Kinder- und Jugendarmut, der bei uns in Bayern zu verzeichnen ist. Sorgen bereiten muss uns die Wohlstandsschere, die in Bayern immer weiter auseinanderklafft. Sorgen bereiten müssen uns die Kids, die mittags nichts zum Essen bekommen. Sie wissen, liebe Kollegen und Kolleginnen hier auf der Regierungsbank: Von dem Geld, das wir bei der Landesbank verloren haben, hätten wir zehn Jahre lang jedem Schüler in Bayern ein warmes Mittagessen finanzieren können.

(Beifall bei der SPD)

Die beste Präventionsarbeit hilft nicht, wenn die Bayerische Staatsregierung weiterhin eine Politik macht, die immer mehr Jugendliche in die Armut treibt. Wir wissen alle: Der Schlüssel, nicht in die Armuts- und Schuldenfalle zu geraten, ist der Zugang zu Bildung und Ausbildung. Solange die Staatsregierung hier weiter vor sich hinträumt, wird sich an der Verschuldungsproblematik von Jugendlichen in Bayern nicht viel ändern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir noch eine letzte Anmerkung zum vorliegenden Antrag. Wenn wir auf den Sozialbericht, auf den Sie sich beziehen, nicht zehn Jahre hätten warten müssen, wären wir schon viel früher auf die Diskrepanz zwischen zahlreichen bestehenden Programmen und deren fehlender Wirksamkeit aufmerksam geworden und hätten schon viel früher handeln können. - Frohes Fest!

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Wortmeldung liegt bei Herrn Glauber von den Freien Wählern. Bitte.

Verehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer hat das neueste Handy, wer hat die angesagtesten Klamotten, insbesondere von der richtigen Marke, T-Shirts für mehr als 150 Euro? Das ist eine Lektion, die Kinder und Jugendliche bereits sehr früh verinnerlichen. Wer bei Klamotten und technischem Equipment die Nase vorn hat, kann mithalten und wird akzeptiert.

Für manche Jugendliche kann das bereits der Startschuss in die Schuldnerlaufbahn sein. Sie wollen auf

eigenen Füßen stehen, bei den Eltern ausziehen, eigene Wohnung, eigenes Auto, eigenes Konto - ein eigenes Leben eben. Das jedoch steht allzu oft auf wackligen Füßen. Gerade bei jungen Berufsanfängern können die Einkünfte häufig nicht mit dem Lebensstil mithalten. Eine konkrete Vorstellung davon, was das Leben eigentlich kostet, fehlt, und der richtige Umgang mit Geld wird selten vernünftig gelernt.

Durchschnittlich 5 % der Zehn- bis Zwölfjährigen, 11 % der Dreizehn- bis Siebzehnjährigen, 17 % der Acht zehn- bis Zwanzigjährigen und gar 19 % der Einund zwanzig- bis Vierundzwanzigjährigen sind bei uns verschuldet. Schulden gehören zum Alltag. Das mussten wir hier in diesem Haus ja leider auch wieder erleben.

(Heiterkeit)

Die entscheidende Frage ist aber, wofür Schulden gemacht werden: für Investitionen in die Zukunft oder die Befriedigung von Konsumwünschen.

(Zuruf des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD))

Als ständiger Begleiter von Jugendlichen steht das Handy heute immer mehr im Fokus. Da ist ein Schuldenpräventionsprogramm durchaus sinnvoll, denn 85 % der Jugendlichen besitzen heute ein Handy, für das durchschnittlich 20 Euro bis 50 Euro ausgegeben werden. Besorgniserregend ist vor allem aber das, was der Münchner Armutsbericht 2007 belegt: Kinder aus sozial schwachen Familien sind von einem überproportional hohen Risiko bedroht, später wiederum arm zu sein. Das Schulbildungsniveau der ALG-II-Bezieherinnen und -Bezieher ist vergleichsweise niedrig, das Fehlen eines schulischen Abschlusses kennzeichnet ein Viertel dieser Gruppe.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, schaffen wir es nicht, allen Kindern gleiche Bildungschancen einzuräumen, werden sich die Kosten hierfür potenzieren. Im weiteren Lebensverlauf müssen die Kinder dafür die Rechnung tragen. Denn auch das hat der Sozialbericht gezeigt: Armut ist leider vererbbar. Laut Angaben der Jugendschuldnerberatung der AWO München hatten im ver gangenen Jahr die jungen Ratsuchenden zwischen 4.000 Euro und 5.000 Euro Schulden - eine absolut be sorgniserregende Tendenz.

Wir von den Freien Wählern unterstützen diesen Berichtsantrag. Wir haben aber auch die große Hoffnung, dass Sie dann auch in präventiven Maßnahmen enden, nicht nur in einem Bericht. Denn leider mussten wir bei dem Thema Jugend und Alkohol erkennen: Da war es nicht einmal notwendig, uns zu berichten und in irgendwelche präventive Maßnahmen einzusteigen. Leider ist

es aber so - Sie es können es in den Zeitungen tagtäglich lesen -, dass dieses Thema nicht vom Tisch kommen wird. Jugend und Alkohol ist ein Thema und genauso ist es die Schuldenprävention. Nicht nur berichten, sondern dann auch handeln!

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordneten der SPD)

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bitte ich Herrn Hartmann nach vorn.