Protocol of the Session on December 16, 2009

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Jahrelang tut die Staatsregierung nichts und dann produziert und präsentiert sie nichts als Murks.

(Beifall bei den GRÜNEN - Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD): Gutes Stichwort! - Widerspruch bei der CSU)

Herr Kollege Miller, anders sind die Aktivitäten Ihrer Staatsregierung bei der Schaffung eines Einheitlichen Ansprechpartners, wie es die entsprechende Umsetzung der europäischen Dienstleistungsrichtlinie erfordert, nicht zu charakterisieren.

Ich vermute, dass die wenigsten Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion und auch der FDP-Fraktion den Gesetzentwurf der Staatsregierung gelesen haben. Ich trage die Kernpunkte noch einmal vor. In der Lösung auf der ersten Seite des Gesetzentwurfs wird vorgeschlagen, als Einheitlichen Ansprechpartner die Kammern zu nehmen. Und die Kommunen sollen die Option haben, auch Ansprechpartner zu werden. Für den Fall, dass eine Kommune entsprechend optiert, soll sich der Dienstleister aussuchen können, an welche Einheitliche Ansprechstelle, an welchen Einheitlichen Ansprechpartner er sich wendet. Das ist genau das Ge

genteil von Einheitlichkeit und es ist, wie gesagt, das Gegenteil von wenig aufwendiger Bürokratie.

Herr Kollege Huber, schön dass Sie da sind. Sie haben im federführend beratenden Ausschuss gesagt, die Betroffenen müssten doch wissen, wer ihr erster Ansprechpartner ist. Genau das wissen sie nach dem Gesetzentwurf der Staatsregierung aber nicht. Das hätten sie gewusst oder würden sie wissen, wenn dem Gesetzentwurf von Freien Wählern, SPD und GRÜNEN zugestimmt würde. Darin ist es klar geregelt. Als Einheitliche Ansprechpartner sind zuständig die Landkreise und die kreisfreien Städte. Das ist die erste Adresse. Selbstverständlich werden dann je nach Beratungsgegenstand die Kammern hinzugezogen. Diese wissen selbst, wo die größeren Kompetenzen sind. Ich nenne als Beispiel nur die duale Ausbildung, die Standortsysteme und vieles mehr.

Um was geht es nun eigentlich, wer kann was leisten? Dieser Einheitliche Ansprechpartner soll vor allem Mittler zu den anderen Behörden sein. Er soll aber auch schon etwas in die Inhalte hineingehen, indem zum Beispiel Unterlagen geprüft oder Informationsaufgaben erfüllt werden, was beispielsweise wo in welchen Registern zu finden ist oder auch in welchen Datenbanken zu suchen ist. Es geht um die Beantwortung der Frage, welche Verfahrensvorgaben vorhanden sind, ob beispielsweise der Dienstleister eine Genehmigung braucht, auf welchem Weg er diese Genehmigung erhalten kann, ob die Genehmigung dauerhaft oder befristet ist, ob sie bundesweit oder auf Landesebene erteilt wird und ähnliches.

Und dann geht es selbstverständlich auch um inhaltliche Vorgaben. Welches sind die materiellen Voraussetzungen für die Erbringung der Dienstleistung? Ein Dienstleister, der sich niederlassen will, muss wissen: Wie schaut es mit dem Bauordnungsrecht und dem Bauplanungsrecht aus? Bei all diesen Überlegungen sollte die Einheitliche Dienststelle Bescheid wissen, aber die Sache wird dann trotzdem an die zuständigen Behörden weitergegeben, wie zum Beispiel beim letzten Beispiel an den Bauausschuss in der Gemeinde, wo der Dienstleister seinen Sitz haben will, bzw. an das staatliche Landratsamt als Genehmigungsbehörde.

Und da müssen wir eines ganz klar sagen: Unser Modell ist wesentlich besser. Es gibt von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Regelungen. Es gibt das ausschließliche Kammermodell, es gibt die Anstalt wie in Schleswig-Holstein, in den neuen Bundesländern haben wir ein Landesverwaltungsamt, in NordrheinWestfalen das Kommunalmodell und in Bremen die Städtische Wirtschaftsförderungsgesellschaft. Aber ein solches Mischmasch-Modell, wie es jetzt in Bayern eingeführt werden soll, finden Sie nahezu nirgendwo. Ein

solches Modell macht unseres Erachtens überhaupt keinen Sinn.

Herr Kollege Stöttner, Sie haben es erneut gewagt, das Geld anzusprechen. Das ist bezeichnend. Das Thema heißt doch "Einheitlicher Ansprechpartner". Wir finden aber nirgendwo eine größere Uneinheitlichkeit als in der Regierungsfraktion. Mal hat Kollege Breitschwert, mal Kollege Stöttner im Ausschuss geredet, und im mitberatenden Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, dem ich auch angehöre, war es der Kollege Sinner. Kollege Sinner war noch der Sachkundigste von allen, herzlichen Dank, Herr Kollege Sinner! Sie haben sich allerdings auch schon länger mit dem Thema befasst als Ihre Kolleginnen und Kollegen.

Der Kollege Breitschwert hat bei der Ersten Lesung hier im Plenum gesagt, wir könnten schon deshalb die Kommunen nicht mit der Aufgabe betrauen, weil die Kommunen dauernd auf der Suche nach einem Geldersatz seien. Das ist schon ein sehr freundliches Kompliment in Richtung Kommunen. Es ist allerdings im Kontext falsch, weil selbstverständlich auch die Kammern davon ausgehen, dass die Aufwendungen, die sie haben werden, kostenecht erstattet werden. Damit war Ihr Argument falsch, Kollege Breitschwert. Damit sind Sie ganz brutal danebengelegen.

Zum Kammermodell per se noch ein Wort: Wenn Kammern eine originäre Zuständigkeit haben, ist das aus verschiedenen Blickwinkeln sehr kritisch zu sehen. Zum einen sind die Kammern immer Dienerinnen ihrer Zwangsmitglieder; für deren Interessen haben sie sich primär einzusetzen, nicht unbedingt aber für die mögliche Konkurrenz.

Zum anderen haben wir es in nicht unerheblichem Maße mit vertraulichen Daten zu tun. Und wie ist es da um den Datenschutz bestellt?

Der dritte Punkt ist ein besonders interessantes Thema, weil es die Staatsregierung in ihrem ersten Gesetzentwurf bemüht hatte. Wie ist es um die Aufsicht bestellt? Wir hatten im Juli einen ersten Entwurf, der in die Verbandsanhörung Eingang fand. Da finden wir einen Artikel 7 "Aufsicht". Ich zitiere:

Das Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie führt die Fachaufsicht über die Landkreise und kreisfreien Städte, soweit sie die Aufgaben des Einheitlichen Ansprechpartners übernehmen. Es kann den in Artikel 2 ge nannten Kammern, soweit sie diese Aufgaben wahrnehmen, allgemeine Weisung erteilen, um eine gleichmäßige Durchführung der Aufgaben zu sichern.

Ich wiederhole die letzte Passage: "um eine gleichmäßige Durchführung der Aufgaben zu sichern".

Die Kammern haben wütend Protest geschrien - zu diesem völlig verhunzten Entwurf.

Jetzt finden wir genau diesen Passus nicht mehr. Warum war Ihnen zunächst die gleichmäßige einheitliche Durchführung der Aufgabe wichtig und warum ist sie Ihnen jetzt nicht mehr wichtig? Oder wie wollen Sie das jetzt in Ihrem neuen Gesetzentwurf, in dem wir das Kapitel mit der Weisung nicht mehr finden, gewährleistet wissen?

Es gab im Übrigen noch weitere ganz große Pferdefüße im Vorläuferentwurf. Jetzt haben wir das sogenannte additive Optionsmodell, damals gab es das substitutive Optionsmodell.

Die Kammern wären zuständig gewesen, dann hätten die Kommunen "hier" geschrien und in dem Fall, wo die Kommune "hier" geschrien hätte, hätten die Kammern in die Röhre geschaut. Sie hätten eine Infrastruktur vorhalten müssen, die sie dann gar nicht hätten einsetzen können. Also: Auch Ihr Gesetzentwurf vom Juli 2009 war nichts anderes als grottenschlecht. Allerdings haben wir es bei dem neuen Entwurf nicht einmal mehr mit einer Verschlimmbesserung zu tun, sondern es erfolgt eine weitere Verschlechterung. Sie haben ein unsägliches Mischmasch-Modell präsentiert.

Wir sagen: Das ist nichts anderes als Murks. Der Entwurf wird der Aufgabe nicht gerecht. Er wird der Wirtschaft, in dem Fall also den Beratung suchenden Dienstleistungsunternehmen, alles andere als gerecht.

Nehmen Sie also die letzte Chance wahr und stimmen Sie dem Gesetzentwurf von SPD, GRÜNEN und Freien Wählern zu, mit dem tatsächlich ein Einheitlicher Ansprechpartner geschaffen würde, und zeigen Sie dem verhunzten, unsäglich schlechten Gesetzentwurf der Staatsregierung die Rote Karte.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abgeordneten Johanna Werner-Muggendorfer (SPD))

Danke schön, Herr Kollege Runge. Für die FDP folgt nun Herr Dr. Kirschner. Bitte sehr, Herr Kollege Kirschner.

Verehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein weiteres Mal unterhalten wir uns über das Thema Einheitliche Ansprechpartner. Somit können wir uns jetzt auf das Wesentliche konzentrieren, ohne groß auszuholen, also darauf, wo wir uns unterscheiden. Wir unterscheiden uns nicht darin, dass wir uns nicht einig wären, dieses Gesetz haben zu müssen, sondern wir unterscheiden

uns nur noch bei der Frage, wo dieser Einheitliche Partner denn nun angesiedelt sein soll.

Lieber Herr Muthmann und lieber Herr Perlak, ich verstehe Sie; denn Sie sind als Vertreter aus Ihrer früheren Tätigkeit, Ihrer kommunalen Arbeit als Landrat bzw. Oberbürgermeister angetreten und ich bin Freiberufler. Hier unterscheiden wir uns. Wir unterscheiden uns nicht nur deshalb, weil ich Freiberufler bin, sondern weil ich aus der praktischen Erfahrung mit Ihnen darüber reden muss, warum das richtig ist, was wir vorlegen.

Ich hole kurz aus. Es geht hier auch um den Zeitablauf. Wir haben das Thema schon diskutiert. Wie Sie wissen, haben wir uns erst vergangenes Jahr in der Koalition gefunden und da gab es richtigerweise, ähnlich wie in der Ehe - man ist sich da nicht sofort über alles einig - darüber Diskussionen, wo wir den Einheitlichen Ansprechpartner ansiedeln wollen. Da gab es zunächst die Option, ihn bei einer Bezirksregierung anzusiedeln. Das konnte aber schon deswegen nicht durchgesetzt werden, weil sich die anderen Bezirksregierungen dadurch benachteiligt gefühlt hätten. Jede hätte Angst gehabt, wenn beispielsweise eine Stelle in Regensburg geschaffen werden würde, das Nachsehen zu haben. Das war also nicht machbar.

Also musste die Frage nach Alternativen gestellt werden. Eine Alternative wäre sicherlich gewesen, die Kommunen oder die kreisfreien Städte und die Landkreise zu nehmen. Sie reden von Einheitlichen Ansprechpartnern, Herr Muthmann, auch Herr Runge. Wie viele Landkreise haben wir denn in Bayern? 71. Und wie viele kreisfreie Städte haben wir? Über 100. Haben Sie dann einen Einheitlichen Ansprechpartner?

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Bei unserem Modell haben wir wenigstens die Möglichkeit, Wettbewerbsgleichheit und Chancengleichheit herzustellen.

Ich habe es schon einmal gesagt und wiederhole es: Eine Stadt wie München hat völlig andere Voraussetzungen als ein kleiner Landkreis im Bayerischen Wald oder in der Oberpfalz, der das erst aufbauen muss. Aus der Praxis sage ich Ihnen: Als wir nach Italien gegangen sind und in die Tschechei, da sind wir nicht zur Kommune gegangen, sondern zuerst zur Kammer, weil die dort die breitesten Informationen hatten.

Herr Kollege Dr. Kirschner, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, weil das von meiner Zeit abgeht. Gerne hinterher, Herr Runge. Ich brauche eh nicht so lang.

(Harald Güller (SPD): Eben!)

Sie sprechen über das Thema Baurecht. Ich gebe Ihnen völlig recht. Aber welcher Dienstleister kommt denn nach Deutschland und will ein Grundstück kaufen und ein Gebäude bauen? Das sind Ausnahmefälle. Dienstleister sind normalerweise kleine Unternehmen, die hier herkommen und ein Büro suchen. Dazu gehen sie nicht in eine Kommune, sondern - ich wiederhole mich - zuerst zur Kammer, dort, wo das Know-how schon vorhanden ist.

Sie fragen dann: Warum kommt es den Ausländern zugute und den Inländern nicht? Ich habe es gesagt und wiederhole mich: Wir haben derzeit kein Informationsdefizit in der Bundesrepublik Deutschland. Und wenn sich herausstellt, dass Bedarf vorhanden ist, dann kann man das in den nächsten zwei Jahren - auf zweieinhalb Jahre ist es ausgerichtet - nacharbeiten.

Des Weiteren wollen wir die kleinen Landkreise davor verschonen. Ich nehme als Beispiel den Landkreis Rottal-Inn. Wirtschaftsförderung ist dort nicht vorhanden. Sie müssen erst das Know-how aufbauen, den Landkreis belasten, die Kommunen belasten. Und wenn Sie, Herr Muthmann, von Konnexität sprechen, frage ich: Wer muss das dann bezahlen? Das ist das Geld der Steuerzahler. Es ist klar, dass der Anspruch der Kommunen da ist. Aber später, wenn die Gebühren nicht reichen, kommt der Anspruch an die Staatsregierung, Geld an die Kommunen zu überweisen. Warum nutzen wir nicht zuerst das vorhandene Know-how, beobachten, wie das Ganze läuft? Dann können wir immer noch den nächsten Schritt tun, bevor wir eine weitere Bürokratie aufbauen.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit noch eines zu dem Thema Landkreise und kreisfreie Städte sagen. Sie erinnern sich alle daran, was der Städtetag in den letzten Monaten von sich gegeben hat: Sie sind wirtschaftlich und finanziell am Ende. Das habe ich mehrmals gelesen. Wie bitte wollen Sie mir weismachen, dass Sie mit dem Aufbau des Einheitlichen Ansprechpartners nicht eine zusätzliche Verwaltungsbürokratie aufbauen und zusätzliche Belastungen schaffen, insbesondere für die schwächeren Landkreise und die kreisfreien Städte?

Herr Runge, bitte.

Ach so, Sie sind fertig? Gut. Dann kommt eine Zwischenintervention von Herrn Kollegen Runge.

Herr Kollege Kirschner, da hätten Sie ja noch zwölf Zwischenfragen von mir beantworten können.

Das weiß ich, Herr Runge.

Aber Ihre Ausführungen zeigen auch wieder, dass Sie Ihr eigenes Gesetz wohl nicht gelesen haben. Sie haben an dem Gesetzentwurf der Freien Wähler, der SPD und der GRÜNEN die Anzahl der Einheitlichen Ansprechpartner kritisiert. Bei Ihnen ist die Anzahl viel, viel größer, weil zu den kreisfreien Städten und den Landkreisen noch alle Kammern dazukommen. Genau das ist Ihr Modell.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD) und Harald Güller (SPD))

Die Zahl ist tatsächlich größer, denn es können additiv sämtliche Landkreise und kreisfreien Städte optieren. Dann hat man einen Teil der Aufgaben hier und einen Teil der Aufgaben dort und das dienstleistende Unternehmen sucht sich dann erst einmal den Ansprechpartner aus.

Was Sie zum Modell Bezirksregierung ausgeführt haben, entspricht auch nicht der Realität. Das war ganz anders in Regensburg. Sie sollten sich also erst einmal sachkundig machen. Da ging es vor allem um eine Clearingstelle, wie sie dann beispielsweise auch beim Statistischen Landesamt angedacht war. Es ist also Legende, wenn Sie sagen, das konnte man nicht machen, weil andere Bezirksregierungen eifersüchtig wären. Dann könnten wir in Bayern nahezu gar nichts machen. Es ist einfach so, dass die eine Bezirksregierung für eine Aufgabe zuständig ist, die andere für die andere. Beispielsweise werden die Konzessionen für den allgemeinen ÖPNV von der Regierung von Oberbayern vergeben. Wir haben selbst Bezirksregierungen in anderen Bundesländern, die für hiesige Aufgaben zuständig sind. Ich denke an Darmstadt, Tarife bei der Bahn im SPNV. Das ist nun einmal so geregelt und im Föderalismus sogar etwas über die Landesgrenzen hinaus.

Interessant war, welchen Spruch Sie im Ausschuss getätigt haben - ich habe ja gehofft, Sie würden ihn heute wiederholen. Da haben Sie nämlich gesagt: Kommunen jammern darüber, dass sie kein Geld haben.