Protocol of the Session on December 15, 2009

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN - Anhalten- de Zurufe von der CSU)

Der großkotzige Wunsch nach grenzenloser Expansion hat seinen Preis. 3,75 Milliarden Euro sind das erschreckende Ergebnis eines zweieinhalbjährigen Abenteuers am Balkan. Umgerechnet bedeutet dies: Bayern hat über zweieinhalb Jahre lang jeden Tag vier Millionen Euro nach Kärnten überwiesen, jeden Tag, 930 Tage am Stück.

Der reiche Onkel Fahrenschon stand selbst dann noch zu Diensten, als längst klar war: Das Geld kommt den Abgrund nicht mehr hoch.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Klar ist jetzt am Wochenende geworden: Bayern hat sich von Österreich zweieinhalb Jahre nach Strich und Faden über den Tisch ziehen lassen. Es beginnt mit einem überhöhten Kaufpreis, es geht weiter mit Milliardenspritzen, und es endet mit einem Milliardenpoker

auf dem Pulverfass unter höchstem Zeitdruck, bei dem die Republik Österreich am Ende fast alle ihre Forderungen gegenüber einem schwachen Finanzminister Georg Fahrenschon durchgesetzt hat.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN - Zurufe von der CSU)

Und die Bank verschenkt weiter. Es werden noch einmal 825 Millionen Euro draufgesattelt. In Ihren Worten heißt das, es sei kein frisches Geld. Erklären Sie einmal den Bürgerinnen und Bürgern, was der Unterschied zwischen altem und frischem Geld ist. Die bayerischen Liquiditätshilfen und Kredite, die Sie, Herr Fahrenschon, noch aus der Verhandlungsmasse haben herauseisen wollen, sind dringeblieben. Wer will denn da noch von einer erfolgreichen Verhandlungsführung in Wien sprechen, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die Wahrheit ist doch Folgendes: Herr Fahrenschon, Sie waren ein unbeholfener Verhandlungsführer ohne jede Widerstandskraft. Die Wahrheit ist: Sie haben sich von den Österreichern quasi am Nasenring durch die Manege führen lassen. Das ist doch die Wahrheit.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN - Anhalten- de Zurufe von der CSU)

Sie waren ein Getriebener. Sie waren nicht Herr des Handelns.

Wir werden zu überprüfen haben, Herr Minister, ob Sie den Bayerischen Landtag in der vergangenen Woche belogen haben.

(Zurufe von der CSU: Oh, oh!)

Wenn die Medienberichte stimmen, dass Sie höchstpersönlich Druck auf die Sonderprüferin Corinna Linner ausgeübt haben - die Süddeutsche Zeitung hat das gestern so berichtet -, dann sind Sie als Finanzminister des Freistaates Bayern nicht mehr tragbar und müssen zurücktreten.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir werden auch über die Gesamtverantwortung des Ministerpräsidenten sprechen müssen, der einen Eid abgelegt hat, Schaden von unserem Lande abzuwenden.

Zu welchem Zeitpunkt waren Sie in den Vorgang HGAA involviert, Herr Ministerpräsident? Sie sagen jetzt, bereits vor einem Jahr bei Ihrem Amtsantritt seien Sie festen Willens gewesen, die Bank zu verkaufen. Welche Informationen wurden Ihnen wann von Ihrem Finanzminister vorgelegt? Wie kann es sein, dass dieses

so wichtige Thema offensichtlich über Wochen und Monate nicht zur Entscheidungsreife gelangte, ja über ein Jahr lang nichts passiert ist und diese Bank jetzt auf den letzten Drücker verschenkt werden muss?

Da diskutieren wir hier im Landtag jeden einzelnen Kugelschreiber für die bayerischen Schulen.

(Zuruf von der CSU: Oh, oh!)

Jede Schirmmütze für bayerische Polizisten wird noch einmal umgedreht, und zwar Ausschusssitzung für Ausschusssitzung. Und dann entscheidet der Finanzminister unter dem denkbar größten Zeitdruck im melancholischen Dunstnebel von Wien quasi handstreichartig über Milliardenbeträge.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen, die Katastrophe von Kärnten stellt ein unvorstellbares Ausmaß politischen Versagens dar, eine neue Dimension politischer und wirtschaftlicher Unfähigkeit.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Und jetzt erklären Sie einmal den Menschen im Lande diesen Betrag von 3,75 Milliarden Euro. Das sprengt jegliches Vorstellungsvermögen. Mit 3,75 Milliarden Euro in 500-Euroscheinen könnten Sie einen Turm in Höhe von 750 Euro aufbauen.

(Zurufe: Meter!)

- 750 Meter! Das ist fast achtmal so hoch wie die Türme der Münchner Frauenkirche. Ein Arbeitnehmer müsste 93.750 Jahre für diesen Betrag arbeiten.

(Zuruf von der CSU: Oh, oh!)

3,75 Milliarden Euro, mit diesem Geld könnte man zehn Jahre lang jedem Schüler in Bayern ein warmes Mittagessen finanzieren, über die gesamte Schulzeit hinweg, eine gesamte Dekade lang.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir hätten es nicht für möglich gehalten, dass die politisch Verantwortlichen jetzt so tun, als seien sie überhaupt nicht dabei gewesen. Über diese politische Verantwortung müssen wir hier im Hohen Hause reden. Herr Seehofer hat bereits am Freitag angekündigt, die politisch Verantwortlichen der Vergangenheit müssten Konsequenzen ziehen. Er würde sich über das Wochenende Gedanken machen. Herr Ministerpräsident, ich rufe Ihnen zu: Ihr Wochenende ist vorüber! Wir haben bereits Dienstag! Wo sind die Konsequenzen? Raus aus dem Speicher, rein in die Verantwortung!

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

In Wahrheit drücken Sie sich vor der notwendigen Entscheidung, Ihre Parteifreunde zur Rechenschaft zu ziehen. Führungsstärke in der Krise sieht nun wirklich anders aus.

Sie sagen gegenüber dem "Focus", Sie machten sich Sorgen um die CSU; die Finanz- und Wirtschaftskompetenz Ihrer Partei stehe infrage.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Die haben doch gar keine!)

Das ist ja alles richtig, aber es ist doch bezeichnend, dass es Ihr erster Reflex ist, an Ihre Partei zu denken und nicht an Ihr Land.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es geht hier um das Wohl der Bürgerinnen und Bürger, Herr Ministerpräsident!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN - Zurufe von der SPD: Bravo!)

Es hätte uns natürlich interessiert, was Sie unter politischen Konsequenzen für die Verantwortlichen verstehen. Die bayerische Öffentlichkeit wurde von Ihnen für eine kurze Zeit in den Glauben versetzt, die damaligen Minister müssten womöglich mit ihrem Vermögen einstehen. Die renommierte Münchner Anwaltskanzlei Hengeler Mueller wurde beauftragt, die Haftung von ehemaligen BayernLB-Vorständen und Verwaltungsratsmitgliedern zu prüfen.

Was haben die Recherchen denn nun ergeben? Welcher Auffassung sind Sie denn nun? Müssen Herr Huber, Herr Beckstein, Herr Schmid, Herr Schaidinger, Herr Faltlhauser und andere am Ende womöglich mit ihrem Privatvermögen haften? Das wäre neu. Das würde das System völlig umstellen, und zwar nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Zukunft.

Herr Kollege Beckstein nannte es eine Unverschämtheit, meine Damen und Herren, dass die Oppositionsfraktionen von SPD und Freien Wählern auch strafrechtliche Konsequenzen überprüfen wollten. Das sagte Herr Beckstein in einem Interview.

(Harald Güller (SPD): Wo ist er denn heute?)

- Er ist heute nicht da. Aber klar ist doch, die Unverschämtheit sitzt bei Weitem nicht nur in den Reihen der Opposition. Die Unverschämtheit sitzt offensichtlich auf der Regierungsbank in Person seines Nachfolgers Horst Seehofer, der offensichtlich ebenfalls strafrechtliche Konsequenzen einfordert.

Leider erweckt Herr Seehofer nur den Anschein, er wolle auch in den eigenen Reihen aufklären. Bis jetzt steckt nichts, aber wirklich überhaupt nichts dahinter. Da bleibt sich der Ministerpräsident konsequent treu: wieder einmal nur Ankündigungen, Ankündigungen, die auch von der eigenen Verantwortung ablenken sollen.

Sie hatten doch nun ein Jahr lang Zeit, Herr Ministerpräsident, sich mit dem Problem Landesbank eingehend zu beschäftigen. Sie hatten ein Jahr lang Zeit, zwölf lange Monate, die Landesbank transparent neu aufzustellen, eine neue Mannschaft zusammenzustellen, ein neues Konzept zu entwerfen. Sie hatten ein Jahr lang Zeit, die notwendigen Rückschlüsse zu ziehen und gegebenenfalls auch unbequeme Entscheidungen in den eigenen Reihen herbeizuführen. Nichts davon ist eingetreten, überhaupt nichts, genau das Gegenteil. Sie haben ihren Finanzminister für die Staatsregierung mauern lassen. Das ist ein Fakt.

Klar, der Kauf der HGAA fällt in die Amtszeit des CSUEhrenvorsitzenden Edmund Stoiber. Aber was haben Sie denn daraus gelernt? Dem Anliegen der Opposition, ebenso Verantwortung für die Bayerische Landesbank zu übernehmen, zum Beispiel indem Oppositionsvertreter in den Verwaltungsrat geschickt werden, haben Sie eine klare Absage erteilt. Sie wollten, dass die Landesbank fest in CSU-Hand bleibt. Sie haben die alten Seilschaften eben nicht beseitigt, Herr Seehofer.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben sie fortgesetzt. Deshalb muss man feststellen: Die Landesbank ist nicht nur ein Problem für Ihre Vorgänger, sie ist auch ein Problem für Sie ganz persönlich.

Im Übrigen kein Wort des Bedauerns in Ihrer Regierungserklärung an die Lehrer, an die Schüler und deren Eltern, dass Sie bessere Bedingungen für eine bessere Bildung in Bayern verspekuliert haben.