Protocol of the Session on November 26, 2009

Ich sage das deshalb am Anfang meiner Rede, weil hier in der Diskussion über die Ökonomisierung immer so getan wird, als seien dies Dinge, die sich gegeneinander ausschließen. Anders herum ist das der Fall: sie bedingen sich.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb steht am Anfang die Forschung. Die Forschung bedingt die Wirtschaft und diese wiederum ermöglicht den Kultur- und Sozialstaat. Daher dürfen wir nicht so tun, als seien dies Gegensätze, die sich ausschließen und als sei es schlecht, wenn die Wirtschaft stark und die Forschung schwach ist.

Die Antwort der Staatsregierung auf die Interpellation, für die ich mich im Namen meiner Fraktion bedanken darf, ist sehr umfassend und faktenreich. Sie gibt sehr viel von dem wieder, was bereits in den Fragen der GRÜNEN dargestellt wurde. Deshalb ist es auch richtig, dass die GRÜNEN die Gelegenheit hier im Plenum nutzen, um stärker die Grundsatzfrage nach der Freiheit der Forschung zu stellen und sich nicht über einzelne Zahlen zu streiten.

Die Freiheit der Forschung - das gilt für alle anderen Arten von Freiheit gleichermaßen - bedingt auch eine Pflicht. Da ist zu allererst die ethische Verantwortung der Forschenden zu nennen. Von dieser ethischen Verantwortung können wir niemanden freisprechen und können sie auch durch kein Gesetz der Welt darstellen. Wir können Gesetze erlassen, um Fehlverhalten zu sanktionieren, aber das macht die Gesellschaft nicht frei. Vielmehr ist die Gesellschaft aufgefordert, diese moralischen, ethischen Standards festzusetzen. Das Wort Freiheit beinhaltet eben auch, mir dieses Zusammenhangs bewusst zu werden.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, Freiheit kann man nicht so definieren, da, wo es gerade schick ist, mehr Freiheit einzufordern, und anderswo, wie beim Thema Gentechnik oder in anderen Bereichen der Forschung, wo es nicht zum eigenen Weltbild passt, Kon

trollen und Denkverbote in der Gesellschaft zu verlangen. Das ist nicht unser Bild von Freiheit in Forschung und Lehre. Wir wollen eine umfassende Freiheit, die mit der ethischen Verantwortung der Forschenden im engen Zusammenhang steht.

(Beifall bei der FDP)

Forschung bedeutet Neues und Neues bedeutet immer Veränderungen. Damit ist impliziert, dass es gleichermaßen Chancen und Risiken gibt. Wenn wir die Risiken ausschließen wollten, müssten wir das Forschen ausschließen. Deshalb ist es für uns unverständlich, in Teilbereichen die Forschung eingrenzen oder ausschließen zu wollen.

Zur Freiheit der Forschung gehört für uns - da hat die neue Staatsregierung durch Staatsminister Dr. Heubisch bereits Akzente gesetzt - die Autonomie der Hochschulen. Das ermöglicht mehr Freiheiten für die Hochschulen aber auch für die Forschung insgesamt.

Das umfasst, dass wir keine Denkverbote und keine Scheuklappen bei den einzelnen Themen haben wollen. Das heißt wiederum nicht, dass wir nicht darüber diskutieren könnten, Herr Kollege Dürr. Wie gesagt, ich begrüße die Diskussion. Ich bin der Meinung, wir müssen über die ethische Bewertung der Forschungsergebnisse und auch der Forschung insgesamt diskutieren. Aber das verbietet uns nicht, generell auf allen Gebieten zu forschen.

Sie, Kollege Dürr, haben in Ihrer Rede zum Thema Gentechnik einen etwas engeren Freiheitsbegriff gefordert und beim Thema regenerative Energie einen sehr weiten Begriff der Freiheit gewählt. Dazu möchte ich Ihnen folgendes sagen. Gerade die Forschung im Bereich der regenerativen Energie hilft auch der Wirtschaft; denn sowohl Windräder wie auch die Photovoltaikanlagen müssen hergestellt werden.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

Also hilft auch diese Forschung der Wirtschaft; es gibt da einen engen Zusammenhang. Man kann das eine vom anderen an dieser Stelle nicht trennen. Deshalb wende ich mich dagegen, hier eine Schwarz-Weiß-Diskussion zu führen, nach dem Motto, eine bestimmte Forschung ist richtig, weil sie der Sache hilft, die ich gut finde, die andere aber nicht.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich nun zu einzelnen Handlungsfeldern kommen. Der Herr Minister und auch der Kollege Sibler sind schon sehr ausführlich darauf eingegangen. Ich beginne mit dem Thema Wissenstransfer zwischen Hochschule und Wirtschaft. Das ist ein sehr wichtiges

Thema für Deutschland. Wir haben nicht nur den MP3Player erfunden, sondern es gibt noch eine ganze Reihe anderer Erfindungen aus der Grundlagenforschung, die wir zwar gemacht haben, aber nicht zur Marktreife gebracht haben. Das liegt daran, dass unsere Hochschulen noch nicht in dem Maße mit der freien Wirtschaft vernetzt sind, wie es nötig und sinnvoll wäre.

Deshalb haben wir uns entschlossen, hier neue Akzente zu setzen. Ich bin dem Kollegen Dr. Fahn dankbar, dass er hierzu das Projekt ZEVIS genannt hat. Herr Kollege, ich bin nicht ganz sicher gewesen, ob Sie, als Sie "wir" gesagt haben, die Region meinten oder die Freien Wähler.

(Dr. Hans Jürgen Fahn (FW): Die Region!)

- Gut, die Region. Das Konzept, das Sie hier vorgestellt haben, kam ja nicht von den Freien Wählern, sondern aus der Region. Nicht dass hier Missverständnisse entstehen.

Die Idee, die dahintersteckt, beruht auf der Überlegung: Wie bekomme ich Forschungsmittel von der EU oder vom Bund in meine Hochschule vor Ort? Wie nutze ich die angewandte Forschung dazu, mit der Industrie vor Ort geeignete Produkte zu entwickeln und zur Marktreife zu führen? Das ist ein wichtiger Sprung, bei dem wir sicherlich in Deutschland und auch in Bayern noch einen gewissen Nachholbedarf haben.

Da kommt dann auch eine zweite Thematik ins Spiel. Das ist das Wagniskapital. Auch hier müssen wir etwas tun. Oft haben wir Menschen mit guten Ideen, die aus der Hochschule heraus aber nicht dazu kommen, ein Unternehmen zu gründen, um auf dem Markt die entsprechenden Produkte zu fabrizieren, weil ihnen zur Gründung des Unternehmens die entsprechenden Mittel fehlen. Auch das gehört zu der Frage, wie Wissenstransfer zwischen Wirtschaft und Hochschule in einer guten Art und Weise verknüpft werden können.

Ein weiterer Punkt, der heute noch gar nicht angesprochen wurde, den ich aber für sehr wichtig beim Thema Forschung halte, ist der Patentschutz. Wenn ich etwas erfinde und eine bestimmte Idee habe, muss ich darüber auch ein gewisses Recht behalten können. Hier gibt es internationale Diskussionen. Denn im ostasiatischen Raum wir der Patentschutz bzw. der Schutz des Rechts auf Eigentum aufgrund der dortigen Kultur völlig anders gesehen. Und selbst in unserer europäischen Gesellschaft gibt es vereinzelt Stimmen, die eine andere Wertigkeit haben. Da sind wir alle gefordert, klipp und klar zu sagen, wenn es uns nicht gelingt, dafür zu sorgen, dass Forschungspatente international durchgesetzt werden, werden wir ein Problem bekommen, denn es

ergeben sich daraus negative Anreizwirkungen für die Forschung.

Nun zum Thema Ökonomisierung in der Interpellation. Wenn man Fragen gestellt bekommt, muss die Antwort nach objektiven Kriterien erfolgen. Und da sind Zahlen nun mal ein gutes Hilfsmittel. Nicht jede Zahl bedeutet aber automatisch, dass das etwas mit Wirtschaft zu tun hat. Die Wirtschaft bedient sich der Zahlen, aber sie hat sie nicht erfunden. Zahlen sind eine zentrale Ausdrucksform der Gesellschaft, und zwar jeder wissenschaftlichen Sparte und jeder gesellschaftlichen Diskussion. Sie sind nicht von der Wirtschaft gepachtet. Und wenn dann in einer Antwort Zahlen enthalten sind, bedeutet das keine Ökonomisierung der Beantwortung.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

Und nun zur Definition von Drittmitteln. Auch dazu hat der Herr Minister schon etwas gesagt. Man springt aber zu kurz, so zu tun, als ob mit Drittmitteln aus der Wirtschaft die Forschung gelenkt würde. Ein Großteil der Drittmittel kommt leider noch nicht aus der freien Wirtschaft.

(Christine Kamm (GRÜNE): Das ist auch gut so!)

Es sind Mittel, die wir auch von EU-Ebene und von der Bundesebene einwerben wollen und die wir an unseren Standorten für die Forschung nutzen wollen. Ich denke, man muss über die Begrifflichkeit der Drittmittel fair miteinander reden.

(Beifall bei der FDP)

Ein weiterer Kritikpunkt. Es hat sich so angehört, als hätte die FDP den Bologna-Prozess erfunden. Ich möchte an der Stelle daran erinnern, Kollegin Kohnen, dass der Bologna-Prozess ein breiter Konsens in der Gesellschaft, zumindest derjenigen, die laut geschrien haben, war; und dass er sich auf die Geisteswissenschaften ausdehnte, war von vornherein klar.

(Natascha Kohnen (SPD): Die Forderungen sind richtig, aber der Prozess ist falsch!)

Aber das der Sache vorzuwerfen, halte ich nicht für angebracht.

(Beifall bei der FDP - Natascha Kohnen (SPD): Nichts anderes tun wir!)

Dass wir über den Prozess und die Umsetzung reden müssen - dazu gibt es heute einen Antrag -, hat Ihnen auch der Minister mehrmals gesagt.

Beim Thema Finanzen wird oft kritisiert, wir würden zu wenig ausgeben. Wir haben uns in der Koalitionsvereinbarung darauf verständigt, dass wir von 3 % des

Bruttoinlandsprodukts - BIP - auf 3,2 % und mittelfristig auf 3,5 % erhöhen wollen.

Wir nehmen - das muss auch hier anerkannt werden -, Anstrengungen vor, einen Schwerpunkt darauf zu setzen, und dies trotz der schlechten Bedingungen, die wir haben. Man kann den Ministerpräsidenten nur unterstützen, wenn er wie auch bei anderen Themen mit anderen Ländern vergleicht. Wir geben über den Länderfinanzausgleich viel Geld an andere Länder, die dadurch die Möglichkeit haben, Sachen zu finanzieren, bei denen wir uns zurückhalten.

(Beifall bei der FDP, der CSU und den Freien Wäh- lern)

Wir versuchen, beim Gesamtkontext voranzukommen. Dabei sind wir auf einem guten Weg. Deshalb sind Vergleiche gut, wenn man sie zu anderen Ländern anstellt an dieser Stelle.

(Beifall bei der FDP, der CSU und den Freien Wäh- lern)

Das Thema wurde zusätzlich spannend, als der Aspekt DSL hinzukam. Wir sind beide erst seit Oktober letzten Jahres im Bayerischen Landtag, doch muss ich feststellen: Die FDP hat in diesem Jahr nicht einmal gefordert, dass der Markt dieses Thema regeln solle. Ich habe hier öfter zu dem Thema gesprochen. Minister Zeil, der heute nicht hier sein kann, hat dazu gesprochen. Wir haben niemals diese Forderung aufgestellt, aber wir haben die Förderung durch den Staat verstärkt. Wir sind der Meinung, dass wir dazu gefordert sind. Insofern sind wir beieinander, weswegen wir an dieser Stelle keine Sollbruchstelle aufstellen sollten.

Ich möchte auf einen zweiten Punkt, den Herr Kollege Fahn angeführt hat, eingehen. Sie haben einen Gegensatz zwischen Grundlagenforschung und Anwendungsforschung geschaffen. Das sind zwei Bausteine, die aber zusammengehören. Wenn sich der Minister um beide Felder zusammen kümmert, endet er nicht in einem konfusen Diskussionszustand. Da sie miteinander verbunden sind, ist das die einzig richtige Strategie, sich für beide Seiten zu engagieren.

Die Konzentration in München wird zwar zu Recht bemängelt. Auch da, meine ich, besteht Handlungsbedarf. Aber ich möchte unsere Standorte in Nordbayern nicht schlechtreden. Insbesondere der Hochschulstandort Würzburg ist sehr gut aufgestellt. Dort gibt es außeruniversitäre Institute. Wir sollten also die Negativseiten nicht so nach vorne bringen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Danke schön, Herr Kollege Klein. - Jetzt hat noch einmal das Wort Herr Kollege Dr. Dürr. Bitte schön.

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer lustig, wenn andere besser wissen als i, wos i wui oder wos i wissn wui oder wos i wissn soi. Das ist wirklich super. Das ist so oberlehrerhaft, das haben wir wirklich gebraucht. Also für diejenigen, die nicht verstanden haben, wos i wui und wos i wissn wui, denen sage ich jetzt noch einmal, dass i wissn woit, wos die Regierung jetzt wui. Ich habe einen starken Verdacht, dass sie das selber nicht weiß. Ich habe nach der Forschungspolitik der Staatsregierung gefragt. Für mich besteht der erste Unterschied, Herr Minister, den ich klarstellen will, darin, dass das Bild, das sich die Staatsregierung über die Forschungslandschaft macht, nicht dasselbe ist wie die Forschungslandschaft selbst. Darin besteht ein großer Unterschied. Die Tendenz, wohin Sie mit Ihrer Politik wollen, ist noch lange nicht das, was wir in Bayern haben, sonst würden Sie den Trend zur Ökonomisierung nicht so vorantreiben. Eben weil es um Trends und Chancen geht und nicht nur um die jetzige Situation, sondern um die Frage, wohin wir uns entwickeln, bitte ich darum, genauer hinzuschauen.

Den einen Punkt habe ich schon genannt - das Bild, das sich die Staatsregierung macht, und wie die Situation tatsächlich ist. Aber das Zweite, worin ebenfalls unterschieden werden muss, was Ihnen aber offensichtlich unzureichend gelingt, ist, dass wir das umsetzen müssen, was erforscht wurde, um möglichst schnell in die Wirtschaft zu gelangen wie beim Beispiel MP3-Player. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Aber Herr Minister, der Unterschied ist, ob ich das umsetze, was die Forscher erforscht haben, oder ob ich anfange, für das Umsetzen zu forschen wie zum Beispiel bei der AgroGentechnik, wo gezielt für einen technologischen Prozess geforscht wird. Und das finde ich gefährlich.

Die dritte Unterscheidung: Natürlich muss Forschung mit der Wirtschaft kooperieren. Das ist die blanke Selbstverständlichkeit. Aber die Tendenz, die wir sehen, ist die Ausschließlichkeit. Vor allem wird es dann bedenklich, wenn die Wissenschaft auf das Geld der Unternehmen angewiesen ist. Dass Freiheit und Verantwortung die Leitlinien unserer Forschungspolitik sind, ist klar. Ich freue mich, dass Sie das jetzt auch so sehen. Aber Freiheit hat Voraussetzungen, auch in der Frage der staatlichen Finanzierung, und sie hat Grenzen in der Verantwortung der Forscher. Es gibt zwar keine Denkverbote, aber es gibt möglicherweise Tatverbote. Auch darüber müssen wir uns unterhalten. Es darf nicht alles getan und geforscht werden in diesem Lande.

Wir sind froh darüber, dass der Landtag endlich aufgehört hat, den Hochschulen kleinlich vorzuschreiben, was sie tun sollen. Trotzdem dürfen wir darüber diskutieren, wie sich die Forschungslandschaft hinführt entwickelt. Wir müssen es sogar; denn anders gibt es keine gesellschaftliche Verantwortung in der Forschung. Autonomie heißt für mich Demokratisierung und eben nicht Abhängigkeit von der Wirtschaft; Autonomie heißt nicht Unabhängigkeit von der Politik, sondern es gibt immer eine gesellschaftliche Verantwortung, die wir einfordern müssen, sonst würde das zur Selbstabschaffung der Politik führen, und wenn wir das täten, wären wir ziemlich blöd.