Das Jahr 2009 ist also in der Tat ein schwieriges Jahr für Bayern. Wir wissen, dass der Ministerpräsident in seiner Doppelfunktion auch noch die Aufgabe hatte, für die CSU zwei schwierige Wahlkämpfe zu meistern, nämlich bei der Europawahl und der Bundestagswahl. Wir hätten aber in diesem Jahr auch eine kraftvolle politische Führung gebraucht.
Diese drei Kernziffern machen deutlich: Wir brauchen in Bayern eine aktive Wirtschaftspolitik. Sie ist gegenwärtig notwendiger denn je. Wir brauchen eine nachhaltige Wirtschaftspolitik, die auch auf neue Technologien setzt. Wir brauchen eine Förderung strukturschwacher Regionen. Vor allem dürfen wir den Nordosten unseres Landes nicht vom ökonomischen Fortschritt abkoppeln. Meine Damen und Herren, wer will denn von gleichwertigen Lebensbedingungen sprechen, wenn zum Beispiel in Bayerisch Eisenstein zwischen 1998 und 2008 fast 26 % der Einwohner abgewandert sind? In zehn Jahren ist dort ein Viertel der ganzen Bevölkerung abgewandert. In Feldkirchen ist im gleichen Zeitraum die Einwohnerzahl um knapp die Hälfte gestiegen. Meine Damen und Herren, wie kann man hier von einer regionalwirtschaftlichen Ausgewogenheit Ihrer Politik sprechen, auch angesichts der Wirtschaftspolitik einer unverbesserlich marktgläubigen FDP?
Ich sage: Wir brauchen Zukunftsperspektiven für die kommunale Wirtschaft. Das werden Sie zwar einerseits nicht bestreiten, aber andererseits belasten Sie kommunale Betriebe nun mit dem vollen Mehrwertsteuersatz. Darüber hat der Ministerpräsident heute natürlich geschwiegen. Kein Wort war heute von Ihnen zu den beschlossenen höheren Müll- und Abwassergebühren zu hören, die zu bezahlen sind, wenn Schwarz-Gelb den kommunalen Unternehmen die volle Mehrwertsteuer abverlangt.
Ich sehe darin einen versteckten Angriff auf die kommunale Daseinsvorsorge. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir befürchten, dass der Frontalangriff mit der im Koalitionsvertrag angekündigten Abschaffung der Gewerbesteuer kommen wird. Die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth - sie weist bekanntermaßen zur SPD keinerlei Nähe auf - spricht von einer Demontage der kommunalen Selbstverwaltung.
Herr Ministerpräsident, Sie haben ausgeführt, dass Sie bei der Beherbergung einen neuen Steuertatbestand schaffen werden. Das ist eine Sonderbehandlung. Wir werden genau hinsehen, ob damit auch Investitionen in die bayerische Hotellerie verbunden sind, ob sich die Qualität im Tourismus erhöht und ob die Löhne in der Branche steigen werden. Irgendwie passt das aber nicht zusammen. Sie erhöhen die Steuern bei den kommunalen Unternehmen, bei der Beherbergung setzen Sie sie jedoch wieder herunter. Hier die Steuern rauf, dort die Steuern herunter. Meine Damen und Herren, das ist doch kein stringentes Steuerkonzept.
Auch in der Wirtschaftspolitik gibt es keine klare Linie. Die FDP will keinen Ladenschluss. Bei der CSU weiß man das noch nicht. Ich glaube, sie ist dafür. Herr Zeil will 100 Millionen Euro für sein Haus. Herr Fahrenschon winkt ab. Herr Thalhammer von der FDP will an stillen Feiertagen bis morgens um 3 Uhr tanzen, als hätten wir in Bayern gegenwärtig keine größeren Probleme.
Meine Damen und Herren, problematisch wird es dann, wenn die Streitereien in der Koalition auf dem Rücken von Unternehmen und Beschäftigten ausgetragen werden. Bei der Frage nach möglichen Staatshilfen für die von der Quelle-Insolvenz hart getroffene Region Nürnberg-Fürth warfen sich Regierungsmitglieder wochenlang gegenseitig Inkompetenz, Versäumnisse und Wortbruch vor. Herr Zeil, Sie waren mit der Situation überfordert. Das sind nicht meine Worte. Sie kennen diese Worte. Es war Ihr Kabinettskollege Dr. Markus Söder, der Ihnen dies attestiert hat. Heute ist er nicht da. Der CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hat noch einmal nachgelegt: Frau Leutheusser-Schnarrenberger sollte lieber ihren FDP-Minister Zeil zu mehr Leistung motivieren, damit dieser endlich einmal aus den Pantoffeln komme. Für leistungslose Politik bekomme die FDP von der CSU kein Lob.
Es gibt aber noch einen Dritten, der sich hierzu geäußert hat, nämlich der Ministerpräsident höchstpersönlich. Dieser hat Herrn Zeil ein Zwischenzeugnis ausgestellt: "Professionell ist so etwas nicht." Das war ein wörtliches Zitat. Dieses Zwischenzeugnis ist ernüchternd.
Herr Ministerpräsident, ich frage Sie: Sie haben einen Minister, der nicht aus den Pantoffeln kommt und von dem Sie sagen, er sei nicht professionell. Warum haben Sie Herrn Zeil eigentlich nicht entlassen? In anderen Kabinetten heißt es: Der ist unprofessionell. Der muss weg.
CSU und FDP werfen sich wechselseitig Wählertäuschung vor. Der Ministerpräsident und sein Stellvertreter halten sich gegenseitig für überfordert und für ihr jeweiliges Amt ungeeignet. Meine Damen und Herren hier im Hohen Hause, ich frage Sie: Wer von den beiden hat eigentlich recht?
"In der Koalition kracht es gewaltig" schrieb die "Augsburger Allgemeine" im August. "Der Feind in meinem Bett" titelte der "Münchner Merkur" am 24. August dieses Jahres. "Schwarz-gelbe Koalition streitet wie nie zuvor" schrieb die "Süddeutsche Zeitung". Die "Mittelbayerische Zeitung" hat ebenfalls, wie ich finde, eine sehr schöne Überschrift gefunden: "CSU und FDP pöbeln weiter". Eine weitere Überschrift: "Streit zwischen CSU und FDP verschärft sich - Bayern vor Regierungskrise". Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort Nachhaltigkeit in den letzten Monaten - insbesondere im Wahlkampf - reichlich überstrapaziert. Wirklich nachhaltig ist nur die Zerstrittenheit in Ihrer Koalition.
Auch in Berlin waren die Koalitionsverhandlungen, wie man hört, offenbar schwierig. "Jeder, bloß nicht die Ilse" raunte es auf den Fluren bei den Koalitionsverhandlungen. Es sollte bloß keiner aus der CSU ins Agrarministerium. Das war offensichtlich der Hilferuf der CSU an die Kanzlerin: Nein, wir wollen für die bayerischen Bauern keine Verantwortung übernehmen. Das ist uns alles zu heiß. Bitte nicht mehr die CSU ins Agrarministerium. Die Kanzlerin hat Sie offensichtlich nicht erhört. Die
Herr Ramsauer, dem der Parteichef, Medienberichten zufolge, vor einiger Zeit nicht einmal genug Zugkraft bescheinigen wollte, als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl ins Rennen zu gehen, wird nun Verkehrsminister. Er hat auch gleich den ersten Vorschlag zur Finanzierung der Steuergeschenke gemacht, nämlich die Ramsauer-Maut. Das ist der CSU-Straßenzins, der dem Flächenstaat Bayern besonders viel Geld einbringt, der allerdings unökologisch und unsozial ist. Herr Ramsauer hat diesen Vorschlag auch schon einen Tag später wieder zurückgenommen. Er hat sich zu allen möglichen Ladenhütern der deutschen Verkehrspolitik geäußert, allerdings nicht zu den wichtigen Zukunftsfragen.
Von Januar bis September 2009 wurden über 550.000 Pkw neu zugelassen, davon nur ganze 17 mit Elektroantrieb. Das wäre ein Thema für Herrn Ramsauer. Darum sollte er sich kümmern. Ich sage: Die Verkehrspolitik des neuen Ministers darf nicht zulasten einer zukunftsorientierten Mobilität, zulasten der Umwelt und zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Transport und der Logistik gehen. Da gibt es auch noch einen weiteren Minister, nämlich Herrn Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg. Als Verteidigungsminister wird er keine Massekredite mehr vertrödeln können. Wir erwarten aber von ihm eine Strategie, bis wann die Bundeswehr aus Afghanistan abgezogen werden kann.
Die afghanischen Sicherheitskräfte sollten bis 2013 soweit aufgebaut sein, dass die Grundlagen für einen Abzug geschaffen sind. In Wahrheit ist es auch kein Zufall, dass K.T. - so nennt er sich selbst - 5.000 Kilometer weit entfernt von Bayern Politik machen darf. Ich sage: K.T. ist weg und H.S. ist froh. Das ist doch die Wahrheit.
Eines ist auch klar: Die 124 Seiten des Koalitionsvertrags haben auf Horst Seehofer offensichtlich wie ein kleiner Hormonschub gewirkt. Für kurze Zeit war die allgegenwärtige Amtsmüdigkeit des Ministerpräsidenten fast vergessen. Er kündigte an, 2013 noch einmal zwei weitere Verträge mit der FDP unterschreiben zu dürfen oder zu wollen - im Freistaat und im Bund. Das war gleich ein doppelter Schock. Zum einen ist das der Abschied von der absoluten Mehrheit der CSU, und zum anderen ist in die CSU-Mitglieder auch noch ein kleiner Schreck gefahren: Der Ministerpräsident tritt durch die Hintertüre noch einmal als Ministerpräsident an.
Meine Damen und Herren, wir wissen, dass die Politik von Herrn Horst Seehofer auf den schnellen Augenblick ausgerichtet ist. Langfristig angelegt ist offensichtlich seine Karriereplanung. Sonst steht er für das stetige Hecheln nach kurzfristigen politischen Erfolgserlebnissen. Was für Manager der Quartalsbericht ist, sind für ihn Umfragen und Zeitungsmeldungen. Die Kurzfristigkeit des Shareholder Value in der Wirtschaft findet ihre Parallele in der Politik und im Handeln der CSU.
Meine Damen und Herren, die mangelnde Nachhaltigkeit, die ich schon einige Male kritisiert habe, spiegelt sich auch in der Umweltpolitik wieder. Markus Söder, das fränkische Brennelement der CSU - er ist heute leider nicht hier -, ist ein Umweltminister, der von sich sagt, er stehe für die Bewahrung der Schöpfung ein. Gleichzeitig kämpft er aber für die Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken. Jeden Tag entstehen alleine in bayerischen Kernkraftwerken 400 Kilogramm Atommüll aus Brennelementen. Darunter sind vier Kilogramm hoch giftiges Plutonium. Diese Zahlen sollten uns wirklich veranlassen, darüber nachzudenken, ob es Herr Minister Söder wirklich so mit der Nachhaltigkeit seiner Umweltpolitik meint.
Wer die Laufzeit von Atomkraftwerken verlängert, wer den Atomkonsens infrage stellt, wer einen jahrzehntelangen gesellschaftlichen Großkonflikt aufs Neue heraufbeschwört, wer das Endlagerproblem simplifiziert und in Bezug auf Gorleben dogmatisiert, wer die Energiewende behindert, wer Investitionen in erneuerbare Energien erschwert, wer für eine Generation Atomstrom den nächsten 30.000 Generationen der Menschheit mit Atommüll eine schwere Hypothek auferlegt, der hat als Umweltminister jegliche, aber wirklich jegliche Glaubwürdigkeit verspielt, sollte er sie jemals gehabt haben.
Markus Söder ist ein Umweltminister, der hoch gefährlichen Atommüll aufhäuft wie sein Sitznachbar Schulden. Heute sitzen sie allerdings nicht nebeneinander, weil Herr Söder nicht da ist. Diese Regierung verkörpert das Gegenteil von Nachhaltigkeit.
Bleiben wir bei Georg Fahrenschon. Auch er macht Schlagzeilen: Rekordschulden, Milliardenhaushaltsloch hausgemacht. Er gibt widerwillig unbrauchbare Auskünfte zur Landesbankaffäre. Er verbreitet widersprüchliche Meldungen - gestern so, heute ganz anders. Hinzu kommt, dass der Finanzminister den Ministerpräsidenten eigentlich hätte warnen müssen: Halt, bis hierhin und keinen Schritt weiter! Ein bisschen
Bernd Weiß hätte Ihnen gut getan, Herr Fahrenschon. Sie sollten auch mal dem Ministerpräsidenten die Stirn zeigen und sagen, nein, das geht nicht mehr, das können wir nicht mehr machen. Sie dürfen das nicht erst dann tun, wenn es schon zu spät ist. Das Ja in Ihrem Amt ist kompliziert.
Wir hätten von Ihnen erwartet, dass Sie regulierende Positionen als Konsequenz aus der Wirtschafts- und Finanzkrise in die schwarz-gelben Papiere mit einfließen lassen. Ganz offensichtlich werden aber die für die Finanzkrise Verantwortlichen nicht an den Folgekosten dieser Krise beteiligt. Es gibt keine Börsenumsatzsteuer und keine Tobin-Steuer. Die Managergehälter werden nicht ernsthaft eingeschränkt. Es gibt keinerlei Instrumente zur Eindämmung der Spekulation. Herr Fahrenschon, dazu hätten wir von Ihnen etwas erwartet. Es kam nichts.
Ich rufe es noch einmal in Erinnerung: Eine solide Finanzpolitik, die Bewahrung der natürlichen Ressourcen, eine wertgebundene soziale Marktwirtschaft. Herr Ministerpräsident, Ihre Politik wird diesen Zielen nicht gerecht, sie läuft Ihnen sogar zuwider.
Ich komme nun zum Fazit meiner Ausführungen. Der Koalitionsvertrag atmet die Mentalität der Kanzlerin: Hauptsache, ich regiere. Er atmet den unbedingten Machtwillen eines Guido Westerwelle und die populistische Kurzatmigkeit von Horst Seehofer.
Der Koalitionsvertrag hat keinen zentralen Leitgedanken. Eine Überschriftensammlung aus wohlklingenden Marketingbegriffen ist sicher kein in sich konsistenter Politikentwurf für die nächsten Jahre und Jahrzehnte. Der Koalitionsvertrag ist ein Schuldenvertrag. Er schafft in weiten Teilen mehr Probleme, als er löst. Die Trends sind erkennbar: Privat vor Staat, Eigensinn vor Solidarität. Die neue Bundesregierung - soviel scheint festzustehen - lässt das soziale Klima in Deutschland und in Bayern kälter werden. Der Koalitionsvertrag ist ein Dokument der vertagten Probleme. Wenn ich nicht mehr weiter weiß, schaffe ich einen Arbeitskreis. Die Probleme werden mit der Zeit jedoch nicht kleiner. Die damit verbundenen Kosten werden gewiss nicht geringer.
Wir Sozialdemokraten werden aus einer konstruktiven Opposition heraus die Schwachstellen der schwarz-gelben Politik sowohl im Bund als auch hier im Freistaat aufzeigen. Wir werden uns kraftvoll für eine lückenlose Aufklärung einsetzen, wenn wie etwa bei der Landes
bank offensichtlich schwere Fehler gemacht werden. Meine Fraktion wird eigene Konzepte einbringen und dort, wo es sinnvoll und notwendig erscheint, mit der Staatsregierung auch kooperieren. Ich denke an die Gewährleistung schneller und unbürokratischer Hilfen in der Region Nürnberg-Fürth und auch an andere Fragen. Selbstverständlich stehen wir für den Dialog bereit.
Eines werden wir ganz sicher nicht tun: Die SPD steht nicht für ein Streichkonzert im Sozialhaushalt und im Bildungshaushalt zur Verfügung.