Protocol of the Session on October 27, 2009

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang zitieren, was Innenminister Herrmann gestern, nachdem die SPD-Fraktion zu dem Thema eine Pressekonferenz abgehalten hat, gesagt hat. Das ist so unbeschreiblich, dass ich Ihnen die Rede nicht vorenthalten möchte. Ich zitiere, was Innenminister Herrmann zur Forderung nach einem kommunalen Wahlrecht für alle gesagt hat:

Die Forderung der SPD nach einem kommunalen Wahlrecht für alle Ausländer ist ein integrationspolitischer Irrweg.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Da schau her!)

Das Wahlrecht allein schafft noch keine Integration. Für mich heißt erfolgreiche Integration vielmehr ein klares Bekenntnis zu Deutschland und seiner Werteordnung. Dieses Bekenntnis gibt ab, wer nach Abschluss der Integration die deutsche Staatsangehörigkeit mit allen Rechten und Pflichten erwirbt. Das Wahlrecht steht damit nicht am Anfang, sondern am Ende der Integration.

(Beifall bei der CSU)

Ich bin hier nicht so freudig erregt wie Sie. Ich zitiere Herrn Minister Herrmann weiter:

Es gibt gar keinen Grund, Ausländern, die sich bewusst gegen die deutsche Staatsangehörigkeit entscheiden, das Kommunalwahlrecht nachzuwerfen.

Ja Hallo! In welchem Jahrhundert befindet sich dieser Innenminister? - Bestimmt nicht im 21. Jahrhundert, allerhöchstens im Mittelalter!

(Beifall bei der SPD)

Herr Herrmann hat die Zeichen der Zeit überhaupt nicht erkannt. Ich bin erschüttert, dass er eine Idee derart kommentiert.

(Allgemeine Unruhe)

Es ist mir wirklich zu laut hier im Raum, wenn ich das einmal sagen darf.

(Anhaltende Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Bitte lassen Sie die Rednerin ausreden. Bitte schön, Frau Zacharias.

Danke schön. Das Gute ist aber, und das sage ich an die Adresse der FDP gerichtet: Ihre Landesvorsitzende, Frau Leutheusser-Schnar

renberger ist Unterzeichnerin dieser wunderbaren Aktion.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube also, dass dieser Teil des Hauses mit uns stimmen wird. Sie müssen das noch nicht heute entscheiden, wir haben noch die Ausschusssitzungen. Es muss Ihnen aber klar sein, dass Sie diesen Gesetzentwurf nur mittragen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Schwesterpartei der CDU, vielleicht haben Sie es noch nicht mitbekommen, aber ich möchte noch einmal auf Thüringen eingehen, wo die CDU das kommunale Wahlrecht geändert hat. Die Thüringer haben das eingeführt, was die CSU in Bayern bisher abgelehnt hat, das Mitspracherecht von Nicht-EU-Bürgerinnen und Nicht-EG-Bürgern. - - Sehen Sie, jetzt bin ich schon ganz durcheinander, weil ich immer in die leeren Reihen schaue. Es geht also um das Mitspracherecht von Jugendlichen in Bürgerversammlungen und um das Mitspracherecht von Jugendlichen, die noch nicht in einer Gemeinde wählen dürfen und unter 18 Jahren sind. Sie haben das bislang abgelehnt, doch die Thüringer sind Ihnen weit voraus. Was aber in Thüringen geht, das muss doch auch in Bayern gehen.

(Beifall bei der SPD)

Ich fordere Sie daher auf, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungsfraktion, diesen Punkten in unserem Gesetzentwurf zuzustimmen und ihn gründlich zu lesen. Sie werden einwenden, ein solches Mitspracherecht für Nicht-EU-Ausländer und für Jugendliche in Bürgerversammlungen gibt es doch. Das ist richtig, aber es muss beantragt werden. Ich möchte, dass es ein gesetzliches Mitspracherecht gibt und nicht erst auf Antrag. Stellen Sie sich einmal vor, da lebt ein Ausländer, der nicht über die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der EU verfügt in einer Gemeinde. Stellen Sie sich vor, er lebt schon länger in der Gemeinde als ein deutscher Einwohner. Trotzdem darf er nicht mitmachen, darf er nicht mitwählen, darf er nicht mitbestimmen. Das ist nicht mein Verständnis.

(Beifall bei der SPD)

Ich will Ihnen noch etwas mit auf den Weg geben. Das Bundesverfassungsgericht hat betont, mit zunehmender Aufenthaltsdauer der in Deutschland lebenden Drittstaatsangehörigen wächst deren Grundrechtsposition. Somit lasse sich ihr vollständiger Ausschluss von politischen Beteiligungsrechten, bei politischen Wahlen auf allen Ebenen - ich betone das - politisch und rechtlich nicht legitimieren.

Ich frage mich also, und hier spreche ich die jugendpolitischen Sprecher der Fraktionen an: Mit welchem Recht dürfen Jugendliche unter 18 nicht mitsprechen? Wir wissen, dass die Politikverdrossenheit gerade bei jungen Menschen sehr groß ist. Lassen Sie uns früh mitreden.

(Beifall bei der SPD)

Dann wird Demokratie und Toleranz eingeübt. Was die jungen Menschen an Schulen vielleicht nicht erleben durften, das können sie dann wenigsten bei Gemeindeoder Bürgerversammlungen erleben. Wie notwendig das ist, brauche ich Ihnen, so glaube ich, nicht zu erzählen.

Ich muss kürzen, denn die Zeit vergeht im Fluge.

(Tobias Thalhammer (FDP): Noch eine Minute, 40 Sekunden!)

- Ich habe noch eine Minute, genau.

Sie haben sogar noch etwas mehr.

Ich möchte noch etwas zur Geschichte der Einführung des kommunalen Wahlrechts für EU-Ausländer sagen. Dieses Recht ist auf den Vertrag von Maastricht im Jahre 1993 zurückzuführen. Damals wurde es eingeführt. Sie haben unsere Anträge immer wieder abgelehnt. Ich erinnere an ein bizarres Wortgefecht. Franz Schindler und andere haben im Jahr 1995 noch einmal dafür gesprochen, doch auch damals haben Sie es abgelehnt.

Abschließend möchte ich sagen: Überwinden Sie Ihre innere Scheu. Es geht um Menschen, die in der Mitte unserer Gesellschaft leben, die Mehrwertsteuer bezahlen und an unserer Gesellschaft teilhaben. Geben Sie diesen Menschen die gleichen Rechte, die wir haben. Ich denke, hier müssen Sie einmal über Ihren Schatten springen. Ich freue mich auf unsere Beratungen in den verschiedenen Ausschüssen. Ich bleibe dabei, die FDP wird uns unterstützen müssen. Ich sehe unseren Gesetzentwurf also auf ausgezeichneten Startfüßen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat das Wort Herr Kollege Christian Meißner. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Zacharias besitzt die charmante Eigenschaft, unsere Argumente - oder die von ihr vermuteten Argumente - vorwegzunehmen. Manchmal sind wir jedoch zu Überraschungen fähig. Deshalb

müssen Sie vorsichtig sein, wenn Sie Argumente vorwegnehmen. Anstatt sich ein Gefecht - das waren Ihre Worte - innerhalb der Ersten Lesung mit Herrn Minister Herrmann zu liefern, müssen Sie nun mit mir vorliebnehmen. Ich hoffe, Sie verkraften das. Wir werden noch viel Zeit haben, um ausführlich darüber zu reden. Ich staune ein wenig darüber, dass schon der zweite Gesetzentwurf von der SPD stammt. Ein Gesetzentwurf zur Aufhebung der Altersgrenze; der andere Gesetzentwurf zum Jugendwahlrecht.

In absehbarer Zeit erwarten wir im Innenausschuss den Bericht des Innenministers zur Kommunalwahl. Ich denke - damit will ich Sie überraschen -, dass wir sämtliche Diskussionen rund um das Wahlrecht führen sollten, wenn der Bericht des Innenministeriums gegeben worden ist. Das wird bald der Fall sein. Anschließend können Sie mit mir über Einzelheiten wie die Bürgerversammlung reden. Ich möchte jedoch nicht, dass Sie meinen Standpunkt schon vorher festlegen. Sie und ich sind schon bei der einen oder anderen Bürgerversammlung gewesen. Welche Bürgerversammlungen, die kommunalpolitische Verantwortung tragen, verweigern Ihnen das Wort? Wenn wir uns über dieses Thema unterhalten wollen, werden wir in den Ausschüssen dazu Gelegenheit finden.

Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet, weil Sie die Pressemitteilung von Minister Herrmann vorgelesen haben. So war sie jedem im Saal noch einmal ausführlich zugänglich. Zu dem speziellen Fall, auf den sich die Pressemitteilung bezieht, habe ich im Prinzip wenig hinzuzufügen.

(Isabell Zacharias (SPD): Das glaube ich Ihnen gerne!)

Sie haben den Aspekt "passives Wahlrecht" angesprochen. Sie wollen die Altersgrenze von 21 Jahren abschaffen, da diese unbegründet sei. Sie fragen, warum nicht jemand mit 18 Jahren Oberbürgermeister oder Landrat werden könne. Dieses Thema sollten wir besser der Diskussion überlassen. Über diesen Aspekt müssen wir insgesamt nachdenken. Sie behaupten, dass ein Jugendlicher bis 21 Jahre nach Jugendstrafrecht verurteilt werden solle, jedoch gleichzeitig mit 18 Jahren Landrat werden dürfe. Ich stimme Ihnen zu, dass eine Diskussion darüber geführt werden muss, ob die Volljährigkeit mit 18 Jahren in allen Bereichen eingeführt werden sollte. Allerdings müssen wir aufpassen, dass wir nicht mit zweierlei Zungen sprechen. Ansonsten sollten wir das Gefecht in die Ausschüsse verlagern. Das letzte Gefecht legen wir in die Zweite Lesung Ihres Gesetzentwurfs. Ich freue mich darauf. Bis dahin.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Der Ordnung halber möchte ich festhalten, dass eine Redezeit von 5 Minuten pro Fraktion festgelegt worden ist. Sie haben diese Redezeit unterschritten. Herr Felbinger, bitte schön.

(Zuruf von der CSU)

Ich wollte nur darauf hinweisen, weil ansonsten gesagt werden könnte: Dies erklärt er jetzt, nachdem die CSU gesprochen hat. Deswegen wollte ich ausdrücklich darauf aufmerksam machen, dass Sie die Redezeit nicht überzogen haben, damit keine Benachteiligung der anderen Fraktionen aus der nachträglichen Mitteilung abgeleitet werden kann. Herr Felbinger, jetzt haben Sie das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der SPD ist sehr mannigfaltig und spricht verschiedene Aspekte an. Im Grundsatz geht es jedoch um das gleiche; das Wahlrecht und die politische Mitwirkung. Zunächst möchte ich das Mitwirkungsrecht von Jugendlichen ansprechen. Zu diesem Thema werden wir im Rahmen von Planspielen im Bayerischen Landtag mit vielen Schulen konfrontiert. Über dieses Thema wird immer wieder diskutiert. Eine bessere Beteiligung von Jugendlichen an politischen Prozessen ist aus unserer Sicht nur wünschenswert. Leider sieht die Realität oft anders aus. Wenn man sich mit dem Thema intensiv auseinandersetzt und eine Studie der Universität Hohenheim heranzieht, stellt man fest, dass viele der 16-Jährigen nicht wissen, um was es bei der Wahl geht. Der Studie der Universität Hohenheim zufolge wissen die Jugendlichen noch nicht einmal, was der Begriff "Opposition" bedeutet, was Wolfgang Schäuble beruflich macht oder ob Guido Westerwelle - das wird die FDP besonders freuen - womöglich Mitglied der Linkspartei ist.

(Tobias Thalhammer (FDP): Aber man kennt ihn!)

Die Hohenheimer Forscher kommen jedoch insgesamt zu dem Urteil, dass die Jugendlichen zwar interessiert, jedoch überfordert seien. Demnach seien 16-jährige Jugendliche politisch genauso interessiert wie 18-jährige Erstwähler. Jedoch wüssten sie weniger über Politik und verstünden diese unabhängig von ihrem Bildungsstand schlechter. Da es in der Oberstufe und in der Berufsschule zusätzlichen Politikunterricht gebe, wüssten die Erstwähler mehr über Politik und verstünden diese besser als 16-jährige Jugendliche.

Damit sind wir bei den Kernthemen der größeren Mitwirkung von Jugendlichen in der Politik und der Absenkung des Alters beim passiven Wahlrecht, die diskutiert werden müssen. Der Sozialkundeunterricht führt an den bayerischen Schulen ein karges Stiefmütterchendasein. Interessant ist, dass im Zusammenhang mit

den Planspielen im Bayerischen Landtag mehr politische Bildung im Sozialkundeunterricht von den Schülern ausdrücklich gefordert wird. Dies ist die Voraussetzung für das Absenken des Wahlalters und der Einführung des Kommunalwahlrechts ab 16. Deswegen können wir uns Ihrer Forderung, den Sozialkundeunterricht entsprechend auszuweiten, und Ihrem Wunsch nach mehr Mitwirkungsrechten für Jugendliche auf kommunaler Ebene anschließen.

Hinsichtlich der Wahl von Bürgermeistern und Landräten ist unsere Position folgende: Aufgrund der Verantwortung und des Weitblicks, die das Amt eines Bürgermeisters oder Landrates einfordert, sehen wir aus den oben genannten Gründen keinen Spielraum, das Alter für das passive Wahlrecht zu ändern. Stattdessen sollten wir uns Gedanken über das kommunale Wahlrecht für Jugendliche machen.

Die Debatte über die Integration von ausländischen jugendlichen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Bezug auf das Mitspracherecht bei Bürgerversammlungen ist eine Scheindebatte, Frau Kollegin Zacharias. In diesem Punkt besteht kein Handlungsbedarf. Ich habe während einer Bürgerversammlung noch nie erlebt, dass ein Bürgermeister einem ausländischen Mitbürger oder einem Jugendlichen das Wort verweigert hat. Sie wissen genau, dass der Bürgermeister in diesem Fall kein schönes Leben mehr hätte, da er in den Zeitungen zerrissen würde. Für die Wählbarkeit zum Ersten Bürgermeister oder zum Landrat sollte aus Sicht der Freien Wähler der Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft vorausgesetzt werden. Nur dann ist ein klares Bekenntnis zur Bundesrepublik Deutschland vorhanden und eine Integration weitgehend vollzogen.